GWG-Skandal

GWG-Skandal

Der GWG-Skandal war 1998 ein Immobilienskandal und der vom Wert betrachtet bisher größte Skandal in Wuppertal. GWG bezieht sich auf die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft mbH Wuppertal, 1937 als Wohnungsunternehmen in Wuppertal gegründet. Geschäftsführer ist Harald Röllecke, seine Vorgänger waren Johannes Hiesgen von der CDU und Helmut Sperling von der SPD.

Inhaltsverzeichnis

Der Verlauf des Skandals

Hiesgen und Sperling mussten sich verantworten, als Elmar Schulze, damaliger Kämmerer der Stadt Wuppertal, 1998 in den Aufsichtsrat der GWG gewählt wurde und den Oberbürgermeister Hans Kremendahl über die im Geschäftsbericht 1997 ausgewiesenen hohen Verluste von rund 15 Millionen Deutsche Mark und die Vergabe von Aufträgen an immer wieder gleiche Unternehmer informiert hatte.

Nach der von Kremendahl angeregten Sonderprüfung durch das Rechnungsprüfungsamt wurden im Dezember 1998 beide Geschäftsführer vom Dienst suspendiert, kommissarischer Geschäftsführer wurde Harald Röllecke, der später vom Aufsichtsrat im Amt bestätigt wurde. Röllecke entband die Prüfer im August 2000 von ihrer Schweigepflicht und überließ dem Landeskriminalamt die Firmenakten. Zu diesem Zeitpunkt liefen bereits die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Hiesgen und Sperling. Auch bei weiteren Unternehmen und Privatpersonen erwirkte das Landeskriminalamt Durchsuchungsbeschlüsse in- und außerhalb Wuppertals wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue.

Im Oktober 2000 wurde der frühere Wuppertaler Oberamtsanwalt und seit Mitte der 1980er als Berater für Bauinvestoren tätige Gerd Kolbe verhaftet. Kolbe war sowohl im Vorstand der Dresen-Stiftung und der Halbach-Stiftung, in welcher Funktionen er an die GWG wegen des Baus von Seniorenwohnungen für betreutes Wohnen vom Caritasverband Elberfeld und der Diakonie Wuppertal herantrat. In beiden Fällen handelte es sich um hohe Investitionskosten für die GWG, die sich durch spätere Mieteinnahmen nicht amortisieren ließen. Dem Aufsichtsrat wurden beide Projekte jedoch als besonders aussichtsreich dargestellt, zumal bei den Elberfelder Wohnungen Uwe Reiter, Geschäftsführer der Diakonie Elberfeld, die Pläne unterstützte. Auch beim Bau der Wohnungen für Studenten an der Tannenbergstraße trat Kolbe als Vermittler auf, diesmal für den Grundstücksverkäufer. Das Gelände der ehemaligen Brauerei Carl Bremme wurde 1995 von der GWG für geplante Wohnungen, Geschäfte, und Gastronomie gekauft, wieder sei ein völlig überhöhter Preis gezahlt worden, basierend erneut auf undurchsichtigen Wertberechnungen.

Es folgten Vorwürfe wegen Annahme von Kolbes Zuwendungen gegen Michael Hartmann, den früheren Chefredakteur der Westdeutschen Zeitung, gegen den Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Bremme-Gelände liefen (bis heute liegt das Bremme-Gelände brach), sowie Rainer Wolff, den Chef der Wuppertaler Rundschau. [1] Auch das Bremme-Projekt wurde dem Aufsichtsrat der GWG als gewinnbringend vorgestellt, auch hier erfüllten sich die Prognosen nicht. Das Rechnungsprüfungsamt bezweifelte Ende 1998, „dass der Aufsichtsrat seine Überwachungsaufgaben ordnungsgemäß wahrgenommen“ habe. Es wurde zudem festgestellt, dass die GWG bei vielen ihrer Geschäfte eine unwirtschaftliche Finanzierungspraxis an den Tag legte. Vorratsdarlehen, die als Festgeld angelegt waren, wurden plötzlich als Eigenkapital deklariert und eingesetzt, auch bei den drei oben genannten Verlustprojekten. Die städtischen Verantwortlichen hätten alle diesbezüglichen Warnungen des Rechnungsprüfungsamt stets verworfen. Die Folge war laut Rechnungsprüfungsamt eine immer stärkere Verschuldung und das stete Sinken der Eigenkapitalquote.

Die weiteren Ermittlungen zielten auf den Ratsherrn der Wuppertaler Grünen, Horst Westmeier, dem im Mai 2002 Bestechlichkeit vorgeworfen wurde. Er beriet die Halbach-Stiftung und erhielt dafür zwischen 1994 und 1996 insgesamt 29.000 Deutsche Mark. Daraufhin wurde ihm die von der Stadtverwaltung finanzierte Renaturierung des Halbachs zugestanden.

Nachspiel vor Gericht

Neben weiteren Ermittlungen beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Sachwerte wie Autos, Uhren, Goldbarren und ein Klavier und fror Konten ein, damit bei Verurteilungen entstandene Schäden wenigstens zum Teil kompensiert werden konnten. Gleichzeitig sprach die Staatsanwaltschaft der GWG im Falle von Verurteilung das grundsätzliche Recht auf eingeklagtes Geld zu. Von Hiesgen, Sperling und Kolbe wurden nach Angabe Rölleckes jeweils 1,8 Millionen Deutsche Mark als dingliche Arreste deklariert, das heißt, dass sie über diese Gelder nicht verfügen durften. Bei Gerlich ging es um 2,5 Millionen Deutsche Mark. Insgesamt machte die GWG Schadenersatzforderungen in Höhe von 26 Millionen Euro geltend.

Im April 2001 kam der Kronzeuge [2] Kolbe aus der Untersuchungshaft frei, allerdings nur gegen eine Kaution von einer Million Deutsche Mark. Er wurde 2004 zu dreieinhalb Jahren Haft und Wiedergutmachungszahlung an die GWG von 2,9 Millionen Euro verurteilt, wegen eines Herzinfarkts war der Antritt der Haftstrafe ungewiss.[3] Kolbe trat seine Haft in der JVA Remscheid an, jedoch geht die Staatsanwaltschaft von der Verbüßung im offenen Vollzug aus. [4]

Im Mai 2001 folgten weitere Haftbefehle wegen Bestechlichkeit, Bestechung und Untreue. Verhaftet wurden die beiden ehemaligen GWG-Geschäftsführer, Uwe Reiter, Lothar Pickardt, ehemaliger Direktor der Filiale der Deutschen Bank in Barmen, der Bauunternehmer Thomas Gerlich, ehemaliger Prokurist der GWG‚ Jürgen Steinbach, der Handball-Mäzen und Vorstandsvorsitzende des Telekommunikationsunternehmens Engel AG, Helmut Schmidt, und der Aachener Star-Architekten Sigurd Scheuermann. Es erfolgte eine Hausdurchsuchung beim Wuppertaler Architekten Klaus Schwittay.

Im Mai 2002 erfolgten weitere Untersuchungen durch die Staatsanwaltschaft in Wuppertal, Remscheid und Hattingen. Zudem wurde Schwittay verhaftet, im Juli 2002 aber gegen eine Kaution wieder aus der Untersuchungshaft entlassen.[5]

Im Juni 2002 kam es gegen die ersten Verdächtigen im GWG-Skandal zur Anklage. Ihnen wurde Untreue und Anstiftung zur Untreue im Zusammenhang mit der Dresen- und Halbach-Stiftung, dem Bremme-Gelände und der Tannenbergstraße vorgeworfen.

  • Horst Westmeier musste sich als erster Verdächtiger im GWG-Skandal am 12. September 2002 vor dem Wuppertaler Schöffengericht verantworten. Er wurde zu einer 15 monatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
  • Gegen Uwe Reiter wurde im Juni 2001 vom Landeskirchenamt Rheinland ein Disziplinarverfahren eingeleitet, seinen Posten bei der Diakonie Elberfeld musste er aufgeben.[6] Er wurde wegen gewerbsmäßiger Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in 14 Fällen, gewerbsmäßiger Untreue in zwei Fällen sowie Beihilfe zur gewerbsmäßigen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren Haft auf Bewährung, sowie zu einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt.[7]
  • Lothar Pickardt erhielt trotz seiner schnellen Rückerstattung von 51.000 Euro an die Halbach-Stiftung nach seiner Verhaftung im Mai 2001 21 Monate zur Bewährung und eine Geldstrafe von 27.000 Euro.[8]
  • Im Juli 2001 trat Helmut Schmidt als Vorstandsvorsitzender der Engel AG zurück. Vor Gericht bezeichnete er sich als mittellos und wurde im März 2004 zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren samt einer Geldstrafe von 720 Tagessätzen von je 60 Euro verurteilt worden, wogegen er Revision einlegte.[9]
  • Sigurd Scheuermann akzeptierte einen Strafbefehl wegen Beihilfe zur Untreue mit elf Monate auf Bewährung und einer Auflage von 10.000 Euro an die Staatskasse und 250 Stunden gemeinnützige Arbeit.[10]
  • Klaus Schwittay wurde im Mai 2006 zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen Betruges und Untreue sowie zu einer Geldstrafe von 12.000 Euro wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr verurteilt, sowie die Zahlung von 15.000 Euro an die städtische Hospizstiftung als Bewährungsauflage.[11]
  • Jürgen Steinbach einigte sich mit der GWG außergerichtlich über die Regulierung des Schadens,[12] wurde zunächst auf Bewährung verurteiltet, aber im Juni 2006 freigesprochen.[13]
  • Thomas Gerlich wurde im April 2004 zu einer Zahlung von 4,1 Millionen Euro und zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.[14]
  • Johannes Hiesgen blieb wegen Fluchtgefahr in Haft, wurde aber im August 2002 gegen Kaution aus der Untersuchungshaft entlassen. Er ließ sich während seiner Inhaftierung am Herzen operieren,[15] und es ist weiter offen, ob er seine Strafe von vier Jahren und neun Monaten Haft wegen Untreue im JVA-Krankenhaus verbüßen wird.[16]
  • Das Wuppertaler Landgericht verurteilte Helmut Sperling wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu einer Gefängnisstrafe von viereinhalb Jahren [17] und 1,5 Millionen Euro in Schadenersatz an die GWG. Sperling trat seine Haft in der JVA Remscheid an, jedoch geht die Staatsanwaltschaft von der Verbüßung im offenen Vollzug aus.

Wer mit wem?

Um die Verhaftungen verstehen zu können, ist es vor allem wichtig, auch das Beziehungsgeflecht zu kennen. Sperling und Hiesgen waren die Geschäftsführer der GWG. Gemeinsam mit dem Prokuristen sind sie die Verantwortlichen für die hohen Verluste der GWG. Gerd Kolbe trat sowohl beim Bau der Seniorenwohnungen als auch beim Bau der Tannenbergstraße als Vermittler auf. Thomas Gerlich, der Wuppertaler Bauunternehmer, war bei allen drei genannten Projekten Generalunternehmer. Uwe Reiter trat als Vertreter der Diakonie Elberfeld auf, die die Senioren in den Wohnungen am Hardtberg betreut. Lothar Pickardt war beim Bau der Halbach-Stiftung Geldgeber. Klaus Schwittay ist Architekt zahlreicher GWG-Projekte gewesen. Helmut Schmidt ist Mitgesellschafter des Generalplanungs- und Projektsteuerungsunternehmens IPP, das bei GWG-Projekten als Generalunternehmen auftrat und an dem auch Schwittay beteiligt ist. Und schließlich ist Sigurd Scheuermann Architekt der Dresen-Stiftung an der Hardt. Zahlreiche weitere Querverbindungen, auch zu den weiteren Verdächtigen, sind bisher nur Vermutungen.

Folgen

Die Wuppertaler Staatsanwaltschaft ermittelte seit 1996 gegen 1.300 Korruptionsverdächtige, davon 600 Amtsträger. Der Stadt waren Beinamen wie Bergisch Sizilien und Tal der Korruption verliehen worden. Richter Helmut Leithäuser hatte in dem Verfahren von einer Atmosphäre der Illegalität gesprochen.[18]

Sonstiges

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Dreieinhalb Jahre Haft für Vermittler Kolbe Westdeutsche Zeitung (Online)
  2. GWG-Skandal: Ex-Oberamtsanwalt erkrankt Westdeutsche Zeitung (Online) vom 11. April 2008
  3. Doppel-Revision im Fall Helmut Schmidt Westdeutsche Zeitung (Online) vom 31. März 2004
  4. GWG-Skandal: Ex-Chef und Ex-Vermittler im Gefängnis Westdeutsche Zeitung (Online) vom 7. Januar 2008
  5. Spendenprozess: Neue Zeugen zu Brüne-Aussage Westdeutsche Zeitung (Online)
  6. GWG-Skandal: Ex-Diakonie-Chef nur Beiwerk im Skandal? Westdeutsche Zeitung (Online) vom 5. Juni 2002
  7. Gnadenurteil: Superintendent ist "überrascht" Westdeutsche Zeitung (Online) vom 20. Mai 2006
  8. Doppel-Revision im Fall Helmut Schmidt Westdeutsche Zeitung (Online) vom 31. März 2004
  9. Doppel-Revision im Fall Helmut Schmidt Westdeutsche Zeitung (Online) vom 31. März 2004
  10. Altlasten eines Skandals: Ein Blick zurück im Zorn Westdeutsche Zeitung (Online)
  11. GWG-Skandal: Schelte und Bewährung für Architekten Westdeutsche Zeitung (Online) vom 17. Mai 2006
  12. Einigung mit dem Ex-Prokuristen Westdeutsche Zeitung (Online)
  13. Straf-Nachlass im Schmiergeld-Fall (Bundesgerichtshof) - www.privatrechtskultur.de zitiert Dresdner Neueste Nachrichten vom 30. Juni 2006
  14. Mildes Urteil: Bewährung für Thomas Gerlich Westdeutsche Zeitung (Online) vom 28. April 2004
  15. GWG-Skandal: Ex-Oberamtsanwalt erkrankt Westdeutsche Zeitung (Online) vom 11. April 2008
  16. GWG-Skandal: Ex-Chef und Ex-Vermittler im Gefängnis Westdeutsche Zeitung (Online) vom 7. Januar 2008
  17. GWG-Skandal: Ex-Chef und Ex-Vermittler im Gefängnis Westdeutsche Zeitung (Online) vom 7. Januar 2008
  18. Wuppertal: GWG-Korruptionsprozess beendet WDR (Online) 29. Juni 2004

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