- Friedrich Sarre
-
Friedrich Sarre (* 22. Juni 1865 in Berlin; † 31. Mai 1945 in Babelsberg, Villenkolonie Neubabelsberg) war ein deutscher Orientalist, Archäologe, Kunsthistoriker sowie ein bedeutender deutscher Sammler islamischer Kunst.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
Archäologische Studien erweckten sein Interesse und er begann früh zu reisen. In Smyrna (heute Izmir) begegnete er Carl Humann, der ihm empfahl, die großen Baudenkmäler des mittelalterlichen Anatoliens aufzusuchen, denen bis zu jener Zeit wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden war. 1895 organisierte Sarre eine Reise durch Phrygien, Lykien und Pisidia und eine längere nach Zentral-Kleinasien 1896, Dabei stellte er fest, dass die dortigen Bauwerke eine genaue und akribische Bestandsaufnahme benötigten und er bereitete sich darauf vor, selbst der Fotograf zu sein, und zwar in einem Maße, das zu jener Zeit selten war. Es mag vergessen sein, dass man bis 1880 die Emulsionen für die Glas-Negative während der Reise selbst zubereiten musste. Und er nahm immer einen ausgebildeten und kompetenten Architekten mit auf seine Reisen. Das Ergebnis dieser Reisen nach Kleinasien, Persien und Turkestan sind die großen Arbeiten von einer Schönheit, die schwer zu übertreffen ist. Die Reisen in Persien wurden 1897-98 und Turkestan 1899-1900 durchgeführt.[1]
Siehe hierzu auch die Ausstellung seiner Photos: Pergamonmuseum 31. März - 19. Aug. 2007.[2]
1899 stellte er seine im Iran und Istanbul gesammelten Kunstgegenstände in Berlin aus und auch 1903 in Paris auf der „Exposition des arts musulmans“.
Wilhelm von Bode, dessen Nachfolger Sarre wurde, besaß eine einmalige Sammlung orientalischer Teppiche und hatte auch solche für das Museum erworben. Er galt als Kapazität und auch Sarre tätigte einige Ankäufe in Istanbul. Als Fredrik Robert Martin 1905 die seldschukischen Teppiche in der Alaaddin ('Ala' al-Din) Moschee in Konya entdeckte, war dort ein Däne am deutschen Konsulat, Herr Loytved, anwesend, der die Fotoaufnahmen und Aquarellzeichnungen, die auf Anordnung des Großveziers Ferid Pascha für HRH Prinz Wilhelm von Schweden gemacht werden sollten, überwachte. F. R. Martin schreibt in seiner Fußnote No.247 seines Buches[3], dass Herr Loytved von diesen Kopien anfertigte und nach Berlin schickte. Sarre reproduzierte diese und veröffentlichte den Artikel „Mittelalterliche Knüpfteppiche“ im Oktober 1907 in der österreichischen Zeitschrift „Kunst und Kunsthandwerk“, ohne diese gesehen zu haben. Dieser Artikel erregte natürlich großes Aufsehen. Erst ein Jahr später erschien das Buch von F. R. Martin über seine Entdeckung.
Für seine Arbeit interessierten sich Arabisten und Epigraphiker wie Bernhard Moritz (1859–1939) und Max van Berchem (1863–1921) sowie Eugen Mittwoch, mit dem er 1914 ein Buch über die Zeichnungen von Reza Abbasi herausgab,[4] sowie Erzeugnisse islamischer Kunst: Sammlung Sarre.
Ernst Herzfeld begegnete er 1905.
Im Winter 1907/1908 brachen Friedrich Sarre, damals Leiter der neu gegründeten islamischen Abteilung des Kaiser-Friedrich-Museums in Berlin, und der Archäologe Ernst Herzfeld (1879-1948) zu einer Reise in das Euphrat- und Tigrisgebiet auf, um einen geeigneten Platz für erste großflächige Ausgrabungen an einem Siedlungspunkt islamischer Zeit zu finden, und so diese Epoche neben den aufsehenerregenden laufenden altorientalischen Feldforschungen in Babylon und Assur als eigenständiges Wissenschaftsgebiet zu etablieren. Für die Umsetzung dieser ehrgeizigen Pläne wählten die beiden Wissenschaftler Samarra, ab 836 Hauptstadt der Abbasiden.[5]
Von 1921-1931 war Sarre Direktor der islamischen Abteilung im damaligen Kaiser-Friedrich-Museum, dem heutigen Museum für Islamische Kunst. Darin befindet sich u.a. das von Sarre 1912 erworbene Aleppo-Zimmer sowie ein Manuskript seines bekannten Werks „Archäologische Reise im Euphrat- und Tigrisgebiet.“ Die Gebetsnische (Mihrab) aus der iranischen Stadt Kaschan mit 2,80 m Höhe und 1,80 m Breite aus lüstrierten Fliesen ist seit dem Erwerb durch Sarre 1927 in England heute eines der Prunkstücke im Museum. Sie ist signiert von dem Meister al-Hasan bin Arabschah und stammt nach unserer Zeitrechnung aus dem Jahre 1226. Die Inschriften wurden von Ernst Kühnel gelesen.[6]
Sarre schenkte den Großteil seiner Sammlung dem Kaiser-Friedrich Museum in Berlin.[7] Viele seiner Bücher, Fotografien und Papiere wurden zerstört, als ab dem 5. Juni 1945 sein Haus zur Vorbereitung der Potsdamer Konferenz geräumt wurde.[8]
Familie
Sarre war noch sehr jung, als seine Eltern starben. Er wuchs bei seiner Tante, Elise Wentzel-Heckmann (1832-1913)[9] auf. Sie war als einzige Frau Mitglied der Berliner Akademie. 1900 heiratete Sarre Maria Humann (1875-1970), die Tochter des Ausgräbers von Pergamon, Carl Humann. Sein Schwager war der Offizier und Geschäftsmann Hans Humann. Er lebte um 1924 in Neubabelsberg (heute Potsdam-Babelsberg) (Bergstr. 6, heute Spitzweggasse 6) und verstarb hier. Das Haus war nach dem Ersten Weltkrieg zu einem Treffpunkt der Berliner Oberschicht geworden. Seine Tochter Marie-Louise Sarre war im Widerstand des Solf-Kreises.
Werke (Auswahl)
- Reise in Kleinasien, Berlin 1896
- Rembrandts Zeichnungen nach indisch-islamischen Miniaturen. In: Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen. Bd.25, 3 Berlin 1904
- Transkaukasien - Persien - Mesopotamien - Transkaspien. Land und Leute, Berlin 1899
- Denkmäler persischer Baukunst., 2 Bände. Berlin 1901-10
- Art de la Perse ancienne, Cres & Cie Verlag, Paris 1921
- Die Kunst des Ostens, Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1922
- Die Kunst des alten Persien, Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923
- Forschungen zur islamischen Kunst. mehrere Bände, D. Reimer, Berlin
- Keramik und andere Kleinfunde der islamischen Zeit von Baalbek, W. de Gruyter, Berlin 1925
- Die Ergebnisse der Ausgrabungen von Samarra im Kaiser-Friedrich-Museum, G. Grote, Berlin 1922
- Konia - Seldschukische Baudenkmäler; (Denkmäler persischer Baukunst); T. 1/ unter Mitwirkung von Georg Krecker und Max Deri, E. Wasmuth, Berlin 1921
- Der Kiosk von Konia, Verlag f. Kunstwissenschaft, Berlin 1936
- Alt-orientalische Teppiche. Sarre und Hermann Trenkwald, Hrsg. vom Österreichischen Museum für Kunst und Industrie, Wien, A. Schrell & Co., Wien 1926
Weblinks
- Literatur von und über Friedrich Sarre im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Bücher Sarre im Internet Archiv – online zu lesen
- Dictionary of Art Historians (englisch)
- Villa Sarre
- Records of F. Sarre in the Ernst Herzfeld Papers Collections Search Center, S.I.R.I.S., Smithsonian Institution, Washington, D.C.
Literatur
- Johann Heinrich Schmidt: Friedrich Sarre, Schriften. Zum 22. Juni 1935 zusammengestellt. Berlin 1935.
- Ernst Kühnel: Friedrich Sarre. In: Der Islam. 29 (1950), S. 291-295.
- Harry Nehls: »Gottes ist der Orient!« Vergessene Kunstwerke aus der Sammlung des Berliner Orientalisten Friedrich Sarre. In: Museums Journal. 4 (1995), S. 6ff.
- Harry Nehls: Palmyra in der Gelehrtenvilla. Ein wiederentdecktes Grabrelief aus der Sammlung F. Sarre. In: Antike Welt. 4 (1995), S. 271f.
- Volkmar Enderlein: Sarre, Friedrich. In: The Oxford Encyclopedia of Archaeology in the Near East. Oxford University Press, New York 1997, S. 491.
Einzelnachweise
- ↑ Quelle: Übersetzung aus dem Englischen
- ↑ Orientfotos um 1900 von Friedrich Sarre – Kalender-Eintrag beim Staatlichen Museum zu Berlin
- ↑ Fredrik Robert Martin: A History of Oriental Carpets before 1800. Printed for the author with subvention of the Swedish Government in the I. and R. State and Court Printing Office, Vienna 1908.
- ↑ Zeichnungen von Riza Abbasi. Bearb. von Friedrich Sarre – Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- ↑ Das Schicksal der Funde aus Samarra. auf: samarrafinds.info
- ↑ Friedrich Sarre und Ernst Kühnel: Zwei persische Gebetsnischen aus lüstrierten Fliesen. In: Amtliche Berichte aus Preußischen Kunstsammlungen, vol. 49, 1928
- ↑ The Friedrich Sarre Berlin Mughal Saph. (englisch) – Artikel bei Persian Rugs Persian Carpets and Oriental Rugs Oriental Carpet
- ↑ Jens Kröger: Die Sammlung des Orientalisten, Archäologen und Kunsthistorikers Friedrich Sarre (1864-1945). In: Privates und öffentliches Sammeln in Potsdam: 100 Jahre „Kunst ohne König“. Berlin 2009, ISBN 978-3-86732-069-6.
- ↑ vgl. Hermann Wentzel
Direktoren des Museums für Islamische Kunst (Berlin)Direktoren vor der Teilung: Wilhelm von Bode (1904–1921) | Friedrich Sarre (1921–1931) | Ernst Kühnel (1931–1951)
Sammlung in Dahlem: Kurt Erdmann (1958–1964) | Klaus Brisch (1966–1988) | Michael Meinecke (1988–1991)
Sammlung auf der Museumsinsel: Wolfgang Dudzus (1959–1965) | Volkmar Enderlein (1965–1991)
Wiedervereinigte Sammlung: Michael Meinecke (1992–1995) | Volkmar Enderlein (1995–2001) | Claus-Peter Haase (2001–2009) | Stefan Weber (seit 2009)
Wikimedia Foundation.
Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:
Sarre — steht für: den französischen Namen des Flusses Saar und davon abgeleitet: den französischen Namen des Saarlandes ein ehemaliges französisches Département, siehe Département de la Sarre einen Nebenfluss des Blavet in der Bretagne, Frankreich,… … Deutsch Wikipedia
Friedrich-Joachim Stengel — (1694–1787) Friedrich Joachim Michael Stengel (* 29. September 1694 in Zerbst/Anhalt; † 10. Januar 1787 in Saarbrücken) war ein deutscher Baumeister im Zeitalter des Barock. Während seiner wichtigsten Wirkungsphase in Saarbrücken schuf Stengel… … Deutsch Wikipedia
Friedrich Stengel — Friedrich Joachim Stengel (1694–1787) Friedrich Joachim Michael Stengel (* 29. September 1694 in Zerbst/Anhalt; † 10. Januar 1787 in Saarbrücken) war ein deutscher Baumeister im Zeitalter des Barock. Während seiner wichtigsten Wirkungsphase in… … Deutsch Wikipedia
Friedrich Joachim Stengel — (1694–1787) Friedrich Joachim Michael Stengel (* 29. September 1694 in Zerbst/Anhalt; † 10. Januar 1787 in Saarbrücken) war ein deutscher Baumeister im Zeitalter des Barock. Während seiner wichtigsten Wirkungsphase in Saarbrücken sc … Deutsch Wikipedia
Friedrich-Wilhelm-Gymnasium (Trier) — Friedrich Wilhelm Gymnasium Schulform Gymnasium Gründung 1561 Ort Trier … Deutsch Wikipedia
Friedrich Georg Pape — au club des Jacobins mayençais (1792) Friedrich Georg Pape, francisé en Fréderic George Papé, né le 3 juillet 1763 à Fehrenbracht (dans la commune de Finnentrop) et mort le 11 mai 1816 à Trèves, est un homme politique mayençais, personnalité de… … Wikipédia en Français
Friedrich Pfordt — (* 18. Februar 1900 in Landsweiler; † 12. Oktober 1957 in Saarbrücken) war ein saarländischer Politiker (KPD). Pfordt arbeitete zunächst bei den Eisenbahnwerkstätten in Neunkirchen als Schlosser. Zu Ende des Ersten Weltkrieges wurde er vom… … Deutsch Wikipedia
Friedrich V. (Hessen-Homburg) — Landgraf Friedrich V. von Hessen Homburg Friedrich V. Ludwig Wilhelm Christian (* 30. Januar 1748 in Homburg vor der Höhe; † 20. Januar 1820 ebenda) war von 1751 bis zu seinem Tode Landgraf von Hessen Homburg. Seine Eltern waren Friedrich IV. von … Deutsch Wikipedia
Sarre — I Sarre [saːr], französischer Name der Saar. II Sạrre, Friedrich, Kunsthistoriker, * Berlin 22. 6. 1865, ✝ Neubabelsberg (heute zu Potsdam) 31. 5. 1945; richtete die Islamische Abteilung der Berliner Museen ein, Begründer der islamischen… … Universal-Lexikon
Friedrich von Mellenthin — Pour les articles homonymes, voir Mellenthin. Friedrich Wilhelm von Mellenthin (1904 1997) était Generalmajor dans l armée allemande pendant la Seconde Guerre mondiale. Biographie Mellenthin naît le 30 août 1904 à Breslau, en Silésie, dans une… … Wikipédia en Français