Ju 388

Ju 388
Junkers Ju 388 L-1

Die Junkers Ju 388 war eine Weiterentwicklung der Junkers Ju 188, die wiederum auf der bekannten Ju 88 basierte und wie diese als zweimotoriger Ganzmetall-Tiefdecker ausgelegt war. Dabei lag die entscheidende Neuerung der Ju 388 gegenüber ihren Vorgängern in der Konzeption als schnelles Höhenflugzeug mit Druckkabine und Höhenmotoren. Als Höhenbomber Ju 388 K und Höhenaufklärer Ju 388 L sollte sie sich der gegnerischen Luftverteidigung durch überlegene Flughöhe entziehen. Die Nachtjagd- und Zerstörervariante Ju 388 J war zur Bekämpfung gegnerischer Höhenflugzeuge gedacht. Der Erstflug erfolgte am 22. Dezember 1943.

Die Grundidee hinter dieser Entwicklung war, durch Verwendung der Großbauteile einer bereits in Serie laufenden Type (Ju 88/188) möglichst schnell und ohne allzu großen Aufwand bei Fertigungsvorbereitung bzw. Produktionsanlauf ein Höhenschnellflugzeug in Serie fertigen zu können. Die Ju 388 war deshalb darauf ausgelegt, beste Leistungen in der Volldruckhöhe des Triebwerks zu erreichen. Im Gegensatz zu anderen Höhenflugzeugen, die darauf ausgelegt waren, so hoch wie möglich zu fliegen, sollte die Ju 388 in ihrer Einsatzhöhe möglichst schnell fliegen. Deshalb wurde auch auf die bei Höhenflugzeugen sonst übliche Vergrößerung der Tragflächen verzichtet.

Neben den Höhentriebwerken war die augenscheinlichste Neuerung gegenüber der Ju 188 die neu entwickelte Druckkabine für drei Mann Besatzung, die über eine Klimaanlage aus der Ladeluft der Motoren gespeist wurde. Daneben gab es noch ein Heizgerät nur für die Enteisung des Leitwerkes. Darüber hinaus wurden ungeschützte 500 l Tanks in die Tragflächen eingebaut, die über ein Schnellablassventil geleert werden konnten. Tragflächen und Leitwerk wurden bis auf Änderungen im Detail von der Ju 188 übernommen. Zur Abwehr war ein fernbedienter Heckstand mit MG 131 Z in FHL 131 im Rumpfende eingebaut. Als Zieleinrichtung diente ein Periskopvisier PVE 11 mit Ausblick über und unter dem Rumpf auf der Backbordseite vor dem Funkersitz.

Ein einziges existierendes Exemplar der Baureihe ist bekannt. Es handelt sich dabei um das Flugzeug mit der Werksnummer 560049, welches im Mai 1945 in Merseburg in die Hände der US-Streitkräfte fiel. Von dort gelangte es zunächst über Zwischenstationen in Kassel und Cherbourg nach Dayton, Ohio, wo Flugversuche auf dem Wright Field durchgeführt wurden. Zur Zeit befindet es sich in der Paul E. Garber Preservation, Restoration, and Storage Facility, einer Einrichtung des National Air and Space Museum, wo eine durchgreifende Restaurierung durchgeführt werden soll.

Inhaltsverzeichnis

Baureihen

Die Ju 388 sollte in drei Hauptbaureihen J, K und L als Zerstörer/Nachtjäger, Höhenbomber und Höhenaufklärer gebaut werden. Zu jeder dieser Baureihen gab es drei Untergruppen –1, -2 und –3, die sich durch ihre Motorisierung unterschieden. Für die erste Unterbaureihe war der BMW 801 TJ-0 als einziges sofort verfügbares Höhentriebwerk vorgesehen. Die zweite sollte jedoch mit dem konzerneigenen Hochleistungstriebwerk Junkers Jumo 222 ausgestattet werden, das den Maschinen zu beachtlichen Flugleistungen auch im Vergleich mit den alliierten Konkurrenten verholfen hätte. Mit dem ebenfalls konzerneigenen Jumo 213 E sollte die dritte Baureihe ausgerüstet werden, alternativ wurden mehrere Varianten des Daimler-Benz DB 603 untersucht.

Ju 388 J

Diese speziell für die Höhennachtjagd ausgerüstete Baureihe sollte zur Bekämpfung von Höhenbombern wie der Boeing B-29 und feindlichen Nachtjägern bzw. Schnellbombern wie der Mosquito dienen. Anders als die K- und L-Serie erhielt die J-Serie der Ju 388 keine Vollsichtkanzel. Stattdessen war die Kabine nach vorne gepanzert und erhielt elektrisch beheizbare Panzerglasscheiben für Flugzeugführer und Beobachter. Die markantesten Unterschiede zu den anderen Ju 388-Baureihen betrafen die Bewaffnung. Als Offensivbewaffnung waren ursprünglich sechs MG 151/20 mit je 250 Schuss in zwei Stufen unter dem Rumpf (also je drei nebeneinander) vorgesehen, die gegen 2 MG 151/20 und 4 MK 108 (je 100 Schuss) bzw. gegen 4 MG 151/20 und 2 MK 103 (je 100 Schuss) austauschbar sein sollten. Es war geplant, die in der ersten Reihe eingebauten Waffen mit einem Feuerdämpfer zu versehen. Eine solche Offensivbewaffnung mit sechs Waffen unter dem Rumpf wurde bei den Prototypen und der geplanten Serie schließlich nicht realisiert, sondern es kamen nur vier MGs bzw. Kanonen zum Einsatz. Serienmäßig wurde eine FuG 217 "Neptun" Radar-Anlage installiert, die auch vor von hinten anfliegenden feindlichen Nachtjägern warnen konnte. Die Vorbereitungen zur Serienproduktion der Ju 388 J-1 waren Ende 1944 weit fortgeschritten, kamen durch das Kriegsende jedoch zum Erliegen.

Ju 388 K

Dieser speziell als Höhenbomber ausgerüstete Typ sollte das Eindringen in Feindgebiete ermöglichen, ohne dass die gegnerische Jagdwaffe eine Abfangmöglichkeit hatte. Im Gegensatz zur Ju 188 und der Ju 388 J besaß die Ju 388 K eine Bombenwanne unter dem Rumpf. Bis auf eine Aussparung für das Bombenzielgerät war die Vollsichtkanzel identisch mit der der Ju 388 L. Neben zwei Prototypen (V3 und V4) wurden von der Ju 388 K-1 auch einige Serienmaschinen gebaut, die jedoch wegen der Streichung des Bomberprogramms im September 1944 vor der Ablieferung zu Aufklärern des Typs L-1 umgerüstet wurden.

Ju 388 L

Äußerlich kaum von der Ju 388 K zu unterscheiden, war die Ju 388 L als Höhenaufklärer vorgesehen und mit Reihenbildgeräten ausgerüstet. Die Bildgeräte waren unter dem im 2. Lastenraum befindlichen hinteren Rumpftank eingebaut. Sie konnten sowohl senkrecht als auch im seitlichen Winkel von 10°, 15°, 20° und 30° eingebaut werden. Bei der Tagbild-Version waren je zwei Kameras RB 20/30, Rb 50/30 oder Rb 75/30 vorgesehen, beim Nachterkunder gelangten je zwei NRB 35/25, NRB 40/25 oder NRB 50/25 zum Einsatz. Außerdem wurde beim Nachterkunder der große vordere Rumpftank durch einen kleineren mit 725 l Fassungsvermögen ersetzt, um darunter Platz für ein L-Gerüst mit acht Leuchtbomben zu schaffen. Weitere vier Leuchtbomben konnten an zwei Trägs angebracht werden. Mit Rücksicht auf den Platzbedarf der Leuchtbomben mussten die beiden Bildgeräte nebeneinander eingebaut werden, wodurch sich die Kraftstoffkapazität von 3935 auf 2980 l reduzierte.

Produktionszahlen und Flugzeugverteilung

Planungen

In dem am 8. Juli 1944 verabschiedeten neuen Flugzeugprogramm (Lieferplan 226) der Luftwaffe gehörte die Ju 388 neben Me 262, Ar 234, Do 335 und Ta 152 zu den fünf verbleibenden Grundtypen, mit denen sämtliche Aufgaben gelöst werden sollten; alle anderen Flugzeugmuster wurden gestrichen. Monatlich sollten etwa 550 Ju 388 und 525 Do 335 produziert werden, von denen ein Großteil zusammen mit 500 Ar 234 pro Monat eine "qualitative und quantitative Steigerung im Kampfflugzeugsektor" herbeiführen sollte.

Tatsächliche Fertigung

In Dessau wurden sechs Prototypen, je zwei Ju 388 J-1, K-1 und L-1 sowie die Ju 388 L-0/V7 gebaut, die am 22. Dezember 1943 als erste Ju 388 flog. Junkers fertigte darüber hinaus die Vorserien des Bombers K-0 und des Aufklärers L-0 aus Großbauteilen der Ju 188, die der laufenden Serienproduktion entnommen wurden. Inklusive der Ju 388 V7 und V8 wurden bis zum 30. November 1944 15 Ju 388 L-0, meist in Merseburg,und 7 Ju 388 K-0 produziert; ursprünglich waren 50 K-0 geplant, von denen ein Teil aber zu Prototypen umfunktioniert und mehrere Maschinen vor der endgültigen Fertigstellung in Merseburg durch Bomben zerstört oder beschädigt wurden. Vom Nachtjäger J wurde keine Vorserie hergestellt. ATG produzierte die einzige Serienmaschine K-1 im Juli 1944 als Bruchzelle. Lediglich der Aufklärer L-1 wurde mit insgesamt 66 Flugzeugen bei ATG in Leipzig und Weserflug (Reparaturwerk Liegnitz/OS), in Serie gebaut:

Monat ATG L-1 WFG L-1 JFM L-0 JFM K-0 ATG K-1 SUMME an Luftwaffe ausgeliefert (L+K)
bis Juli 1944     6 3   6  
Juli 1944     3 1 1 5  
August 1944 4   2 1   7  
September 1944 3   1     4 4
Oktober 1944 6         6 6
November 1944 15 5 3 2   25 23+2
Dezember 1944 19 5   2   26 24+2
Januar 1945 8 1 1     10 10
Februar 1945     (2)     2 2
SUMME 55 11 18 9 1 94 69+4

Junkers lieferte im Februar, März und April 1944 je eine und im Juni 1944 sieben Erprobungs- und Vorserienflugzeuge an das RLM aus. Die für die Aufklärungseinheiten vorgesehenen Flugzeuge mussten an die Nachrüstindustrie geliefert werden, da die von der Industrie abgelieferten Flugzeuge nicht frontklar waren. Die Nachrüstbetriebe schafften es jedoch nur, sechs der angelieferten 55 Flugzeuge mit den fehlenden Geräten auszurüsten. Letztlich bedeutete dies, dass insgesamt nur 19 Flugzeuge Erprobungseinheiten zugeteilt wurden, der Rest blieb in der Industrie. Kein Flugzeug konnte an eine Kampfeinheit ausgeliefert werden. Insgesamt wurden mit den 6 Prototypen 100 Flugzeuge von der BAL abgenommen. Das bedeutet aber nicht, dass alle Flugzeuge tatsächlich fertiggestellt wurden, da bei Abbruch des Programms oder bei Zerstörung durch Bomben die Flugzeuge als fertig gemeldet wurden, damit diese vom RLM bezahlt wurden. Daher dürfte die Zahl der fertiggestellten Ju 388 eher niedriger gelegen haben. Am 30. November 1944 waren folgende Serienflugzeuge in Auftrag: 393 L-1 bei ATG und 33 L-1 bei WFG.

Verteilung der an die Luftwaffe ausgelieferten 69 Ju 388 L-0 und L-1 (die o. a. 10 Erprobungs- und Vorserienflugzeuge aus dem ersten Halbjahr 1944 sind darin nicht enthalten):

Monat Verteilt An Nachrüstbetriebe An Umbaubetrieb Von Nachrüstbetrieben Versuchsverband OKL Chef technische Luftrüstung Erprobungsstelle Rechlin Umrüst-kdo A
September 1944 4       1 3    
Oktober 1944 6           6  
November 1944 23 20       3    
Dezember 1944 24 24            
Januar 1945 10 9 1 4 2 2    
Februar 1945 2 2   2       2
SUMME 69 55 1 6 3 8 6 2

Quelle: Archivalien aus dem Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg und den National Archives, Washington

Technische Daten Ju 388 J-1 (1944/45)

  • Länge: 16,20 (inklusive Radar)
  • Höhe: 4,35 m
  • Spannweite: 22,00 m
  • Triebwerke: zwei 14-Zylinder Doppelsternmotoren BMW 801 TJ-0 mit je 1.615 PS Startleistung
  • Höchstgeschwindigkeit: 583 km/h
  • Dienstgipfelhöhe: 13.500 m
  • Reichweite: 2.200 km
  • Max. Startgewicht: 13.965 kg
  • Bewaffnung:
    • Je zwei 30 mm Kanonen MK 108 und 20 mm MG 151/20 unter der Nase sowie zwei 13 mm MG 131 im Heck
    • Zwei MG 151/20 oder MK 108 im hinteren Rumpf ca 60 Grad nach vorne oben feuernd Schräge Musik
  • Radar (Aktiv): FuG 217 "Neptun" V/R mit Rückwärtswarnung
  • Radar (Passiv):FuG 220 "Lichtenstein" SN-2, FuG 227 "Flensburg", teilweise auch FuG 350 "Naxos"
  • Max.Bombenlast 1800 Kg (Quelle: Junkersflugzeuge 1933-1945, Doerfler-Verlag)

Siehe auch

Literatur

  • C. Vernaleken und M. Handig: Junkers Ju 388 - Entwicklung, Erprobung und Fertigung des letzten Junkers-Höhenflugzeugs, Aviatic-Verlag, Oberhaching 2003

Weblinks


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