Hochhaus an der Weberwiese

Hochhaus an der Weberwiese
Das Hochhaus von der Weberwiese aus gesehen

Das Hochhaus an der Weberwiese ist ein denkmalgeschütztes Wohnhaus im Berliner Ortsteil Friedrichshain. Es gilt als erstes „sozialistisches Haus“ in Berlin, wurde größtenteils aus recycelten Ziegelsteinen errichtet und am 1. Mai 1952 den zukünftigen Bewohnern feierlich übergeben.

Inhaltsverzeichnis

Das Gebäude

Das Hochhaus an der Weberwiese (Marchlewskistraße 25) ist ein 35 Meter hohes neungeschossiges Gebäude mit insgesamt 33 Wohnungen auf acht Stockwerken. Das oberste neunte Geschoss bildet einen Wintergarten mit umgebender Dachterrasse, das Erdgeschoss beherbergt Ladenflächen. Es wurde nach seinem Standort an der Weberwiese benannt, wo noch Ende des 19. Jahrhunderts Familien von Färbern und Webern in Elendshütten wohnten. Die Rasenfläche diente als Bleiche für die hergestellten Stoffe.[1]

Hintergründe und Geschichte der Entstehung

Das Hochhaus an der Weberwiese entstand als Leitbau mit Vorbildfunktion, mit dem für die bevorstehende Planung und Errichtung der unmittelbar benachbarten Stalinallee die verpflichtenden architektionischen Richtlinien demonstriert werden sollten. Aus der Sowjetunion war kurz zuvor die als Anordnung zu verstehende Empfehlung gekommen, bei städtebaulichen Projekten die nationalen und regionalen Bautraditionen zu studieren und ihre typischen Charakteristika in Gestaltung und Gliederung der Neubauten und ihrer Fassaden aufzunehmen. Sachliche, funktionalistische Architektur, etwa in der Tradition des Bauhauses, galt als bourgeois, dekadent und formalistisch (Betonung der äußeren Gestalt). Da die ersten Planungen für die Stalinallee auf eben diesen nunmehr unerwünschten Prinzipien basierten, musste eine den neuen Richtlinien entsprechende Formensprache entwickelt werden.

Der Architekt Hermann Henselmann, dessen Kollektiv den Leitbau an der Weberwiese entwarf, griff auf Elemente des Schinkelschen Klassizismus zurück, die er variierte und den Eigenheiten eines Hochhauses anzupassen versuchte. Damit bediente er sich architektonischer Formen, die einerseits als typisch für Berlin und somit in der regionalen und nationalen Bautradition verwurzelt gelten konnten, von denen er sich aber andererseits auch sicher sein konnte, dass sie die Billigung der sowjetischen Experten finden würden, da der Russische Klassizismus in vergleichbarer Weise wichtigstes Vorbild des Sozialistischen Klassizismus war, nicht zuletzt durch Stalins Bevorzugung dieses repräsentativen Stils.

Beispiel der originalen Küchenausstattung

Neben der rein architektonischen Vorbildfunktion kam dem Hochhaus eine wichtige propagandistische Aufgabe zu. Es sollte als herausragendes Beispiel für den Standard künftigen Wohnungsbaus dienen und somit Enthusiasmus, Leistungsbereitschaft und Zuversicht wachrufen. Das Hochhaus sollte als steingewordenes Versprechen den in unmittelbarer Zukunft bevorstehenden Lebensstandard und damit die Überlegenheit des Sozialismus augenfällig demonstrieren. Aus diesen Gründen wurden die jeweils 96 Quadratmeter großen Dreizimmerwohnungen nach den Maßstäben der Zeit aufsehenerregend großzügig ausgestattet und erhielten beispielsweise ohne Ausnahme Elektroherde und Telefon und erstmals diente ein Fahrstuhl der Bequemlichkeit. Die Fassade wurde mit hochwertigen weißen Keramikplatten und -schmuckelementen aus der Meißener Porzellan-Manufaktur verkleidet.

Durch die aufwändige Ausstattung wurde der Bau deutlich teurer als herkömmliche Wohngebäude. Während das DDR-Ministerium für Aufbau normalerweise 10.000 Mark Baukosten je Wohnung veranschlagte, betrugen sie beim Hochhaus an der Weberwiese trotz aller Einsparungsversuche schließlich über 90.000 Mark, weshalb die Vorbildfunktion des Bauwerks volkswirtschaftlich problematisch wurde, aber dennoch nicht in Abrede gestellt wurde.[2]

Bau und Fertigstellung

Container für die Bauleitung des Hochhauses, 1949

Die Grundsteinlegung erfolgte am 1. September 1951 durch den Ost-Berliner Oberbürgermeister Friedrich Ebert. Die Bauarbeiten begannen am 12. Oktober und wurden ohne Unterbrechung bei jedem Wetter und rund um die Uhr fortgesetzt, nachts bei künstlicher Beleuchtung durch 20 Flutscheinwerfer. In das Mauerwerk wurden große Anteile alter, bei der Enttrümmerung zerstörter Häuser wiedergewonnener Ziegelsteine eingearbeitet. Die Säulen am Hauseingang stammen aus der abgetragenen Reichskanzlei.[3]

Bei der Trümmerbeseitigung und den Bauarbeiten in der näheren Umgebung, durch das NAW organisiert, wurde auch ein Lied gespielt, das den Bau dieses Hochhauses beschreibt und dessen erste Strophe folgenden Text hatte:

„Es wächst in Berlin, in Berlin an der Spree
ein Riese aus Stein in der Stalinallee.
Die Spatzen vom Alex, die zählen bis acht
und schon ist wieder ein Stockwerk gemacht.“

Nach 141 Tagen, am 19. Januar 1952, fand das Richtfest statt, und symbolträchtig vermauerte der damalige Vorsitzende der FDJ, Erich Honecker, den letzten Ziegelstein. Am 1. Mai 1952 bezogen die ersten Mieter ihre Wohnungen. Es handelte sich dabei insgesamt um 30 Arbeiterfamilien, einen Volkspolizisten, einen Lehrer und einen Architekten.

Bertolt Brecht, der dem Bauwerk besondere Begeisterung entgegenbrachte, verfasste auf Bitte Henselmanns für das Hauptportal die Inschrift „Dieses Haus wurde errichtet zum Behagen der Bewohner und Wohlgefallen der Passanten“. Allerdings wurden diese Worte schließlich nicht verwendet. In den schwarzen Marmor - der aus Hermann Görings Landsitz Carinhall stammte – wurde stattdessen ein anderer Brecht-Vers eingemeißelt: „Friede in unserem Lande, Friede in unserer Stadt, daß sie den gut behause, der sie erbauet hat“.

Straßenseite des Hochhauses

Das Gebäude heute

Das Hochhaus wird seit seiner Sanierung in den 1990er Jahren nach wie vor als Wohnhaus genutzt. Die Dachterrasse und der Wintergarten sind jedoch nicht mehr zugänglich, da die Tragfähigkeit des Daches nicht gewährleistet ist.

Der Platz vor dem Hochhaus – die Weberwiese

Knabe im Park auf der Weberwiese

Die frühere Rasenbleiche auf der Fläche zwischen der Marchlewskistraße, der Hildegard-Jadamowitz-Straße und der Gubener Straße diente in der Weimarer Republik als Stellplatz bzw. Ausgangspunkt von Demonstrationen und Kampfumzügen. Die Berliner nannten das Areal deshalb auch den Roten Platz. Mit der Errichtung des Hochhauses wurde der Platz zu einer Grünanlage umgestaltet. Sie erhielt einen naturnah gestalteten Teich, umgebende geschotterte Wege mit Sitzgelegenheiten, einige Bäume und Büsche und die Bronzeskulptur Hans im Glück. 1988 wurde im Teich ein mehrstrahliger Springbrunnen in Betrieb genommen.[4]

Am westlichen Rand der Grünfläche (Gubener Straße 3) trägt eine Kiezgaststätte den Namen Weberwiese.

Literatur

  • Herbert Nicolaus, Alexander Obeth: Die Stalinallee – Geschichte einer deutschen Straße. Verlag für Bauwesen, 1997, ISBN 3-345-00605-7

Weblinks

 Commons: Richtfest Hochhaus Weberwiese – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Hochhaus Weberwiese – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Institut für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmale der DDR. Hauptstadt Berlin-II. Henschelverlag, Berlin 1984, S. 158f.
  2. Das Hochhaus an der Weberwiese. In: Die Welt vom 1. August 2004
  3. Inge Kiessig: Elendshütten an der Lausewiese. In der Tribüne-Serie: Berliner Straßengeschichten (1) vom 5. Oktober 1983
  4. Information zum Park an der Weberwiese auf Kommtreff.de, abgerufen am 4. April 2011
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