Agathokles von Syrakus

Agathokles von Syrakus
Zeichnung einer Büste, die vermutlich Agathokles darstellt; Musei Vaticani, Sala dei Busti

Agathokles (griechisch Ἀγαθοκλῆς Agathoklḗs; * 361 v. Chr. oder 360 v. Chr. in Thermai, heute Termini Imerese auf Sizilien; † 289 v. Chr. in Syrakus) war ab 316 v. Chr. Tyrann von Syrakus und von 305/304 v. Chr. bis zu seinem Tod König eines von ihm geschaffenen sizilischen Reichs. Seinen Aufstieg begann er als Offizier, dann profilierte er sich als Politiker auf der Seite der Anhänger der Demokratie. Wenige Jahre nach seiner Wahl zum Feldherrn übernahm er in einem Staatsstreich die Macht; faktisch wurde er Tyrann, doch blieb die demokratische Verfassung formal in Kraft. Er führte einen langen, verlustreichen Krieg gegen die Karthager und brachte fast den ganzen griechischen Teil Siziliens und Teile Kalabriens in seine Gewalt. Nach dem Friedensschluss mit den Karthagern nahm er den Königstitel an. Seinem Ziel der Herrschaft über die ganze Magna Graecia kam er zeitweilig nahe, doch scheiterte sein Versuch einer Dynastiegründung an einem Zwist in seiner Familie. Nach seinem Tod kamen gegnerische Kräfte an die Macht.

Inhaltsverzeichnis

Quellen

Die Hauptquelle ist Diodor, der in den Büchern 19–21 seiner Universalgeschichte die Epoche des Agathokles schildert. Er folgt vorwiegend dem Geschichtswerk des Timaios von Tauromenion, das nicht erhalten ist. Timaios war ein radikaler Gegner des Agathokles. Daneben standen Diodor weitere, ebenfalls verlorene Quellen zur Verfügung, darunter die anscheinend relativ neutrale Darstellung des Duris von Samos[1] und ein offenbar sehr ausführliches Werk des Kallias von Syrakus über die Taten des Agathokles in 22 Büchern.[2] Kallias schilderte nach Diodors Angaben den Tyrannen positiv, angeblich weil er dafür bezahlt wurde.[3] Diodor kannte auch eine von Agathokles’ Bruder Antandros verfasste Schrift zur Verherrlichung des Tyrannen.[4]

Eine weitere Quelle ist die Epitome des Junianus Justinus, ein Auszug aus den verlorenen Historiae Philippicae des Pompeius Trogus. Trogus stützte sich ebenfalls auf das Werk des Timaios, die Epitome zeigt aber auch Spuren von mindestens einer weiteren von ihm herangezogenen Quelle, deren Autor die Taten des Agathokles offenbar bewunderte. Die dritte Quelle ist Polyainos, der in seinen Strategiká (Kriegslisten) acht kurze Erzählungen bietet, die er wohl teilweise Duris von Samos verdankt.

Herkunft und Jugend

Agathokles war ein Sohn des Karkinos, der aus Rhegion (Reggio Calabria) stammte. Karkinos war aus seiner Heimatstadt verbannt worden, worauf er sich in Thermai niederließ und eine Bürgerin dieser Stadt heiratete. Das an der Nordküste Siziliens gelegene Thermai gehörte zu dem westlichen Teil der Insel, der damals unter der Herrschaft der Karthager stand. Als Agathokles etwa 18 Jahre alt war, übersiedelte die Familie nach Syrakus. Damit folgte Karkinos einem Aufruf des Feldherrn Timoleon, der damals in Syrakus die Tyrannenherrschaft beseitigt hatte und nach seinem Sieg über die Karthager neue Bürger für die entvölkerte Stadt suchte, die unter häufigen Kriegswirren schwer gelitten hatte. So erhielt Karkinos das syrakusische Bürgerrecht. Nach den Angaben der Quellen war er ein einfacher Töpfer, und Agathokles erlernte das Handwerk seines Vaters. In Wirklichkeit muss Karkinos aber ein wohlhabender Mann gewesen sein, dem eine Töpferwerkstatt gehörte.[5]

Noch zu Timoleons Zeit begann Agathokles seine militärische Karriere. Er bewährte sich erst als Soldat, dann als Offizier. Später, nach Timoleons gesundheitsbedingtem Rücktritt vom Feldherrnamt (337 v. Chr.), nahm Agathokles an einem Feldzug gegen Akragas (Agrigent) teil und gewann dabei die Gunst des Feldherrn (Strategos) Damas, der ihn zum Chiliarchen beförderte. Nach Damas’ Tod heiratete er dessen Witwe. Dadurch wurde er zu einem der reichsten Männer in Syrakus, was ihm eine gute Ausgangsbasis für seinen politischen Aufstieg bot.[6]

Nach dem Rücktritt Timoleons trat in Syrakus der traditionelle scharfe Gegensatz zwischen den Demokraten und den Anhängern der Oligarchie wieder in den Vordergrund. Die Oligarchen hatten die Oberhand, sie kontrollierten den Rat der Sechshundert, der die Stadt regierte. Agathokles’ älterer Bruder Antandros wurde zum Feldherrn gewählt, muss also gute Beziehungen zu den herrschenden Kreisen gehabt haben. Agathokles hingegen trat als Redner in der Volksversammlung auf, profilierte sich also auf der Seite der oppositionellen Demokraten. So konnte er aber bei den damaligen Machtverhältnissen nicht aufsteigen; nach einem erfolgreichen Feldzug auf dem italienischen Festland wurde ihm die Tapferkeitsauszeichnung, die er verdient zu haben meinte, nicht gewährt.[7] Er wandte sich nun offen gegen die Machthaber und beschuldigte die führenden Oligarchen Sosistratos und Herakleides öffentlich, nach der Tyrannis zu streben. Mit dieser Anklage konnte er sich aber nicht durchsetzen, sondern die beiden Oligarchenführer festigten noch ihre Macht. Damit wurde Agathokles’ Stellung in Syrakus unhaltbar, und er sah sich gezwungen die Stadt zu verlassen. Dabei muss es sich aber nicht um eine förmliche Verbannung gehandelt haben.

Zweimal Exil und Heimkehr

Agathokles ging nach Unteritalien und führte dort das Leben eines Söldnerführers. Damit schuf er sich eine eigenständige Machtbasis als Voraussetzung für eine Rückkehr. Sein erster militärischer Handstreich war allerdings ein Fehlschlag; er versuchte die bedeutende Stadt Kroton (heute Crotone in Kalabrien) gewaltsam in seinen Besitz zu bringen, wohl in Verbindung mit dortigen Demokraten, scheiterte aber völlig und musste mit wenigen überlebenden Anhängern nach Tarent fliehen. Die Tarentiner nahmen ihn unter ihre Söldner auf, misstrauten ihm aber wegen seines Ehrgeizes und seiner Umtriebe, was zu seiner Entlassung führte. Darauf sammelte er demokratische Kämpfer um sich, die von der Oligarchenpartei aus ihren Städten vertrieben worden waren. Eine Gelegenheit bot sich ihm in Rhegion, der Heimatstadt seines Vaters. Dort waren die Demokraten an der Macht, die Stadt wurde aber von Truppen der syrakusischen Oligarchen angegriffen, die ihren örtlichen Gesinnungsgenossen zur Machtübernahme verhelfen wollten. Offenbar erzielte Agathokles einen bedeutenden Erfolg; der Angriff wurde nicht nur zurückgeschlagen, sondern die Stellung von Sosistratos und Herakleides in Syrakus derart geschwächt, dass es dort zum Umsturz kam. Die Demokraten kamen wieder an die Macht und verjagten die Führungsschicht der Gegenpartei aus der Stadt.[8] Die vertriebenen Anhänger der Oligarchie verbündeten sich mit den Karthagern. Nun konnte Agathokles heimkehren (um 322 v. Chr.).

In den folgenden Kämpfen gegen die verbündeten Karthager und Oligarchen zeichnete sich Agathokles aus. Es gelang ihm aber vorerst nicht, eine führende Stellung in der Stadt zu erringen. Vielmehr beschlossen die Syrakuser, die offenbar seinem Ehrgeiz misstrauten, einen Feldherrn aus Korinth, der Mutterstadt von Syrakus, zu erbitten. Dieser sollte den Oberbefehl übernehmen und nach dem Vorbild Timoleons die Stadt retten und einen äußeren und inneren Frieden herbeiführen. Korinth schickte Akestorides, der für eine Versöhnung mit den verbannten Oligarchen und einen Friedensschluss mit den Karthagern sorgte und Agathokles verbannte. Die Demokraten mussten weichen, und es kamen gemäßigte Oligarchen an die Macht. Vergeblich versuchte Akestorides, Agathokles mit einem Mordanschlag aus dem Weg zu räumen. Der verbannte Agathokles stellte ein Privatheer auf, wozu sein Vermögen offenbar ausreichte. Dabei machte er sich auch den Umstand zunutze, dass die Syrakuser in anderen Städten als Unterdrücker betrachtet wurden, und trat erfolgreich als Verfechter von deren Interessen gegen Syrakus auf.[9] Er konnte die Stadt Leontinoi (heute Lentini) einnehmen und wagte sogar einen Angriff auf Syrakus. Für die dortigen oligarchischen Machthaber wurde die Lage so gefährlich, dass sie die Karthager zu Hilfe rufen mussten.

In dieser Lage bewährte sich das diplomatische Geschick des Agathokles. Er verhandelte mit dem karthagischen Befehlshaber Hamilkar und bewog ihn zum Abzug. Angeblich schlossen die beiden Feldherrn sogar einen persönlichen Bund, da jeder von ihnen in seiner Heimatstadt die Alleinherrschaft anstrebte.[10] Nach dem Verlust der karthagischen Verbündeten war Syrakus isoliert. Die Bürgerschaft, die offenbar nicht für die Oligarchen kämpfen wollte, beschloss, Agathokles die Heimkehr zu gestatten. Er verpflichtete sich eidlich, keine Tyrannis anzustreben, und wurde daraufhin 319/318 v. Chr. von den Syrakusern zum Feldherrn gewählt.

Staatsstreich

Die Stellung des Agathokles innerhalb der Stadt Syrakus war zunächst die eines regulären Feldherrn mit begrenzten Vollmachten. Sein Amtstitel war „Feldherr und Hüter des Friedens“.[11] An den anderen befestigten Orten seines Machtbereichs hatte er jedoch als strategós autokrátor ein unbeschränktes militärisches Kommando und den Amtstitel, der früher die Rechtsgrundlage für die Tyrannenherrschaft Dionysios’ I. gebildet hatte.[12] In Syrakus widerstand ihm der weiterhin bestehende Rat der Sechshundert. Drei Jahre benötigte er zur Vorbereitung der Ausschaltung dieser Gegner. Dabei machte er sich den Hass der nichtgriechischen Sikeler gegen die Syrakuser und den der armen Stadtbevölkerung gegen die Wohlhabenden zunutze. Unter dem Vorwand militärischer Abwehrmaßnahmen gegen äußere Feinde konnte er, ohne Verdacht zu erregen, eine schlagkräftige Truppe aus ihm persönlich ergebenen, zum Umsturz bereiten Kämpfern zusammenstellen. Diese waren teils Sikeler, teils Griechen.

316/315 v. Chr. wagte er den entscheidenden Schritt. An einer Besprechung, zu der er führende Persönlichkeiten der Gegenpartei eingeladen hatte, beschuldigte er die etwa vierzig anwesenden Oligarchen, einen Anschlag gegen ihn zu planen, und ließ sie festnehmen. Seine Bewaffneten forderten die Bestrafung der Schuldigen, worauf er die Verhafteten umgehend töten ließ. Die Trompeter bliesen das Zeichen zum Kampf, und es begann ein allgemeines Gemetzel in der Stadt, dem die Vornehmen und ihre Parteigänger zum Opfer fielen. Ihre Häuser wurden geplündert. Angeblich wurden mehr als 4000 Menschen erschlagen.[13] Mehr als 6000 sollen aus der Stadt entkommen sein, obwohl die Tore verriegelt wurden.[14] Sie flohen großteils nach Agrigent; durch den Verlust ihres Besitzes waren sie aber der finanziellen Basis für künftige feindliche Aktivitäten beraubt.

Anschließend berief Agathokles eine Volksversammlung ein, in der er als Retter der Demokratie vor den Machenschaften der Oligarchen auftrat und zugleich seinen Rücktritt von seinem Amt und Rückzug ins Privatleben bekanntgab. Seine Anhänger forderten jedoch stürmisch, er solle die Staatsleitung übernehmen. Darauf erklärte er sich bereit, wieder Feldherr zu werden, aber nur, wenn er das Amt diesmal ohne Kollegen ausüben könne, also als alleiniger Feldherr mit unbeschränkter Vollmacht (strategós autókrator). Das Volk wählte ihn wie gewünscht und übertrug ihm zugleich eine allgemeine „Fürsorge für den Staat“ (epiméleia tes póleos). Darauf stellte er Schuldenerlass und Landverteilung in Aussicht, zwei traditionell populäre Programmpunkte.[15]

Staatsrechtliche Stellung

Syrakusische Münze mit Arethusa aus der Zeit des Agathokles

Die außerordentlichen Vollmachten, die Agathokles erhielt, waren nicht befristet und auch nicht mit einer außergewöhnlichen Bedrohung durch äußere Feinde oder eine Bürgerkriegssituation begründet.[16] Sie bedeuteten die Einführung eines starken und dauerhaften monarchischen Elements in die Verfassung. Als unbeschränkt bevollmächtigter Feldherr durfte Agathokles Bürgertruppen ausheben, Söldner anwerben, wohl auch außerordentliche Kriegssteuern ausschreiben, jedenfalls nach seinem Ermessen alle erforderlichen Rüstungen zu Lande und zur See durchführen. Hinzu kamen zivile Befugnisse im Rahmen der „Fürsorge für den Staat“.[17] Im Kriegsfall war er automatisch Oberkommandierender. Der Kampfeinsatz von Bürgertruppen bedurfte aber wohl weiterhin eines Volksbeschlusses.[18] Wie schon früher unter dem Tyrannen Dionysios I. bestand die demokratische Verfassung formal weiter und die Volksversammlung trat weiterhin zusammen.[19]

Faktisch bedeutete der Staatsstreich von 316/315 den Beginn der Tyrannenherrschaft. Allerdings handelte es sich staatsrechtlich nicht um eine Tyrannis; vielmehr war Agathokles der legal gewählte Leiter des syrakusischen Staates, seine außerordentlichen Befugnisse waren durch einen demokratischen Beschluss legitimiert. Da der genaue Umfang der Vollmachten, die das Volk Agathokles erteilte, nicht bekannt ist, lässt sich schwer einschätzen, ob sich alle seine späteren Zwangsmaßnahmen (insbesondere zur Finanzierung der Kriegsführung) im Rahmen seiner Kompetenz hielten oder diese teilweise willkürlich überschritten.[20] Im Unterschied zum typischen Tyrannenverhalten legte er sich keine Leibwache zu und legte keinen Wert auf Unnahbarkeit. Auch später, als er den Königstitel annahm, änderte sich dieser Zustand nicht; verfassungsrechtlich blieb er weiterhin der höchste Beamte des Staates. Während Dionysios I. in seinem eigenen Namen Verträge geschlossen hatte und die Bundesgenossen mit ihm persönlich verbündet waren, war unter Agathokles nur die Bürgerschaft staatsrechtliches Subjekt und Vertragspartner der äußeren Feinde und der Bundesgenossen.[21]

Militärische Expansion

Der Aktionsraum des Agathokles in Süditalien

Zunächst befasste sich Agathokles mit der Unterwerfung der feindlichen Städte im griechischen Teil Siziliens. Zentren des Widerstands waren Agrigent, Gela und Messina. Diese drei Städte, in denen viele oligarchisch gesinnte Flüchtlinge aus Syrakus Zuflucht gefunden hatten, schlossen auf Initiative von Agrigent ein Bündnis.[22] Die Agrigenter holten als Feldherrn einen Königssohn aus Sparta namens Akrotatos, da sie befürchteten, ein einheimischer Befehlshaber könne sich zum Tyrannen aufschwingen. Der Spartaner bewährte sich jedoch nicht, sondern löste nur auf der eigenen Seite einen inneren Konflikt aus und ergriff dann die Flucht. Andererseits gelang es den Syrakusern nicht, Messina einzunehmen. Keine der beiden Seiten konnte einen entscheidenden Erfolg verbuchen. Da die Karthager in den syrakusischen Expansionsbestrebungen eine Bedrohung sahen, griffen sie zugunsten der bedrohten Städte ein. Der karthagische Befehlshaber Hamilkar vermittelte 314/313 einen Frieden, worin zwar die Autonomie aller Griechenstädte außerhalb des karthagischen Machtbereichs festgelegt, aber den Syrakusern die Hegemonie zugestanden wurde. Die Anerkennung des Hegemonieanspruchs war ein bedeutender Erfolg des Agathokles; in Karthago wurde Hamilkar wegen dieser Konzession kritisiert.[23]

Nun konnte Agathokles seine Macht erweitern, wobei er sich auf die Hegemonie-Klausel in dem für Syrakus vorteilhaften Vertrag stützte. Da keine kampfkräftige karthagische Streitmacht auf Sizilien stationiert war, sah er sich ungehindert. Rasch konnte er zahlreiche Städte und befestigte Ortschaften in seine Gewalt bringen und massiv aufrüsten.[24] In Messina setzten sich 313/312 seine Anhänger gegen die Oligarchen durch, so dass er mit seinen Truppen kampflos in die Stadt einziehen konnte. Auch Tauromenion (heute Taormina) fiel in seine Hand. Seine Gegner ließ er überall umbringen.[25] Dann wandte er sich gegen Agrigent.

Krieg gegen Karthago

Die aus Syrakus geflohenen Oligarchen waren durch die Erfolge des Agathokles in eine bedrohliche Lage geraten. Daher sah sich ihr Anführer Deinokrates gezwungen, Karthago um Hilfe zu bitten. Erst jetzt erkannten die Karthager das Ausmaß der Gefahr; sie stellten Hamilkar wegen seiner Versäumnisse unter Anklage und begannen den Krieg.

Erste Kriegsphase (311 bis Sommer 310)

Die Karthager eröffneten den Kampf im Jahr 311 mit der Entsendung einer Flotte, die Agathokles zum Abzug von Agrigent zwang. Zunächst kämpften die syrakusischen Truppen erfolgreich gegen die Oligarchen, deren Heer bei Galaria (im Gebiet des heutigen Caltagirone) eine Niederlage erlitt. Die Karthager riskierten vorerst keine offene Feldschlacht, entsandten aber im Jahr 310 auf einer überlegenen Flotte (130 Schlachtschiffe) ein größeres Heer (über 14.000 Mann). Inzwischen war Hamilkar gestorben. Die karthagische Streitmacht stand unter dem Befehl eines neuen Feldherrn, der ebenfalls Hamilkar hieß. Auf der Überfahrt erlitten die Karthager durch einen Sturm schwere Verluste; 60 Schlachtschiffe sanken. Nach der Landung konnte Hamilkar jedoch sein Heer durch Anwerbung von Söldnern und durch die Vereinigung mit den Truppen seiner griechischen Bundesgenossen auffüllen. Im Gebiet von Gela trat er Agathokles mit überlegenen Streitkräften (etwa 45.000 Mann) entgegen. Im Juni 310 kam es zur Schlacht am Himeras, welche die Karthager nach Anfangserfolgen der Griechen schließlich gewannen; Agathokles verlor 7.000 Mann.[26] Dabei spielten auf der karthagischen Seite die Steinschleuderer von den Balearischen Inseln eine wichtige Rolle. Verhängnisvoller als die Verluste in der Schlacht war für Agathokles der Frontwechsel zahlreicher Städte und Ortschaften, deren Einwohner nun auf die Seite des Siegers traten. So brachte der karthagische Feldherr ganz Sizilien mit Ausnahme von Syrakus in seine Gewalt; Agathokles musste sich nach Syrakus zurückziehen und sich dort belagern lassen.[27]

Zweite Kriegsphase (Sommer 310 bis 309)

Wegen der Überlegenheit der karthagischen Flotte konnte Agathokles die Blockade von Syrakus nicht verhindern. Dadurch drohte er in der eingeschlossenen Stadt in eine aussichtslose Lage zu geraten. Daher beschloss er bei günstiger Gelegenheit auszubrechen. Als die Karthager durch die Ankunft von Versorgungsschiffen abgelenkt waren, verließ er am 14. August 310 mit sechzig Schiffen und dem besten Teil seiner Truppen, etwa 14.000 Mann, den Hafen und entkam den verfolgenden Karthagern knapp durch den Einbruch der Nacht. An dem Ausbruch beteiligt waren neben Bürgern von Syrakus und griechischen Söldnern auch Samniten, Etrusker und Kelten. Das Ziel des Unternehmens, Afrika, wurde auch vor den eigenen Soldaten streng geheim gehalten. Nach sechstägiger Fahrt landete die Flotte in Afrika, an der Westküste der tunesischen Halbinsel Cap Bon, in deren Nähe Karthago lag. Agathokles ließ die Flotte verbrennen, da er keine Möglichkeit hatte, sie zu bewachen. So begann er ohne Rückzugsmöglichkeit den Vormarsch.

Die Karthager waren völlig überrascht. Sie waren in ihrer gesamten bisherigen Geschichte noch nie in ihrem Kernland angegriffen worden, daher hatten sie dort nur wenige Festungen und eine geringe Truppenpräsenz. Das Land war außerordentlich reich und fruchtbar, daher machten die Angreifer große Beute. Sie nahmen zwei Städte ein. In aller Eile stellten die Karthager aus der Bürgerschaft ein Heer auf, das 40.000 Mann zu Fuß, 1000 Reiter und 2000 Streitwagen umfasste. Diese Streitmacht war den 14.000 Mann der Gegenseite zwar zahlenmäßig weit überlegen, aber an Ausbildung und Erfahrung unterlegen. Die Griechen siegten, und die Karthager zogen sich hinter die Mauern von Karthago zurück, obwohl sie keine schweren Verluste erlitten hatten. So entstand die eigenartige Lage, dass jede der beiden Seiten die Hauptstadt der anderen bedrohte.

Die Karthager befahlen Hamilkar, der weiterhin Syrakus belagerte, ihnen einen Teil seiner Streitkräfte zu schicken. Er sandte 5000 Mann nach Afrika. Inzwischen hatte Agathokles eine Reihe von Küstenstädten sowie befestigte Ortschaften in der Nähe von Karthago eingenommen, darunter Tynes (heute Tunis); außerdem gewann er Ailymas, einen König der dort lebenden Libyer, zum Bundesgenossen. Nach der Eroberung des Küstengebiets wandte er sich dem Landesinneren zu, um erst das Hinterland zu unterwerfen und dann den entscheidenden Stoß gegen Karthago zu führen. Einen Gegenangriff schlug er zurück.

Auch auf Sizilien kam es im Jahr 309 zu einer Wende. Die Syrakuser, die unter dem Befehl von Agathokles’ Bruder Antandros standen, erzielten einen großen Erfolg. Sie konnten einem Angriff der karthagischen Belagerer und ihrer Verbündeten, der Oligarchen unter Deinokrates, zuvorkommen und das feindliche Heer bei seinem Anmarsch in der Nacht überraschend angreifen und schlagen; Hamilkar geriet in Gefangenschaft und wurde dann getötet, sein abgeschlagener Kopf zu Agathokles nach Afrika geschickt. Nach dieser schweren Niederlage der Karthager wurden sie aus zahlreichen griechischen Städten und Ortschaften vertrieben.[28]

Dritte Kriegsphase (309 bis 307)

Der afrikanische Kriegsschauplatz

In Afrika geriet Agathokles plötzlich in eine äußerst gefährliche Krise, die zeigt, dass er kein unumschränkt herrschender Tyrann war, sondern auf den demokratischen Geist im Heer Rücksicht nehmen musste. Sein Sohn Archagathos hatte nach einem Gelage einen hohen Offizier ermordet. Darauf forderte die Heeresversammlung den Tod des Archagathos oder ersatzweise den des Agathokles. Die Soldaten setzten Agathokles ab, stellten ihn unter Bewachung und wählten neue Feldherrn. Als die Karthager das erfuhren, luden sie die Offiziere des syrakusischen Heeres zum Überlaufen ein und stellten dafür hohe Zahlungen in Aussicht. Viele Kommandeure waren dazu bereit. Schließlich gelang es jedoch Agathokles, mit einer Rede das Heer umzustimmen und seine Wiedereinsetzung zu erreichen. Sofort darauf unternahm er einen Angriff auf die überraschten Karthager, die mit einer Auflösung seiner Armee gerechnet hatten, und fügte ihnen schwere Verluste zu. Danach kam es zu weiteren Kämpfen, die aber zu keinen bedeutenden Veränderungen des Kräfteverhältnisses führten.[29]

Agathokles benötigte zusätzliche Truppen, um einen kriegsentscheidenden Vorteil zu erlangen. Daher verbündete er sich mit dem Makedonen Ophellas, einem früheren Gefährten Alexanders des Großen, der nun Statthalter des in Ägypten regierenden Diadochen Ptolemaios I. in der Kyrenaika (Ostlibyen) war. Ophellas hatte den Ehrgeiz, eine eigenständige Herrschaft zu begründen. Agathokles bot ihm als Belohnung für militärische Hilfe an, ihm künftig nach einer Vernichtung des Karthagerreichs dessen Gebiet zu überlassen und sich nach Sizilien zurückzuziehen. Auf diesen Vorschlag ging Ophellas ein. Er warb zahlreiche Söldner an, besonders in Athen, und zog mit rund 11.000 Kämpfern nach Westen zu Agathokles. Für den abenteuerlichen und beschwerlichen Marsch durch die Wüste benötigte er über zwei Monate. Schon bald nach seiner Ankunft beschuldigte ihn Agathokles des Verrats, ließ ihn töten und gliederte die neuen Truppen in sein Heer ein. Ob Agathokles dies von Anfang an so geplant hatte oder ob es zwischen den beiden zu einem Konflikt um den Oberbefehl kam, ist unklar; die Agathokles feindlich gesinnte Überlieferung stellt es als perfiden Verrat dar.[30]

In der Folgezeit konnte Agathokles sein afrikanisches Herrschaftsgebiet abrunden und die Stadt Karthago zunehmend isolieren. Als er aber aus Sizilien ungünstige Nachrichten erhielt, beschloss er, mit nur 2000 Soldaten dorthin zurückzukehren. Den Oberbefehl in Afrika überließ er seinem Sohn Archagathos.

Auf Sizilien konnten die Karthager trotz der Niederlage ihres Heeres den Druck auf Syrakus aufrechterhalten, ihre Flotte blockierte die Stadt weiterhin. Die Agrigenter und die Oligarchen unter Deinokrates waren nach wie vor schlagkräftig, ihre Parole der Autonomie für die Griechenstädte war populär. Kurz vor dem Eintreffen des Agathokles besiegten seine Feldherren trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit die Agrigenter. Er konnte mehrere Städte in seine Gewalt bringen, doch gelang es Deinokrates, ein Heer von fast 20.000 Infanteristen und 1500 Kavalleristen zusammenzubringen. Da Agathokles über keine Streitmacht von vergleichbarer Stärke verfügte, wich er dem Kampf aus.

Inzwischen verschlechterte sich die Lage des Archagathos in Afrika dramatisch. Die Bevölkerung war zunehmend der griechischen Präsenz überdrüssig geworden, an vielen Orten musste lokaler Widerstand in teils verlustreichen Kämpfen gebrochen werden, und die Karthager gingen mit 30.000 Mann zur Offensive über.[31] Zwei getrennt operierende Heeresteile des Archagathos erlitten schwere Niederlagen, wobei insgesamt rund 13.000 Mann fielen, darunter etwa 1000 Berittene. Darauf verloren die Griechen viele ihrer einheimischen Bundesgenossen und gerieten in größte Gefahr.

Vierte Kriegsphase (307 bis 306)

Es gelang Agathokles, ein Bündnis mit den Etruskern zu schließen. Mit Unterstützung einer etruskischen Flotte von 18 Schiffen errang er einen Seesieg über die Karthager, deren Befehlshaber fiel. Darauf mussten die Karthager die Blockade von Syrakus aufgeben. Sie zogen sich in ihren traditionellen westsizilischen Machtbereich zurück. Auch zu Lande war ein syrakusisches Heer gegen die Agrigenter erfolgreich. Wegen der katastrophalen Entwicklung in Afrika musste Agathokles jedoch dorthin zurückkehren.

In Afrika verfügte er nur noch über 12.000 griechische und italische Fußsoldaten und 1500 Berittene; die Loyalität seiner libyschen Verbündeten war zweifelhaft. Nach einem fehlgeschlagenen Angriff auf das karthagische Lager, der ihn etwa 3000 Mann kostete, verlor er seine letzten libyschen Bundesgenossen und geriet so in eine aussichtslose Lage. Mit dem Heer nach Sizilien zurückkehren konnte er nicht, da ihm die dafür benötigte Schiffskapazität fehlte. Daher fuhr er mit nur wenigen Vertrauten nach Sizilien, um dort Schiffe zu beschaffen.

Die zurückgelassenen Soldaten betrachteten seine Abfahrt als Verrat. Sie meuterten, töteten die beiden Söhne des Agathokles, wählten sich Feldherrn und verhandelten mit den Karthagern über die Kapitulation. Die Kapitulationsbedingungen, die sie erhielten, waren günstig; sie durften entweder als Söldner ins karthagische Heer eintreten oder sich auf Sizilien im dortigen karthagischen Machtbereich niederlassen.[32] Nur einige Stadtkommandanten blieben Agathokles treu. Die Karthager nahmen diese Städte ein und kreuzigten die gefangenen Befehlshaber.

Kriegsende

Trotz der vernichtenden Niederlage seiner Streitkräfte in Afrika wollte Agathokles den Kampf gegen Karthago zunächst nicht aufgeben, sondern plante neue Rüstungen und trieb dafür Gelder ein. In der Stadt Segesta erhob sich Widerstand gegen seine fiskalischen Zwangsmaßnahmen, den er hart bestrafte. Angeblich ließ er alle erwachsenen Segestaner – die Stadt soll 10.000 Einwohner gehabt haben – an einem einzigen Tag umbringen, die Kinder in die Sklaverei verkaufen.[33] Allerdings geht der überlieferte Bericht über diesen Vorgang auf eine sehr tyrannenfeindliche Quelle zurück; daher ist mit Verzerrungen und Übertreibungen zu rechnen.

Erst als auf Sizilien einer seiner Offiziere, Pasiphilos, mit einem Teil der Truppen zu den Oligarchen überlief und darauf auch mehrere Städte von ihm abfielen, sah Agathokles ein, dass der Zweifrontenkrieg gegen die Karthager und seine sizilischen Gegner nicht zu gewinnen war. 306 schloss er mit Karthago Frieden. Die Grenze zwischen seinem und dem karthagischen Machtbereich auf Sizilien blieb die alte aus der Vorkriegszeit. Insgesamt verschaffte der Krieg somit keiner der beiden Seiten einen Gewinn.

Sieg über die Oligarchen

Nach dem Friedensschluss konnte Agathokles alle verfügbaren Kräfte für den Kampf gegen die Anhänger der Oligarchie einsetzen. Die Entscheidungsschlacht fand bei Torgion, einem nicht identifizierten Ort in Zentralsizilien statt. Agathokles soll nur noch über knapp 5000 Fußsoldaten und etwa 800 Reiter verfügt haben, während sein oligarchischer Gegenspieler Deinokrates 25.000 Infanteristen und 3000 Mann Kavallerie aufbot.[34] Agathokles siegte, da ein Teil der feindlichen Streitmacht während der Schlacht zu ihm überlief. Angeblich ordnete er nach seinem Sieg die Ermordung von Tausenden von Gefangenen an.[35] Deinokrates hingegen wurde nicht nur verschont, sondern Agathokles versöhnte sich sogar mit ihm und machte ihn zu einem seiner Unterfeldherren. In der Folgezeit konnte Agathokles ganz Sizilien mit Ausnahme des karthagischen Westens und der Stadt Agrigent unterwerfen.[36] Von da an bis zu seinem Tod blieb seine Herrschaft in Sizilien unangefochten.

Königtum

Im Jahr 305 oder 304 nahm Agathokles nach dem Vorbild der Diadochen im ehemaligen Reich Alexanders des Großen den Königstitel an. Er nannte sich nur König ohne Beifügung eines Landes- oder Volksnamens; sein Königtum war somit rein personal und nicht an ein Volk oder Land gebunden. Es bezog sich auf alle Gebiete, die er unter seine Herrschaft bringen konnte, und bedeutete, dass er den Anspruch erhob, über diese Territorien wie über einen Privatbesitz zu verfügen, und dass er keine Macht über sich anerkannte.[37] Eine Sonderstellung nahm nur die Stadt Syrakus ein, wo er weiterhin der vom Volk bevollmächtigte Feldherr war und die „Fürsorge“ ausübte. Anscheinend bezog er Syrakus nicht offiziell in seine Königsherrschaft ein, sondern nahm formal auf die alte Verfassung Rücksicht.[38] Er verzichtete auch darauf, nach Tyrannenart einen Palast oder eine Burg zu bauen, richtete keinen Königshof mit Hofämtern ein und trug kein Diadem als Zeichen der Königswürde, sondern nur einen Kranz.[39] Somit verzichtete er auf wesentliche Elemente der monarchischen Selbstdarstellung.

Münzprägung

Münze (Goldstater) des Agathokles; Avers: Kopf Alexanders des Großen mit Elefantenskalphaube; Revers: geflügelte Athena Promachos mit Legende „[Münze des] Agathokles“

Die Münzhoheit ging von der Stadt Syrakus auf Agathokles über. Anfangs erschien sein Name auf den Rückseiten von Silbermünzen zur Verherrlichung seiner militärischen Erfolge neben dem Bild der halbbekleideten Siegesgöttin Nike, die einen Helm auf einem Siegesmal befestigt. In der ersten Phase wurden noch die Syrakuser, die weiterhin Münzherren waren, auf der Vorderseite genannt. Spätere Prägungen nennen nur noch Agathokles als Münzherrn, nach der Erlangung der Königsherrschaft mit dem Königstitel. Für einen Goldstater dienten ihm Tetradrachmen Ptolemaios’ I., die den Kopf Alexanders des Großen mit einer Elefantenkopfhaut anstelle eines Helms zeigen, als Vorbild.[40] Agathokles ging aber im Unterschied zu anderen hellenistischen Königen nie so weit, sich auf den Münzen abbilden zu lassen. Die Münzprägung fand nur noch in Syrakus statt; ihr Aussetzen in den anderen sizilischen Städten zeigt, dass der Herrscher das Münzrecht in seinem gesamten Machtbereich für sich allein beanspruchte.[41]

Expansion außerhalb Siziliens

Im Jahr 304 überfiel Agathokles die Insel Lipara (heute Lipari) und zwang die Bewohner zur Tributzahlung; wahrscheinlich hat er die Liparischen Inseln annektiert. Er griff auch in Unteritalien ein, wo er auf der Seite von Tarent, einer Griechenstadt, erfolgreich an Kämpfen gegen dortige Italiker teilnahm; mit anderen Italikern verbündete er sich nach Bedarf. Um 299 eroberte er sogar die wichtige Insel Korkyra (Korfu), nachdem seine Flotte einen bedeutenden Seesieg über diejenige des makedonischen Königs Kassander errungen hatte. Damit mischte er sich in die Diadochenkämpfe ein und machte auch in Griechenland einen Herrschaftsanspruch geltend. Durch einen Überfall gelang ihm die Einnahme der Stadt Kroton in Kalabrien. Korkyra war für die Kontrolle des Handelswegs zwischen Griechenland und Italien wichtig, Kroton war ein bedeutender Handelshafen; das militärische Vorgehen an diesen Orten lässt ein besonderes Interesse an der Kontrolle der Handelsrouten erkennen.[42]

In seinen letzten Lebensjahren plante Agathokles einen neuen Großangriff auf Karthago, zu dessen Vorbereitung er gewaltige Anstrengungen unternahm; er ließ eine Flotte von 200 Schiffen ausrüsten. Durch seinen Tod kam dieses Unternehmen nicht zustande.

Familienpolitik

Zur Zeit seines Königtums war Agathokles einer der mächtigsten Herrscher der griechischsprachigen Welt und betrieb eine weit ausgreifende Heiratspolitik. Zwei Söhne seiner ersten Gattin, Archagathos und Herakleides, waren in Afrika umgekommen; ein dritter Sohn aus dieser Ehe, der nach dem Ende des Karthagerkriegs in Unteritalien als Befehlshaber auftauchte, hat seinen Vater offenbar ebenfalls nicht überlebt.[43] Aus der zweiten Ehe mit einer Frau namens Alkia hatte er einen Sohn, der ebenfalls Agathokles hieß. Auch seine Tochter Lanassa stammte wahrscheinlich aus dieser Ehe. In dritter Ehe heiratete er um 295 v. Chr. Theoxene, eine Prinzessin aus dem ägyptischen Königshaus der Ptolemäer. Sie war wahrscheinlich keine Tochter, sondern eine Stieftochter des Königs Ptolemaios I.[44] Der Hintergrund zu diesem Schritt war wohl in erster Linie der gemeinsame Gegensatz der beiden Könige zu Karthago.[45] Mit Theoxene hatte Agathokles zwei Söhne, die bei seinem Tod noch klein waren. Kurz vor seinem Tod schickte er seine Gattin samt ihrer Mitgift und den Kindern nach Ägypten zurück. Dies bedeutete nicht einen Bruch mit Ptolemaios, sondern war eine Vorsichtsmaßnahme; er wollte die Frau und die Kinder aus den nach seinem Tod zu erwartenden blutigen Machtkämpfen heraushalten.[46]

Seine Tochter Lanassa verheiratete er mit Pyrrhos I., dem König der Molosser in Epirus, und gab ihr Korkyra als Mitgift; er betrachtete die Insel also als persönlichen Besitz. Später trennte sich Lanassa von Pyrrhos und nahm auf Korkyra Residenz; die Insel war anscheinend nicht von Truppen des Pyrrhos besetzt gewesen, sondern faktisch unter der Kontrolle Lanassas bzw. des Agathokles geblieben.[47] Lanassa soll dann den makedonischen König Demetrios I. Poliorketes geheiratet haben, wobei sie Korkyra in die neue Ehe einbrachte.[48]

Tod

Das Ende der Herrschaft des Agathokles war von einem Machtkampf zwischen seinem Sohn Agathokles aus der zweiten Ehe und seinem Enkel Archagathos überschattet. Archagathos war ein Sohn des Archagathos, der aus der ersten Ehe des Agathokles stammte und auf dem afrikanischen Feldzug umgekommen war. Agathokles entschied sich für seinen gleichnamigen Sohn als Nachfolger und sandte ihn als neuen Befehlshaber zu den in der Nähe des Ätna stehenden Streitkräften, die damals noch Archagathos unterstanden. Archagathos ließ sich aber nicht ausschalten, sondern brachte den Rivalen um.

Die Glaubwürdigkeit der Berichte über die weiteren Ereignisse ist sehr zweifelhaft.[49] Sicher ist nur, dass König Agathokles sich mit der Beseitigung seines Sohnes nicht abfand, sondern Archagathos von der Nachfolge ausschloss. Bevor er starb, gab er auf einer Volksversammlung dem Volk von Syrakus die Herrschaft zurück, zog also die Wiederherstellung der Demokratie nach seinem Tod einer Einsetzung seines Enkels zum Nachfolger vor. Dies bedeutete aber nicht, dass er als König abdankte.[50] Ob Agathokles einer Krankheit zum Opfer fiel oder, wie die ihm feindliche Tradition überliefert, auf Veranlassung des Archagathos vergiftet wurde, ist unklar. Bald darauf wurde Archagathos umgebracht.

Nach dem Tod des Königs konfiszierten die Syrakuser sein Vermögen und beseitigten seine Statuen; die von ihm unterworfenen Städte machten sich unabhängig.

Bildliche Darstellung

Eine Büste, die wahrscheinlich Agathokles darstellt, befindet sich in den Vatikanischen Museen. Sie zeigt ihn mit Myrtenkranz (Abbildung).[51]

Rezeption

Die außerordentliche Kühnheit des Tyrannen und seine Kaltblütigkeit in schwierigsten Lagen beeindruckte die antike Nachwelt; so bezeichnete der ältere Scipio Agathokles und Dionysios I. von Syrakus als die beiden größten Staatsmänner und Feldherren der Geschichte und hob dabei hervor, dass Agathokles Kühnheit mit Einsicht verbunden habe.[52] In einer Komödie des Plautus vergleicht eine Figur die Taten des Agathokles mit denen Alexanders des Großen.[53] Ansonsten war aber das antike Agathokles-Bild stark von der Darstellung des Timaios beeinflusst und daher besonders von Berichten über tyrannische Grausamkeit geprägt. Allerdings vermerkten Diodor und Polybios, dass Agathokles nach der Konsolidierung seiner Macht zu einer milden Regierungsweise überging; er „hörte mit Morden und weiteren Bestrafungen auf“, „zeigte sich dem einfachen Volk gegenüber freundlich“ und „erwies vielen Gefälligkeiten“.[54] Diese Vorgehensweise brachte ihm ein Lob von Niccolò Machiavelli ein. Machiavelli führt Agathokles als Beispiel eines Tyrannen an, der Grausamkeit klug eingesetzt habe, indem er sie auf die Zeit der Machtergreifung beschränkte und später nicht nur darauf verzichtete, sondern sich sogar durch Wohltaten beliebt machte. Aus diesem Grund habe er lange unangefochten regieren können.[55]

Voltaire verfasste 1777, kurz vor seinem Lebensende, eine Tragödie Agathocle.[56] Es war seine letzte Tragödie, eher eine Skizze als ein fertig ausgearbeitetes Werk. Die Uraufführung fand 1779 statt, ein Jahr nach dem Tod des Autors. Das Stück fand wenig Anklang und wurde nur viermal aufgeführt.

In der modernen Forschung sind die Urteile über Agathokles unterschiedlich ausgefallen, je nach Einschätzung der Glaubwürdigkeit der tyrannenfeindlichen Quellen. Betont wird, dass sein politisches und militärisches Handeln ganz auf das Ziel der Vergrößerung und Sicherung seiner persönlichen Macht ausgerichtet war und dass er trotz gewaltiger Anstrengungen und spektakulärer Erfolge nichts Dauerhaftes schuf; die Regelung seiner Nachfolge missglückte völlig. Sein Persönlichkeitsbild ähnelt demjenigen der Diadochen, die seine Zeitgenossen waren.[57]

Der Historiker Günter Pollach schildert in einem 2008 erschienenen Roman den Lebensweg des Agathokles.[58]

Literatur

  • Caroline Lehmler: Syrakus unter Agathokles und Hieron II. Die Verbindung von Kultur und Macht in einer hellenistischen Metropole. Verlag Antike, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-938032-07-3
  • Helmut Berve: Die Herrschaft des Agathokles. Verlag der Bayerischen Akademie, München 1953
  • Helmut Berve: Die Tyrannis bei den Griechen. 2 Bände, Beck, München 1967
  • Sebastiana Nerina Consolo Langher: Agatocle. Da capoparte a monarca fondatore di un regno tra Cartagine e i Diadochi. Messina 2000, ISBN 88-8268-004-5
  • Werner Huss: Geschichte der Karthager. Beck, München 1985, ISBN 3-406-30654-3, S. 176–203

Anmerkungen

  1. Berve (1953) S. 16–19.
  2. Diodor, Bibliotheke 21,16,5; siehe dazu Berve (1953) S. 4.
  3. Diodor, Bibliotheke 21,17,4.
  4. Diodor, Bibliotheke 21,16,5.
  5. Berve (1953) S. 22, Lehmler (2005) S. 37.
  6. Berve (1953) S. 22f.
  7. Diodor, Bibliotheke 19,3,3–4; Berve (1953) S. 23f.
  8. Berve (1953) S. 25.
  9. Berve (1953) S. 27.
  10. Justinus, Epitome 22,2,5–7.
  11. Diodor, Bibliotheke 19,5,5.
  12. Berve (1953) S. 30f.
  13. Diodor, Bibliotheke 19,8,1.
  14. Diodor, Bibliotheke 19,8,2.
  15. Diodor, Bibliotheke 19,9,1–5.
  16. Zum Amt des Feldherrn mit unbeschränkter Vollmacht siehe Martin Dreher: Die syrakusanische Verfassung im 4. Jahrhundert v. Chr. zwischen Theorie und Praxis. In: Wolfgang Schuller (Hrsg.): Politische Theorie und Praxis im Altertum, Darmstadt 1998, S. 54–56. Siehe auch Berve (1967) Bd. 1 S. 446.
  17. Berve (1953) S. 36–41.
  18. Berve (1953) S. 36.
  19. Lehmler (2005) S. 39, Berve (1953) S. 36f.
  20. Berve (1967) Bd. 1 S. 447–449.
  21. Berve (1953) S. 41–45, 72f.
  22. Diodor, Bibliotheke 19,70,1–2.
  23. Diodor, Bibliotheke 19,71,7; 19,72,2; Justinus, Epitome 22,3,1–6; siehe dazu Huss (1985) S. 181.
  24. Diodor, Bibliotheke 19,72,1–2.
  25. Diodor, Bibliotheke 19,102,6–7; 19,103,4; 19,107,4–5.
  26. Huss (1985) S. 184.
  27. Huss (1985) S. 184f.
  28. Diodor, Bibliotheke 20,29,2–20,30,3. Siehe dazu Huss (1985) S. 191.
  29. Zu diesen Vorgängen siehe Huss (1985) S. 192f.
  30. Huss (1985) S. 194; Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Darstellung in tyrannenfeindlichen Quellen äußert Helmut Berve: Ophellas. In: Pauly-Wissowa, RE Bd. 18,1, Stuttgart 1939, Sp. 634. Vgl. Brian Herbert Warmington: Karthago, Wiesbaden 1964, S. 132, Lehmler (2005) S. 40f.
  31. Huss (1985) S. 197f.
  32. Huss (1985) S. 201.
  33. Diodor, Bibliotheke 20,71.
  34. Diodor, Bibliotheke 20,89,1–2.
  35. Diodor, Bibliotheke 20,89,4–5.
  36. Berve (1953) S. 60f.
  37. Berve (1953) S. 63f.
  38. Berve (1953) S. 68–73.
  39. Berve (1953) S. 70–72.
  40. Zur Münzprägung des Agathokles siehe Walther Giesecke: Sicilia numismatica, Leipzig 1923, S. 89–95 und Abbildungen Tafel 21; speziell zu dieser Prägung siehe Andrew Stuart: Faces of Power. Alexander’s Image and Hellenistic Politics, Berkeley/Los Angeles 1993, S. 266–269, 432–433 und Abbildung 87 mit älterer Literatur.
  41. Lehmler (2005) S. 47; siehe auch S. 62–83.
  42. Zu diesen Unternehmungen siehe Gabriele Marasco: Agatocle e la politica siracusana agli inizi del III secolo a.C. In: Prometheus. Rivista quadrimestrale di studi classici 10, 1984, S. 97–113. Marasco bezweifelt das Bündnis mit Tarent (S. 101f.).
  43. Matthias Haake: Agathokles und Hieron II. Zwei basileis in hellenistischer Zeit und die Frage ihrer Nachfolge. In: Víctor Alonso Troncoso (Hrsg.): Diadochos tes basileias. La figura del sucesor en la realeza helenística, Madrid 2005, S. 153–175, hier: S. 155.
  44. Fritz Geyer: Theoxene. In: Pauly-Wissowa, RE Bd. 5 A/2, Stuttgart 1934, Sp. 2255f.; Werner Huss: Ägypten in hellenistischer Zeit, München 2001, S. 203 (und Anm. 103 zur Datierung).
  45. Siehe hierzu Marasco (1984) S. 97f., 112f.
  46. Geyer (1934) Sp. 2256.
  47. Marasco (1984) S. 106.
  48. Berve (1953) S. 66f. und Anm. 61; er zweifelt an der zweiten Ehe.
  49. Berve (1953) S. 74f.
  50. Berve (1953) S. 76f.
  51. Abbildungen bei Consolo Langher (2000) S. 372f.
  52. Polybios, Historiai 15,35.
  53. Plautus, Mostellaria 775–776.
  54. Diodor, Bibliotheke 19,9,6; vgl. Polybios, Historiai 9,23,2 und 12,15. Polybios bemühte sich um ein ausgewogenes Urteil.
  55. Niccolò Machiavelli, Il principe 8.
  56. Voltaire: Agathocle online
  57. Lehmler (2005) S. 48; Klaus Meister: Agathokles. In: Der Neue Pauly Bd. 1, Stuttgart 1996, Sp. 239; Haake (2005) S. 161f.
  58. Günter Pollach: Agathokles – Der Tyrann von Syrakus. Historischer Roman, Frankfurt/Main 2008.
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