Leuna-Werke

Leuna-Werke

Die Leunawerke waren das größte Unternehmen der Chemieindustrie in der DDR südlich von Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt. Benannt waren sie nach der östlich des Industriegebiets liegenden Stadt Leuna. Heute sind auf dem Gebiet der Leunawerke zahlreiche neue Unternehmen angesiedelt. Die gesamte Infrastruktur wird von der InfraLeuna GmbH verwaltet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Leunawerke als Unternehmen der BASF

Während des Ersten Weltkriegs überstieg die Nachfrage nach Stickstoff die Produktionskapazitäten der BASF in Ludwigshafen-Oppau, die mit dem Haber-Bosch-Verfahren über ein Monopol in der Ammoniak-Herstellung verfügte. Der Grundstoff war für die Herstellung von Sprengstoff und Dünger von entscheidender Bedeutung. Die BASF in Ludwigshafen war zudem wegen der dort vorhandenen Giftgasproduktion ein zentrales Ziel der alliierten Luftangriffe. Begünstigt durch die Nähe zum Braunkohlentagebau im Geiseltal und die Saale wurde deshalb der Standort Leuna für das neue Werk ausgewählt. Baubeginn war am 1. Mai 1916, geleitet wurde der Bau von Carl Bosch. Das Werk wurde in nur neun Monaten errichtet. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges wurden große Mengen Ammoniak hergestellt.

Während der Märzkämpfe in Mitteldeutschland im Frühjahr 1921 verbarrikadierten sich aufständische Arbeiter in den Leunawerken.

Bereits 1923 wurde in Leuna ein neues Hochdruckverfahren zur Methanolsynthese durch Matthias Pier großtechnisch umgesetzt.

Die Leunawerke als Unternehmen der I.G. Farben

Mit dem Zusammenschluss der I.G. Farben im Jahr 1926 wurden die Leunawerke deren Bestandteil. Im selben Jahr begannen in den Leunawerken die großindustriellen Versuche zur Herstellung von Synthetischem Benzin, dem sogenannten Leuna-Benzin durch Hochdruckhydrierung von Braunkohle nach dem Bergius-Verfahren, um sich vom ausländischen Erdöl unabhängig zu machen. 1927 wurden die Versuche wegen technologischer Probleme unterbrochen, um erst 1932 wieder aufgenommen zu werden. Allerdings war die Produktion im Vergleich zu den Weltmarktpreisen immer zu teuer.

Daher trafen sich bereits im November 1932 die I.G.-Farben-Direktoren Bütefisch und Gattineau mit Hitler, um ihn über die zukünftige Bedeutung synthetischen Benzins aufzuklären. Sie erhielten von Hitler die Zusage, im Falle seiner Regierung die Herstellung von synthetischem Benzin durch Absatz- und Mindestpreisgarantien zu unterstützen. Der I.G.-Farben-Konzern sicherte sich 1933 in einem Vertrag die komplette Treibstoffversorgung der Wehrmacht.

Da Deutschland über fast keine eigenen Ölvorkommen verfügte, erlangte schließlich die Kohleverflüssigung aus strategischen Gründen vor dem Zweiten Weltkrieg eine große Bedeutung. Der Bau von Hydrierwerken wurde wesentlicher Bestandteil der Autarkiebestrebungen des Vierjahresplans. Bei Kriegsbeginn waren sieben Hydrierwerke produzierend, die meisten auf der Basis von Braunkohlenschwelteeren. Das größte in Leuna war auch das Leit-Werk und arbeitete auf der Basis von Braunkohle.

Der VEB Leuna-Werke Walter Ulbricht

Die Leunawerke kamen nach Ende des Zweiten Weltkriegs und Zerschlagung der I.G. Farben in sowjetischen Besitz in Form einer SAG. Das Werk, das im Krieg schwere Zerstörungen erlitt, verlor weitere 45 bis 50 Prozent durch Demontagen im Zuge der Reparationen gegenüber der Sowjetunion.

1954 wurden die Leunawerke in DDR-Eigentum überführt. Offiziell hieß das Werk bald VEB „Leuna-Werke Walter Ulbricht“ und war der größte Chemiebetrieb der DDR. Im Werk arbeiteten zirka 30.000 Werktätige, die Produkte wurden in ungefähr vierzig Länder exportiert. Das Werksgelände – komplett eingezäunt – erstreckte sich auf einer Länge von sieben Kilometern und eine Breite von drei Kilometern. Auf dem Werksgelände befinden sich zwei Bahnhöfe der 1846 eröffneten Thüringer Bahn: Leuna Werke Nord und Leuna Werke Süd.

Leuna-Werke, Destillationsanlagen, September 1959

1959 begann neben dem weiterbestehenden Altwerk der Bau des Werkes Leuna II. Es handelte sich um einen modernen Produktionskomplex für die Petrochemie. Die Spaltanlage zur Herstellung petrochemischer Rohstoffe wie Ethylen und Propylen und darauf aufbauend die Anlagen für Phenol, Caprolactam und Hochdruckpolyethylen wurden aus der BRD, der UdSSR, der DDR und aus Großbritannien geliefert. Die Rohstoffversorgung für die Erdölverarbeitung im Altwerk und damit für die Spaltanlage erfolgte aus der UdSSR über die Erdölleitung Freundschaft via Schwedt/Oder. Um auch andere Erdöllieferanten nutzen zu können, wurde das Pipelinesystem an den Überseehafen Rostock angeschlossen.

In den 1970er und 1980er Jahren wurde, bedingt durch die Erdölkrise und die verminderten Erdöllieferungen aus der UdSSR, besonders in die Erdölverarbeitung investiert. Neue Anlagen wurden beispielsweise aus der BRD, aus Japan, Österreich und Schweden zur tieferen Spaltung des Erdöls geliefert und mit modernen BRD- und US-amerikanischen Prozessleitsystemen betrieben. Damit wurde der Anteil an „schwarzen Produkten“ (Schweröl und Bitumen zugunsten der höherwertigen „weißen Produkten“, wie Benzin, Diesel und leichtes Heizöl praktisch auf Null gesenkt. Die Kraftstoffe aus Leuna II wurden zur Devisenbeschaffung und zur Refinanzierung der Anlagen über den Bereich Kommerzielle Koordinierung des Ministeriums für Außenhandel der DDR auch in das westliche Ausland exportiert. So gab es an den Tankstellen Westberlins Leuna-Benzin. Auch die schwersten Reste der Erdölverarbeitung wurden in der neuen Niederdruckmethanolanlage als Rohstoff für das Synthesegas eingesetzt. Insgesamt war aber die Technologie durch den hohen Wasserstoffbedarf für die Hydrierung zu teuer.

Der technische Verschleiß der 60 bis 70 Jahre alten Anlagen (wie beispielsweise zur Synthesegaserzeugung, zur Ammoniaksynthese und zur Hochdruckmethanolsynthese) war in den 1980er Jahren so hoch, dass wegen des hohen Energie-, Arbeitskräfte- und Instandhaltungsbedarfs ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr möglich war. Um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen, arbeiteten in den letzten Jahren der DDR NVA-Bausoldaten im Werk.

Aufteilung nach 1990

Nach der Wende wurde das Kombinat in kleinere Einheiten zerlegt und verkauft. Zusätzlich erfolgte eine Reihe von Neugründungen und Neuansiedlungen von Unternehmen. So finden sich heute auf dem Gelände des Chemieparks viele unterschiedliche Firmen. Die Mehrzahl der Beschäftigten wurde im Zuge der Verkäufe und durch Verbesserung der Effektivität arbeitslos.

Um den Erhalt des Standortes zu fördern, vermittelte Bundeskanzler Helmut Kohl zwecks Erhaltung „industrieller Kerne“ in den Neuen Bundesländern die Übernahme der Erdölraffinerie an den französischen Mineralölkonzern Elf Aquitaine (später fusioniert mit Total-Fina zu TotalFinaElf, danach wurde der Konzern umbenannt zu Total). Bei dieser Übernahme sollen auch an deutsche Politiker und Parteien Schmiergelder in Millionenhöhe geflossen sein (siehe Leuna-Affäre). In Frankreich wurden dafür verantwortliche Manager verurteilt (siehe Alfred Sirven). Die Verwicklung bundesdeutscher Politiker ist noch nicht restlos aufgeklärt (siehe Karlheinz Schreiber).

Die Mitteldeutsche Erdoel-Raffinerie (MIDER) ging 1997 als modernste ihrer Art in Europa in Betrieb. Die nach zweieinhalbjähriger Bauzeit in Betrieb genommene Raffinerie war die größte Direktinvestition eines französischen Konzerns in den neuen Bundesländern. Erleichtert wurde die Investition durch die Zusage von EU-Beihilfen in Höhe von 1,4 Milliarden Mark oder 27% der Investitionssumme.

Die Raffinerie, die mit Anlagenneubauten auf das Gebiet Leuna III in Richtung des Dorfes Spergau ausgedehnt wurde, trägt heute den Namen Total Raffinerie Mitteldeutschland GmbH (TRM), neben Total sind weitere Unternehmen beteiligt.

Literatur

  • Friedrike Sattler: Unternehmensstrategien und Politik. Zur Entwicklung der mitteldeutschen Chemieindustrie im 20. Jahrhundert, in: Hermann-Josef Rupieper / Friederike Sattler / Georg Wagner-Kyora (Hrsg.): Die mitteldeutsche Chemieindustrie und ihre Arbeiter im 20. Jahrhundert, Mitteldeutscher Verlag, Halle 2005, S. 119-175, ISBN 3-89812-246-8
  • Jana Lehmann / Marion Schatz (hrsgg. vom Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt): Leuna zwischen Wiederaufbau und Wendezeit. 1945-1990. Sutton Verlag, Erfurt 2006, ISBN 978-3-86680-024-3

Weblinks

51.31861111111112.0083333333337Koordinaten: 51° 19′ 7″ N, 12° 0′ 30″ O


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