Odilo Globocnik

Odilo Globocnik
Odilo Globocnik als SS-Standartenführer (1938)

Odilo Lotario Globocnik (* 21. April 1904 in Triest; † 31. Mai 1945 in Paternion, Kärnten) war ein österreichischer Nationalsozialist, SS-Obergruppenführer und Generalleutnant der Polizei. Er war maßgeblich am Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich beteiligt und Gauleiter in Wien. Als Leiter der Aktion Reinhardt zur Vernichtung der Juden im Generalgouvernement (Teil des besetzten Polens) unterstanden ihm die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka. In seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Ostindustrie GmbH war er auch an der Ausbeutung jüdischer Arbeitskräfte beteiligt. 1943 wurde er zum Höheren SS- und Polizeiführer in der Operationszone Adriatisches Küstenland ernannt.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Ausbildung

Odilo Globocnik wurde als zweites Kind eines Postbeamten geboren. Die Familie stammte väterlicherseits aus Neumarktl (slowen. Tržič), einer ehemaligen deutschen Sprachinsel in der Oberkrain. Die Mutter Globocniks kam aus Werschetz im Banat. Der Vater war zunächst Berufsoffizier und trat dann in den Postdienst ein. 1914 verließ die Familie Triest und übersiedelte nach Cseklesz.

Im Jahr 1915 trat Odilo Globocnik in die Militär-Unterrealschule Sankt Pölten ein. Er wird als „recht begabt“ und „sehr fleißig“ bezeichnet und soll über „sehr anständige und gefällige Umgangsformen“ verfügt haben und sich stets „musterhaft“ angepasst haben. Nach Kriegsende übersiedelte er mit seiner Familie nach Klagenfurt. Hier besuchte er die Höhere Staatsgewerbeschule, die er 1923 verließ.

Bei der Kärntner-Wasserkraft-AG erhielt Globocnik seine erste Anstellung als Techniker in Frantschach im Lavanttal und war bis 1930 an mehreren Kraftwerksbaustellen beschäftigt. Anschließend fand er eine Stelle als Bauleiter bei einem Klagenfurter Bauunternehmen, wo er bis Januar 1934 beschäftigt war, obwohl seine Schulbildung nicht ausreichte.

Politische Betätigung

Globocnik nahm 1920 am Kärntner Abwehrkampf teil und war bei den Vorbereitungen für die Volksabstimmung als „‚illegaler‘ Propagandist tätig“. Als sich anschließend ein „Heimatschutz“ bildete, aus dem eine nationalsozialistisch geprägte Sturmabteilung entstand, schloss sich Odilo Globocnik dieser Gruppe an. Bis zum Verbot der NSDAP am 19. Juni 1933 war Globocnik Propagandaleiter der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation und ab 1936 Stellvertreter des Gauleiters Hubert Klausner bis zum "Anschluss" Österreichs.

Insgesamt wurde Odilo Globocnik fünfmal wegen politischer Vergehen verhaftet, dreimal wurde er zu Gefängnisstrafen verurteilt. Seine Rolle bei der Ermordung des jüdischen Juweliers Norbert Futterweit im Juni 1933 in Wien ist ungeklärt.

Am 1. September 1934 trat Odilo Globocnik in die SS (Nummer 292.776) ein und baute für diese Organisation einen illegalen Nachrichtendienst für Kärnten auf. Über die Schweiz und Italien schleuste er 8 Mill. Schilling an „geheimen Hilfsgeldern aus dem Deutschen Reich“ nach Österreich. Einen ersten Höhepunkt erreichte die Karriere Odilo Globocniks im Sommer 1935, als fast alle Spitzenfunktionäre der österreichischen NSDAP im Gefängnis saßen. Globocnik führte die Partei vorübergehend von Budapest aus.

Die Eroberung der Macht in Österreich

Odilo Globocnik besichtigt die in Wien "Am Hof" vor der Gauleitung aufgestellten KdF-Wagen, November 1938

Globocnik wurde zum wichtigsten Verbindungsmann zwischen Hitler und den österreichischen Nationalsozialisten. Nach Abschluss des „Juliabkommens“ am 11. Juli 1936 beorderte Adolf Hitler Odilo Globocnik zusammen mit Friedrich Rainer zu sich auf den Berghof, um ihnen Instruktionen für das weitere Vorgehen der NSDAP in Österreich zu geben. Damit wurde er zum Gegenspieler des Landesleiters der NSDAP in Österreich, Josef Leopold, der der SA angehörte. Dieser Konflikt, der die Partei spaltete, führte zur Absetzung Josef Leopolds als Landesleiter und am 28. Mai 1938 zur Einsetzung Globocniks als Gauleiter von Wien, der außerdem zum „Organisationsleiter“ der Partei avancierte.

Selbstgefällig sah Globocnik sich selbst in einer bedeutenden Rolle beim „Anschluss“ Österreichs. Er verfasste sogar ein Memorandum, in dem er seine Rolle in der NSDAP und bei der Machtübernahme hervorhob. Doch als Gauleiter versagte er völlig. Globocnik hinterließ ein finanzielles und organisatorisches Chaos, als er am 30. Januar 1939 wegen krimineller Devisengeschäfte, Geheimkonten für erpresstes jüdisches Geld und wegen Unterschlagung von Parteigeldern aus dem Amt gejagt wurde.

SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin

Nach seiner Ablösung wurde Odilo Globocnik zur Bewährung zur Waffen-SS versetzt, wo er seinen Militärdienst ableisten sollte. Dort blieb er bis November 1939. Am 9. November wurde Globocnik von Heinrich Himmler zum SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin im Generalgouvernement ernannt.

Globocnik genoss seine Machtfülle in Lublin und führte einen extravaganten Lebensstil in einer Villa in der Wieniawska-Straße. Seine Amtsführung zeichnete sich durch besondere Brutalität gegenüber der Zivilbevölkerung aus. Er war auch der erste SS- und Polizeiführer, der Zwangsarbeitslager für Juden einrichtete und „wilde“ Razzien in Betrieben durchführte. Im Zuge der „AB-Aktion“ bezeichnete sogar der Generalgouverneur Hans Frank seine Truppe als „Mörderbande“.

Auch in Lublin verstrickte sich Globocnik wieder in Streitigkeiten innerhalb der SS-Organisation, vor allem mit dem Generalgouverneur Hans Frank, unter denen besonders der Zivilgouverneur Ernst Zörner zu leiden hatte, der sich heftigen Attacken Globocniks ausgesetzt sah.

Trotzdem hatte sich Globocnik für Heinrich Himmler als so nützlich erwiesen, dass er am 17. Juli 1941 mit der Erarbeitung eines weiteren monströsen Plans beauftragt wurde. Er sollte als „Beauftragter für die Errichtung der SS- und Polizeistützpunkte im neuen Ostraum“ den Generalplan Ost umsetzen. Darunter war ein Programm zur „rassischen Neuordnung“ bis zum Ural zu verstehen, das Himmler „Programm Heinrich“ nannte. Zur Umsetzung holte er sich teilweise seine Weggefährten aus der Kärntner Zeit, die seine Standortkommandeure wurden: Georg Michalsen für Riga, Kurt Claasen für Białystok und Minsk, Hermann Höfle für Mogilew, Richard Thomalla für Starakonstantinow, Zwiahel und Kiew und Hermann Dolp für Minsk und Mogilew. Globocnik begann mit der Umsetzung im Distrikt Lublin: Der Bezirk Zamość sollte entvölkert und von volksdeutschen Familien neu besiedelt werden. Die Gewaltaktionen begannen im November 1941 mit der Aussiedlung der Einwohner von sieben Dörfern im Distrikt Lublin. Ein Jahr später wurde die Aktion im großen Maßstab fortgesetzt. 110.000 Polen wurden zwischen November 1942 und März 1943 in der Aktion Zamość „zwangsumgesiedelt“. Die Aktion endete im Chaos und führte zu einem sprunghaften Ansteigen des Widerstandes. Bis zur Ablösung Globocniks im September 1943 wurde die Aktion unter verschiedenen Tarnbezeichnungen gegen massiven Widerstand der Zivilverwaltung fortgesetzt.

„Aktion Reinhardt“

Odilo Globocnik erhielt von Heinrich Himmler den Befehl zur Ermordung der Juden im Generalgouvernement und wurde der Leiter der „Aktion Reinhardt“. Sein Adjutant wurde Ernst Lerch.

Globocnik überwachte den Aufbau des Konzentrationslagers Majdanek, später organisierte er die Vernichtungslager Belzec, Sobibor, und Treblinka. Zu seinem „Judenreferenten“ ernannte er Hermann Höfle, den Absender des Höfle-Telegramms. Auch Christian Wirth, der bereits bei der Vernichtungsaktion behinderter Menschen (Aktion T4) Erfahrung in der Tötung mit Gas hatte, wurde von ihm als „Inspekteur der SS-Sonderkommandos Aktion Reinhard“ herangezogen, um die fabrikmäßige Tötung der Menschen durch größere Gaskammern zu optimieren.

In Zusammenarbeit mit Adolf Eichmann ließ er innerhalb von eineinhalb Jahren mit größter Brutalität mindestens 2.000.000 Menschen berauben und fabrikmäßig ermorden. Den Gesamtgewinn der Aktion Reinhardt gab Globocnik mit mehr als 178 Millionen Reichsmark an. In dieser Summe noch nicht enthalten sind der Wert der Immobilien und jene Gelder und Schmuckgegenstände, die von den an der Aktion beteiligten Personen gestohlen wurden. Teilweise wurden Wertsachen, Kleidung, Haare der Opfer etc. von den Lagern via Lublin nach Deutschland geschickt.

„Operationszone Adriatisches Küstenland“

Nach dem Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten im September 1943 wurde Odilo Globocnik am 13. September 1943 zum Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) in der „Operationszone Adriatisches Küstenland“ mit Sitz in Triest ernannt. In dieser Funktion unterstand ihm auch die Sonderabteilung Einsatz R. Hier traf er auch seinen alten Freund Friedrich Rainer wieder, der Oberster Kommissar dieses Gebiets geworden war. Aus Lublin brachte Globocnik seine Gefolgsleute, unter anderem Christian Wirth, und reichlich Beute mit. Trotzdem gefiel ihm sein neues Arbeitsgebiet nicht so recht, weil er mehr politische Rücksicht nehmen musste als in Polen und weil er sich nicht mehr so entfalten konnte, wie er es sich vorstellte. Doch versuchte Globocnik auch hier, möglichst unabhängig von anderen Dienststellen der SS und der Wehrmacht zu agieren.

Auch hier verfolgte er Juden, die im Durchgangslager Risiera di San Sabba bei Triest vor ihrer Deportation nach Auschwitz inhaftiert wurden. Hier lagerten auch die geraubten Wertgegenstände. Das Lager diente jedoch vor allem als Gefängnis und Hinrichtungsstätte für Angehörige der Widerstandsbewegung in Istrien.

Auch hier wurde er mit einem Großprojekt betraut: Am 26. Juli 1944 befahl Hitler den „Ausbau eines rückwärtigen Stellungssystems in Norditalien“. Den Ausbau sollte Rainer als Oberster Kommissar leiten. Dieser ernannte Globocnik zu seinem „allgemeinen Vertreter für die gesamte Organisation des Stellungsbaus“. Globocnik wurde von Rainer für das Deutsche Kreuz in Silber vorgeschlagen, weil er täglich „120.000 Arbeitskräfte“ mobilisiert habe.

Während der letzten Monate des Krieges residierte Globocnik nicht mehr im für ihn mittlerweile gefährlichen Triest, sondern in Cividale del Friuli. Von hier aus trat er auch den Rückzug über den Plöckenpass an. Am 4. Mai 1945 hielt Globocnik in Kötschach-Mauthen eine Durchhalterede zum „Endsieg“, in der er an die Ereignisse des Jahres 1915 anknüpfte: „Es sei kein Grund zur Besorgnis vorhanden“, es seien „genügend Truppen im Anmarsch“, um die „Briten aufzuhalten, wie es ja auch im Jahre 1915 gegen die Italiener gelungen sei“.

Danach verließ er das Gailtal in Richtung Klagenfurt. Von dort flüchtete er auf die Möslacher Alm im Gebiet des Weißensees, wo er auf Friedrich Rainer, Ernst Lerch, Georg Michalsen und Hermann Höfle traf.

Die Gruppe hätte nach Italien gebracht werden sollen. Dazu sollte es jedoch nicht mehr kommen. Am Morgen des 31. Mai 1945 wurde die Gruppe Rainer/Globocnik von einem britischen Kommando festgenommen und nach Paternion gebracht. Dort vergiftete sich Odilo Globocnik gegen 11.30 Uhr nach dem ersten Verhör mit Zyankali.

Bezug auf Globocnik in literarischen Werken

In Robert Harris' 1992 erschienenen Kriminalroman Vaterland, der in einem fiktiven Hitlerdeutschland der 1960er Jahre spielt, wird die Figur Globocniks als Hauptwidersacher des Protagonisten eingesetzt, der die Ermordung der europäischen Juden aufdeckt.

Im literarischen Werk des in Kärnten geborenen Schriftstellers Werner Kofler finden sowohl Odilo Globocnik, sein Adjutant Ernst Lerch, wie auch zahlreiche andere an der "Aktion Reinhardt" maßgeblich Beteiligte mehrfache Erwähnung (siehe Tanzcafé Treblinka und Am Schreibtisch).

Literatur

  • Josef Wulf: Das Dritte Reich und seine Vollstrecker. Nachdruck der Ausgabe Berlin 1961. Saur u. a., München u. a. 1978, ISBN 3-598-04603-0.
  • Siegfried J. Pucher: „… in der Bewegung führend tätig“. Odilo Globocnik. Kämpfer für den „Anschluß“. Vollstrecker des Holocaust. Drava, Klagenfurt 1997, ISBN 3-85435-278-6, (Disertacije in razprave. Slowenisches Institut zur Alpen-Adria-Forschung 41).
  • Joseph Poprzeczny: Odilo Globocnik. Hitler’s man in the East. McFarland, London u. a. 2004, ISBN 0-7864-1625-4.
  • Berndt Rieger: Creator of Nazi Death Camps. The Life of Odilo Globocnik. Vallentine Mitchell, London 2007, ISBN 0-85303-523-7.

Weblinks

 Commons: Odilo Globocnik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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