- Kurfürsten
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Ein Kurfürst (lat.: princeps elector imperii oder elector) gehörte zu der begrenzten Zahl jener Reichsfürsten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, die das Kurfürstenkollegium bildeten und denen seit dem 13. Jahrhundert das alleinige Recht zur Wahl des Römisch-deutschen Königs zustand. Mit diesem Königstitel war traditionell die Anwartschaft auf das römisch-deutsche Kaisertum verbunden. Der Begriff geht auf das mittelhochdeutsche Wort kur oder kure für Wahl zurück (vgl. neuhochdeutsch küren).
Inhaltsverzeichnis
Zusammensetzung des Kurfürstenkollegiums
Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit gehörten dem Kurfürstenkollegium sieben, später neun Reichsfürsten an. Jedem Kurfürsten war eines der Reichserzämter zugeordnet.
Zum ursprünglichen Kollegium gehörten
- drei geistliche Fürstbischöfe,
- der Erzbischof von Mainz,
- der Erzbischof von Köln und
- der Erzbischof von Trier
- sowie vier weltliche Fürsten,
- der Pfalzgraf bei Rhein,
- der Herzog von Sachsen,
- der Markgraf von Brandenburg und
- der König von Böhmen.
Im 17. Jahrhundert erlangten zwei weitere Reichsfürsten die Kurwürde:
- 1623 der Herzog von Bayern (zunächst anstelle des Pfalzgrafen, der 1648 eine neue, achte Kurstimme erhielt)
- 1692 der Herzog von Braunschweig-Lüneburg (Hannover).
Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 hob die beiden geistlichen Kuren von Köln und Trier sowie die pfälzische Kur auf und übertrug die Mainzer Kurwürde auf das neu geschaffene Fürstentum Regensburg. Vier Reichsfürsten erhielten dagegen die Kurwürde neu. Dies waren
- der Herzog von Salzburg,
- der Herzog von Württemberg,
- der Markgraf von Baden sowie
- der Landgraf von Hessen-Kassel.
Hatte es bis dahin immer ein katholisches Übergewicht im Kurkollegium gegeben, wurde nun erstmals konfessionelle Parität hergestellt: Fünf protestantischen Kurfürsten (Brandenburg, Hannover, Württemberg, Baden, Hessen-Kassel) standen nun fünf katholische gegenüber (Bayern, Sachsen, Böhmen, Salzburg, Regensburg). Auswirkungen auf die Reichspolitik hatte die Neuregelung durch den Reichsdeputationshauptschluss jedoch nicht mehr. Nur drei Jahre später, 1806, legte Kaiser Franz II. als Reaktion auf die Bildung des Rheinbundes die Krone des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation nieder, das damit aufhörte zu bestehen. Damit verlor auch das Kurfürstenamt seine Funktion.
Geschichte des Kurfürstenkollegiums
Ursprünge
Die vergleichsweise häufigen Dynastiewechsel im ostfränkischen, dem späteren Heiligen Römischen Reich - von den Karolingern über die Liudolfinger und Salier zu den Staufern - machten regelmäßig die Wahl eines neuen Königs und eines neuen Herrschergeschlechts erforderlich. Anders als die meisten übrigen Staaten Europas war das Römisch-Deutsche Reich daher eine Wahlmonarchie geblieben, so wie es ursprünglich alle germanischen Nachfolgestaaten auf dem Gebiet des früheren römischen Reichs gewesen waren. Auch der Sohn eines regierenden römisch-deutschen Königs brauchte zu seiner Anerkennung als dessen rechtmäßiger Nachfolger stets die Wahl und Zustimmung der so genannten Großen des Reichs, die oft noch zu Lebzeiten des Vaters erfolgte.
Ursprünglich waren alle Reichsfürsten zur Wahl des neuen Herrschers berechtigt. Allerdings gab es seit je her einen kleinen Kreis von Vorwählern (laudatores), denen eine Vorentscheidung zustand. Zu diesen Vorwählern gehörten nicht notwendigerweise die mächtigsten, sondern die vornehmsten Fürsten des Reichs, die an Rang und Würde dem König am nächsten kamen. Zu ihnen gehörten die drei Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Pfalzgraf bei Rhein, weil ihre Territorien auf altem fränkischen Reichsboden lagen. Eine Wahl war nur dann rechtmäßig, wenn auch die Vorwähler ihr zugestimmt hatten. Wahrscheinlich hat sich das spätere Kurfürstenkollegium aus dieser Gruppe von Vorwählern entwickelt.
Entwicklung bis 1356
Allmähliche Herausbildung des Kurfürstenkollegiums
Mit dem Tod Kaiser Heinrichs VI. (1165–1197) scheiterte auch dessen Erbreichsplan, der letzte Versuch, das Reich in eine erbliche Monarchie umzuwandeln. Im daraufhin ausbrechenden Deutschen Thronstreit zwischen Staufern und Welfen, bei dem es 1198 zur Doppelwahl zweier Thronkandidaten kam, warf sich Papst Innozenz III. zum Schiedsrichter auf. Da seit der Kaiserkrönung Ottos des Großen 962 das deutsche Königtum mit der römischen Kaiserwürde verbunden war, hatten die Päpste stets ein hohes Interesse an einem Mitwirkungsrecht an der deutschen Königswahl. Innozenz setzte sich 1198 mit der Auffassung durch, dass für eine rechtmäßige Wahl die Zustimmung der drei rheinischen Erzbischöfe und des Pfalzgrafen bei Rhein unerlässlich sei. Durch die Bestätigung der drei geistlichen Kurfürsten sicherte er dem Papsttum einen indirekten Einfluss auf die deutsche Königswahl.
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurde diese Kerngruppe um den Herzog von Sachsen und den Markgrafen von Brandenburg erweitert. Im Sachsenspiegel des Eike von Repgow aus dem Jahr 1230 heißt es: Bei des Kaisers Kur soll der erste sein der Bischof von Mainz, der zweite der von Trier, der dritte der von Köln. Dann folgen die drei weltlichen Fürsten, während der Sachsenspiegel dem König von Böhmen das Wahlrecht noch ausdrücklich abspricht, weil er kein Deutscher ist.
Als exklusive Institution, die alle übrigen Reichsfürsten von der Wahl ausschloss, trat das Kurfürstenkollegium erstmals 1257 nach dem Tod König Wilhelms von Holland in Erscheinung. In einer Doppelwahl bestimmte es Alfons von Kastilien und Richard von Cornwall zu Wilhelms Nachfolger. Jeder Kandidat erhielt jeweils drei Stimmen. Ottokar II., König von Böhmen, gab beiden seine Stimme. Keiner der beiden Gewählten konnte seine Herrschaftsrechte je faktisch ausüben, so dass das Interregnum bis zur Wahl Rudolfs von Habsburg im Jahr 1273 andauerte. Die Zeit des Interregnums stärkte die Position der Kurfürsten deutlich, was sich vor allem im 14. Jahrhundert zeigen sollte. Auch der König von Böhmen nahm an der Wahl Rudolfs I. teil, konnte seine dauernde Zugehörigkeit zu dem Kollegium aber erst 1289 durchsetzen. Später, während der Hussitenkriege im 15. Jahrhundert, ruhte die böhmische Kurwürde erneut.
Mit der Wahl von 1308, in der alle sechs anwesenden Kurfürsten Heinrich von Luxemburg zum römisch-deutschen König bestimmten, wurde das neue Selbstverständnis des Kurkollegiums sichtbar. Zusammen mit dem neuen König gab es seine Entscheidung Papst Clemens V. nur noch bekannt, ohne um die päpstliche Approbation zu bitten. Damit machten sie deutlich, dass ihre Entscheidung allein für eine gültige Königswahl ausreichte und dass diese keiner zusätzlichen Bestätigung von außen bedurfte. Die Wahl machte zudem deutlich, dass die Kurfürsten nach den Erfahrungen mit Adolf von Nassau und Albrecht I., die beide eine teils gegen die Kurfürsten gerichtete Hausmachtpolitik betrieben hatten, strikt auf die Wahrung ihrer Rechte achteten und vom neuen König verlangten, diese zu respektieren. Der Handlungsspielraum des Königtums wurde dadurch erheblich eingeschränkt, auch wenn Heinrich VII. seine Macht etwa dadurch zu stärken suchte, dass er sich Böhmen als Hausmacht sicherte und in Italien die Erneuerung des Kaisertums anstrebte.
Der Kurverein zu Rhense
Im Jahr 1338 schlossen sich die Kurfürsten im Kurverein zu Rhense enger zusammen, um sich künftig vor Königswahlen miteinander abzustimmen. Aus dem Kurverein ging später der Kurfürstenrat des Reichstags hervor. Zudem bestimmten die Kurfürsten in Rhens, dass dem Papst kein Approbationsrecht zustehe und dass der von ihnen zum König gewählte nicht dessen Zustimmung benötige. In dem von der älteren Forschung so genannten Rhenser Weistum vom 16. Juli 1338 heißt es:
- Nach Recht und seit alters bewährter Gewohnheit des Reiches bedarf einer, der von den Kurfürsten des Reiches oder, selbst bei Unstimmigkeit, von der Mehrheit derselben zum römischen König gewählt ist, keiner Nomination, Approbation, Konfirmation, Zustimmung oder Autorität des apostolischen Stuhles für die Verwaltung der Güter und Rechte des Reiches oder für die Annahme des Königstitels.
Zum Abschluss kam diese Entwicklung im Jahre 1508, als sich Maximilian I. mit Zustimmung des Papstes, aber ohne eigens von ihm gekrönt worden zu sein, „Erwählter Römischer Kaiser“ nannte. Der Titel „Römischer König“, den die Herrscher des Reiches seit 1125 zwischen ihrer Wahl zum König und ihrer Krönung zum Kaiser getragen hatten, blieb von da an dem zu Lebzeiten eines Kaisers gewählten Nachfolger vorbehalten.
Außer Karl V. wurde künftig kein Kaiser mehr durch den Papst inthronisiert. Die Krönung der römisch-deutschen Könige und Kaiser erfolgte ursprünglich, von 936 bis 1531 in Aachen durch den Erzbischof von Köln. Von der Königswahl Maximilians II. 1562 bis zum Ende des alten Reiches fand aber sowohl die Wahl als auch die Krönung üblicherweise in Frankfurt statt, zuletzt im Jahr 1792. Bei der Krönung übten die Kurfürsten – später nur noch ihre Stellvertreter – die sogenannten Erzämter (archiofficia) aus, die fest mit der Kurwürde verbunden waren: die weltlichen Kurfürsten von der Pfalz, von Sachsen, Brandenburg und Böhmen fungierten jeweils als Erztruchsess, Erzmarschall, Erzkämmerer und Erzmundschenk. Die drei geistlichen Kurfürsten von Mainz, Trier und Köln waren Erzkanzler für die drei Reichsteile Deutschland, Burgund und Italien.
Bestimmungen der Goldenen Bulle
Seit dem Tod des Stauferkaisers Friedrich II. waren die Kurfürsten vom dynastischen Prinzip – also von der Wahl eines Mitglieds der herrschenden Dynastie – zu sogenannten „springenden Wahlen“ übergegangen. Damit gehörte praktisch jeder Reichsfürst zu den möglichen Thronkandidaten. Die Kronprätendenten mussten sich die Wahl durch umfangreiche Zugeständnisse erkaufen, etwa mit der Verleihung von Privilegien an die Kurfürsten, die in Wahlkapitulationen genau festgehalten wurden. Darüber hinaus mussten die Kandidaten seit dem Ende des 12. Jahrhunderts zum Teil immense Geldzahlungen an die Kurfürsten leisten. All dies stärkte Macht und Unabhängigkeit der Landesfürsten im Reich auf Kosten der königlichen Zentralgewalt und hatte eine fortschreitende territoriale Zersplitterung Deutschlands zur Folge.
Um Thronfolgefehden und die Aufstellung von Gegenkönigen künftig zu vermeiden, ließ Kaiser Karl IV. 1356 die genauen Rechte und Pflichten der Kurfürsten sowie das Prozedere der deutschen Königswahl, die sich bis dahin gewohnheitsrechtlich herausgebildet hatten, in der Goldenen Bulle endgültig rechtlich fixieren. Die Bulle erfüllte ihre befriedende Wirkung und bildete bis 1806 die Grundlage der Verfassungsordnung des alten Reichs.
Sie bestimmte, dass der Erzbischof von Mainz als Erzkanzler für Deutschland binnen 30 Tagen nach dem Tod des letzten Königs die Kurfürsten in Frankfurt am Main zusammenzurufen habe. Bevor sie dort, im Kaiserdom St. Bartholomäus, zur Wahl eines Nachfolgers schritten, mussten sie schwören, ihre Entscheidung „ohne jede geheime Absprache, Belohnung oder Entgelt“ zu treffen. In den Wahlbestimmungen, die nach dem Vorbild des Konklaves zur Papstwahl gestaltet war, hieß es weiter:
- Wenn nun die Kurfürsten oder ihre Gesandten in vorerwähnter Form und Weise diesen Eid geleistet haben, sollen sie zur Wahl schreiten und fortan die ehgenannte Stadt Frankfurt nicht verlassen, bevor die Mehrzahl von ihnen der Welt oder Christenheit ein weltliches Oberhaupt gewählt hat, nämlich einen römischen König und künftigen Kaiser. Falls sie dies jedoch binnen dreißig Tagen, vom Tag der Eidesleistung an gerechnet, noch nicht getan haben, sollen sie von da an, nach Verlauf dieser dreißig Tage, forthin nur Brot und Wasser genießen und keinesfalls aus besagter Stadt weggehen, bevor sie oder die Mehrzahl von ihnen einen Herrscher oder ein weltliches Oberhaupt der Gläubigen gewählt haben, wie oben steht.
Die Stimmabgabe der Kurfürsten erfolgte nach deren Rang: Als erster stimmte der Erzbischof von Trier ab, als zweiter der Erzbischof von Köln, dem auch das Krönungsrecht zustand, solange Aachen, das in seiner Erzdiözese lag, die Krönungsstadt war. Als dritter folgte der König von Böhmen als gekrönter weltlicher Fürst, als vierter der Pfalzgraf bei Rhein, der während einer Thronvakanz oder bei Abwesenheit des Kaisers aus Deutschland als Reichsvikar amtierte, d.h. als Stellvertreter des Königs in allen Ländern, in denen fränkisches Recht galt. Zudem fungierte er bei Rechtsverstößen des Herrschers als Königsrichter. An fünfter Stelle folgte der Herzog von Sachsen als Reichsvikar für alle Länder sächsischen Rechts und als sechster der Markgraf von Brandenburg. Obwohl ranghöchster Kurfürst, stimmte der Erzbischof von Mainz als letzter ab, so dass sein Votum bei Stimmengleichheit den Ausschlag geben konnte.
Wie schon der Kurverein von Rhense, so erklärte auch die Goldene Bulle, dass die Königswahl auch ohne Zustimmung des Papstes rechtsgültig sei. Auch das im Kurverein schon durchgesetzte Mehrheitsprinzip anstelle der zuvor als notwendig erachteten Einstimmigkeit wurde erneut bestätigt.
Die Goldene Bulle legte darüber hinaus eine jährliche Versammlung aller Kurfürsten fest, in der sie sich mit dem Kaiser beraten sollten. Weitere Bestimmungen betrafen die besonderen Privilegien und Regalien der Kurfürsten: Sie erhielten Immunität, das Münzrecht, das Zollrecht, das Judenregal sowie das Privilegium de non evocando und das Privilegium de non appellando. Das heißt: Weder durfte der Kaiser einen Rechtsstreit an sich ziehen, der unter die Jurisdiktion eines Kurfürsten fiel, noch konnten deren Untertanen gegen Urteile ihrer obersten Gerichte Berufung bei kaiserlichen Gerichten einlegen, auch nicht bei dem im 16. Jahrhundert geschaffenen Reichskammergericht und dem Reichshofrat. Ein Kurfürst wurde mit 18 Jahren großjährig, Angriffe auf ihn galten als Majestätsverbrechen. Um eine Zersplitterung oder Vermehrung der Kurstimmen zu verhindern, wurden die Kurfürstentümer zu unteilbaren Territorien, zum Kurpräzipuum, erklärt. Das hieß: Alleiniger Nachfolger eines weltlichen Kurfürsten konnte immer nur dessen ältester, ehelicher Sohn oder - falls er keinen legitimen männlichen Nachkommen hatte - sein nächster männlicher Agnat sein.
Der zweite Teil der Bulle, das „Metzer Gesetzbuch“, behandelte insbesondere protokollarische Fragen, die Steuererhebung sowie die Strafen für Verschwörungen gegen Kurfürsten.
Veränderungen im 17. und 18. Jahrhundert
Zur ersten Erweiterung des Kurfürstenkollegiums kam es im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges. Herzog Maximilian I. von Bayern verlangte für die Hilfe, die er Kaiser Ferdinand II. bei der Vertreibung des so genannten Winterkönigs, des pfälzischen Kurfürsten Friedrich V., aus Böhmen geleistet hatte, die Kurwürde seines wittelsbachischen Vetters. Mit der Oberpfalz wurde dem Herzog die pfälzische, die vierte Kur übertragen – 1623 zunächst nur ihm persönlich, 1628 auch für seine Nachkommen. Der Streit um die pfälzische Kur spielte eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden. Beigelegt wurde er schließlich 1648 durch die Errichtung einer neuen, achten Kur für die Pfalzgrafen. Eine neunte Kur für Österreich konnten die Habsburger dagegen ebenso wenig durchsetzen, wie das votum decisivum, die entscheide Stimme für Böhmen, die eine Mehrheitsentscheidung im Kurfürstenkollegium garantiert hätte.
Erfolg im Streben nach einer neunten Kur war dagegen 1692 Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg beschieden. Er hatte die Titelerhöhung von Kaiser Leopold I. als Ausgleich für seine Waffenhilfe im Pfälzischen Erbfolgekrieg gegen Frankreich verlangt. Dabei spielte auch eine Rolle, dass nach dem Übergang der Kurpfalz an eine katholische Linie des Hauses Wittelsbach das evangelische Element im Kurfürstenkollegium wieder gestärkt werden sollte. Der Kaiser verlieh dem Herzog eigenmächtig die Kurwürde. Doch die übrigen, meist katholischen Kurfürsten, protestierten hiergegen. Dadurch aber gelang es Leopold I. als konfessionelle Kompensation die sogenannte Readmission seiner eigenen, böhmischen Kurstimme durchzusetzen. So konnten die Habsburger als Könige von Böhmen fortan wieder an allen kurfürstlichen Beratungen teilnehmen, was ihnen seit dem späten 15. Jahrhundert verwehrt gewesen war. Der Reichstag stimmte im Jahr 1708 beidem zu, der Reaktivierung der böhmischen und der Zulassung der neuen Kurwürde der Herzöge von Braunschweig und Lüneburg. Da die Kurfürsten von Hannover, wie sie inoffiziell genannt wurden, mit Georg I. 1714 auf den britischen Thron gelangten, hatten die Könige von England von da an ein Mitspracherecht bei der deutschen Königswahl.
Als Bayern 1777 durch Erbschaft an die pfälzischen Wittelsbacher fiel, reduzierte sich die Zahl der Kurfürsten wieder auf acht.
Ende der Kurfürstentümer
Während der Napoleonischen Kriege annektierte Frankreich das gesamte linke Rheinufer und damit weite Gebiete der vier rheinischen Kurfürsten. Im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurden daher die geistlichen Kuren und die pfälzische Kur aufgehoben. Die Mainzer Kurwürde wurde auf das Fürstentum Regensburg-Aschaffenburg übertragen. Für das in ein weltliches Herzogtum umgewandelte Erzstift Salzburg, für Württemberg, die Markgrafschaft Baden und die Landgrafschaft Hessen-Kassel wurden vier neue Kuren eingerichtet. All dies blieb aber ohne praktische Bedeutung, da das Heilige Römische Reich Deutscher Nation schon 1806 zu bestehen aufhörte und in der Zwischenzeit kein neuer Kaiser mehr zu wählen war. Obwohl die Kurwürde also ihre Bedeutung verloren hatte, behielt Hessen-Kassel die Bezeichnung Kurfürstentum bzw. Kurhessen bei.
Der Kurfürstenornat
Der Kurfürstenornat bestand aus einem breiten, mantelartigen Rock mit breiten Ärmeln oder Armschlitzen, ganz mit Hermelinfell - einem Symbol königlicher Würde - ausgeschlagen. Dazu kamen ein breiter Hermelinkragen, violette Handschuhe und der Kurhut, eine Samtmütze mit Hermelinumrandung. Der Ärmelrock und der runde Kurhut der weltlichen Kurfürsten waren aus dunkelkarmesinfarbigem Samt gefertigt, der Armschlitzrock und die viereckige Mütze der geistlichen Fürsten aus dunkelscharlachfarbigem Tuch.
Literatur
- Alexander Begert: Böhmen, die böhmische Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Studien zur Kurwürde und zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens. Husum 2003, ISBN 3-7868-1475-9
- Hans Boldt: Deutsche Verfassungsgeschichte. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des älteren deutschen Reichs 1806. München 1984.
- Arno Buschmann (Hg.): Kaiser und Reich. Klassische Texte und Dokumente zur Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. München 1984.
- Franz-Reiner Erkens: Kurfürsten und Königswahl. Hannover 2002, ISBN 3-7752-5730-6.
- Axel Gotthard: Säulen des Reiches. Die Kurfürsten im frühneuzeitlichen Reichsverband. Husum 1999
- Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten. Hrsg. von Armin Wolf, Frankfurt am Main 2002, ISBN 978-3-465-03200-7
- Martin Lenz: Konsens und Dissens. Deutsche Königswahl (1273-1349) und zeitgenössische Geschichtsschreibung (= Formen der Erinnerung 5). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-35424-X. Rezension
- Hans K. Schulze: Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Bd. 3: Kaiser und Reich, Stuttgart u.a. 1998.
Siehe auch
- Wahlen zum römisch-deutschen Kaiser für einen geschichtlichen Überblick seit der Goldenen Bulle
Weblinks
- Rhenser Weistum von 1338
- Zitat aus der Goldenen Bulle
- Helmut Assing: Der Weg der sächsischen und brandenburgischen Askanier zur Kurwürde, 2007, Aufsatz mit grundsätzlichen Überlegungen zur Entstehung des Kurfürstenkollegiums
Entwicklung des Kurfürstenkollegiums des Heiligen Römischen ReichesNach der Goldenen Bulle von 1356: Kurmainz | Kurtrier | Kurköln | Kurpfalz | Kursachsen | Kurbrandenburg | Kurböhmen
Kurwürde im 17. Jh. erhalten: Bayern (1623) | Braunschweig-Lüneburg (1692)
Reichsdeputationshauptschluss 1803: Hessen-Kassel | Baden | Regensburg | Salzburg | Württemberg
- drei geistliche Fürstbischöfe,
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