- Duz-Comment
-
Duzen ist im Deutschen eine Form der Anrede. Es bedeutet, jemanden mit „Du“ anzureden, im Gegensatz zur Anrede mit „Sie“, dem Siezen (siehe Höflichkeitsform).
Größtenteils abgekommen sind die alten Formen des Ihrzens und Erzens (wobei diese letzte Form sehr starke Ähnlichkeit mit dem Berliner Er hat).
Damit man zwischen direkter Anrede und echten Pluralformen bzw. dritter Person unterscheiden kann, wird das Personalpronomen "Sie" bei direkter Anrede im Deutschen groß geschrieben. Das Personalpronomen „Du“ kann kleingeschrieben werden, üblich und erlaubt ist jedoch die Großschreibung bei direkter Anrede in Briefen, E-Mails etc.
Inhaltsverzeichnis
Generelle Bedeutung von Anreden
Wer wen mit welcher Form anzusprechen hat, wird meist durch ein ungeschriebenes und im stetigen Wandel befindliches Regelwerk gesellschaftlicher Handlungsnormen bestimmt. So kann in bestimmten Situationen die Du-Form, in anderen die Sie-Form angebracht sein.
Die Du-Form kann Nähe und Vertraulichkeit ausdrücken. Die Sie-Form kann im Gegensatz dazu Distanz und Förmlichkeit, aber auch Respekt signalisieren.
Ebenfalls kann über ein „Du“ auch eine Dominanz angezeigt werden, wenn der Höhere den Niederen duzt und der Niedere den Höheren dennoch zu siezen hat. Umgekehrt kann diese asymmetrische Anrede zwischen einem Jugendlichen und einem Älteren aber auch vom Jüngeren ausdrücklich gewünscht sein, entweder um Respekt zu zeigen, aber auch, um die Unabhängigkeit der eigenen Subkultur vor der Vereinnahmung durch Ältere zu schützen.
Geschichtlicher Hintergrund
Im Hebräischen, Altgriechischen, Lateinischen und Gotischen kennt oder kannte man ausschließlich das Duzen.
Schon im 8. und 9. Jahrhundert werden Fürsten und andere hohe Würdenträger mit „Ihr“ angesprochen (geihrzt). Für hohe Würdenträger und Lehnsherren setzte sich in ganz Europa der Pluralis Majestatis durch. Im Prinzip benutzte man einfach statt der Personalpronomen des Singulars eine Pluralform, d. h. statt „ich“ ein „wir“ und statt „du“ ein „ihr“.
Im 17. Jahrhundert war das „Erzen“ die Anrede durch Vorgesetzte und Standeshöhere, z. B. „Kerl, hat Er überhaupt Pulver auf der Pfanne?“. Diese Formen waren im Deutschen noch bis ins 20. Jahrhundert üblich.
Das gemeine Volk wurde von Klerus und Adel geduzt, während dieses die gesellschaftlich Höhergestellten mit einer Pluralform und gegebenenfalls weiteren Titeln wie „mein Herr“ anzureden hatte. Innerhalb der normalen Landbevölkerung wurde bis zum Ende des Mittelalters in der Regel jeder geduzt, der keine besondere Stellung inne hatte, auch vollkommen Fremde. Dies trifft man selten noch heute in verschiedenen ländlichen Regionen des deutschsprachigen Raums an, so zum Beispiel im Berner Oberland oder Teilen Tirols.
Im höfischen Zeitalter war das „Ihrzen“ allgemein verbreitet, auch im Stadtbürgertum. Dabei sprachen sich sogar Familienmitglieder untereinander im Plural an. Beispiel: „Vater, ich wollte, Ihr ließet mich hinaus ziehen, um mein Glück zu versuchen“.
Das Ihrzen ist heute noch wenig im deutschen Südwesten, also in Baden, im Schwäbischen, im Pfälzischen und im Rheinland sowie in einigen Gegenden der Schweiz, besonders im Berndeutschen, und im Elsass verbreitet. Es kommt auch in Sprachinseln, etwa bei den Wolgadeutschen vor. Es wird vor allem in dialektaler oder dialektnaher Sprache verwendet und wird meist als Zwischenstufe zwischen Duzen und Siezen empfunden, kann aber auch die einzige Höflichkeitsform darstellen (so im Berndeutschen).
Beim Übergang der ständischen Gesellschaft in eine bürgerliche im 19. Jahrhundert wurde das Siezen bzw. die Anrede Herr, Frau und Fräulein für alle Bürger eingeführt. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass man einerseits dem Volk die Gleichstellung aller Bürger signalisieren wollte, andererseits vor allem Adlige sich nicht duzen lassen wollten. Diese hatten bis zur endgültigen Auflösung der Monarchie Ende des Ersten Weltkriegs entsprechenden Einfluss. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich das Siezen aus der städtischen Gesellschaft, die im Mittelalter sozial über der Landbevölkerung stand, auf das gesamte Land ausgebreitet hat, nicht zuletzt deshalb, weil die Verwaltung zentral aus den Städten erfolgte.
Im Zuge des 20. Jahrhunderts hat das Streben nach sozialer Gleichheit nur das „Du“ für die Nähe, das „Sie“ für die Ferne übrig gelassen. Wird jetzt auch noch die Nähe Aller zueinander angenommen, bleibt nur noch das „Du“ übrig (lange schon als „Bruder-Du“ in Schulklassen, in studentischen Verbindungen, in Arbeiterparteien, Gewerkschaften sowie früher im österreichisch-ungarischen Offizierskorps) bekannt.
Unter Studenten galt bis in das 19. Jahrhundert hinein die Bestimmung, dass man sich zu duzen habe (Duz-Comment). Dies ging während des 19. Jahrhunderts stark zurück und fand sich bis in das frühe 20. Jahrhundert nur noch in Tartu unter den Studenten deutscher Nationalität. Mitglieder derselben Verbindung hielten den Duz-Comment allerdings untereinander noch ein. Ungefähr seit den 1960er Jahren ist es jedoch unter normalen Studenten in Deutschland allgemeinen üblich einander zu duzen, ohne damit etwas Persönliches ausdrücken zu wollen.
Bei den Anhängern des Kommunismus bzw. Marxismus hat dieses schon eine Tradition die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Sie schafften in ihrer gegenseitigen Anrede nicht nur das Siezen ab, sondern ersetzten auch die ursprünglich feudalherrschaftlichen Titel „Herr“ und „Frau“ bzw. „Fräulein“ mit der Anrede „Genosse“ und „Genossin“.
Soziologische Modelle
Laut den Soziologen Bettina und Lars Clausen[1], sind Anredeformen ein Ausdruck sozialer Ungleichheit. Für soziale Gleichheit habe es keine Anredeform gegeben, soziale Ungleichheit sei normal gewesen, und nur für diese Fälle seien in der Sprache eigene Sitten vonnöten gewesen:
Große soziale Distanz sei durch die grammatikalische „Dritte Person" signalisiert worden, und das habe bedeutet, dass von oben nach unten (im Singular) geerzt worden sei, von unten nach oben gesiezt (im Plural) – nicht selten sogar in der verschärften Form: „Erlauben Durchlaucht mir, eine Ehe einzugehen?“
Bei sozialer Nähe sei hingegen die „Zweite Person“ zuständig gewesen, es sei dann von oben nach unten geduzt worden (im Singular), von unten nach oben geihrzt (im Plural).
Damit sei also für die Anrede von „oben“ nach „unten“ der Singular, für die Anrede von „unten“ nach „oben“ der Plural zuständig gewesen
Deutscher Sprachraum
Am Ende des 20. Jahrhunderts gilt im gesamten deutschsprachigen Raum die Regel, dass in erster Linie nur Familienangehörige und enge Freunde (siehe Duzfreund) geduzt werden. Fremde werden grundsätzlich gesiezt, es sei denn, es handelt sich um Kinder. Ein Lehrer duzt beispielsweise seine Schüler, die Schüler siezen ihren Lehrer; erst in der Oberstufe gehen die Lehrer zum Siezen oder Hamburger Siezen über. Erst wenn man sich gegenseitig (herkömmlich die/der Ranghöhere die/den Rangniedrigeren[2]) „das Du anbietet“, wird das Siezen in der Regel hinfällig. Traditionell ist es dem Älteren oder höher Gestellten vorbehalten, das „Du“ anzubieten.
Ein einmal gegenseitig verwendetes „Du“ wird normalerweise zeitlebens nicht mehr zurückgenommen. Zwei Menschen, die sich etwa seit Kindertagen kennen oder aus anderen Gründen früher geduzt haben, behalten diese Anredeform auch später bei – selbst dann, wenn sie sich für lange Zeit aus den Augen verloren haben und dann in einer völlig neuen Situation wiedererkennen.
Es gibt Situationen, in denen die Grenzen zwischen Duzen und Siezen aufgehoben oder verschoben werden. So ist es durchaus üblich, dass Personen, die im ungezwungenen sozialen Kontakt per Du sind, sich im offiziellen Sprachverkehr siezen, insbesondere wenn diese Gespräche beobachtet und protokolliert werden. Dies findet man vor allem in Ämtern vor. Auch führt die Benutzung des „Du“ auf der sprichwörtlichen Betriebsfeier nicht zwangsläufig dazu, dass dieselbe Vertrautheit am nächsten Tag noch Bestand hat (vgl. Brüderschaft trinken).
Auch gibt es regionale Unterschiede. So ist es beispielsweise im Bairischen, im Zentralrheinischen und im Westfälischen nicht unüblich, auch eine fremde Person mit „Ihr“ anzusprechen, wenn diese stellvertretend für eine größere Gruppe von Personen steht (z. B. eine Kellnerin, die quasi das komplette Gasthaus repräsentiert). Im Gegensatz zum oben erwähnten „Ihrzen“ wird hier also nicht eine einzelne Person mit „Ihr“ angesprochen, sondern es handelt sich um eine echte Pluralform des „Du“ (es wird so getan, als ob die anderen Personen auch anwesend wären und mit angesprochen würden).
In Österreich ist in den letzten Jahren der Gebrauch des „Du“ immer mehr angewachsen, so werden schon in der Werbung und auf vielen Plakaten die potentiellen Kunden eher geduzt. Im täglichen Sprachgebrauch gibt es regionale Unterschiede. In ländlichen Gebieten dominiert das „Du“, aber auch in Graz, der zweitgrößten Stadt des Landes, ist es mittlerweile üblich, dass sich jüngere Personen bis etwa 30 Jahren gegenseitig in jeder Situation duzen.
Auch beim österreichischen Bundesheer kommt es mittlerweile öfter vor, dass Chargen und Unteroffiziere nach Ende der Grundausbildung den Grundwehrdienern das „Du“ anbieten und im täglichen Dienstbetrieb dann, je nach Situation in einem bestimmten Ausmaß, eher kumpelhafte Umgangsformen vorherrschen; allerdings ist es im Bundesheer verboten, dass Vorgesetzte die Untergebenen ohne deren Zustimmung einseitig duzen.
In den deutschsprachigen Teilen der Schweiz benutzt man das Du generell häufiger als in Deutschland oder in Österreich, was nicht selten mit der fehlenden Adelstradition oder der basisdemokratischen Ausrichtung des Landes in Verbindung gebracht wird. So werden in einem Großteil der Schweizer Unternehmen nur die obersten Vorgesetzten gesiezt; sehr oft gilt aber auch der Grundsatz, dass man über sämtliche Stufen hinweg ausschließlich das Du benutzt.
So wird bei Freizeitaktivitäten, in Vereinen oder unter Nachbarn in der Regel bei der ersten Begegnung ohne vorgängige Abmachung gleich das "Du" verwendet.
Auch in einer vergleichsweise hierarchischen Institution wie dem Schweizer Militär ist es nicht ungewöhnlich, wenn in einer Einheit ungeachtet aller Rangunterschiede nur geduzt wird. Dies soll den Korpsgeist fördern und unterstreicht den Grundgedanken der Milizarmee, ein Volksheer zu sein. In Rekrutenschulen und anderen Ausbildungen wird allerdings nach wie vor Wert auf ein korrektes formales Verhalten gelegt und in der Regel siezt man einander. Formeller Umgang mit An- und Abmelden schliessen aber ein Duzen nicht grundsätzlich aus. Unter Gleichrangigen, unabhängig ob Mannschaft oder Kader, ist das Duzen wiederum Usus. Ferner ist in der Schweizer Armee noch die sog. "3000-Meter-Regel" erwähnenswert. So gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, dass in Seilschaften oder spätestens ab einer Höhe von 3000 Metern alle Formalitäten zwischen Vorgesetzten und Unterstellten wegfallen - somit auch das Siezen. Dies hat ganz praktische Gründe. So ist ein Bergführer oft Chef einer Gruppe von Offizieren, während er selber nur Soldat ist. Trotzdem obliegt ihm die Verantwortung, und er muss Befehle erteilen. Ein Duzen vereinfacht dabei die Kommunikation immens und fördert zugleich den Sinn für die gemeinsame Seilschaft.
In einigen schweizerdeutschen Dialekten (vor allem im Berndeutschen) ist nicht "Sie", sondern die 2. Person Plural ("Ihr") die übliche Höflichkeitsform. Für Besucher aus Deutschland ist zudem die Verwendung des Wortes "Tschüss" heikel: In der Schweiz wird dieses vor allem gegenüber Personen verwendet, mit denen man auf Du ist. Beim Verlassen eines Ladens ist es also unüblich, sich bei einer wildfremden Verkäuferin mit einem "Tschüss" zu verabschieden.
Situations- und gruppenbezogenes Duzen
In einer Anzahl Situationen (wie beispielsweise in akuter Gefahr) ist das Duzen auch zwischen Personen üblich, die einander nicht persönlich kennen. Dies gilt außerdem innerhalb von bestimmten Berufsgruppen und Subkulturen. Duzen ist außerdem unter jungen Leuten üblich, die in keinem förmlichen Verhältnis zueinander stehen; doch schwankt die Definition von „jung“ in diesem Zusammenhang sozial und regional stark.
In der Kommunikation per Computer (DFÜ) ist es zumeist selbstverständlich, sich zu duzen, insbesondere für Bereiche, in denen nur junge Leute und/oder Computerfreaks verkehren. In einigen dieser Bereiche gilt das Siezen als eine der stärksten denkbaren Beleidigungen. Das Medium E-Mail wird heute jedoch auch für geschäftliche Kommunikation genutzt, wo eine eher förmliche Sprache angebracht ist.
Duzen als Beleidigung
Der herablassende Beiklang des Duzens (von oben nach unten) kann durchaus als gezielte Unhöflichkeit benutzt werden.
Juristisch wird dementsprechend von deutschen Gerichten ein nicht ausdrücklich erlaubtes Duzen als Beleidigung gewertet, auch bei Privatpersonen und nicht nur dann, wenn Amtsträger wie beispielsweise Verkehrspolizisten geduzt werden. Doch wird dieses Vergehen, wie alle Formen der Beleidigung, gewöhnlich nur auf Antrag des Beleidigten strafrechtlich verfolgt.
Wenn die Aufforderung, einander zu duzen, vom Rangniederen ausgeht, wird dies gelegentlich als beleidigend aufgefasst. Eine scharfe Reaktion kann dann die Form der Gegenbeleidigung annehmen: „Ich erinnere mich nicht daran, dass wir miteinander Schweine gehütet haben.“ Oder milder: „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir im Sandkasten miteinander gespielt haben!“
Die Rückkehr zum Siezen oder allgemeines Siezen wird strafrechtlich nicht als Beleidigung aufgefasst. Es wird dennoch gezielt eingesetzt, um eine nunmehr gewünschte Distanz auszudrücken und eine Person fortan aus dem Kreis der Vertrauten auszugrenzen, aber auch um zu signalisieren, dass man jemanden für arrogant hält und nichts mehr mit ihm zu tun haben will.
Internationaler Vergleich
Die Tendenz zum Duzen nimmt heute im Deutschen zu. Seit Anfang der 1970er hat sich das Du in anderen Sprachen Europas, beispielsweise im Finnischen, Schwedischen, Dänischen und Norwegischen allgemein durchgesetzt (siehe Du-Reform). In den Niederlanden (nicht jedoch im flämischen Belgien) ist das Duzen seit den 1970er Jahren wesentlich weiter verbreitet als in Deutschland, auch zwischen Vorgesetzten und Untergebenen.
In Frankreich wird in höheren sozialen Schichten teilweise gesiezt bzw. genauer: geihrzt. Sogar enge Freunde reden sich bisweilen in zweiter Person Plural an, das Duzen ist somit gleichsam auf Familienmitglieder beschränkt, und selbst zwischen Kindern und Eltern wird zuweilen die Höflichkeitsform verwendet. In der Mittelschicht hingegen dominiert das Du, vor allem in der Arbeitswelt.
Englischsprachiger Raum
Im Englischen wurde die frühere Höflichkeitsform „you“ (zweite Person Plural) gleichzeitig zur zweiten Person Singular. Es ersetzte die ältere Form „thou“ auch im familiären Bereich, so dass heute dort im Bereich der Pronomen keine unterscheidbare Höflichkeitsform mehr existiert. Das altertümliche „Thou“ hingegen ist hoch intim (obwohl ursprünglich Nähe ausdrückend) und dem Gebet zu Gott vorbehalten, aber zum Beispiel unter Quäkern gezielt wieder eingeführt worden.
Dennoch gibt es auch im Englischen und insbesondere heute den kommunikativen Unterschied des Du/Sie. Dieser wird mit der Verwendung des Vornamens (vgl. das „Hamburger Sie“), des Nachnamens oder durch Verwendung/Weglassen bestimmter Titel ausgedrückt. Anders als im Deutschen gibt es auch unter Erwachsenen Beziehungen, in denen dauerhaft der eine beim Nachnamen und der andere beim Vornamen genannt wird.
Entsprechend dem „Herr“ und „Frau“ im Deutschen wird „Mister“ und „Mis’ess“ vor den Nachnamen bei unvertraulicher Anrede verwendet. Bei straffen Hierarchien wie dem Militär wird von unten nach oben mindestens die regelmäßige Anrede „Sir“ bzw. „Ma’am“ verlangt, oder wie in allen Sprachen üblich, die Anrede mit dem militärischen Rang.
In Firmen und Konzernen geht in den Vereinigten Staaten seit vielen Jahren der Trend zur „Formlosigkeit“. Alle reden einander unabhängig von ihrer Beschäftigungsdauer und Stellung mit ihren Vornamen an. Der Hintergedanke dabei ist vor allem, ein Gemeinschaftsgefühl bzw. ein familiäres Umfeld zu Gunsten der Produktivität zu schaffen. Ärzte und andere medizinische Fachkräfte sprechen ihre Patienten als fürsorgliche Geste durchweg mit dem Vornamen an; dafür entfällt meist der in Deutschland übliche Handschlag. Umgekehrt werden Ärzte, wenn sie sich nicht selbst mit dem Vornamen vorstellen, mit Titel und Nachnamen angesprochen.
In den USA ist es an Universitäten und in Forschungsgruppen heute weitgehend üblich, dass sich Dozenten und Professoren unabhängig vom akademischen Grad mit dem Vornamen ansprechen. Oft gilt das auch für Studenten jenseits Bachelor, sollte aber nie vorausgesetzt werden (formelle Ansprache, bis der Dozent den Vornamen anbietet; zum Teil sogar mündliche Ansprache mit dem Nachnamen, wenn der Vorname im Schriftverkehr angeboten wurde und umgekehrt). Studenten vor dem Bachelor hingegen reden Dozenten in der Regel generell mit ihrem Nachnamen und dann meist auch mit ihrem Titel (Dr. XY) an; hat der Dozent nicht promoviert, wird er als Prof. XY angesprochen (nicht zu verwechseln mit der deutschen Anrede Professor oder Prof. Dr. nach der Habilitation). An manchen Fakultäten erstreckt sich die formellere Nachnamens-Anrede gegenüber Dozenten auch auf Studenten nach dem Bachelor, selbst wenn sie bereits jahrelang berufstätig waren und ein mittleres Alter erreicht haben: Sie sprechen dann die Dozenten/Professoren mit Titel und Nachname an, werden aber selbst mit dem Vornamen angeredet. Studenten untereinander sprechen sich mit dem Vornamen an, in aller Regel selbst Studenten vor und nach dem Bachelor, wenn letztere als Lehrassistenten (teaching assistants, kurz TAs) Kurse leiten.
Von Kindern und jüngeren Teenagern wird in den Vereinigten Staaten erwartet, dass sie Erwachsene, die nicht zur Familie gehören, mit dem Nachnamen ansprechen. Dies gilt besonders für die Anrede von Schullehrern und anderen Autoritätspersonen. Viele Amerikaner behalten diese Gewohnheit bis ins Erwachsenenalter bei und sprechen etwa auch die Lehrer ihrer Kinder mit dem Familiennamen an.
Deutsche Synchronfassungen englischsprachiger Filme
Bei der Synchronisierung von Filmen kommt es auf Grund dieser Umstände häufig zu Übersetzungsfehlern, die in bizarr wirkender Kommunikation münden können. Am häufigsten siezen einander die Personen und benutzen gleichzeitig den Vornamen (vgl. Hamburger Sie). Eine gewissenhafte Übersetzung erfordert, dass man während des gesamten ursprünglichen Dialoges beobachtet, in welcher Situation sich die sprechenden Personen befinden (z.B. noch vor oder schon nach der ersten Intimität) oder, ob sie einander irgendwann mit Vornamen oder Titel anreden.
Bei synchronisierten englischsprachigen Filmen fällt oft auf, dass militärische Vorgesetzte gegenüber Untergebenen stets auf dem an die Antwort angehängten „Sir“ bestehen. Der Grund dafür ist, dass man im Englischen nur durch dieses Anhängsel die hierarchische Beziehung erkennen kann. Ansonsten entspräche die Anrede der zwischen Soldaten gleichen Ranges.
Anmerkungen
- ↑ Bettina Clausen, Lars Clausen, Zu allem fähig, Frankfurt am Main 1985
- ↑ Herkömmlich ist gleichfalls, dass zwischen den Geschlechtern die Dame immer als die Ranghöhere gilt.
Literatur
- Werner Besch: Duzen, Siezen, Titulieren. Zur Anrede im Deutschen heute und gestern.. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998, ISBN 3-525-34009-5.
Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!
Wikimedia Foundation.