Günther Quandt

Günther Quandt
Günther Quandt (1941)

Günther Quandt (* 28. Juli 1881 in Pritzwalk; † 30. Dezember 1954 in Kairo) war ein deutscher Industrieller aus der Familie Quandt.

Er war der Vater von Hellmut Quandt, Herbert Quandt und Harald Quandt. Seine erste Ehefrau Antonie Ewald starb 1918. Seine zweite Ehefrau Magda Ritschel, Mutter von Harald, heiratete nach der Scheidung 1929 zwei Jahre später Joseph Goebbels.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Bis zum Ersten Weltkrieg

Günther Quandt wurde am 28. Juli 1881 als Sohn des Tuchfabrikanten Emil Quandt (1849-1925) in Pritzwalk geboren. (Emil Quandt hatte in die Familie Draeger – Tuchfabrik Gebr. Draeger/gegr. 1860 – eingeheiratet.)

Nach dem Besuch der Luisenstädtischen Oberrealschule in Berlin absolvierte Günther Quandt einige Lehrjahre in verschiedenen Zweigen der Textilindustrie des In- und Auslandes. Er heiratete Antonie Ewald (1884-1918). 1908 wurde dem Paar der erste Sohn – Helmuth (1908-1927) – geboren.

Im Jahre 1909 war Günther Quandt bereits Mitinhaber der Tuchfabrik der Gebr. Draeger. 1910 wurde der zweite Sohn – Herbert – geboren. Ein Jahr später, im Jahre 1911, wurde Günther Quandt Mitinhaber der Tuchfabrik Friedrich Paul in Wittstock/Dosse. Seine Frau starb 1918 an der Spanischen Grippe.

Erster Weltkrieg und Weimarer Republik

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs war Günther Quandt in der Bewirtschaftung kriegswichtiger Rohstoffe tätig. 1915 wurde er Leiter der „Reichswoll-AG“, seine Firmengruppe war Hauptlieferant der Armee.

Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete Quandt als Referent im Reichswirtschaftsministerium der Weimarer Republik und war für die „Reichsstelle für Textilwirtschaft“ tätig. Erst 1922 schied er aus dem Staatsdienst aus, kehrte nach Pritzwalk zurück und fasste die Werke, an denen er bis dahin schon beteiligt war zu den „Draeger-Paul-Wegener-Werken“ (Pritzwalk und Wittstock) zusammen (nach dem 2. Weltkrieg: Gebr. Draeger GmbH / Stuttgart).

Am 4. Januar 1921 heiratete Günther Quandt die 19 Jahre alte Magda Ritschel (1901-1945). Zehn Monate später wurde am 1. November 1921 Sohn Harald geboren. Nach der Scheidung der Ehe 1929 heiratete sie zwei Jahre später (1931) Joseph Goebbels.

Ab 1922 engagierte Günther Quandt sich zusammen mit August Rosterg mehr und mehr in der Kaliindustrie, insbesondere der 1921 gegründeten Wintershall AG. Daneben gelang es ihm, die Aktienmehrheit der von Adolph Müller gegründeten „Accumulatoren Fabrik Aktiengesellschaft Berlin-Hagen (AFA)“, dem größten Hersteller von Batterien und Akkumulatoren im damaligen Europa – unter anderem für Batterieanlagen für U-Boote – zu erwerben. (1958 wurde die AFA am Standort Berlin in VEB Berliner Akkumulatoren- und Elementefabrik und 1962 die Fabrik am Standort Hagen in VARTA Batterie AG umbenannt).

1928 erlangte Quandt die Kontrolle über die Berlin-Karlsruher Industrie-Werke AG . Das Unternehmen hieß während des Ersten Weltkriegs Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM) und war eine traditionsreiche Rüstungsschmiede. Von den Siegermächten des Ersten Weltkriegs war dem Unternehmen zwar die Produktion von Rüstungsgütern verboten worden, doch Günther Quandt setzte darauf, dass in Deutschland Waffen schon bald wieder eine „große Zukunft“ haben würden.

NS-Deutschland

Quandt und NSDAP

Quandt gehörte zu einer Gruppe von Industriellen, die sich Mitte 1931 mit Adolf Hitler im Berliner Hotel Kaiserhof trafen und der NSDAP im Falle eines Linksputsches 25 Millionen Reichsmark zur Verfügung stellten.[1] Ebenfalls 1931 wurde er Mitglied der Gesellschaft zum Studium des Faschismus, die als ein Bindeglied zwischen konservativen Kreisen und der NSDAP fungierte. Er war ein Teilnehmer des Geheimtreffens vom 20. Februar 1933 von Industriellen mit Hitler, bei dem eine Wahlkampfhilfe von 3 Millionen Reichsmark für die NSDAP beschlossen wurde. Nach der Machtergreifung der Nazis passte Günther Quandt sich an (Spenden der AFA an die NSDAP, Eintritt in die NSDAP am 1. Mai 1933 / Mitgliedsnummer 2636406) – und profitierte. Quandts Betriebe wurden wichtige Zulieferanten für die Rüstungsindustrie, er selbst zum Vorzeigeindustriellen, im Jahre 1937 zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. Im Zweiten Weltkrieg war das AFA-Hauptwerk in Hagen die „Leitfertigungsstelle“ für weitere AFA-Werke in Hannover, Wien und Posen.[2] Hier produzierte das Unternehmen außer den Batterieanlagen für U-Boote und Kleinst-U-Boote vor allem Spezialbatterien für Torpedos und für die „Wunderwaffe“ V2. Weiter wurden Batterien für Panzerfahrzeuge, Funk- und Radargeräte, sowie für Kampfflugzeuge hergestellt.

„Militärtuch, Akkumulatoren, Trockenbatterien, Schusswaffen, Munition, Leichtmetall – wer das alles herstellt, heißt mit Recht Wehrwirtschaftsführer“ (so Das Reich). „Ihre hervorstechendste Eigenschaft aber ist Ihr Glaube an Deutschland und an den Führer“, bescheinigte Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank Günther Quandt im Jahre 1941 in einer Laudatio.[3] Quandts AFA folgte den deutschen Truppen, war bald in Riga, Krakau, Lemberg aktiv.

Konzentrationslager

In den Werken der Quandts wurden Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge in Zwangsarbeit beschäftigt, im AFA-Werk Hagen beginnend im Spätsommer 1940 mit französischen Kriegsgefangenen.

In Folge der verstärkten Rekrutierung deutscher Arbeitskräfte für den Kriegsdienst, der gleichzeitig forcierten Produktion von U-Boot-, Torpedobatterien und Batterien für die „Wunderwaffe“ V2, stieg die Zahl der eingesetzten Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen kontinuierlich an und machte 1944 rund 40 % der gesamten Werksbelegschaft von bis zu 5.800 Arbeitskräften aus. Im DMW-Werk in Karlsruhe waren es etwa 4.500.

Ab Sommer 1943 erfolgte im AFA-Zweigwerk der Einsatz von Häftlingen des KZ Stöcken (Akkumulatorenwerke) (Außenlager des KZ Neuengamme). Rund 1.500 KZ-Häftlinge, die im Lager auf dem Werksgelände untergebracht waren, betrieben die Batterieproduktion in zum Teil bleiverseuchter Umgebung. Auf dem Gelände des Werks in Hannover war ein weiteres KZ-Außenlager untergebracht, einschließlich Exekutionsplatz.

Das KZ Hannover-Stöcken (Continental) in Hannover war ein weiteres Außenlager des KZ Neuengamme, das von Anfang September 1944 nur kurze Zeit mit etwa 1.000 polnischen Juden bestand. Das Lager befand sich neben dem Continentalwerk. Die Häftlinge mussten elf Stunden in der kriegswichtigen Gummiproduktion für die Reifenherstellung von Fahrzeugen arbeiten.

1944 erfolgte im Zweigwerk Wien-Floridsdorf der Einsatz von Häftlingen des Konzentrationslagers Mauthausen. Auch in der AFA-Tochterfirma Pertrix in Berlin-Niederschönweide wurden seit 1944 rund 500 weibliche KZ-Häftlinge dazu gezwungen, mit ätzenden Säuren zu arbeiten.

Diese Arbeitsbedingungen forderten durchschnittlich 80 Tote pro Monat, welche im Voraus mit eingeplant und bewusst als zu erwartende „Fluktuation“ kalkuliert wurden.[4]

Im November 2007 veröffentlichte der Norddeutsche Rundfunk im Fernsehen den Film "Das Schweigen der Quandts".[5] Dem Film zufolge wurden hunderte nicht mehr arbeitsfähige Zwangsarbeiter, die im Akkumulatorenwerk der Quandts in Hannover-Stöcken arbeiteten und in einem benachbarten Außenlager des KZ-Neuengamme untergebracht waren, nach Gardelegen deportiert. Dort wurden sie Opfer der Mordaktion in der Scheune von Isenschnibbe (Mahn- und Gedenkstätte Isenschnibber Feldscheune).

Nachkriegszeit

Günther Quandt versteckte sich bei Kriegsende in Leutstetten am Starnberger See, während sein Sohn Herbert Quandt mit anderen führenden Mitarbeitern der AFA zu dieser Zeit bereits ein Ausweichquartier in Bissendorf bei Hannover bezogen hatte und so die Geschäfte weiterführen konnte.[6] Er wurde erst am 18. Juli 1946 wegen seiner Rolle in der Kriegswirtschaft verhaftet und im Lager Moosburg interniert.[7] Nach seiner Freilassung im Januar 1948 wurde er im Juli 1948 in einem Gerichtsverfahren als Mitläufer eingestuft, obgleich er zur Zeit des Nationalsozialismus zahlreiche Posten bekleidete, im Aufsichtsrat etwa von Daimler-Benz, Deutsche Bank, AEG saß.

Nach Einschätzung von Benjamin Ferencz, der bei den Nürnberger Prozessen für die Anklagebehörde arbeitete, wären Günther Quandt und sein Sohn Herbert ebenso wie Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, Friedrich Flick und die Verantwortlichen der I.G. Farben als Hauptkriegsverbrecher angeklagt worden, wenn die heute zugänglichen Dokumente den Anklägern damals vorgelegen hätten. Die entscheidenden Dokumente zu ihrem Wirken im Dritten Reich lagen den Behörden in der britischen Besatzungszone vor. Die Briten hielten das Material zurück, weil sie erkannt hatten, welche Bedeutung die Batterieproduktion der AFA auch nach dem Krieg hatte, und die Eigentümer deswegen schonen wollten.[8]

Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf der Bildhauer Arno Breker, Hitlers Lieblingsbildhauer, eine Porträtbüste von Günther Quandt, den er seit der NS-Zeit aus Berlin kannte. Der Industrielle saß dem von ihm verehrten Künstler für diese Bronze Modell.

Günther Quandt starb am 30. Dezember 1954 während eines Erholungsurlaubs in Ägypten.

Die Historiker Ralf Blank, der die Rüstungsproduktion in der Accumulatoren Fabrik untersuchte, und Joachim Scholtyseck, der 2011 eine ausführliche Biografie vorgelegt hat, haben Günther Quandt übereinstimmend als "geschickter Opportunist" und ein Unternehmer, der in allen politischen Systemen seinen Vorteil suchte, bezeichnet.[9]

Literatur

  • Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Bd. 5. Hinzert, Auschwitz, Neuengamme. Beck-Verlag, München 2007, ISBN 978-3-406-52965-8, S. 447f.
  • Ralf Blank: Hagen im Zweiten Weltkrieg. Bombenkrieg, Kriegsalltag und Rüstung in einer westfälischen Großstadt. Klartext-Verlag, Essen 2008, ISBN 978-3-8375-0009-7.
  • Ralf Blank: Energie für die „Vergeltung“. Die Accumulatoren Fabrik AG Hagen und das deutsche Raketenprogramm im Zweiten Weltkrieg. In: Militärgeschichtliche Zeitschrift. 66. 2007, S. 102–118.
  • Rüdiger Jungbluth: Die Quandts: Ihr leiser Aufstieg zur mächtigsten Wirtschaftsdynastie Deutschlands. Campus 2002, ISBN 3-593-36940-0.
  • Joachim Scholtyseck: Der Aufstieg der Quandts. Eine deutsche Unternehmerdynastie. Beck-Verlag, München 2011, ISBN 978-3-406-62251-9.

Einzelnachweise

  1. Henry Ashby Turner (Hrsg.): Hitler aus nächster Nähe, Aufzeichnungen eines Vertrauten 1929-1932. Frankfurt am Main/ Berlin/ Wien 1978, S. 372 ff.
  2. Ralf Blank: Hagen im Zweiten Weltkrieg. S. 85-138; Ralf Blank: Energie für die "Vergeltung"
  3. Zit. AFA-Ring, 8, 1941, H. 5, S. 5.
  4. Das Schweigen der Quandts. Dokumentation, 60 Min., Produktion: NDR, Erstsendung, ARD, 30. September 2007, 23:30 h, (Inhaltsangabe) von Netzeitung
    Am 22. November 2007 soll ab 21.00 Uhr eine 90-minütige Langfassung der Dokumentation im NDR gesendet werden.
    Pressemitteilung, NDR, 1. Oktober 2007
  5. Eine kritische, teilweise überzogene Auseinandersetzung mit dem Film bietet Ralf Stremmel: Zeitgeschichte im Fernsehen. Die preisgekrönte Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“ als fragwürdiges Paradigma. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 58 (2010), S. 455-481. Eine Kritik an diesem Aufsatz: Willi Winkler: Seltsamer Revisionismus. In: Süddeutsche Zeitung. 31. Oktober 2010.
  6. Rüdiger Jungbluth: Die Quandts. Campus, 2002, S. 213.
  7. Rüdiger Jungbluth: Die Quandts und die Nazis. In: Die Zeit. 15. November 2007, S. 27–28, (online)
  8. Das Schweigen der Quandts. Dokumentation, 60 Min., Produktion: NDR, Erstsendung, ARD, 30. September 2007, 23:30
  9. Ralf Blank: Hagen im Zweiten Weltkrieg. S. 98; Joachim Scholtyseck, Interview Wirtschaftswoche vom 28. September 2011 (online)

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