- I.G.-Farben-Haus
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Das I.G.-Farben-Haus oder der Poelzig-Bau (auch IG Farben-Haus oder Poelzig-Ensemble, früher auch IG-Farben-Gebäude, IG-Farben-Komplex, IG–Hochhaus, Farben Building, von 1975 bis 1996 offiziell General Creighton W. Abrams Building) in Frankfurt am Main wurde von Hans Poelzig entworfen und als Zentralverwaltung für die I.G. Farben von 1928 bis 1931 errichtet. Nach Kriegsende zog die amerikanische Militärverwaltung dort ein. Seit 2001 beherbergt das Gebäude einen Teil der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit dem 16. Juni 2009 ist es in Poelzig-Bau umbenannt.
Inhaltsverzeichnis
Das Gebäude
Die 1925/1926 in Frankfurt am Main gegründete I.G. Farbenindustrie AG brauchte für ihre Zentralverwaltung ein repräsentatives Bürogebäude. Der Raumbedarf des damals viertgrößten Unternehmens der Welt war enorm, und so entstand auf einem Teil des Grüneburggeländes eines der größten Bürogebäude der damaligen Zeit, das noch bis in die 1950er Jahre als hochmodern galt.
Die Bauherren wollten keinen Bauhausstil, sondern ein „eisernes und steinernes Sinnbild deutscher kaufmännischer und wissenschaftlicher Arbeitskraft.“ Das von Hans Poelzig entworfene Gebäude ist in der Stilrichtung dem frühen Neoklassizismus zuzuordnen.
Die Formensprache des großzügig schwingenden Baukörpers verband damals Moderne und Tradition. Die Verkleidung mit Travertin-Steinplatten verstärkt die warme und zugleich monumentale Ausstrahlung. Der Innenausbau und die Gestaltung des hochwertigen Interieurs erfolgte nach Plänen von Poelzigs Partnerin Marlene Moeschke-Poelzig. Der 14 Hektar große Park entstand nach Entwürfen des Frankfurter Gartenbaudirektors Max Bromme und der Künstler des Bornimer Kreises.
Das Gebäude ist 250 m lang, 35 m hoch und hat neun Geschosse, wobei die Geschosshöhe vom Parterre nach oben hin abnimmt (von 4,6 auf 4,2 m). Dadurch sieht das Gebäude für den Betrachter höher aus. Das Bauvolumen von insgesamt 280.000 m³ wurde aus 4.600 t Stahl errichtet, die Stahlskelettkonstruktion wurde mit Ziegeln ausgefacht und die Böden wurden aus Hohlsteinen aufgebaut. Die Fassade wurde mit 33.000 m² Cannstatter Travertin verkleidet, die Fenster in durchlaufenden, nur von den betonten Ecken unterbrochenen Bändern angeordnet. Das Dachgeschoss ist fensterlos, hat mit Ausnahme der Querbauten eine sehr geringe Raumhöhe und bildet einen deutlichen Gebäudeabschluss.
Das IG-Farben-Haus besteht aus einem von sechs radial stehenden Querflügeln durchbrochenen 10,9 Meter breiten Kreissegment. Durch das gesamte Gebäude zieht sich ein zentraler Flur, der die Querflügel miteinander verbindet. Durch die leichte Biegung des Gebäudes wird dem Flur die ursprünglich nicht durch Türen unterbrochene enorme Länge optisch genommen. Aufgrund ihrer Anordnung in den Flügeln wie im Haupttrakt erhalten alle Büroräume ausreichende natürliche Beleuchtung und Belüftung. Das Gebäude wirkt von vorn beeindruckend wuchtig, allerdings wird diese Wirkung durch die konvexe Form abgemildert. Im Inneren zeigt das Gebäude eine lichte Leichtigkeit. Diese Bauweise bietet bei großen Komplexen eine Alternative zur Blockbebauung mit Innenhöfen. Der Prototyp dieser Form ist das General Motors Building (heute: Cadillac Place) in Detroit (1917 bis 1921) von Albert Kahn.
Der (abgesehen von einigen Notausgängen) einzige Eingang befand sich bis zur Modernisierung vor dem Einzug der Universität in der Mittelachse des Gebäudes, ihm ist ein tempelartiger Pfeilerportikus vorgelagert, der die Eingangssituation würdevoll überhöht – ein relativ gebräuchliches Motiv bei Verwaltungsbauten dieser Zeit. Der Eingangsbereich ist einigermaßen prunkvoll gestaltet: Die Eingangs- und Fahrstuhltüren sind aus Bronze, Decke und Wände des Windfangs sind mit Bronzeplatten und Kupferfriesen verkleidet. Die dahinterliegende Eingangshalle mit den zwei geschwungenen Treppenaufgängen hat eine Decke mit Blattaluminiumauflage und Marmorwände mit Rautenmuster. Gleichfalls in der Mittelachse auf der Rückseite des Gebäudes befindet sich ein angesetzter vollständig verglaster Rundpavillon, der den Blick auf das ebenfalls auf dieser Achse liegende Wirtschaftsgebäude („Kasino“) in etwa hundert Meter Entfernung freigibt. Während der Nutzung durch die Amerikaner befand sich in der Rotunde erst eine kleine Snackbar, später ein Konferenzraum. Heute ist in dem nach Dwight D. Eisenhower benannten Raum wieder ein Café untergebracht.
Zwischen Hauptgebäude und Kasino und daher von der Straße aus nicht sichtbar befindet sich eine Parkanlage mit Terrassen und stufig angeordneten Wasserbecken mit der von Fritz Klimsch geschaffenen Nymphenskulptur Am Wasser. Das Kasino steht in der Achse des Hauptgebäudes auf einer Anhöhe. In dem zweigeschossigen Gebäude mit einer vorgelagerten Terrasse sind heute Mensa und Hörsäle untergebracht.
Die anderen auf dem Gelände untergebrachten Nebengebäude (Laboratorium, Garagen, Heizwerk) haben keinen räumlichen Bezug zum Hauptbau, sie liegen verstreut am Rand des Parks.
Besonders bekannt – und bei den Studenten beliebt – sind die Paternosteraufzüge des Hauptgebäudes, die sieben der neun Stockwerke miteinander verbinden. Auch nach der Restaurierung behielt die Universität sie aus Denkmalschutzgründen bei. Nach einem Unfall, ausgelöst durch unsachgemäße Bedienung, sind die Paternosteraufzüge heute aber nur noch mit einem Berechtigungsschein benutzbar, der ausschließlich für Studenten und Angestellte der Universität zu erhalten ist.[1] Von Extra 3 wurde er Paternoster-Führerschein benannt.[2] Zudem wird die Benutzung der Paternoster durch Sicherheitspersonal der Universität überwacht.[3][4][5]
Geschichte
Das Gebäude entstand auf dem Grüneburggelände im Stadtteil Westend, das seit 1837 der Familie Rothschild gehörte und seit 1864 die Städtische Irrenanstalt (auch bekannt als Affenfelsen oder Affenstein) beherbergte. Auf dem größeren westlichen Teilgelände wurde ab 1880 der Grüneburgpark angelegt. 1927 erwarb der IG-Farben-Konzern das Grundstück, um darauf seine Konzernzentrale zu errichten. Im August 1928 gewann Professor Hans Poelzig einen beschränkten Wettbewerb unter fünf ausgewählten Architekten – darunter der Frankfurter Stadtbaudezernent Ernst May (gemeinsam mit Martin Elsaesser) sowie Fritz Höger und Jacob Koerfer.[6]
Die Gründungsarbeiten für das Fundament erfolgten Ende 1928; im Sommer 1929 begann die Errichtung des Bauwerks in der damals fortschrittlichen Stahlskelettbauweise. Der 250 Meter lange Baukörper wurde 1930 fertig gestellt. 1931 folgten das sogenannte Casino, das Laborgebäude und die terrassierte Außenanlage mit Wasserbassin.
Dem ursprünglichen Nutzungszweck diente das Gebäude nur 15 Jahre. Im Zweiten Weltkrieg blieb das Gebäude unversehrt. Im März 1945 besetzten alliierte Truppen das Gelände; es wurde amerikanisches Hauptquartier unter General Dwight D. Eisenhower. Das ehemalige Büro Eisenhowers, das erhalten ist und heute noch zu feierlichen Anlässen genutzt wird, war Schauplatz wichtiger historischer Ereignisse: Hier wurde 1948 die Hessische Verfassung unterzeichnet, und am 1. Juli 1948 erhielten die elf westdeutschen Ministerpräsidenten im Beisein der drei alliierten Militärgouverneure mit den sog. Frankfurter Dokumenten den Auftrag, das Grundgesetz zu erarbeiten. Kurz vorher, am 20. Juni 1948, wurde hier die neue (west-)deutsche Währung, die DM, verkündet. Im Gebäude hatte auch die Verwaltung des Wirtschaftsrats der Bizone ihren Sitz.
Ab dem Jahr 1952 diente das Gebäude als Europazentrale der amerikanischen Streitkräfte und Hauptquartier des V. US-Korps. Daneben befand sich im IG-Farben-Haus auch das Hauptquartier der CIA in Deutschland. Die Amerikaner nannten es zunächst Farben-Building, 1975 wurde es offiziell in General Creighton W. Abrams Building umbenannt.
Am 11. Mai 1972 wurde das Foyer des Hauptgebäudes Schauplatz eines Bombenattentats des „Kommandos Petra Schelm“ der RAF, bei dem der amerikanische Oberstleutnant Paul A. Bloomquist getötet und weitere dreizehn Personen verletzt wurden. Das Gebäude, dessen Park bis zu diesem Zeitpunkt öffentlich zugänglich war, wurde daraufhin zum militärischen Sperrgebiet. Das galt auch für den hinter dem IG-Farben-Haus entstandenen militärischen Wohn- und Arbeitsbereich. 1976 und 1982 wurden weitere Anschläge verübt.
Nach der deutschen Wiedervereinigung kündigte die US-Regierung einen umfassenden Truppenabzug für 1995 an. Ein „Headquarter“ des gegebenen Ausmaßes wurde nicht mehr benötigt; der gesamte Komplex fiel an die deutsche Regierung. Die Verwendung war zunächst unklar; mit einem anfangs als „Schnapsidee“ abqualifizierten Vorschlag setzte sich der Frankfurter Universitätspräsident Werner Meißner durch: 1996 erwarb das Land Hessen das Areal mit der Absicht, die Geisteswissenschaften auf einem neuen Campus der Johann Wolfgang Goethe-Universität einzurichten. Bis 2001 wurde das Gebäude durch das Kopenhagener Architekturbüro Dissing+Weitling renoviert und zum Sommersemester 2001 der Universität zur Nutzung übergeben. Nach ersten Unzulänglichkeiten haben sich inzwischen die Fachbereiche Evangelische Theologie, Katholische Theologie, Philosophie und Geschichte, Kulturwissenschaften und Neuere Philologien sowie das Fritz-Bauer-Institut gut eingerichtet.
Mit dem Einzug der Universität begann ein Streit um die Benennung des Gebäudes. Der ehemalige Universitätspräsident Werner Meißner hatte diesen Streit durch die Umbenennung des Gebäudes in „Poelzig-Ensemble“ provoziert. Für ihn verband sich mit der Umbenennung die „Reinwaschung von nationalsozialistischen Bezügen“. Studierende und zunehmend auch Professoren bestanden auf einem historischen Umgang mit dem Gebäude und der Beibehaltung des Namens „I.G.-Farben-Haus“. Meißners Nachfolger Rudolf Steinberg hielt sich an den Beschluss der Gremien, dem Gebäude seinen Namen zu lassen, setzte aber in der Verwaltung auch keinen einheitlichen Sprachgebrauch durch. Der AStA-Vorsitzende Wulfila Wido Walter wehrte sich bei der Einweihung 2001 gegen den „Missbrauch Hans Poelzigs“ und schlug vor, dem Hauptgebäude seinen Namen zu lassen und das kleinere Casino-Gebäude künftig als „Poelzig-Casino“ zu bezeichnen. Auch diese Idee setzte sich nicht durch. Inzwischen ist von „Poelzig-Ensemble“ jedoch kaum mehr die Rede. Mit dieser Debatte ging eine starke politische Bewegung für eine angemessene Gedenkkultur einher: Im Gebäude wurde durch Vizepräsidentin Brita Rang eine Dauerausstellung installiert, vor dem Gebäude entstand eine Gedenktafel für die Zwangsarbeiter der I.G.-Farben. Im Senat der Goethe-Universität wurde auf gemeinsame Initiative des studentischen Senators von Bündnis 90/Die Grünen David Profit und der Senatorin der administrativ-technischen Mitarbeiter Angelika Marx beschlossen, dass ein Platz auf dem neuen Campus Westend nach dem ehemaligen Zwangsarbeiter Norbert Wollheim benannt werden soll.
Nach dem Willen der hessischen Landesregierung soll auf dem Gelände hinter dem IG-Farben-Haus der „modernste Campus Europas“ entstehen. Im Herbst 2008 wurden in einem ersten Bauabschnitt das House of Finance, das Gebäude für die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, ein Hörsaalzentrum und ein Casino-Anbau eröffnet. Sozial- und Erziehungswissenschaften, die künstlerischen Fächer der Goethe-Universität, Verwaltung und Universitätsbibliothek sollen folgen. Nach seiner Fertigstellung im Jahr 2014 zu ihrem hundertjährigen Jubiläum will die Universität den bisherigen Campus Bockenheim aufgeben, den in den 1950er und 60er Jahren Ferdinand Kramer entworfen hatte.
Literatur
- Gustav Lampmann: Wettbewerb Verwaltungsgebäude der I.-G. Farbenindustrie in Frankfurt am Main. In: Zentralblatt der Bauverwaltung. Jg. 48, Nr. 48 (28. November 1928), urn:nbn:de:kobv:109-opus-59699, S. 769–776.
- Werner Meißner, Dieter Rebentisch, Wilfried Wang (Hrsg.): Der Poelzig-Bau. Vom IG-Farben-Haus zur Goethe-Universität. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-10-049412-1
- Wolf-Christian Setzepfandt: Architekturführer Frankfurt am Main/Architectural Guide. 3. Auflage. Dietrich Reimer Verlag, Berlin August 2002, ISBN 3-496-01236-6, S. 45 (deutsch, englisch).
- Von der Grüneburg zum Campus Westend - Die Geschichte des IG Farben-Hauses; Begleitbuch zur Dauerausstellung im IG Farben-Haus, Hrsg. von der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main 2007, 143 S., zahlr. Ill., ISBN 978-3-00-021067-9.
Weblinks
Commons: I.G.-Farben-Haus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur über I.G.-Farben-Haus in der Hessischen Bibliographie
- Info v. Fritz-Bauer-Institut - Studien- und Dokumentationszentrum zur Geschichte und Wirkung des Holocaust
- fotocommunity: Panorama-Foto von I.G.-Farben-Haus - Mai 2006
- Das übertünchte Arkadien, ein Beitrag zum wieder freigelegten Wandgemälde von Georg Heck bei Monumente Online
- Bildergalerie mit Innenansichten
Einzelnachweise
- ↑ Universität Frankfurt: Mitteilung zur Wiederinbetriebnahme der Paternoster, Version vom 12. Juli 2011, Abgerufen am 29. Juli 2011.
- ↑ Der original Paternoster-Führerschein, extra3.blog.ndr.de, 7. September 2011
- ↑ Regeln für die Paternosterfahrt. von J.W. Goethe Universität.
- ↑ Führerschein für Paternoster. von J.W. Goethe Universität (pdf).
- ↑ Anleitung zum Liftfahren. In: Frankfurter Rundschau, 15. Juli 2011. Abgerufen am 18. September 2011.
- ↑ Heike Risse: Frühe Moderne in Frankfurt am Main. 1920–1933. Societäts-Verlag, Frankfurt 1984, ISBN 3-7973-0422-6, S. 125ff.
50.1258.6675Koordinaten: 50° 7′ 30″ N, 8° 40′ 3″ ODieser Artikel wurde am 14. Januar 2005 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen. Kategorien:- Wikipedia:Exzellent
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