Hildegard Burjan

Hildegard Burjan
Gedenktafel für Hildegard Burjan in Wien Alsergrund
Hildegard Burjan Wohnhausanlage in Wien Hietzing

Hildegard Burjan geborene Freund (* 30. Jänner 1883 in Görlitz, Lausitz; † 11. Juni 1933 in Wien) war eine österreichische Sozialpolitikerin und die Ordensgründerin der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis. Für kurze Zeit war sie auch christlichsoziale Abgeordnete im Parlament. Als diese war sie die erste weibliche Abgeordnete in Österreich.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sie entstammte einer jüdisch-liberalen Familie und studierte in der Schweiz Literatur und Philosophie, promovierte 1908 mit magna cum laude zum Dr. phil. und studierte dann in Berlin Sozialwissenschaft. 1907 heiratete sie den Ungarn Alexander Burjan.

1909 konvertierte sie vom jüdischen zum katholischen Glauben, nachdem sie unerwartet aus schwerer Krankheit geheilt worden war. Sie übersiedelte nach Wien und brachte dort ihre einzige Tochter zur Welt, obwohl ihr die Ärzte dringend zu einer Abtreibung geraten hatten.

Sie setzte sich besonders intensiv für Frauen ein. 1912 gründete sie den „Verband der christlichen Heimarbeiterinnen“, 1918 den Verein „Soziale Hilfe“ und am 4. Oktober 1919 die religiöse Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis (CS), die sich bis heute karitativen Aufgaben widmet, u.a. Pflegeheime und ein Hospiz führt und sich für die Ausbildung von Sozialberufen engagiert.

Sie war 1918 für die Christlichsoziale Partei aktiv im Wiener Gemeinderat und wurde eine wichtige Persönlichkeit in Politik und Kirche. 1919 zog sie als erste weibliche Abgeordnete der Ersten Republik in den Nationalrat ein. Burjan wurde später „Gewissen des Parlaments“ und „Heimarbeiterinnenmutter von Wien“ genannt. Sie kämpfte für die Rechte und die Gleichberechtigung der Frauen. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zählte zu ihren wichtigsten politischen Forderungen. Auch wirkte sie mit an der Neubildung der Österreichischen Bahnhofsmission, der Einrichtung der Familienpflege wie der Mittelstandsküchen.

Nach dem Tod von Prälat Ignaz Seipel, dem langjährigen Bundeskanzler im Jahr 1932 initiierte sie den Bau der Christkönigskirche in Wien als Gedächtniskirche für Seipel im 15. Wiener Gemeindebezirk.

Zuletzt wohnte sie in der Larochegasse 35 in Hietzing (Gedenktafel). Ihr Mann Alexander, Industrieller und Vorstandsmitglied des Radio Verkehrs AG (ORF), lebte bis 1938 dort, und konnte sein Leben durch seine Flucht nach Brasilien retten.[2]

Im Jahr 1984 wurde in Wien Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Bezirk) der Burjanplatz nach ihr benannt.

Seligsprechungsprozess

Der Seligsprechungsprozess für Hildegard Burjan wurde 1963 von Kardinal Franz König eingeleitet. Nach der Exhumierung wurde ihr Leichnam am 4. Mai 2005 an einen „Ort der Verehrung“, in die Hildegard-Burjan-Kapelle im CS-Stammhaus in Wien-Alsergrund, gebracht.

Papst Johannes Paul II. besuchte am 21. Juni 1998 das Caritas-Socialis-Hospiz Rennweg, wo er sich anerkennend über Hildegard Burjan äußerte.[3]

Kardinal Schönborn unterstützt das Seligsprechungsverfahren: Für die Erzdiözese Wien, aber auch für ganz Österreich ist Hildegard Burjan eine beeindruckende Gestalt – ein Mensch zum Vorzeigen, und er würdigte in einer Ansprache das Wirken von Hildegard Burjan mit den Worten: Mit einem offenen Herzen für die Nöte der Zeit hat sie sich für die Rechte der Unterprivilegierten und gegen jede soziale Ausgrenzung von Randgruppen durch die Gesellschaft eingesetzt. [4] Am 7. Juni 2011 erkannte das Kardinalskollegium in Rom das für eine Seligsprechung notwendige Wunder an. Das anerkannte Wunder betrifft die Heilung einer Frau, die sich in ihrem Anliegen an Hildegard Burjan gewandt hat: Infolge mehrerer Operationen konnte sie kein Kind zur Welt bringen. Dass sie später drei gesunden Kindern das Leben schenkte, ist nach Auffassung der den Fall beurteilenden Ärzte medizinisch nicht erklärbar. [5]

Papst Benedikt XVI. hat am 27. Juni 2011 das Dekret der Seligsprechungskongregation bestätigt, das eine Wunderheilung auf Vermittlung der aus Görlitz stammenden Hildegard Burjan (1883-1933) anerkennt. Einer baldigen Seligsprechung steht somit nichts mehr im Wege. Die Seligsprechung soll am 29. Januar 2012 im Wiener Stephansdom stattfinden. [6]

Literatur

  • Irmgard Burjan-Domanig: Hildegard Burjan, eine Frau der sozialen Tat. 3. Aufl. Caritas Socialis, Wien 1976
  • Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz: Mystik, Emanzipation und Politik: Hildegard Burjan (1883-1933). Caritas Socialis, Wien 2004
  • Alfred Koblbauer: Spiritualität. 2. Band: Hildegard Burjan. Missionsdruckerei St. Gabriel, Mödling 1976
  • Michaela Kronthaler: Hildegard Burjan (1883-1933). Katholische Arbeiterinnenführerin und christliche Sozialpolitikerin. Dr.-Karl-Kummer-Institut f. Sozialpolitik u. Sozialreform in Steiermark, Graz 1995
  • Michaela Kronthaler: Die Frauenfrage als treibende Kraft: Hildegard Burjans innovative Rolle im Sozialkatholizismus und Politischen Katholizismus vom Ende der Monarchie bis zur 'Selbstausschaltung' des Parlaments (= Grazer Beiträge zur Theologiegeschichte und Kirchlichen Zeitgeschichte, Bd. 8). Styria, Graz-Wien-Köln 1995, ISBN 3-2221-2358-6
  • Ingeborg Schödl (Hrsg.): Hoffnung hat einen Namen. Hildegard Burjan und die Caritas Socialis. Tyrolia, Innsbruck-Wien 1995, ISBN 3-7022-1980-3
  • Ingeborg Schödl: Hildegard Burjan. Frau zwischen Politik und Kirche. Dom-Verlag, Wien 2008, ISBN 978-3-85351-204-3
  • Gisbert Greshake: Selig, die nach Gerechtigkeit dürsten: Hildegard Burjan: Leben – Werk – Spiritualität, Tyrolia, Innsbruck 2008, ISBN 978-3-7022-2957-3.

Filme

  • Anita Lackenberger, Gerhard Mader: Hildegard Burjan: Auf den Spuren der Gründerin der Caritas Socialis, Produktion West und ORF 2008. [7]

Einzelnachweise

  1. Burjan-Seligsprechung am 29. Jänner 2012 in Wien auf ORF-Religion am 25. Oktober 2011 abgerufen am 27. Oktober 2011
  2. Onlineauftritt VHS Hietzing Projekt Juden in Hietzing der VHS Hietzing
  3. Text der Ansprache
  4. Österreich: Burjan, die nächste Selige? auf Radio Vatikan
  5. Meldung kath.net vom 8. Juni 2011
  6. Burjan-Seligsprechung am 29. Jänner 2012 in Wien
  7. Produktion West TV Film: Koproduktion ORF und Produktion West: Hildegard Burjan: Anita Lackenberger und Gerhard Mader auf den Spuren der Gründerin der Caritas Socialis, 2008.

Weblinks

 Commons: Hildegard Burjan – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hildegard Burjan — (b. January 30 1883 in Görlitz, Germany; d. June 11 1933 in Vienna, Austria) was the founder of a Catholic religious congregationdn for women and an Austrian politician.Early lifeHildegard Freund was born into a liberal Jewish family in Germany.… …   Wikipedia

  • Hildegard Burjan — (nacida como Hildegard Freund) (Görlitz, Alta Lusacia, 30 de enero de 1883 Viena, 11 de junio de 1933), fue una política y activista social austríaca, fundadora de la Sociedad de Vida Apostólica Caritas Socialis y fue diputada en el Parlamento… …   Wikipedia Español

  • Burján — bzw. Burjan ist der Name von: Hildegard Burjan (1883–1933), österreichische Sozialpolitikerin László Burján (* 1985), ungarischer Judoka Diese Seite ist eine Begriffsklärung zur Unterscheidung mehrerer mit demselben Wort bezeichneter Begri …   Deutsch Wikipedia

  • Hildegard Teuschl — (* 3. September 1937 in Wien als Waltraud Teuschl; † 18. Februar 2009 ebenda) war eine österreichische Sozialreformerin und die Gründerin der Hospiz Bewegung in Österreich.[1] Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Umgang mit dem Tod …   Deutsch Wikipedia

  • Burjan — Gedenktafel für Hildegard Burjan Hildegard Burjan Wohnhausanlage in Wien Hietzing Hildegard Burjan geborene Freund …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Brunnen, Denkmäler und Skulpturen in Görlitz — Görlitzer Stadtwappen In der Liste sind die Brunnen, Denkmäler und Skulpturen der Stadt Görlitz aufgeführt. Görlitz ist die Kreisstadt des Landkreises Görlitz in der östlichen Oberlausitz. Die Liste führt die öffentlich zugänglichen… …   Deutsch Wikipedia

  • Caritas Socialis — Gedenktafel für Hildegard Burjan, Mitbegründerin der Caritas Socialis Die Caritas Socialis, abgekürzt CS, ist eine katholische Ordensgemeinschaft für Frauen. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Christkönigskirche (Wien) — Die Christkönigskirche in Rudolfsheim Fünfhaus Die Christkönigskirche ist eine römisch katholische Pfarrkirche im 15. Wiener Gemeindebezirk Rudolfsheim Fünfhaus. Das Vorhaben zur Errichtung der Christkönigskirche auf der Schmelz stammt aus dem… …   Deutsch Wikipedia

  • St. Hubertus und Christophorus (Wien) — St. Hubertus und Christophorus am Lainzer Tiergarten …   Deutsch Wikipedia

  • Krankenpflege — Die Gesundheits und Krankenpflege als Beruf umfasst lt. deutscher Übersetzung der Definition des internationalen Pflegeverbandes (ICN) die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen,… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”