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Karate [kaɺate] Karate?/i (空手, jap. „leere Hand“ bzw. „ohne Waffen in den Händen“) ist eine Kampfkunst, deren Geschichte sich sicher bis ins Okinawa des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen lässt, wo einheimische okinawanische Traditionen (Tōde) mit chinesischen (Shaolin Quanfa) und japanischen Einflüssen (Yawara, Koryu Ju Jutsu, Bujutsu) verschmolzen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fand sie ihren Weg nach Japan und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von dort über die ganze Welt verbreitet.
Inhaltlich wird Karate durch waffenlose Techniken charakterisiert, vor allem Schlag-, Stoß-, Tritt- und Blocktechniken sowie Fußfegetechniken. Diese Technikkategorie bildet den Kern des Karatetrainings. Einige wenige Hebel und Würfe werden (nach ausreichender Beherrschung der Grundtechniken) ebenfalls gelehrt, im fortgeschrittenen Training werden auch Würgegriffe und Nervenpunkttechniken geübt. Manchmal wird die Anwendung von Techniken unter Zuhilfenahme von Kobudōwaffen geübt, wobei das Waffentraining kein integraler Bestandteil des Karate ist. Jedoch ist die Kenntnis einiger Karatetechniken für das Erlernen von Kobudo hilfreich, da das Kobudo zum Beispiel viele Kampfstellungen beinhaltet, die auch im Karate angewendet werden.
Recht hoher Wert wird meistens auf die körperliche Kondition gelegt, die heutzutage insbesondere Beweglichkeit, Schnellkraft und aerobe Belastbarkeit zum Ziel hat. Die Abhärtung der Gliedmaßen u. a. mit dem Ziel des Bruchtests (jap. Tameshiwari), also des aus Film und Fernsehen bekannten Zerschlagens von Brettern oder Ziegeln, ist heute weniger populär, wird aber von Einzelnen immer noch enthusiastisch betrieben.
Das moderne Karate-Training ist häufig eher sportlich orientiert. Das heißt, dass dem Wettkampf eine große Bedeutung zukommt. Diese Orientierung wird häufig kritisiert, da man glaubt, dass dadurch die Vermittlung effektiver Selbstverteidigungstechniken, die durchaus zum Karate gehören, eingeschränkt wird. Man würde in erster Linie Techniken trainieren, die beim sportlichen "Spiel" um den Sieg Punkte bringen, wobei nur diejenigen Techniken erlaubt sind, die scheinbar leichter zu kontrollieren sind, da jede Technik vor dem Ziel abgestoppt werden muss, um Verletzungen auszuschließen. Techniken, die in einer realen Kampfsituation Verwendung finden würden (Ellenbogenschläge etc.), werden als "unsportlich" und "schwer kontrollierbar" eingestuft. Viele Karatemeister hegen die Befürchtung, dass dadurch die Gefahr besteht, dass das Karate verstümmelt und pervertiert wird, da viele der Karatetechniken von den Trainern kaum oder auch gar nicht mehr gelehrt werden.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Name
Karatedō (japanisch „Weg der leeren Hand“) wurde früher meist nur als Karate bezeichnet und ist unter dieser Bezeichnung noch heute am häufigsten geführt. Der Zusatz dō wird verwendet, um den philosophischen Hintergrund der Kunst und ihre Bedeutung als Lebensweg zu unterstreichen. Bis in die 1930er-Jahre hinein war die Schreibweise 唐手 gebräuchlich, was wörtlich soviel wie „chinesische Hand“ bedeutet. Das Schriftzeichen 唐 mit der sino-japanischen Lesung tō und der japanischen Lesung kara bezog sich auf das China der Tang-Dynastie (618 bis 907 n. Chr). Damit waren die chinesischen Ursprünge bereits im Namen der Kampfkunst manifestiert. Aus vermutlich politischen Gründen (Nationalismus) ging man dann in Japan dazu über, die Schreibung 空手, also „leere Hand“, zu verwenden. Das neue Zeichen wurde wie das alte kara gelesen und war auch von der Bedeutung her insofern passend, als im Karate meist mit leeren Händen, also ohne Waffen gekämpft wird.
Im Deutschen ist bei der Aussprache des Wortes Karate eine Betonung der zweiten Silbe verbreitet. Oft wird sogar wie in mehreren romanischen Sprachen, zum Beispiel im Französischen oder Portugiesischen, auf te betont. Nach der japanischen Aussprache des Wortes dagegen ist eine gleichwertige Akzentuierung jeder Silbe üblich.
Ursprünge
Die Legende erzählt, dass der buddhistische Mönch Daruma Taishi (Bodhidharma) aus Kanchipuram (Südindien) im 6. Jahrhundert das Kloster Shaolin (jap. Shōrinji) erreicht und dort nicht nur den Ch'an (Zen)-Buddhismus begründet, sondern die Mönche auch in körperlichen Übungen unterwiesen habe, damit sie das lange Meditieren aushalten konnten. So sei das Shaolin-Kungfu (korrekt: Shaolin-Quanfa, jap. Kempo/Kenpo) entstanden, aus dem sich dann viele andere chinesische Kampfkunststile (Wushu) entwickelt hätten.
Da Karate um seine chinesischen Wurzeln weiß, betrachtet es sich ebenfalls gerne als Nachfahren jener Tradition (Chan, Bodhidharma, Shaolin), deren Historizität im Dunkel liegt und unter Historikern umstritten ist. Trotzdem ziert das Bildnis von Daruma so manches Dōjō.
Von China nach Okinawa
Karate in seiner heutigen Form entwickelte sich auf der pazifischen Kette der Ryūkyū-Inseln, insbesondere auf der Hauptinsel Okinawa. Diese liegt ca. 500 Kilometer südlich der japanischen Hauptinsel Kyūshū zwischen Südchinesischem Meer und Pazifik. Heute ist die Insel Okinawa ein Teil der gleichnamigen Präfektur Japans. Bereits im 14. Jahrhundert unterhielt Okinawa, damals Zentrum des unabhängigen Inselkönigreichs Ryūkyū, rege Handelskontakte zu Japan, China, Korea und Südostasien.
Die urbanen Zentren der Insel, Naha, Shuri und Tomari waren damals ein wichtiger Umschlagplatz für Waren und boten damit ein Forum für den kulturellen Austausch mit dem chinesischen Festland. Dadurch gelangten erste Eindrücke chinesischer Kampftechniken des Quanfa/Kempo nach Okinawa, wo sie sich mit dem einheimischen Kampfsystem des Te/De vermischten und sich so zum Tōde oder Okinawa-Te weiterentwickelten. Te bedeutet wörtlich soviel wie Hand, im übertragenden Sinne auch Technik bzw. Handtechnik. Der ursprüngliche Begriff für Tōde oder Karate 唐手, kann daher frei als „Handtechnik aus dem Land der Tang“ (China) übersetzt werden (meint aber natürlich die verschiedenen Techniken als Ganzes).
Die unterschiedliche wirtschaftliche Bedeutung der Inseln führte dazu, dass sie ständig von Unruhen und Aufständen heimgesucht wurden. Im Jahre 1416 gelang es schließlich König Sho Shin (auch Sho Hashi) die Inseln zu einigen. Zur Erhaltung des Friedens in der aufständischen Bevölkerung verbot er daraufhin das Tragen jeglicher Waffen. Um die einzelnen Regionen zu kontrollieren, verpflichtete er sämtliche Fürsten zum dauerhaften Aufenthalt an seinen Hof in Shuri – eine Kontrollmöglichkeit, die später von den Tokugawa-Shogunen kopiert wurde. Durch das Waffenverbot erfreute sich die waffenlose Kampfkunst des Okinawa-Te erstmals wachsender Beliebtheit, und viele ihrer Meister reisten nach China, um sich dort durch das Training des chinesischen Chuan-Fa / Quan Fa fortzubilden.
1609 besetzten die Shimazu aus Satsuma die Inselkette und verschärften das Waffenverbot dahingehend, dass sogar der Besitz jeglicher Waffen, selbst Zeremonienwaffen, unter schwere Strafe gestellt wurde. Dieses Waffenverbot wurde als Katanagari bezeichnet, was soviel wie „Jagd nach Schwertern“ bedeutet. Schwerter, Dolche, Messer und jegliche Klingenwerkzeuge wurden systematisch eingesammelt. Dies ging sogar soweit, dass einem Dorf nur ein Küchenmesser zugestanden wurde, das mit einem Seil an den Dorfbrunnen (oder an einer anderen zentralen Stelle) befestigt und streng bewacht wurde.
Das verschärfte Waffenverbot sollte Unruhen und bewaffnete Widerstände gegen die neuen Machthaber unterbinden. Jedoch hatten japanische Samurai das Recht der sog. „Schwertprobe“, dem zu Folge sie die Schärfe ihrer Schwertklinge an Leichen, Verwundeten oder auch willkürlich an einem Bauern erproben konnten, was auch vorkam. Die Annexion führte somit zu einer gesteigerten Notwendigkeit zur Selbstverteidigung, zumal damals auf dem feudalen Okinawa Polizeiwesen und Rechtsschutz fehlten, die den einzelnen vor solchen Eingriffen schützen konnten. Der Mangel an staatlichen Rechtsschutzinstutionen und die gesteigerte Wehrnotwendigkeit vor Willkürakten der neuen Machthaber begründeten also einen Intensivierungs- und Subtilisierungsprozess des Kampfsystems Te zur Kampfkunst Karate.
Ungefähr zwanzig Jahre dauerte es, bis sich die großen Meister des Okinawa-Te zu einem geheimen oppositionellen Bund zusammen schlossen und festlegten, dass Okinawa-Te nur noch im Geheimen an ausgesuchte Personen weitergegeben werden sollte.
Währenddessen entwickelte sich in der bäuerlich geprägten Bevölkerung das Kobudō, das Werkzeuge und Alltagsgegenstände mit seinen speziellen Techniken zu Waffen verwandelte. Dabei gingen spirituelle, mentale und gesundheitliche Aspekte, wie sie im Chuan-Fa gelehrt wurden, verloren. Auf Effizienz ausgelegt, wurden Techniken, die unnötiges Risiko bargen, wie beispielsweise Fußtritte im Kopfbereich, nicht trainiert. So lässt sich in diesem Zusammenhang von einer darwinistischen Auslese der Techniken sprechen. Kobudō und seine aus Alltagsgegenständen und Werkzeugen hergestellten Waffen konnten schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht verboten werden, da sie für die Versorgung der Bevölkerung sowie der Besatzer schlicht notwendig waren.
Allerdings war es sehr schwer mit diesen Waffen einem ausgebildeten und gut bewaffneten Krieger im Kampf gegenüberzutreten. Deshalb entwickelte sich in Okinawa-Te und Kobudō, die damals noch eng miteinander verknüpft gelehrt wurden, die Maxime möglichst nicht getroffen zu werden und gleichzeitig die wenigen Gelegenheiten, die sich boten zu nutzen, den Gegner mit einem einzigen Schlag zu töten. Dieses für das Karate spezifische Prinzip heißt Ikken hissatsu. Die darwinistische Auslese von möglichst effizienten Kampftechniken und das Ikken-Hissatsu-Prinzip brachten dem Karate den ungerechtfertigten Ruf ein, ein aggressives Kampfsystem, ja sogar die „Härteste aller Kampfsportarten“, zu sein (siehe dazu weiter unten Film und Medien).
Einige erstaunlich hohe Fußtechniken scheinen einen speziellen Hintergrund zu haben. Wenn ein berittener Krieger in ein Dorf ritt, war es für einen fortgeschrittenen Karateka möglich, im richtigen Augenblick über eine Holzrampe zu laufen und den Ritter vom Pferd zu treten (Yoko Tobi Geri). Die Wahrscheinlichkeit, dass solch ein Angriff glückte, war zwar sehr klein, aber immerhin eine Chance in einem ansonsten wenig aussichtsreichen Kampf.
Die tödliche Wirkung dieser Kampfkunst führte dazu, dass die japanischen Besatzer erneut das Verbot ausdehnten, und das Lehren von Okinawa-Te ebenfalls unter drakonische Strafe stellten. Allerdings wurde es weiterhin im Geheimen unterrichtet. Damit wurde die Kenntnis des Te für lange Zeit auf kleine elitäre Schulen oder einzelne Familien beschränkt, da die Möglichkeit zum Studium der Kampfkünste auf dem chinesischen Festland nur wenigen begüterten Bürgern zur Verfügung stand.
Weil die Kunst des Schreibens in der Bevölkerung damals kaum verbreitet war, und man aus Geheimhaltungsgründen dazu gezwungen war, wurden keinerlei schriftliche Aufzeichnungen angefertigt, wie das in chinesischen Kungfu-Stilen manchmal der Fall war (siehe Bubishi). Man verließ sich auf die mündliche Überlieferung und die direkte Weitergabe. Zu diesem Zweck bündelten die Meister die zu lehrenden Kampftechniken in didaktischen zusammenhängenden Einheiten zu festgelegten Abläufen oder Formen. Diese genau vorgegebenen Abläufe werden als Kata bezeichnet. Um dem Geheimhaltungszweck der Okinawa-Te Rechnung zu tragen, mussten diese Abläufe vor Nicht-Eingeweihten der Kampfschule (also vor potenziellen Ausspähern) chiffriert werden. Dabei bediente man sich als Chiffrierungscode der traditionellen Stammestänze (odori), die den systematischen Aufbau der Kata beeinflussten. So besitzt jede Kata noch bis heute ein strenges Schrittdiagramm (Embusen). Die Effizienz der Chiffrierung der Techniken in Form einer Kata zeigt sich bei der Kata-Demonstration vor Laien: Für den Laien und in den ungeübten Augen des Karate-Anfängers muten die Bewegungen befremdlich oder nichtssagend an. Die eigentliche Bedeutung der Kampfhandlungen erschließt sich einem erst durch intensives Kata-Studium und der „Dechiffrierung“ des Kata. Dies erfolgt im Bunkai-Training. Eine Kata ist also ein traditionelles, systematisches Kampfhandlungsprogramm und das hauptsächliche Medium der Tradition des Karate.
Der erste noch namentlich bekannte Meister des Tode war vermutlich Chatan Yara, der etliche Jahre in China lebte und dort die Kampfkunst seines Meisters erlernte. Der Legende nach unterrichtete er wohl „Tode“ Sakugawa, einen Schüler von Peichin Takahara. Auf Sakugawa geht eine Variante der Kata Kushanku, benannt nach einem chinesischen Diplomaten, zurück. Der bekannteste Schüler Sakugawas war „Bushi“ Sokon Matsumura, der später sogar den Herrscher von Okinawa unterrichtete.
20. Jahrhundert
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde Karate stets im Geheimen geübt und ausschließlich von Meister zu Schüler weitergegeben. Während der Meiji-Restauration wurde Okinawa im Jahre 1875 offiziell zu einer japanischen Präfektur erklärt. In dieser Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, in der sich die okinawanische Bevölkerung den japanischen Lebensgewohnheiten anpasste und Japan sich nach jahrhundertelanger Isolierung wieder der Welt öffnete, begann Karate wieder stärker in die Öffentlichkeit zu drängen.
Der Kommissar für Erziehung in der Präfektur Okinawa, Ogawa Shintaro, wurde 1890 während der Musterung junger Männer für den Wehrdienst auf die besonders gute körperliche Verfassung einer Gruppe junger Männer aufmerksam. Diese gaben an, auf der Jinjo Koto Shogakko (Jinjo-Koto-Grundschule) im Karate unterrichtet zu werden. Daraufhin beauftragte die Lokalregierung den Meister Yasutsune Itosu damit, einen Lehrplan zu erstellen, der unter anderem einfache und grundlegende Kata (Pinan oder Heian) enthielt, aus denen er Taktik und Methodik des Kämpfens weitgehend entfernte und den gesundheitlichen Aspekt wie Haltung, Beweglichkeit, Gelenkigkeit, Atmung, Spannung und Entspannung in den Vordergrund stellte. Karate wurde dann 1902 offiziell Schulsport auf Okinawa. Dieses einschneidende Ereignis in der Entwicklung des Karate markiert den Punkt, an dem das Erlernen und Üben der Kampftechnik nicht mehr länger nur der Selbstverteidigung diente, sondern auch als eine Art Leibesertüchtigung angesehen wurde.
Nach Beginn des Jahres 1900 erfolgte von Okinawa aus eine Auswanderungswelle nach Hawaii. Dadurch kam Karate erstmals in die USA, die Hawaii 1898 annektiert hatten.
Gichin Funakoshi, ein Schüler der Meister Yasutsune Itosu und Anko Asato, tat sich bei der Reform des Karate besonders hervor: Auf der Grundlage des Shorin-Ryū (auch Shuri-Te nach der Ursprungsstadt) und des Shorei-Ryū (Naha-Te) begann er Karate zu systematisieren. Er verstand es neben der reinen körperlichen Ertüchtigung auch als Mittel zur Charakterbildung.
Neben den genannten drei Meistern war Kanryo Higashionna ein weiterer einflussreicher Reformer. Sein Stil integrierte weiche, ausweichende Defensivtechniken und harte, direkte Kontertechniken. Seine Schüler Chojun Miyagi und Kenwa Mabuni entwickelten auf dieser Basis die eigenen Stilrichtungen Gōjū-Ryū bzw. Shitō-Ryū, die später große Verbreitung finden sollten.
In den Jahren von 1906 bis 1915 bereiste Funakoshi mit einer Auswahl seiner besten Schüler ganz Okinawa und hielt öffentliche Karate-Vorführungen ab. In den darauffolgenden Jahren wurde der damalige Kronprinz und spätere Kaiser Hirohito Zeuge einer solchen Aufführung und lud Funakoshi, der bereits Präsident des Ryukyu-Ryu Budokan – einer okinawanischen Kampfkunstvereinigung – war, ein, bei einer nationalen Budō-Veranstaltung 1922 in Tōkyō sein Karate in einem Vortrag zu präsentieren. Dieser Vortrag erfuhr großes Interesse, und Funakoshi wurde eingeladen, seine Kunst im Kōdōkan praktisch vorzuführen. Die begeisterten Zuschauer, allen voran der Begründer des Jūdō, Jigorō Kanō, überredeten Funakoshi, am Kodokan zu bleiben und zu lehren. Zwei Jahre später, 1924, gründete Funakoshi sein erstes Dōjō.
Über die Schulen kam Karate auch bald zur sportlichen Ertüchtigung an die Universitäten, wo damals zum Zwecke der militärischen Ausbildung bereits Jūdō und Kendō gelehrt wurden. Diese Entwicklung, die die okinawanischen Meister zur Verbreitung des Karate billigend in Kauf nehmen mussten, führte zur Anerkennung von Karate als „nationale Kampfkunst“; Karate war damit endgültig japanisiert.
Nach dem Vorbild des bereits im Jūdō etablierten Systems wurde im Laufe der dreißiger Jahre dann der Karate-Gi sowie die hierarchische Einteilung in Schüler- und Meistergrade, erkennbar an Gürtelfarben, im Karate eingeführt; mit der auch politisch motivierten Absicht eine stärkere Gruppenidentität und hierarchische Struktur zu etablieren.
Aufgrund seiner Bemühungen wurde daraufhin Karate an der Shoka-Universität, der Takushoku-Universität, der Waseda-Universität und an der Japanischen Medizinischen Hochschule eingeführt. Das erste offizielle Buch über Karate wurde von Gichin Funakoshi unter dem Namen Ryu Kyu Kempo Karate im Jahre 1922 veröffentlicht. Es folgte 1925 die überarbeitete Version Rentan Goshin Karate Jutsu. Sein Hauptwerk erschien unter dem Titel Karate Do Kyohan 1935 (diese Version wurde 1958 noch einmal um die karatespezifischen Entwicklungen der letzten 25 Jahre erweitert). Seine Biographie erschien unter dem Namen Karate-dō Ichi-ro (Karate-dō – mein Weg), in dem er sein Leben mit Karate schildert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Karate durch Funakoshis Beziehungen zum Ausbildungsministerium als Leibeserziehung und nicht als kriegerische Kunst eingestuft, was es ermöglichte, Karate auch nach dem Zweiten Weltkrieg zur Zeit der Besatzung in Japan zu lehren.
Über Hawaii sowie die amerikanische Besatzung Japans und insbesondere Okinawas fand Karate im Laufe der 1950er und 1960er Jahre als Sportart zunächst in den USA und dann auch in Europa eine immer stärkere Verbreitung.
Aus der nach Funakoshi bzw. dessen schriftstellerischen Pseudonym Shōtō benannten Schule Shōtōkan („Haus des Shōtō“) ging die erste international agierende Karate-Organisation, die JKA hervor, die noch heute einer der einflussreichsten Karateverbände der Welt ist. Funakoshi und die übrigen alten Meister lehnten die Institutionalisierung und Versportlichung sowie die damit einhergehende Aufspaltung in verschiedene Stilrichtungen gänzlich ab.
Karate in Deutschland
1954 gründete Henry Plee in Paris das erste europäische Budō-Dōjō. Ein Deutscher Jūdōka namens Jürgen Seydel kam auf einem Jūdō-Lehrgang in Frankreich erstmals in Kontakt mit Karate beim Meister Murakami, den er begeistert einlud auch in Deutschland zu lehren. Aus den Teilnehmern dieser Lehrgänge entwickelte sich zunächst innerhalb der Jūdō-Verbände eine Unterorganisation, die Karate lehrte und aus der schließlich im Jahre 1961 der erste deutsche Dachverband der Karateka, der Deutsche Karate Bund hervorging.
Den ersten Karateverein in Deutschland gründete schließlich Jürgen Seydel im Jahr 1957 unter dem Namen „Budokan Bad Homburg“ in Bad Homburg vor der Höhe in dem Elvis Presley während seiner Armeezeit in Deutschland trainierte.
Die größte Ausbreitung des Karate in Deutschland gab es in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren unter Hideo Ochi (bis dieser 1992 seinen eigenen Verband gründete) als Bundestrainer des DKB und der Nachfolgeorganisation DKV als Zusammenschluss verschiedener Stilrichtungen.
Ochi hat somit das Karate in Deutschland Ende des 20. Jahrhunderts maßgeblich verbreitet und aufgebaut.
Die vier großen Stilrichtungen
Das japanische Karate teilt sich heute in vier große Stilrichtungen, nämlich Gōjūryū, Shōtōkan, Shitōryū und Wadōryū auf, die ihrerseits auf zwei ebenfalls recht verbreitete okinawanische Stile, Shōrei-ryū und Shorinryū, zurückgehen. Viele kleinere neuere Stilrichtungen begründen sich aus einer oder mehreren dieser sechs Schulen.
Aber auch ursprüngliche Stile wie z. B. Uechi-ryū werden heute noch betrieben.
Etikette
Es gibt im Karatetraining eine hierarchische Unterscheidung: Neben dem Sensei, dem Lehrer, gibt es die Sempai und Kohai.
Jedes Karatetraining beginnt und endet traditionell mit einer kurzen Meditation (Mokusō). Dies soll auch den friedfertigen Zweck der Übungen zum Ausdruck bringen. Die kurze Meditation lässt auf die Tradition des Karate als Weglehre schließen, auch wenn das heutige Training nach modernen sportlichen Gesichtspunkten (so z. B. als Fitness- oder Wettkampftraining), und nicht als Übung des Weges (im Sinne des klassischen Karate-Do) ausgerichtet ist. Auch beginnt und endet jedes Karatetraining, jede Übung und jede Kata mit einem Gruß. Dadurch wird das erste Prinzip der 20 Regeln von Gichin Funakoshi zum Ausdruck gebracht: „karate wa rei ni hajimari rei ni owaru koto“ – „Karate beginnt und endet mit Respekt!“
Die herausragende Respekterweisung gegenüber dem Meister äußert sich mitunter in kurios anmutenden Regeln. So wird es etwa als unhöflich angesehen, hinter dem Rücken des Meisters zu gehen. Diese wurzelt keineswegs in der Vorstellung, hinterrücks angegriffen zu werden, sondern im Gedanken, dass ein „Vorbei-Schleichen“ auf eine mangelhafte Lehrer-Schüler-Beziehung (da mangelnde Würdigung) schließen lässt.
In vielen Dōjōs ist es üblich, vor Betreten und Verlassen der Halle die darin Versammelten mit einer kurzen Verbeugung zu begrüßen, eventuell wird auch der Shōmen des Dōjō mit einer weiteren kurzen Verbeugung beim Betreten und Verlassen gegrüßt.
Danach wird gemeinsam eine rituelle Grußzeremonie (Rei) durchgeführt, in der sich Schüler und Meister voreinander und vor den alten Meistern und Vorfahren (im Geiste, repräsentiert an der Stirnseite, dem Shōmen des Dōjō) verneigen.
Während der Begrüßungszeremonie gelten ungeschriebene Regeln:
Die rituelle Begrüßungszeremonie
Die folgende Zeremonie variiert zwischen Stilrichtungen oder auch Dojos. Sie macht aber das Prinzip deutlich.
- Sobald der Meister oder ein von ihm befugter Sempai den Beginn des Trainings zu erkennen gibt, erfolgt die Aufstellung. Dabei stellen sich Meister und Schüler frontal zueinander auf, und nehmen den Stand Musubi-Dachi ein (Bereitschaftsstellung mit geschlossenen Fersen, die Füße werden fünfundvierzig Grad nach außen gerichtet). Die Schüler bilden eine nach Gürtelfarben aufsteigend geordnete Reihe, von den Weißgürteln zur Linken bis zu den Schwarzgürteln zur Rechten. Die Reihe richtet sich nach rechts nach den höchst-graduierten Sempai aus. Dabei achten die Schüler darauf, dass ihre Zehen nicht die gedankliche Linie überschreiten, die der Sempai begründet hat; denn dies käme einer Herausforderung des Sempai gleich.
- Als nächstes geht der Sempai einen Schritt vor, dreht sich neunzig Grad nach links, sodass er die ganze Reihe gut im Blickfeld hat. Dies ist der Platz des Sempai, der von hier aus guten Blickkontakt zu Sensei und Kohai hat.
- Erst wenn sich der Meister zur Begrüßung hinkniet, machen es Sempai und Kohai nach. Auch hier gilt eine genau vorgeschriebene Vorgehensweise: Man hockt sich hin, sodass die Schenkel ein V bilden. Gleichzeitig gleiten die Hände am Oberschenkel entlang bis zu den Knien. Der Rücken ist gerade, der Blick auf den Sensei gerichtet.
- Nun berührt zuerst das linke Knie den Boden, dann folgt das rechte. Die Hände gleiten nun von den Knien zurück zu den Oberschenkeln. Die nun aufgestellten Füße werden hinabgestellt, sodass der Fußspann den Boden berührt und man bequem auf seinen Unterschenkeln Platz nehmen kann. Richtig ausgeführt, kann man so Stunden verharren. Der Rücken ist gerade, der Blick und die Aufmerksamkeit haften noch immer am Sensei. Die Knie sind zwei Fäuste voneinander entfernt.
- Der Sempai führt nun weiter die Begrüßungsetikette durch. Nach einem Augenblick, in dem er sich der korrekten Haltung der Kohai vergewissert, setzt er das Kommando: „Mokusō!“. Daraufhin schließen alle die Augen. Die Meditation beginnt. Höhergraduierte, meditativ erfahrene Sempai nehmen während dieser Meditation manchmal eine Meditationsmudra mit ihren Händen ein.
- Während der Meditation atmet man tief und fest ein. Man stellt sich den Ki-Fluss im eigenen Körper vor, und stellt sich gedanklich auf das Training ein. Hier löst sich der Karateka gedanklich von der Alltagsroutine, und bereitet sich auf das Karatetraining vor.
- Hält der Sempai die Zeit der Meditation für angemessen, setzt er die Begrüßung fort. Es gibt keine verbindliche Zeitangabe für die Dauer der Begrüßungsmeditation. Der Sempai spürt, wann er und die Kohai bereit sind, das Training zu beginnen. Der Sempai beendet die Meditation mit dem Kommando: „Mokusō yame!“, woraufhin alle die Augen öffnen. Gleich darauf folgt das jeweilige Begrüßungskommando. In der Regel, wenn nur der Sensei anwesend ist, heißt es: „Sensei-ni rei!“ Wohnen spezielle Ehrengäste oder Großmeister dem Training bei, wird ihnen zuerst, entsprechend der Rangordnung, Respekt gezollt.
- Auf das Kommando „Sensei ni rei!“ erfolgt die Begrüßung. Sie sieht folgendermaßen aus: Die linke Hand wird zuerst auf den Boden abgesetzt, sodass die Handinnenfläche den Boden berührt. Nun folgt die rechte Hand; sie wird entweder daneben abgesetzt oder leicht über der linken Hand, sodass nur die Fingerspitzen von Daumen und Zeigefinger/Mittelfinger der rechten die Fingerspitzen von Daumen und Zeigefinger/Mittelfinger der linken Hand bedecken. Jetzt wird der Oberkörper gebeugt, dass die Stirn die Finger leicht berührt. Während dieser Verbeugung im Knien sprechen Schüler und Meister den gegenseitigen Gruß: „Ossu!“ aus. Es gibt noch die Variante, dass man beim Verbeugen, kurz bevor der Kopf die Hände erreicht, auf halben Wege innehält, den Kopf zum Meister hebt und sich gegenseitig für einen Augenblick ansieht. Nach dem kurzen Blickkontakt wird der Kopf zu den Händen gesenkt und gegrüßt. Diese Variante kommt direkt aus der Tradition des Bushido.
- Nach der mündlichen Begrüßung („Ossu!“) richtet der Karateka den Oberkörper wieder auf, nimmt also die Haltung während der Meditation wieder ein.
- Nun steht der Meister als erstes auf, dann der Sempai. Der Sempai gibt nun entweder ein Zeichen oder das Kommando, dass sich auch die Kohai erheben mögen. Das Aufstehen erfolgt in umgekehrter Reihenfolge zum Abknien. Das heißt, das rechte Bein löst sich zuerst vom Boden und wird aufgestellt und im Stehen zum linken Fuß herangezogen, so dass man wieder im „Musubi-Dachi“ steht. Die Handflächen liegen auf der Oberschenkelaußenseite.
- Nun, wo sich alle im „Musubi-Dachi“ gegenüberstehen, verbeugt man sich im Stehen und grüßt einander mit: „Ossu!“ Der Oberkörper wird dabei in einem Winkel von ungefähr dreißig Grad gebeugt.
- Nach dieser Verbeugung ist die traditionelle Begrüßung abgeschlossen. Der Meister setzt nun mit dem Training fort.
In manch traditionellen Schulen und Vereinen ist es auch üblich, an der Stelle nach der Begrüßung im Knien und vor dem Aufstehen die Dōjōkun oder die 20 Paragraphen des Karate von den gelehrigsten Schülern (stellvertretend für alle) rezitieren zu lassen.
Die traditionelle Verabschiedung im Training erfolgt nach dem gleichen Muster wie die Begrüßung.
Wie in allen anderen Dō-Künsten üblich werden im Umgang der strenge Kodex des Reishiki und die Dōjōkun beachtet.
Kleidung
Jeder Karateka trägt einen Karate-Gi, bestehend aus einer einfachen an der Hüfte geschnürten weißen Hose, Zubon, früher bestehend aus Leinen, heute aus Baumwolle und einer Jacke, Uwagi genannt, aus dem gleichen Material. Gehalten wird die Jacke (meist neben einer leichten Schnürung) durch einen gefärbten Gürtel, den Obi. Ein Karate-Gi darf keine Kunstfasern enthalten. Es wird grundsätzlich barfuß trainiert.
Dass Karateka überhaupt uniforme Trainingskleidung trugen, war nicht selbstverständlich. Das Okinawa-Te wurde von jeher in robuster Alltagskleidung trainiert. Ebenso existierte in der Zeit, da Karate noch eine insulane Kampfkunst war, kein Graduierungssystem. Der Meister wusste vom jeweiligen Fortschritt seines Schülers ohnehin Bescheid. Die Einführung einheitlicher Trainingskleidung und eines Graduierungssystems erfolgte erst nach Funakoshi Gichins Begegnung mit dem Kōdōkan-Gründer Jigorō Kanō, der eben jenes im Jūdō veranlasste.
Die Einführung einheitlicher Kleidung und eines Graduierungssystems ist nur im sozio-historischen Kontext zu verstehen. Nach der Meiji-Restauration, der Auflösung des Samurai-Standes und der Einführung von Faustfeuerwaffen war die Bedeutung der traditionellen Kriegskünste zurückgegangen. Mit dem aufkeimenden japanischen Nationalismus gewannen die klassischen Kampfkünste wieder an Bedeutung, die am Verlauf der japanischen Geschichte einen entscheidenden Anteil hatten. Man sah die Kampfkünste als Bestandteil der kulturellen und nationalen Identität an. Die Kampfkünste (so auch das Karate) erhielten den Stempel der nationalistischen Politik jener Zeit.
Die Kampfkünste durchliefen eine Militarisierung westlicher Prägung. Aus diesem Blickwinkel sind die einheitliche Kleidung als Uniform, und das Graduierungssystem nach Gürtelfarben als Hierarchie nach militärischen Dienstgraden zu verstehen. Die Aufstellung in einer Reihe gleicht der militärischen Formation. Auch gewisse Stände ähneln militärischen Ständen: So sieht der Stand „Musubi-Dachi„ aus wie die Grundstellung beim Kommando „Stillgestanden!“ bzw. „Achtung!“, und der „Shizen-Tai“ wie der erleichterte Stand bei „Rührt Euch!“.
Graduierung
Die Graduierung durch farbige Gürtel wurde wahrscheinlich aus dem Judo übernommen. Jigoro Kano, Gründer des Kodokan Judo, hat dieses System im 19. Jh. erstmalig verwendet. Vorher gab es kein Graduierungssystem nach Gürtelfarben in den Kampfkünsten aus Okinawa und Japan. In Graduierungen wird zwischen den Schülergraden, den so genannten kyū und den Meisterschüler, bzw. Meistergraden, den so genannten dan unterschieden. Jeder dieser Stufen wird eine Gürtelfarbe zugeordnet. In dem in Deutschland gebräuchlichsten Graduierungssystem existieren 9 Kyū- und 10 Dan-Grade. Der 9. Kyū ist hierbei die unterste Stufe, der 10. Dan die höchste.
9. Kyu (weiß)
8. Kyu (gelb)
7. Kyu (orange)
6. Kyu (grün)
5. Kyu (blau/violett*)
4. Kyu (blau/violett*)
3. Kyu (braun)
2. Kyu (braun)
1. Kyu (braun)
1. Dan, 2. Dan, 3. Dan ... bis 10. Dan (schwarz)
* Blau und violett werden in verschiedenen Verbänden unterschiedlich genutzt. Einige Verbände grenzen einen violetten 4. Kyū vom blauen 5. Kyū ab, in anderen sind beide als blau oder beide als violett festgelegt, in wieder anderen Verbänden sind die beiden Farben beliebig austauschbar.
Die Gürtelfarben sind eine Erfindung des modernen Budō. Viele Verbände verfolgen damit neben der beabsichtigten Motivation der Mitglieder auch finanzielle Interessen, denn für jede abzulegende Prüfung wird eine Gebühr erhoben.
Prüfungen
Zum Erlangen des nächsthöheren Schüler- bzw. Meistergrades werden Prüfungen nach einem festen Programm und einer Wartezeit, je nach Kyu- und Dan-Graden verschieden, abgelegt. Die Programme der Prüfungen unterscheiden sich von Verband zu Verband, gelegentlich gibt es sogar Unterschiede in einzelnen Dōjō. Das Ablegen der Prüfungen dient als Ansporn und Bestätigung des Erreichten, ähnlich wie in unserem Schulsystem. In den Prüfungen wird auf Technikausführung, Haltung, Aufmerksamkeit, Kampfgeist, Konzentration und Willen geachtet. Der Gesamteindruck entscheidet. Bei höheren Meistergraden (meist ab dem 5. Dan) erhöht sich der theoretische Prüfungsanteil erheblich. In einigen wenigen Organisationen werden diese Dangrade gar nur aufgrund besonderer Leistungen und Verdienste verliehen. Im Shotokai ist der 5. Dan (Godan) die höchste Auszeichnung.
Philosophie
Karate hat als Budodisziplin, zu denen zum Beispiel auch Kendo und Judo gehören, einen spirituellen Kern aus weltanschaulichen Elementen des Zen und des Taoismus. Diese Weltanschauungen dienen dazu, die Systeme des Budo zu erklären und bilden nicht die Basis dieser Kampfkünste.
Einen guten Einblick in die Grundsätze der Karate-Philosophie bieten die 20 Paragraphen des Karate von Gichin Funakoshi.
Die 20 Regeln
In Japan werden die von Gichin Funakoshi aufgestellten 20 Regeln des für Karateka angemessenen Verhaltens als Shōtō Nijū Kun (jap. 松濤二十訓, wörtlich die 20 Regeln von Shōtō, wobei Shōtō der Künstlername Funakoshis war) oder als Karate Nijū Kajō (jap. 空手二十箇条, wörtlich die 20 Paragraphen des Karate) bezeichnet. Im deutschen Karate vermischt sich der Begriff häufig mit dem der Dōjōkun, die eigentlich nur fünf zentrale Regeln umfassen und lange vor Funakoshi und mit Bezug auf alle Kampfkünste vermutlich von buddhistischen Mönchen in Indien aufgestellt wurden.
- Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt.
- 一、空手は礼に初まり礼に終ることを忘るな 。
- karate wa rei ni hajimari rei ni owaru koto o wasuru na
- Im Karate gibt es keinen ersten Angriff.
- 二、空手に先手無し 。
- karate ni sente nashi
- Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit.
- 三、空手は義の補け。
- karate wa gi no tasuke
- Erkenne zuerst dich selbst, dann den anderen.
- 四、先づ自己を知れ而して他を知れ。
- mazu jiko o shire shikoshite hoka o shire
- Die Kunst des Geistes kommt vor der Kunst der Technik.
- 五、技術より心術。
- gijutsu yori shinjutsu
- Es geht einzig darum, den Geist zu befreien.
- 六、心は放たん事を要す。
- kokoro wa hanatan koto o yōsu
- Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit.
- 七、禍は懈怠に生ず。
- wazawai wa ketai ni shōzu
- Denke nicht, dass Karate nur im Dojo stattfindet.
- 八、道場のみの空手と思うな。
- dōjō nomi no karate to omou na
- Karate üben heißt, es ein Leben lang zu tun.
- 九、空手の修行は一生である。
- karate no shūgyō wa isshō dearu
- Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, dann wirst du geistige Reife erlangen.
- 十、凡ゆるものを空手化せ其処に妙味あり。
- arayuru mono o karate kase soko ni myōmi ari
- Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn du es nicht ständig warm hältst.
- 十一、空手は湯の如く絶えず熱を与えざれば元の水に返る。
- karate wa yu no gotoku taezu netsu o ataezareba moto no mizu ni kaeru
- Denke nicht an das Gewinnen, doch denke darüber nach, wie man nicht verliert.
- 十二、勝つ考えは持つな、負けぬ考えは必要。
- katsu kangae wa motsu na, makenu kangae wa hitsuyō
- Wandle dich abhängig vom Gegner.
- 十三、敵に因って転化せよ。
- teki ni yotte tenka seyo
- Der Kampf hängt von der Handhabung des Treffens und des Nicht-Treffens ab.
- 十四、戦は虚実の操縦如何にあり。
- ikusa wa kyojitsu no sōjū ikan ni ari
- Stelle dir deine Hand und deinen Fuß als Schwert vor.
- 十五、人の手足を劔と思え。
- hito no teashi o ken to omoe
- Sobald man vor die Tür tritt, findet man eine Vielzahl von Feinden vor.
- 十六、男子門を出づれば百万の敵あり。
- danshimon o izureba hyakuman no teki ari
- Feste Stellungen gibt es für Anfänger, später bewegt man sich natürlich.
- 十七、構えは初心者に、あとは自然体。
- kamae wa shoshinsha ni, ato wa shizentai
- Die Kata darf nicht verändert werden, im Kampf jedoch gilt das Gegenteil.
- 十八、型は正しく、実戦は別もの。
- kata wa tadashiku, jissen wa betsu mono
- Hart und weich, Spannung und Entspannung, langsam und schnell, alles in Verbindung mit der richtigen Atmung.
- 十九、力の強弱、体の伸縮、技の緩急を忘るな。
- chikara no kyōjaku, karada no shinshuku, waza no kankyū o wasuru na
- Denke immer nach und versuche dich ständig an Neuem.
- 二十、常に思念工夫せよ。
- tsune ni shinen kufū seyo
Meditation
Zum besseren Verständnis des spirituellen Wesens des Karate kann u.a. auch das Studium des Zen geeignet sein.
Die Wiederholung der Bewegungen, in Kihon (jap. „Grundschule“) und Kata (jap. „Form“) wird von manchen Meistern als Meditation betrachtet. Das Ki, also die Energie des Körpers, das Bewusstsein, das sich beispielsweise in Koordinations- und Reaktionsvermögen äußert, sollen durch körperlich anstrengende, konzentrierte und dynamische Bewegungen gestärkt werden. Da während einer Kata Konzentration gefordert ist, und gleichzeitig die Lebensenergie (Ki) unbeeinflusst vom Bewusstsein im Körper fließt, gilt Kata als „aktive Meditation“. Kata als Meditationsform ist sozusagen das Gegenteil von Zen: Letzterer ist Versenkung im Verharren, erstere Versenkung in der Bewegung. Bloßes Üben von Techniken in einer Kata allein heißt noch lange nicht, dass die Kata als Meditationsform praktiziert wird. Erst die richtige Geisteshaltung, mit welcher der Karateka die Kata füllt, macht aus einem traditionellen Kampfhandlungsprogramm einen Weg zur spirituellen Selbstfindung und meditativen Übung.
Dō
Das Prinzip des Dō (道) findet sich in allen japanischen Kampfkünsten wieder und ist unmöglich umfassend zu beschreiben. Dō ist die japanische Lesart des chinesischen Tao, das mit dem gleichen Zeichen geschrieben wird. Es bedeutet „Weg“; nicht nur im wörtlichen Sinne also „Straße“, sondern auch mit der übertragenen Bedeutung des „Lebensweges“, der „Lebenseinstellung“. Dahinter stehen einerseits das taoistisch-schicksalhafte Prinzip, dass das Tao, der Weg, vorgezeichnet ist und die Dinge in ihrer Richtigkeit vorbestimmt; sowie die Einstellung des Nichtanhaftens und der Nichtabhängigkeit von allen Dingen, Gegebenheiten und Bedürfnissen, die im Zen-Buddhismus gelehrt wird. Der Kodex des Bushidō geht noch weiter: Der bushi (jap. „Krieger“), der Bushidō verinnerlicht hat, befreit sich damit nicht nur von allen materiellen Bedürfnissen, sondern von dem Begehren um jeden Preis zu leben. Das Ende des eigenen Lebens wird damit nicht unbedingt erstrebenswert, aber auf jeden Fall eine zu akzeptierende Tatsache, und der Tod birgt keinen Schrecken mehr. Diese Haltung war im alten Japan eine hochangesehene geistige Einstellung, die sich in vielen martialischen Verhaltensweisen wie dem Seppuku manifestierte. Dies darf jedoch auf keinen Fall als Geringschätzung gegenüber dem eigenen Leben oder dem eines anderen aufgefasst werden. Im Gegenteil: Die Aufopferung des eigenen wertvollen Lebens wog vielmehr jede Schmach auf, die ein Krieger zu Lebzeiten auf sich geladen hatte. Das Seppuku, also der rituelle Selbstmord, befreit den Krieger von Schuld und Schande und stellte seine Ehre wieder her.
Das Dō-Prinzip impliziert nun viele verschiedene Konzepte und Verhaltensweisen, die nicht abschließend aufgezählt werden könnten. Deshalb hier nur einige wenige Aspekte: siehe auch Dōjōkun, Die 20 Regeln des Karate
- „den Weg gehen“: lebenslanges Lernen und Arbeiten an sich selbst; ständige Verbesserung
- Friedfertigkeit, Friedenswille, aber auch
- Geradlinigkeit; absolute Entschlossenheit im Kampf
- („Tue alles, um eine Auseinandersetzung zu vermeiden. Kommt es aber trotzdem zum Kampf, so soll Dein erster Schlag töten.“)
- Respekt und damit Höflichkeit gegenüber jedem Individuum und Ding, auch dem Feind
- „Weg“-Gemeinschaft mit Meister und Mitschülern, Brüderlichkeit, verantwortungsvolles Handeln
- Selbstbeherrschung, universelle Aufmerksamkeit (Achtsamkeit), Konzentration (Zanshin, 残心)
- Offenheit, Bemühen um Verständnis, Akzeptanz
- Nicht-Streben
Training
Das Training des Geistes, des Charakters und der inneren Einstellung sind Hauptziele im Karate. Dies wird auch durch den Leitspruch der Japan Karate Association (JKA) dargelegt:
- „Oberstes Ziel in der Kunst des Karate ist weder Sieg noch Niederlage, sondern liegt in der Vervollkommnung des Charakters des Ausübenden.“
Eine weitere Grundregel im Karate lautet
- 「空手に先手無し。」 (Karate ni sente nashi), was soviel bedeutet wie: „Es gibt keinen ersten Angriff im Karate.“
Damit ist nicht das Training oder der Wettkampf gemeint, da ernsthafte Angriffs-Simulationen zu allen Budō-Künsten gehören. Der Satz verdeutlicht vielmehr den Kodex des Karatedō im täglichen Leben. Gemeint ist, dass sich der Karateka zu einer friedlichen Person entwickeln und nicht auf Streit aus sein soll. Ein Karateka macht also, bildlich gesprochen, niemals den ersten Schlag.
Das Karatetraining baut auf drei großen Säulen auf, dem Kihon, dem Kumite und der Kata.
Kihon
基本 (Kihon) heißt „Grundlage“ oder „Quelle“, „Ursprung“ (des Könnens) und wird häufig auch als Grundschule des Karate bezeichnet. Es umfasst die grundlegenden Techniken, die das Fundament des Karate bilden. Die einzelnen Techniken werden immer wiederholt, entweder langsam oder schnell, kraftvoll oder leicht/locker. Der Bewegungsablauf der einzelnen Technik wird in alle Bestandteile zerlegt und es wird versucht die Ideallinie der Bewegung zu finden, wobei es immer etwas zu optimieren gibt. Der Bewegungsablauf muss optimal verinnerlicht werden – reflexartig abrufbar, da für Denken, Planen und Handeln in einem realen Kampf zu wenig Zeit ist. Einatmung, Ausatmung, maximale Anspannung des ganzen Körpers im Zielpunkt sind grundlegende Ziele dieses Trainings. Nach asiatischer Vorstellung liegt das Zentrum des Körpers und damit das Kraftzentrum dort, wo idealer Weise auch der Körperschwerpunkt liegen sollte. Diesem oft bedeutungsverengend mit Hara (腹, „Bauch“) bezeichneten ideellen Punkt (ca. 2 cm unter dem Bauchnabel) kommt beim Atemtraining besondere Aufmerksamkeit zu (Bauchatmung). Eine gute Balance ist darüber hinaus erstrebenswert und wird oft umschrieben mit dem Finden des „inneren Schwerpunktes“.
Kumite
Kumite (jap. 組み手 oder 組手) bedeutet wörtlich „verbundene Hände“ und meint das Üben bzw. den Kampf mit einem (selten mehreren, siehe Bunkai) Gegnern. Das Kumite stellt innerhalb des Trainings eine Form dar, das es dem Trainierenden nach ausreichender Übung ermöglicht, sich in ernsten Situationen angemessen verteidigen zu können. Voraussetzung ist das richtige Verstehen und Einüben elementarer Grundtechniken aus dem Kihon und der Kata. Wenn die Ausführung der Technik in ihrer Grundform begriffen wurde, wendet man sie im Kumite an. Die Anwendung im Kumite ist sehr wichtig, da die Ausführung von Techniken im Freikampf nicht der vorgeschriebenen Form entsprechen müssen, da man oftmals bei überraschenden Angriffen sofort von der Kampfhaltung zur Endstellung der Abwehr gelangen muss. Es gibt verschiedene Formen des Kumite, die mit steigendem Anspruch von einer einzigen, abgesprochenen, mehrfach ausgeführten Technik bis hin zum freien Kampf in ihrer Gestaltung immer offener werden.
Bei Verteidigungstechniken werden hauptsächlich die Arme zu Blocktechniken verwendet. Würfe, Hebel, harte, weiche Blockbewegungen oder auch nur Ausweichen, meist in Kombination mit Schritt- oder Gleitbewegungen. Eine Blockbewegung kann auch als Angriffstechnik ausgeführt werden, was ein sehr gutes Auge voraussetzt; der Angriff des Gegners wird im Ansatz mit einer Abwehrbewegung oder einem Gegenangriff (出会い, deai, „Begegnung, Aufeinandertreffen“) gestoppt.
Beim Angriff wird versucht, die ungedeckten Bereiche bzw. durch die Deckung hindurch den Gegner zu treffen. Es soll möglichst mit absoluter Schnelligkeit ohne vorzeitiges Anspannen der Muskeln konzentriert angegriffen werden, denn erhöhter Krafteinsatz führt während der Bewegung zu Schnelligkeitsverlusten. Der Kraftpunkt liegt am Zielpunkt der Bewegung. Das Prinzip der Angriffstechnik gleicht dem des Pfeiles eines Bogenschützen bei Schlag- und Stoßtechniken und dem einer Peitsche bei geschnappten Techniken.
Yakusoku-Kumite
Das Yakusoku-Kumite (jap. 約束組手, „abgesprochenes Kumite“) ist die erste Stufe der am Partner/Gegner angewandten Technik. Dabei folgen beide Partner einem vorher festgelegten Ablauf von Angriff- und Verteidigungstechniken, die in der Regel im Wechsel ausgeführt werden. Ziel dieser Übung ist es, die Bewegungen des Partners/Gegners einschätzen zu lernen, sowie die eigenen Grundschul-Techniken in erste Anwendung zu bringen, ein Gefühl für Distanz und Intensität zu erhalten. Diese Form der Übung ist wiederum nach Schwierigkeitsgrad unterteilt.
Jiyū-Kumite
Beim Jiyū-Kumite (jap. 自由組手, „freies Kumite“) werden Verteidigung und Angriff frei gewählt, teilweise ohne Ansage oder Bekanntgabe.
Jiyū bedeutet „Freiheit“ oder „Wahlfreiheit“. Allgemein gilt: Man muss, egal ob man die Initiative im Angriff oder in der Abwehr ergreift, aus jeder beliebigen Position heraus reagieren können, ungehindert aller einschränkenden Gedanken, da man in überraschenden Situationen nicht sofort in eine Kampfstellung gehen kann. Es ist also egal, ob man einen Angriff blockt, sperrt, in diesen hineingeht oder selbst zum Angriff übergeht. Wichtig ist nur, all seine Aktionen in der Weise auszuführen, dass man dabei nicht von ablenkenden Gedanken erfasst wird. Der Kopf muss kühl bleiben. Ebenso wie in allen anderen Kampfkünsten hemmen die „Bewegungen im Kopf“ letztlich die Bewegungen des Körpers. Der Geist muss sozusagen ungehindert fließen können, um jede Bewegung des Gegners aufnehmen zu können. Diese Form des Kampfes stellt die Höchstform des klassischen Kumite dar. Timing, Distanzgefühl, ein selbstbewusstes Auftreten, eine sichere Kampfhaltung, schnelle und geschmeidige Techniken, gehärtete Gliedmaßen, intuitives Erfassen, ein geschultes Auge, Sicherheit in Abwehr, Angriff und Konter … das alles sollte hinführend zum Jiyū-Kumite bereits vorher in den anderen Kumite-Formen sowie im Kihon und in der Kata eingeübt werden. Letzteres wird sich jedoch erst im Jiyū-Kumite sowie im Randori vollends ausbilden: Spontaneität.
Randori
Randori (jap. 乱取り, „freies Üben“, wörtlich „Unruhen/Ungeordnetes abfangen“) ist eine freie Form des Partnertrainings, bei der es darum geht, ein Gespür für den Fluss eines Kampfes, der Bewegungen und der eingesetzten Energie zu bekommen. Dabei ist es nicht zielführend, wie im Kampf Treffer um jeden Preis zu vermeiden, sondern es ist ausdrücklich erwünscht, dass die Trainierenden Treffer bei gut ausgeführten Angriffen auch zulassen. Es sind keine Vorgaben bezüglich der einzusetzenden Techniken gemacht. Die Übenden sollen vielmehr das spontane Handeln aus den sich ergebenden Situationen erlernen. Das Randori sollte locker und gelassen sein, einen freien Fluss der Techniken ermöglichen und keinen Wettkampfcharakter annehmen.
(Frei-)Kampf
Der Freikampf imitiert entweder reale Selbstverteidigungssituationen oder dient dem Wettkampf (Shiai) bzw. dessen Vorbereitung.
Kennzeichnend im traditionellen Karate ist der beabsichtigte Verzicht auf Trefferwirkung am Gegner. Absolut notwendig ist die Fähigkeit, Angriffstechniken vor dem Ziel, dem Körper des Gegners, mit einer „starken“ Technik zu arretieren, da ohne Hand- und Kopfschutz geübt wird. Trefferwirkung ist ein Regelverstoß. „Schwache“ Techniken führen zu keiner Wertung.
Vollkontakt-Karate-Kampfsysteme gestatten und beabsichtigen in der Wettkampfordnung die Trefferwirkung. Viele dieser Stilrichtungen verwenden dazu auch Schutzausrüstungen wie Kopf- und Gebissschutz sowie einen speziellen Handschuh, der die Fingerknöchel und den Handrücken polstert. Wird der Freikampf als Wettkampf durchgeführt, so gibt es feste Regularien die beispielsweise Würfe über Hüfthöhe, Tritte zum Kopf, sowie Techniken gegen den Genitalbereich oder mit offener Hand zum Hals geführte Schläge aus Sicherheitsgründen verbieten. Ohne Handschuhe sind Angriffe mit den Händen oder Fäusten zum Kopf verboten, wie im Kyokushin-Kai, oder es wird komplette Schutzausrüstung mit Helm, Weste, Tiefschutz, Unterarm- und Schienbeinschoner und evtl. ein Spannschutz verwendet, wie auch im Taekwondo.
Kata
Hauptartikel: Kata (Karate)
Kata (型) bedeutet „Form“ oder „Schablone“. Eine Kata ist ein stilisierter und choreographierter Kampf gegen mehrere imaginäre Gegner, der einem festgelegten Muster im Raum, Embusen genannt, folgt. Verschiedene Stilrichtungen üben im Allgemeinen verschiedene Kata, jedoch gibt es auch viele Überschneidungen, Varianten und unterschiedliche Namensgebung. Kata entwickelten sich wie bereits im Abschnitt Geschichte erwähnt zur komprimierten Weitergabe der Techniken einer Schule oder eines einzelnen Meisters ohne die Notwendigkeit schriftlicher Aufzeichnung.
Die vier Elemente der Kata
Bunkai
分解 („Analyse, Zerlegung“) bezeichnet die Analyse der einzelnen fest vorgeschriebenen Bewegungen einer Kata, wie sie in der entsprechenden Schule gelehrt werden. Die dabei betrachtete Form der Kata bezeichnet man als das Genki- (原拠) oder Basis-Modell. Dieses bezeichnet die Urform bzw. den Ursprung der Kata.
Während die Kata frei und meist öffentlich vermittelt wird, ist das Bunkai die persönliche Interpretation des (lehrenden) Meisters, seines Systems/Schule. Üblicherweise ist das (traditionelle) Bunkai damit gebunden an den persönlichen Kontakt zwischen Meister und Schüler.
Ōyō
応用 („Anwendung“) Individuelle Interpretationen durch die Schüler werden oyo („frei“) genannt. Dabei wird der Leistungsstand wie auch körperliche oder andere individuelle Merkmale berücksichtigt. Manche Bunkai-Techniken berücksichtigen so z. B. nicht den Größenunterschied zwischen Tori und Uke.
Leider ist mit der Verallgemeinerung des Karate oft dieser Bezug verloren gegangen, weswegen vielfach freie Oyo-Varianten in Umlauf sind, deren Urheber nicht mehr nachvollziehbar, bzw. deren Authentizität dann zweifelhaft sind. Daraus resultiert oft auch eine Unklarheit in der formalen Ausführung der Kata, da die Form wiederum ohne die ursprünglichen Bedeutungen leicht zu einem rein akrobatischen Leistungsvergleich (Wettkampf) zu verkommen droht.
Henka
変化 („Variation“). Die Ausführung der Kata und ihr Ausdruck werden trotz der gleichen Bewegungsabläufe der Ausführenden niemals gleich aussehen. Die Akzentuierungen innerhalb der Bewegungsabläufe, die eingesetzte Kraft in den Einzeltechniken, die individuelle koordinative Befähigung, die Gesamtkonstitution und viele weitere Aspekte bewirken, dass eine Kata von zwei Karatekas vorgetragen niemals gleich sein kann. Henka beschreibt, wie der Ausführende die Kata präsentiert und auch wie er sie sieht.
Kakushi
隠し („versteckt“). Jede Kata enthält Omote (表, „Oberfläche“), die offensichtlich enthaltenen Techniken, und Okuden (奥伝), den unterschwelligen oder unsichtbaren Teil. Kakushi beschäftigt sich mit letzteren Techniken, die zwar potentiell im Ablauf der Kata vorhanden sind, aber sich dem Betrachter und auch dem Praktizierenden nicht von selbst erschließen. Daher ist es meist notwendig, von einem Meister in diese unterschwelligen Kniffe und Techniken eingewiesen zu werden. In traditionell ausgerichteten Dōjō werden diese Techniken nur den Uchi-deshi (内弟子, Privat- oder Meisterschüler, wörtlich „Hausschüler“) vermittelt. Kakushi wird traditionell ab dem 4. Dan vermittelt, da dieser auch als Dan des technischen Experten bezeichnet wird.
Andere Trainingsformen
Tanren-Makiwaratraining
Ein Makiwara ist ein im Boden oder an der Wand fest verankertes Brett aus elastischem Holz, z. B. Esche oder Hickory, mit Stoff, Leder o. ä. umwickelt, auf das man schlägt und tritt. Die Elastizität des Holzes verhindert dabei einen zu harten Rückstoß in die Gelenke. Die Verletzungsgefahr (Hautabschürfungen und Gelenkversetzungen) ist am Anfang trotzdem recht hoch. Dieses Training fördert den Knochenaufbau der Unterarme. Die Armknochen bestehen aus fast hohlen Knochen, die durch diese Trainingsform gestärkt werden. Durch die Belastung des zurückfedernden Makiwara, bei einem Schlag oder Tritt, werden diese Stellen vom Körper „verdickt“, es lagert sich also mehr Calcium in dem Knochen an. Dieser wird dadurch härter.
Kimetraining
Um das Kime zu trainieren, wird zunächst die Muskulatur geschwächt. Mit dieser Schwächung wird der Körper gezwungen, die Technik so effizient wie möglich auszuführen. Beispiele für ein Kimetraining und die vorangehende Schwächung wären:
- Handstandliegestütze an der Wand – Tsuki-Training
- Hockstrecksprünge – Mae-Geri-Training
- Tsuki-Training mit Kerzen – Richtiges Kime in der Technik führt zum Erlöschen der Kerze
- Makiwaratraining – Bei richtiger Körperspannung (Kime) gibt der Makiwara wenig bis keinen Rückstoß.
- Kata-Training
Wettkampf/Turniere
Im Zuge der modernen Entwicklung mancher Karate-Schulen von Kampfkunst hin zu Kampfsport werden in einigen Stilrichtungen Karate-Turniere (sowohl Kumite- als auch Kata-Turniere) praktiziert. Da beim Freikampf wegen der hohen Effektivität vieler Techniken bei „echtem“ Kampf hohe Verletzungs- und sogar Todesgefahr droht, herrschen einerseits sehr strenge Regeln, die u.a. den Schutz der Teilnehmer gewährleisten sollen, und andererseits wird nur ein eingeschränktes Repertoire an Techniken im Wettkampf verwendet. Turnierkämpfe werden mit Zahnschutz und, je nach Geschlecht, mit Brust- oder Tiefschutz ausgeführt. Weitere Schutzmaßnahmen hängen stark von der Verbandsphilosophie ab. So werden etwa beim größten Verband DKV (Deutscher Karate Verband) außerdem Faust- und Fußschützer sowie Schienbeinschoner verwendet, während beim DJKB (Deutscher JKA Karate Bund) keine weiteren Protektoren erlaubt sind.
Befürworter von Karate-Wettkämpfen betonen den sportlichen Charakter von Karate und führen die sportlich-praktische Anwendbarkeit an. Kritiker der Karate-Wettkämpfe vertreten die Meinung, dass Wettkämpfe dem wahren Charakter und Geist des Karate-Do widersprechen, und dass durch die stark reduzierte Anzahl verwendeter Techniken das Karate verflacht und degeneriert.
Es handelt sich hierbei im Grunde genommen um verschiedene Sichtweisen: einerseits die traditionelle, die Karate als Kampfkunst sieht, deren letztendliches Ziel die Vervollkommnung der Persönlichkeit ist, und andererseits die moderne sportliche, in der Karate als Kampfsport zu sehen ist, und in der die praktische Anwendung mit sportlichem Charakter erwünscht ist. Eine mögliche Sicht ist, dass der Sportgedanke das Karate bereichert hat. Die Kampfkunst Karate könne mit dem Sport leben, doch der Sport nicht ohne die Kampfkunst Karate.
Olympische Spiele
Karate ist keine olympische Disziplin. Allerdings ist es in die Liste der vom IOC anerkannten Sportarten aufgenommen worden. Viele Verbände, u.a. der DKV, haben begonnen, alte Wettkampfformen und das Punktesystem zu verändern, um so den Karatewettkampf populärer und für die Olympischen Spiele geeigneter zu machen. Derartige Veränderungen gab es häufiger in der Geschichte des Karate. Viele der alten Meister waren allerdings von dem Wettkampfgedanken in Bezug auf Karate sehr wenig angetan; und so sind auch heute noch viele der Meinung, dass eine Aufnahme in den Olympischen Kanon eine übermäßige Versportlichung und den Verlust vieler althergebrachter Werte des Karatedō mit sich brächte. Daher wird die Aufnahme in die Reihe der olympischen Sportarten von vielen Karateka äußerst skeptisch gesehen. Aus diesem Grund traten oft viele Meister aus Protest aus den jeweiligen Landesverbänden aus und gründeten eigene Verbände, um ihre eigene Philosophie eines weniger sportlich orientierten Karate zu verbreiten.
Film und Medien
Die Darstellung von Karate in amerikanischen Filmproduktionen niedriger Qualität hat dem Karate seit jeher ein schlechtes Image verpasst. Obwohl die positiven Helden durchweg Karate oder eine ähnliche Kampfkunst verwenden, um die Bösen zu besiegen, bleibt doch häufig ein schaler Nachgeschmack. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen in diesen B-Filmen, die oft Namen tragen wie Karate-Warrior/Tiger/Kid/Fighter, nur zu leicht. Der Gute und die Bösen unterscheiden sich nicht in ihren Methoden, sondern nur in ihren Motiven.
Ein häufig zu beobachtendes Schema ist:
Der Held verliert Eltern/Geschwister/alten Freund/Onkel oder ähnlich durch Mord oder Entführung an den oder die Bösen, was einen ausgiebigen Rache-Feldzug rechtfertigen soll. Der Held ist entweder ein alter Hase im Kampfgeschäft oder ein junger Naseweis, der von einem weisen alten Meister unterrichtet wird, bis er die Bösen besiegen kann.
Trotz der gelegentlich angerissenen moralischen Lehren, bleibt die Charakterschule des Karate im Hintergrund. Karate wird in den Händen des disziplinierten Helden zum bloßen Werkzeug, das kämpferische Überlegenheit garantiert.
Ein Protagonist aber, dessen wesentliche Eigenschaft sich daran bemisst, wieviele Bretter/Ziegelsteine/Eisblöcke er zerschlagen kann, ist kaum ein geeignetes Vorbild für die Sache, die sich Karate eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat. Es ist fraglich, ob die von diesen Filmen angesprochene Zielgruppe genau die charakterlichen Eigenschaften mitbringt, die im Karate erwünscht sind: Disziplin, Höflichkeit, Charakterstärke, Willensstärke.
Das Bild, welches viele nicht mit den japanischen Kampfkünsten Vertraute vom Karate haben, wird von diesen Filmen geprägt, ist also ein Vorurteil. Auf der anderen Seite ist nachvollziehbar, dass ein Karateka, dem es aufgrund höherer Einsicht und Fähigkeit gelingt, Konflikte schon im Vorfeld zu entschärfen, für Action-Filme kein geeignetes Motiv darstellt.
Bekannte Schauspieler und Musiker, die Karate betreiben oder betrieben haben, sind Wesley Snipes, Dolph Lundgren, Jean-Claude Van Damme, Michael Dudikoff und Chuck Norris. Elvis Presley betrieb ebenfalls Karate
Siehe auch: Martial-Arts-Film
Siehe auch
- Portal:Budō
- Karate-Ausdrücke
- Liste der Karateka
- Kyusho und Dim Mak für die Arbeit mit Vitalpunkten
- Shaolin Karate
Literatur
- Gichin Funakoshi: Karate-do. Die Kunst, ohne Waffen zu siegen. Piper, 1. Auflage 2007, ISBN 978-3-492-24920-1.
- Gichin Funakoshi: Karate-Dô Nyûmon. schlatt-books. 2000, ISBN 978-3-937745-05-3.
- Kenei Mabuni: Leere Hand – Vom Wesen des Budō-Karate. Palisander Verlag, 1. Auflage 2007, ISBN 978-3-938305-05-8.
- Ralf Pfeifer: Mechanik und Struktur der Kampfsportarten. Handbuch für Trainer in Kampfsport und Kampfkunst. Dissertation an der Deutschen Sporthochschule Köln. Sport & Buch Strauß, Köln 2004, ISBN 3-89001-243-4.
- Efthimios Karamitsos, Bogdan Pejcic: Karate Grundlagen. Falken Verlag, Niedernhausen im Taunus 2000, ISBN 3-8068-1863-0.
- Heiko Bittmann: Karatedô – Meister der vier großen Schulrichtungen und ihre Lehre. Biographien – Lehrschriften – Rezeption. Heiko Bittmann, Ludwigsburg 1999, ISBN 3-000-04098-6.
- Roland Habersetzer: Bubishi – An der Quelle des Karatedō. Palisander Verlag, 2. Auflage 2006, ISBN 978-3-938305-00-3. Der Einfluss des altchinesischen Bubishi-Manuskripts auf die Herausbildung des Okinawa-te und des modernen Karatedô.
- Werner Lind: Karate Grundlagen. BSK, ISBN 3-00-019886-5.
- Werner Lind: Karate Kihon. BSK, ISBN 3-00-017522-9.
- Roland Habersetzer: Karate für Meister. Mit Körper und Geist. Sportverlag, Berlin 1994, ISBN 3-328-00626-5.
- Nishiyama Hidetaka: Karate – Die Kunst der leeren Hand. schlatt-books, Lauda 2007, ISBN 978-3-937745-06-0.
Weblinks
- Geschichte des Karate in Deutschland
- Bekannte Meister
- Offizielle Webseiten der Deutschen Dachverbände DJKB und DKV
- Offizielle Website des österreichischen Karatebundes
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