Leon Lichtenstein

Leon Lichtenstein

Leon Lichtenstein (* 16. Mai 1878 in Warschau; † 21. August 1933 auf einer Reise in Zakopane) war ein polnisch-deutscher Mathematiker[1], der sich mit Variationsrechnung, gewöhnlichen und partiellen Differentialgleichungen, konformen Abbildungen und Potentialtheorie beschäftigte.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Lichtenstein besuchte in Warschau die Realschule und kam 1894 nach Berlin, wo er an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg Elektrotechnik und Maschinenbau (Diplom 1901) studierte und gleichzeitig an der Universität Berlin Mathematik-Vorlesungen bei Hermann Amandus Schwarz, Ferdinand Georg Frobenius, Edmund Landau, Friedrich Schottky hörte. Noch während er bei Siemens & Halske als Elektroingenieur arbeitete, holte er 1907 sein Abiturzeugnis nach. 1908 promovierte er zum Dr.Ing. in Elektrotechnik an der Technischen Hochschule in Charlottenburg („Zur Theorie der elektrischen Kabel“, Elektrotechnische Zeitschrift 1908). 1909 promovierte er außerdem bei Schwarz an der Universität Berlin in Mathematik über sukzessive Approximation von Differentialgleichungen („Zur Theorie der gewöhnlichen Differentialgleichungen zweiter Ordnung – die Lösungen als Funktionen der Randwerte und der Parameter“). 1910 habilitierte er sich. Während des Ersten Weltkriegs arbeitete als Prüfingenieur bei Siemens (Prüfung von Stromkabeln u.a.) und stellte statische und aerodynamische Berechnungen für die Fliegertruppe an.

1919 wurde er ordentlicher Honorarprofessor an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg und 1920 ordentlicher Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Seit 1922 war er Professor an der Universität Leipzig, wo er 1933 nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Deutschen Reich gemäß dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums als Jude entlassen werden sollte. Schon herz- und nierenkrank, starb er während der Semesterferien auf einer Urlaubsreise in Polen an den Folgen der Aufregung. Seine Bestattungsurne wurde auf dem Südfriedhof (Leipzig) beigesetzt.

In den 1920er Jahren veröffentlichte er auch eine Reihe von Untersuchungen über Gleichgewichtsfiguren rotierender Flüssigkeiten mit Anwendungen auf astronomische Probleme und über Existenzprobleme der Differentialgleichungen der Hydrodynamik. In seiner Zeit bei Siemens veröffentlichte er auch eine Reihe elektrotechnischer Arbeiten. Lichtenstein war 1918 einer der Gründer der „Mathematischen Zeitschrift“ und 1919 bis 1927 Leiter des „Jahrbuchs über die Fortschritte der Mathematik“.

Zu seinen Doktoranden zählen Ernst Hölder, Erich Kähler, Aurel Wintner, Hermann Boerner und Karl Maruhn.

Lichtenstein war ein Vetter von Norbert Wiener.[2]

Schriften

  • Beiträge zur Theorie der Kabel- Untersuchungen zu den Kapazitätsverhältnissen von verseilten und konzentrischen Mehrfachkabeln. Oldenbourg, München 1908.
  • Grundlagen der Hydromechanik. Springer, Berlin 1929. Nachdruck 1968.
  • Gleichgewichtsfiguren rotierender Flüssigkeiten. Springer, Berlin 1933.
  • Vorlesungen über einige Klassen nichtlinearer Integralgleichungen und Integro-Differentialgleichungen nebst Anwendungen. Springer, Berlin 1931.
  • Astronomie und Mathematik in ihrer Wechselwirkung. Mathematische Probleme in der Theorie der Figur der Himmelskörper. 1922, Nachdruck: VDM, Saarbrücken 2007.

Einige seiner Arbeiten sind online, Auswahl:

Literatur

  • Otto Hölder: Leon Lichtenstein. In: Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-physikalische Klasse. Band 36. 1934, S. 307–314.
  • Danuta Przeworska-Rolewicz: Leon Lichtenstein. On the 120. anniversary of his birthday. Mathematisches Institut, Warschau 1997.
  • Ernst Hölder: Leon Lichtensteins mathematische Wirksamkeit. Jahresbericht DMV. Band 83, 1981, S. 135.
  • Gisela Möllenhoff ; Rita Schlautmann-Overmeyer : Jüdische Familien in Münster 1918 bis 1945. Biographisches Lexikon Münster : Westfäl. Dampfboot, 1995 ISBN 3-929586-48-7

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Deutsche Mathematiker-Vereinigung: Kurzbiographien
  2. Nobert Wiener: Mathematik – Mein Leben.

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