Nikolai Erastowitsch Bersarin

Nikolai Erastowitsch Bersarin
Nikolai Erastowitsch Bersarin, 1945 in Berlin

Nikolai Erastowitsch Bersarin (russisch Никола́й Эра́стович Берза́рин, wissenschaftliche Transliteration Nikolaj Ėrastovič Berzarin; * 19. Märzjul./ 1. April 1904greg. in Sankt Petersburg, Russland; † 16. Juni 1945 in Berlin) war als sowjetischer Generaloberst 1945 der erste sowjetische Stadtkommandant von Berlin.

Nikolai Erastowitsch Bersarin war von 1975 bis 1992 und ist seit 2003 wieder Ehrenbürger Berlins.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Bersarin wurde als Sohn eines Schlossers († 1917) und einer Näherin († 1918) geboren. Er hatte einen Bruder und vier Schwestern. 1925 heiratete er die Sparkassenangestellte Natalja Prosinjuk, mit der er zwei Kinder hatte: Larissa (1926) und Irina (1938). Natalja war seit der Geburt der Töchter Hausfrau.

Ausbildung, politischer Werdegang und militärische Karriere

1913 begann er seine Abendkurse an einer Petrograder Grundschule, danach absolvierte er eine Ausbildung zum Buchbinder. Am 14. Oktober 1918, als Vierzehnjähriger meldete sich Nikolai als Freiwilliger zu der gerade gegründeten Roten Arbeiter- und Bauernarmee und kämpfte gegen die Invasionstruppen in Archangelsk. In diesen Kämpfen eignete er sich erstes militärisches Wissen und die Denkweise der Arbeiterklasse an. 1927 übertrug man ihm den Posten eines Kommandeurs dieser Armee. Als Achtzehnjähriger wurde Bersarin Mitglied der Komsomolorganisation und 1926 nach dem Abschluss von Offizierslehrgängen der Infanterie (Wystrel) in Moskau Mitglied der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU).[1] Als Militärangehöriger nahm er an verschiedenen Einsätzen zur Abwehr der Konterrevolutionäre teil, beispielsweise an der Niederschlagung des Kronstädter Aufstandes. 1923 ließ er sich als Führer einer MG-Gruppe und Zugführer im 5. Amur-Schützenregiment der 2. Amur-Schützendivision nach Sibirien versetzen. Er war in Irkutsk Kommandeur einer Ausbildungseinheit für Kommandeure. Aktiv beteiligte sich Bersarin am Kampf um die Ostchinesische Eisenbahn. 1933 bis 1935 diente er im Stab der Fernostarmee in Chabarowsk und Woroschilow. Von 1935 bis 1937 war er Chef des 77. Schützenregiments der 26. Schützendivision der Fernostarmee. Bis 1938 war Bersarin Chefausbilder am Stab der dortigen Amurgruppe.

Während des Großen Terrors wurde er 1938 beschuldigt, seine Karriere Volksfeinden zu verdanken, allerdings setzten sich verschiedene KP-Mitglieder für ihn ein. Bersarin wehrte als Divisionskommandeur, und später Korpskommandeur, japanische Angriffe am Chassansee ab, wofür er mit dem Rotbannerorden, einer hohen militärischen Auszeichnung, belohnt wurde.

Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs erhielt Bersarin die Ernennung zum Generalmajor und er wurde auf eigenen Wunsch am 26. Mai 1941 nach Riga, dem Baltischen Sondermilitärbezirk[1], versetzt. Als Kommandeur der 27. Armee kämpfte er gegen die Heeresgruppe Nord der deutschen Wehrmacht nach deren Überfall auf die Sowjetunion. Von Dezember 1941 bis Mai 1944 war er Oberkommandierender mehrerer Armeen (34., 61., 20., 39.), und wurde bei Wjasma im März 1943 schwer verwundet, weswegen er bis August des Jahres im Lazarett lag.

1944 erhielt er den Leninorden für seine Verdienste in der Verteidigung und wurde zum Generaloberst befördert, weil er mit seiner 5. Stoßarmee in der Operation Jassy-Kischinew die deutschen Linien am Dnister durchbrach. Nach der Eroberung Kischinjows am 24. August folgte der strategisch entscheidende Brückenkopf bei Küstrin 1945. Am 16. April begannen die 1. Weißrussische Front und die 1. Ukrainische Front ihre Schlussoffensive auf Berlin.[1]

Berliner Stadtkommandant

Gedenktafel für Bersarin am Bersarinplatz in Berlin

Bersarins Stoßarmee erreichte am 21. April als erster sowjetischer Verband den östlichen Berliner Stadtrand bei Marzahn. Am 24. April wurde er von Marschall Schukow zum Stadtkommandanten und Chef der Sowjetischen Garnison in Berlin ernannt. Die Stadtkommandantur hatte ihren Sitz in Berlin-Lichtenberg in der Straße Alt-Friedrichsfelde, während das Hauptquartier der sowjetischen Garnison in Berlin-Karlshorst lag. Sein Befehl Nummer 1 verlagerte die gesamte verwaltungsmäßige und politische Macht auf die Sowjetische Stadtkommandantur, die alten deutschen Verwaltungen in allen Berliner Bezirken waren damit abgeschafft.[1]

Als Stadtkommandant setzte er sich für die Wiederherstellung der Ordnung ein, indem er beispielsweise eine Stadtpolizei ins Leben rief, die Gas-, Wasser- und Elektroenergieversorgung in Gang bringen ließ und Aufträge für die Versorgung der Bevölkerung vergab. Bald berief er den ersten Berliner Nachkriegsmagistrat und bemühte sich um eine Wiederbelebung des kulturellen Lebens in der Stadt. Am 16. Juni 1945 starb er bei einem Motorradunfall in einem LKW-Konvoi in Berlin-Friedrichsfelde, Schloßstraße/Ecke Wilhelmstraße (heute: Am Tierpark/Ecke Alfred-Kowalke-Straße).

Ehrenbürger Berlins

Bersarin zu Ehren trägt der frühere Baltenplatz im Berliner Bezirk Friedrichshain den Namen Bersarinplatz, seit April 2005 führt auch eine Brücke am Landsberger Tor im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf den Namen Nikolai-Bersarin-Brücke. 1975 wurde ihm postum die Ehrenbürgerschaft Ost-Berlins verliehen, 1992 wurde er aus der Ehrenbürgerliste gestrichen. Am 11. Februar 2003 verlieh ihm der Berliner Senat erneut die Ehrenbürgerschaft Berlins und begründete dies mit den Verdiensten Bersarins beim Aufbau Berlins.

Sowohl die Aberkennung als auch die Wiederzuerkennung der Ehrenbürgerschaft wurden von heftigen politischen Debatten begleitet. Bersarin wurde dabei unter anderem vorgeworfen, als Oberkommandierender der Roten Armee im Baltikum für die Deportation von über 47.000 Balten verantwortlich gewesen zu sein (diese Aussage gilt jedoch als widerlegt[2]). Gegner der Ehrung Bersarins sehen seinen Einsatz für die Wiederbelebung Berlins als reine Pflichterfüllung an und bewerten seine Beteiligung am Stalin-Regime als verwerflich.[3] Der Verein „Berliner Freunde Russlands“ setzt sich seit der Wiederzuerkennung der Ehrenbürgerschaft dafür ein, ein würdiges Denkmal für Bersarin auf dem gleichnamigen Platz zu errichten.[4]

Literatur

  • Lutz Prieß: Nikolaj E. Bersarin. Ehrenbürger von Berlin. 2. überarbeitete Auflage, Berlin: Linkspartei.PDS im Berliner Abgeordnetenhaus, 2005

Weblinks

 Commons: Nikolai Bersarin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Hans Maur: Gedenkstätten der Arbeiterbewegung in Berlin-Friedrichshain, hrsg. von der Bezirksleitung der SED, Bezirkskommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung in Zusammenarbeit mit der Kreiskommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung bei der Kreisleitung Berlin-Friedrichshain der SED, 1981; S. 72-74
  2. Artikel in der Berliner Zeitung
  3. General Bersarin - Held der Nachkriegszeit oder Unperson? Das Abgeordnetenhaus entscheidet heute über die Ehrenbürgerschaft des ehemaligen Stadtkommandanten, Artikel in der 'Welt-online' vom 13. Juli 2000; abgerufen am 2. März 2010
  4. Christine Richter: Eine Birke für Bersarin, Artikel der Berliner Zeitung vom 17. Juni 2005, abgerufen am 16. Mai 2011.

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