Lenzburger

Lenzburger

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Schloss Lenzburg
Schloss Lenzburg, von Südosten her gesehen

Schloss Lenzburg, von Südosten her gesehen

Entstehungszeit: 1036
Erhaltungszustand: erhalten
Ort: Lenzburg
Geographische Lage (656392 / 248774)47.3873805555568.18548055555567Koordinaten: 47° 23′ 14,6″ N, 8° 11′ 7,7″ O; CH1903: (656392 / 248774)
Schloss Lenzburg (Aargau)
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Schloss Lenzburg

Das Schloss Lenzburg oberhalb der Altstadt von Lenzburg im Schweizer Kanton Aargau zählt zu den ältesten und bedeutendsten Höhenburgen der Schweiz. Die Anlage steht auf dem 504 Meter hohen Schlossberg, einem fast kreisrunden Molassehügel, der sich rund hundert Meter über der Ebene erhebt, jedoch nur einen Durchmesser von etwa 250 Metern besitzt. Die ältesten Teile stammen aus dem 11. Jahrhundert, als die Grafen von Lenzburg ihren Stammsitz errichten liessen. Danach war das Schloss im Besitz der Staufer, Kyburger und Habsburger, diente über 350 Jahre lang als Sitz der Berner Landvögte und gelangte dann in Privatbesitz. 1956 verkaufte die Witwe des Polarforschers Lincoln Ellsworth das Schloss dem Kanton Aargau. Seit 1987 beherbergt das Schloss das Historische Museum des Kantons Aargau (seit 2007 Museum Aargau).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der markante Schlosshügel diente schon in prähistorischer Zeit als Siedlungsstätte. So wurde 1959 beim Parkplatz am Nordfuss des Schlossbergs ein Gräberfeld aus der Jungsteinzeit ausgegraben. Weitere Kleinfunde stammen von den Römern und den Alemannen.

Eine Sage erzählt, dass in einer Höhle auf dem Schlossberg einst ein Drache hauste. Dieser wurde von zwei Rittern, Wolfram und Guntram, bezwungen. Die dankbaren Bauern erkoren die beiden zu Grafen von Lenzburg und gaben ihnen die Erlaubnis, auf dem Drachenfelsen eine Burg zu errichten.

Adelsherrschaft

Ansicht von der Nordseite

Eine Urkunde aus dem Jahr 1036 nennt einen Ulrich, Graf im Aargau. Er war Reichsvogt von Zürich sowie Kastvogt der Abteien Beromünster und Schänis. Die erste gesicherte Erkenntnis über die Existenz einer Burg stammt aus dem Jahr 1077: Ulrich, ein Enkel des oben Genannten, hatte sich im Investiturstreit auf die Seite des deutschen Kaisers gestellt und hielt während eines halben Jahres zwei päpstliche Legaten fest. Die Grafen von Lenzburg gehörten zu jener Zeit zu den bedeutendsten Lehnsherren im schweizerischen Mittelland und unterhielten enge Beziehungen zu den jeweiligen deutschen Kaisern.

Das Adelsgeschlecht erlosch 1173. Ulrich IV., der letzte Graf von Lenzburg, bestimmte in seinem Testament Kaiser Barbarossa zum persönlichen Erben; beide waren einst gemeinsam in den Zweiten Kreuzzug gezogen. Der Kaiser regelte auf Schloss Lenzburg persönlich die Verteilung des Erbes und vergab einen Grossteil der Ländereien an seinen Sohn, den Pfalzgrafen Otto I. von Burgund. Doch nach dessen Tod im Jahr 1200 wurden die Staufer aus dem Aargau verdrängt. Über zwei nahe stehende Hochadelsgeschlechter (Andechs-Meranien und Chalon) gelangte die Lenzburg um 1230 durch Heirat an die Kyburger. Diese gründeten damals am westlichen Fuss des Schlossbergs eine befestigte Marktsiedlung, die heutige Stadt Lenzburg.

Hartmann, der letzte Graf von Kyburg, starb 1264 ohne männliche Nachkommen. Rudolf I., Graf von Habsburg und späterer deutscher König, nahm die Erbin Anna von Kyburg unter seine Obhut. Diese heiratete später Eberhard I. von Habsburg-Laufenburg. Rudolf erwarb 1273 den Besitz von seinem verarmten Verwandten und hielt 1275 einen Hoftag ab. Das Schloss sank dann jedoch zu einem regionalen Verwaltungssitz ab, als die Macht der Habsburger sich immer mehr nach Österreich verlagerte. Am 20. August 1306 erhielt Lenzburg von Herzog Friedrich dem Schönen das Stadtrecht. Herzog Friedrich II. von Tirol-Österreich bewohnte ab 1339 das Schloss. Hier sollte seine Hochzeit mit Isabella Plantagenet, der Tochter des englischen Königs Edward III., stattfinden. Zu diesem Zweck liess er das Ritterhaus errichten. Der Herzog starb 1344, ohne dass er seine zukünftige Braut je gesehen hätte, die Arbeiten am Ritterhaus blieben unvollendet. Ab 1369 besass die Familie Schultheiss-Ribi das Burglehen. 1375 hielt das Schloss einer Belagerung durch die Gugler stand.

Berner Herrschaft

Ansicht von Stadt und Schloss Lenzburg von Matthäus Merian, um 1642

Die latenten Spannungen zwischen dem deutschen König Sigmund und dem österreichischen Herzog Friedrich IV. entluden sich 1415 am Konzil von Konstanz, als Friedrich einem der drei damals amtierenden Päpste, Johannes XXIII., zur Flucht aus der Stadt verhalf. Sigmund sah darin eine Chance, seinem Widersacher zu schaden. Er forderte die Nachbarn der Habsburger auf, deren Ländereien im Namen des Reiches einzunehmen. Bern liess sich nicht lange bitten und eroberte den westlichen Teil des Aargaus.

Am 20. April ergab sich die Stadt Lenzburg sofort dem anrückenden Heer, das Schloss hingegen blieb vorerst unangetastet. Konrad von Weinsberg, der königliche Statthalter, versuchte das Schloss für das Reich zu sichern und liess es für eine Belagerung ausrüsten. Doch bereits im August sah er von diesem aussichtslosen Plan ab und überantwortete dann das Schloss 1418 wieder der Familie Schultheiss. Nach langen Verhandlungen konnte Bern 1433 die niederen Herrschaftsrechte über die Grafschaft Lenzburg und 1442 schliesslich das Schloss erwerben.

1444 zog auf dem Schloss der erste bernische Landvogt ein, der von hier aus das Oberamt Lenzburg verwaltete. Zum Aufgabenbereich der Landvögte gehörten das Eintreiben von Steuern, die Durchsetzung administrativer Massnahmen, richterliche und polizeiliche Befugnisse und die militärische Befehlsgewalt, daneben waren sie auch für den Unterhalt des Schlosses verantwortlich. Die Landvögte wurden jeweils für vier Jahre aus den Reihen des Rates der Stadt Bern gewählt. Der bekannteste war von 1457 bis 1461 Adrian von Bubenberg, späterer Schultheiss von Bern und Held der Schlacht bei Murten.

Vogelperspektive im Jahr 1624
Festungsprojekt von 1628

Von 1509 bis 1510 wurden umfangreiche Arbeiten durchgeführt, so wurde das 1339 begonnene Ritterhaus zum Teil abgebrochen und neu errichtet. 1518 wütete ein Grossbrand, wobei nicht überliefert ist, welche Häuser dabei zerstört wurden (am wahrscheinlichsten das "Arburghaus" auf der Nordseite). 1520 erhielt der Landvogt eine neue Behausung, die "Landvogtei". Während des Zweiten Kappelerkriegs im Jahr 1531 diente das Schloss als Operationsbasis der Reformierten.

Landvogt Joseph Plepp zeichnete 1624 die ersten exakten Darstellungen und Grundrisse des Schlosses, welches damals eher einem befestigten Bauernhof glich. Seine Pläne dienten als Grundlage für den geplanten Ausbau zu einer Festung. Als erste Massnahme baute man 1625 an der Nordseite eine vorgelagerte Doppeltor-Anlage mit Zwinger, die Erdaufschüttungen an der Ost- und Südseite wurden erhöht. Von 1642 bis 1646 wurde ein elf Meter hoher Wall aufgeschüttet, dadurch entstand die Ostbastion. Die übrigen Projekte liess man aber wegen Geldmangels fallen. Die Ostbastion hatte aber einen grossen Nachteil: Regenwasser sickerte durch die angrenzenden Mauern und machte die Landvogtei wegen ständiger Feuchtigkeit unbewohnbar. Aus diesem Grund entstand zwischen 1672 und 1674 eine neue Landvogtei im Nordtrakt.

Während des 18. Jahrhunderts bauten die Berner das Schloss zu einem grossen Kornlager aus. Zu diesem Zweck verband man die einzeln stehenden Häuser miteinander und höhlte sie teilweise aus. Dadurch konnten über 5000 Tonnen Getreide gelagert werden. Im März 1798 übergab Viktor von Wattenwyl, der 71. und letzte Landvogt, das Schloss den anrückenden französischen Truppen.

Pacht und Privatbesitz

1803 wurde der Kanton Aargau gegründet und ein Jahr später ging das Schloss in seinen Besitz über. Die Kantonsbehörden waren unschlüssig, wie das Schloss genutzt werden sollte und so stand es fast zwanzig Jahre lang leer. Eine Verwendung für Regierungszwecke kam für dieses Symbol der Untertanenherrschaft nicht in Frage. Schliesslich zeigte der in Hofwil wirkende Pädagoge Christian Lippe Interesse. Er pachtete das Schloss und eröffnete 1822 ein nach den Grundsätzen von Johann Heinrich Pestalozzi geführtes Erziehungsinstitut. Während seiner Blütezeit zählte es 50 Schüler und 12 Lehrer, vor allem Söhne vornehmer Fabrikantenfamilien aus Basel und dem Elsass erhielten hier ihre Ausbildung. Als Schulgebäude diente das "Hintere Haus", die Lehrer wohnten in der Landvogtei. 1853 musste das Institut aufgrund einer schweren Erkrankung Lippes geschlossen werden.

Gedenktafel Frank Wedekind

Der Kanton verkaufte 1860 das Schloss für 60'000 Franken an Konrad Pestalozzi-Scotchburn aus Zürich, über diesen Besitzer ist wenig bekannt. 1872 gelangte das Schloss für 90'000 Franken in den Besitz des pensionierten Gynäkologen Dr. Friedrich Wilhelm Wedekind. Dieser war nach dem Scheitern der Märzrevolution 1849 nach San Francisco ausgewandert und 1864 nach Europa zurückgekehrt. Aus Protest gegen das von Preussen dominierte Deutsche Reich emigrierte er in die Schweiz und liess sich im Schloss nieder. Seine sechs Kinder, darunter der spätere Schriftsteller und Schauspieler Frank Wedekind, verbrachten hier ihre Jugendjahre.

1893 musste die Familie Wedekind aufgrund finanzieller Schwierigkeiten das Schloss für 120'000 Franken an den US-Amerikaner August Edward Jessup verkaufen. Dieser Industrielle stammte aus Philadelphia, hatte aber lange Zeit in England gelebt. Er war mit Mildred Marion Bowes-Lyon verheiratet, der Tante von Königinmutter Elizabeth Bowes-Lyon; somit war er mit dem britischen Königshaus verschwägert. Unter Jessups Leitung wurde das Schloss einer umfassenden Sanierung unterzogen und durch Rückbau der neueren Anbauten und der militärischen Anlagen zu einem guten Teil in den mittelalterlichen Zustand zurückversetzt. Darüber hinaus liess er die Innenräume mit kostbaren Möbeln ausstatten und moderne Technik wie Zentralheizung, Wasseranschluss und Elektrizität installieren. Die Kosten von einer halben Million Franken bestritt er aus seinem Privatvermögen.

Ein anderer amerikanischer Grossindustrieller und Sammler mittelalterlicher Kunst, James Ellsworth, hatte in Erfahrung gebracht, dass sich auf Schloss Lenzburg ein Tisch aus der Zeit von Kaiser Barbarossa befinde, den er seiner Sammlung hinzufügen wollte. Er konnte den Tisch allerdings nur mit dem ganzen Schloss zusammen erwerben. So wechselte die Lenzburg im Jahr 1911 für 550'000 Franken den Besitzer. Sein Sohn, der Polarforscher Lincoln Ellsworth, erbte das Schloss 1925, lebte hier aber nur zeitweilig.

Jüngere Geschichte

Nach Lincoln Ellsworths Tod im Jahr 1951 fiel der Besitz an seine Witwe Marie Louise Ellsworth-Ulmer. 1956 verkaufte sie das Schloss mitsamt der Inneneinrichtung für 500'000 Franken an eine von der Stadt Lenzburg und dem Kanton Aargau gegründete Stiftung. Somit konnte die Anlage der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 1960 wurde die kulturelle Stiftung Stapferhaus Lenzburg gegründet, die in das "Hintere Haus" einzog. Zwischen 1978 und 1986 wurde das Schloss erneut einer Gesamtsanierung unterzogen und im Südwestteil des Schlossgeländes entstand eine Gartenanlage im französischen Stil. 1987 verlegte der Kanton seine umfangreichen kulturgeschichtlichen Sammlungen hierher und eröffnete das Historische Museum (seit 2007 Museum Aargau). Ab 2009 wird die Ausstellung schrittweise erneuert.

Schlossbesitzer

  • ca. 1000–1173: Grafen von Lenzburg
  • 1173: Kaiser Barbarossa
  • 1173–ca. 1230: Pfalzgraf Otto und nahe Verwandte
  • ca. 1230–1273: Grafen von Kyburg
  • 1273–1415: Herzöge und Könige von Habsburg
  • 1415–1798: Stadt Bern (ab 1433 in vollem Besitz, ab 1444 Sitz des Landvogts)
  • 1803–1860: Kanton Aargau (von 1822 bis 1853 als Erziehungsheim verpachtet)
  • 1860–1872: Konrad Pestalozzi-Scotchburn
  • 1872–1893: Dr. Friedrich Wilhelm Wedekind (Vater von Frank Wedekind)
  • 1893–1911: August Edward Jessup
  • 1911–1925: James Ellsworth
  • 1925–1951: Lincoln Ellsworth, Sohn von James
  • 1951–1956: Marie Luise Ellsworth-Ulmer, Witwe von Lincoln
  • 1956–heute: Kanton Aargau

Gebäude

Übersichtsplan

Der Eingang zum Schloss befindet sich an der Nordostseite. Über eine Treppe oder den alten Burgweg gelangt man zum 1625 errichteten unteren Torhaus und anschliessend in den Zwinger. Innerhalb des Mittleren Torhauses (ebenfalls 1625 erbaut und 1761/62 erweitert) wendet sich der Burgweg um 180 Grad und führt hinauf zur Zugbrücke und durch das obere Torhaus in den Innenhof hinein.

Auf der Ostseite wird der Innenhof von sieben Gebäuden hufeisenförmig umschlossen und nach aussen abgeschirmt. Im Südwesten schliesst sich eine von einer Ringmauer umgebene Gartenanlage im französischen Stil an. Während das Gelände innerhalb der Begrenzungsmauern relativ eben ist, fällt es unmittelbar ausserhalb steil ab. Lediglich auf der Ostseite, am Übergang zum 507 Meter hohen Goffersberg, ist das Gefälle etwas flacher und bildet eine sattelförmige Einsenkung.

Wappentafel am oberen Torhaus

Nordtrakt

Der Nordtrakt ist eine Gruppe von miteinander verbundenen Häusern, bestehend aus dem oberen Torhaus, den Überresten des nördlichen Bergfrieds und der neuen Landvogtei. Das obere Torhaus, der einzige Zugang zum Innenhof, entstand nach 1518, teilweise auf älteren Fundamenten. Hier wird der Standort des 1339 errichteten Arburghauses vermutet, das ein Opfer der Flammen wurde. Über dem Türsturz befindet sich eine 1596 angebrachte Tafel mit den Wappen des Reiches, des Standes Bern und der Familie von Erlach.

Östlich des Torhauses steht der nördliche Bergfried, seit dem kompletten Umbau von 1718/20 mit den benachbarten Gebäuden verbunden. Hier befanden sich einst die Toranlage und das Gefängnis. Vom ursprünglichen Gebäude sind nur die Westmauer sowie Teile des Fundaments an der Süd- und Ostmauer erhalten geblieben.

Anstelle eines 1625 errichteten Wächter- und Waschhauses entstand 1672/74 das neue Domizil des Landvogts. Die benachbarte Landvogtei an der Nordostecke war damals nicht mehr bewohnbar, weil nach dem Bau der Ostbastion Feuchtigkeit in die Mauern eingedrungen war. Heute befindet sich hier die Verwaltung des Museums Aargau.

Landvogtei

Landvogtei

Die dreigeschossige Landvogtei mit dem Treppengiebeldach entstand 1520 im spätgotischen Stil. Sie diente als neues Amts- und Wohnhaus der bernischen Landvögte, nachdem der aus dem 14. Jahrhundert stammende Vorgängerbau 1518 durch einen Brand zerstört worden war. Im Gegensatz zu den übrigen Häusern grenzt die Landvogtei nicht direkt an die Ringmauer, der Abstand beträgt ein bis zwei Meter. Ausnahme ist ein kleiner Rundturm aus dem Jahr 1626 an dessen Südostecke: Dieser löste einen Erker ab, der als Plumpsklo diente.

Der fünfeckige Treppenturm, der 1630 an der Vorderfront angebracht wurde, ersetzte einen steileren Treppenaufgang im Innern des Gebäudes. Der ursprüngliche Zwiebelhelm wurde 1760 durch ein Walmdach ersetzt. Der Eingangsraum stammt zum Teil noch aus der Zeit um 1460. Im ersten Obergeschoss erstreckt sich entlang der gesamten Nordseite ein 1565 ausgebauter Saal.

Von 1646 bis 1894 war die Landvogtei unbewohnbar gewesen, weil nach dem Bau der Ostbastion Feuchtigkeit eingedrungen war. Erst nach dem Abtragen des Erdwalls im Jahr 1902 war eine Sanierung möglich. Diese umfasste auch eine neue Fassade auf der Innenhofseite. In dem Gebäude befindet sich heute ein Teil des Museums Aargau mit einer Dauerausstellung über die Wohnkultur der Besitzer vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert.

Ostbastion

Ostbastion

Die Bastion am östlichen Rand des Innenhofs wurde von 1642 bis 1646 anstelle der Ringmauer mit Wehrgang erbaut, um die Baulücke zwischen Palas und Landvogtei zu schliessen und das Schloss vor Kanonenbeschuss vom gegenüberliegenden Goffersberg aus zu schützen. Die angrenzende Landvogtei wurde durch einen mächtigen Erdwall verdeckt, der Feuchtigkeit anzog und das Gebäude unbewohnbar machte. 1659 setzte man auf der Ostbastion einen Uhrturm auf, das Spitzhelmdach wurde 1760 durch eine Zwiebelhaube ersetzt.

1893/94 wurde die Aussenmauer um 6,5 Meter verringert, wodurch die zugemauerten Fenster auf der Südseite der Landvogtei wieder freigelegt werden konnten. Auf der Fläche des abgesenkten Walls wurde ein Rosengarten angelegt. Dadurch erreichte man eine Trockenlegung der angrenzenden Gebäudemauern. Während der Gesamtsanierung (1978–1986) wurde der letzte Rest des Erdwalls abgetragen und das Kellergeschoss ausgehöhlt, der heute einen Teil des Museums Aargau beherbergt.

Palas

Der Palas wurde um 1100 im Auftrag der Grafen von Lenzburg als 18 Meter hoher, bewehrter Wohnbau mit vier Stockwerken errichtet. Zusammen mit dem angrenzenden Turm gehört er zum ältesten Baubestand des Schlosses. Der Eingang befand sich ursprünglich im dritten Stockwerk und konnte nur durch eine Holztreppe im Freien erreicht werden. Das Hauptgeschoss besass eine Feuerstelle, das vierte Stockwerk diente als Schlafraum, das erste und das zweite Stockwerk als Vorratskammer.

Zur Zeit der Berner Landvögte hiess das Gebäude „Strecke“, weil sich darin die Folterkammer befand. 1598/99 erhielt der Palas im Erdgeschoss einen neuen Eingang mit Torbogen. Zwischen 1978 und 1986 wurden die Stockwerkeinteilungen und Treppenverbindungen neu geordnet, um den zeitgemässen Betrieb des Historischen Museums zu ermöglichen.

Turm

Der Turm (auch südlicher Bergfried genannt) ist in einem Quadrat von 10 mal 10 Metern angelegt und besitzt drei Meter dicke Mauern. Er wurde um 1170 an den Palas angebaut und benutzte dessen Westflanke als Abschlussmauer. Nach dem Tod von Bauherr Ulrich IV. wurden die Bauarbeiten eingestellt und das Gebäude blieb während beinahe 200 Jahren unvollendet. Erst 1344 wurde es fertig gestellt. Während der Berner Herrschaft, ungefähr seit dem frühen 17. Jahrhundert, befand sich im ersten Obergeschoss das Gefängnis, das heute noch besichtigt werden kann.

Um grössere Kapazitäten für die Kornlagerung zu schaffen, wurden 1728/29 der Turm und das benachbarte Ritterhaus mit dem dazwischen liegenden Sodbrunnen durch einen schmucklosen Zweckbau miteinander verbunden. Zu diesem Zweck musste die Nordfassade abgetragen werden, da der Turm nicht im selben Winkel wie das Ritterhaus angeordnet war. August Edward Jessup liess das Kornhaus 1896 abreissen und den Turm in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Den erstmals 1369 erwähnten Sodbrunnen legte man wieder frei. Während der Gesamtsanierung (1978–1986) wurden die Stockwerke neu eingeteilt und die Treppen anders angeordnet, um einen Teil des Historischen Museums aufnehmen zu können.

Ritterhaus

Der Bau des Ritterhauses begann unter habsburgischer Herrschaft im Jahr 1339. Herzog Friedrich II. von Tirol-Österreich wollte im Schloss Lenzburg die Tochter des englischen Königs Eduard III. heiraten und liess deshalb einen repräsentativen Wohnbau im gotischen Stil errichten. Der junge Herzog starb allerdings 1344 kurz vor Vollendung der Bauarbeiten und so blieben die Mauern vorerst unverputzt.

Der Westteil befand sich 1508 in einem derart schlechten Zustand, dass er abgebrochen und neu errichtet werden musste. Beim Ostteil blieben zwar die Aussenmauern bestehen, doch auch hier wurden die Innenräume völlig umgestaltet. Das Gebäude erhielt neues Dachgebälk und mehrere Pfeiler zur Verbesserung der Statik, die Mauern wurden nun verputzt. Die Länge des Hauses verringerte sich etwas, da die westliche Aussenmauer abgebrochen und weiter östlich neu aufgebaut wurde.

Um 1590 war das Gebäude mehr und mehr zu einer grossen Scheune mit Kornlager und Weinkelterei abgesunken, gleichzeitig erhielt es Schiessscharten. 1758 wurde das Innere des Gebäudes erneut komplett umgestaltet. Dank neu errichteten Zwischenböden konnte noch mehr Getreide gelagert werden. 1893 stellte man so gut wie möglich den ursprünglichen Zustand wieder her. Die Zwischenböden wurden entfernt und der Saal im oberen Stockwerk erhielt seine Spitzbogenfenster zurück. Heute kann der Saal für gesellschaftliche Anlässe gemietet werden.

Neben dem Ritterhaus befand sich eine kleine, dem Hl. Fortunatus geweihte Kapelle. Diese war 1763 derart verfallen, dass sie abgetragen werden musste.

Stapferhaus

Stapferhaus

1599/1600 wurde an der Südwestseite der Schlossanlage ein neuer, zweigeschossiger Ökonomiebau errichtet, das "Hintere Haus". Es entstand durch die Vereinigung von Stall und Mühle unter einem einzigen Dach. Das Haus wurde 1705–07 in Richtung Osten zum Nordtrakt hin verlängert, um zusätzliche Kapazitäten für die Kornlagerung zu schaffen. Von 1822 bis 1853 führte der Reformpädagoge Christian Lippe hier ein Bildungsinstitut, in dem nach damals fortschrittlichsten pädagogischen Grundsätzen unterrichtet wurde. Die Kornhaus-Erweiterung wurde 1893 abgebrochen und durch einen rekonstruierten Wehrgang ersetzt, der zum oberen Torhaus hinüberführt.

Heute ist das Hintere Haus nach Philipp Albert Stapfer benannt, einem Revolutionär und Minister der Helvetischen Republik. Seit 1960 dient es als Begegnungszentrum der Stiftung Stapferhaus Lenzburg mit diversen kulturellen Aktivitäten wie Ausstellungen zur aktuellen Zeitgeschichte.

Besichtigung

Für Besucher geöffnet ist das Schloss als Teil des Museums Aargau jeweils Dienstag bis Sonntag von Anfang April bis Ende Oktober. Das Museum ist in fünf Bereiche unterteilt:

  • Wohnmuseum: Ausstellung über die Wohnkultur der Bewohner vom Spätmittelalter über Renaissance, Barock und früher Neuzeit bis um 1900.
  • Waffengalerie und szenische Waffenschau: Ausstellung zahlreicher Waffen vom Spätmittelalter bis zum 18. Jahrhundert. Die wertvollsten Stücke sind zwei Schwerter, die 1386 in der Schlacht bei Sempach verwendet wurden.
  • Glaube, Andacht, Kunst: Verschiedene sakrale Kunstwerke aus dem Kanton Aargau.
  • Tafelkultur und Aargauer Silber: Ausstellung über die Esskultur des 18. Jahrhunderts mit zahlreichen wertvollen Gedecken sowie weltliches Silbergeschirr.
  • Kindermuseum im Dachgeschoss Landvogtei.

Das Schloss ist nicht direkt mit dem Auto erreichbar, der Parkplatz liegt nordöstlich davon am Fusse des Schlossbergs. Dorthin führt auch eine Buslinie der Gesellschaft Regionalbus Lenzburg. Vom Parkplatz aus verläuft ein Fussweg hinauf zum Schloss. Ein Aufzug zwischen Turm und Ritterhaus ermöglicht auch gehbehinderten Besuchern den Zugang zum Schloss.

Literatur

  • Hans Dürst, Hans Weber: Schloss Lenzburg und Historisches Museum Aargau. AT Verlag, Aarau 1990. ISBN 3-85502-385-9
  • Jean-Jacques Siegrist, Hans Weber: Burgen, Schlösser und Landsitze im Aargau. AT Verlag, Aarau 1984. ISBN 3-85502-199-6
  • Michael Stettler, Emil Maurer: Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bezirke Lenzburg und Brugg, S. 121-136. Birkhäuser Verlag, Basel 1953.
  • Fritz Stuber, Jürg Lang et al: Stadtbilduntersuchung Altstadt Lenzburg, Urbanistics, Zürich 1976, ISBN 3-85957-001-3, 168 S., 234 Abb.

Weblinks

47.3873805555568.18548055555567Koordinaten: 47° 23′ 15″ N, 8° 11′ 8″ O; CH1903: (656392 / 248774)


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