Otto Kohtz

Otto Kohtz

Otto Kohtz (* 23. Februar 1880 in Magdeburg; † 22. Dezember 1956 in Berlin) war ein deutscher Architekt, Architekturtheoretiker und Autor.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Otto Kohtz war ein jüngerer Bruder des später ebenfalls in Berlin ansässigen Malers Rudolf Kohtz (* 1874 in Magdeburg; † 1945). Nach Abschluss einer Maurer-Lehre und der Ausbildung an einer Kunstgewerbeschule bzw. Baugewerkschule war er in den Jahren 1898 bis 1901 in verschiedenen Architekturbüros in Hannover und Kassel tätig. Danach studierte er an der Technischen Hochschule Charlottenburg. 1907 gründete er zusammen mit Emil Schütze eine Sozietät in Berlin, trennte sich jedoch wenige Jahre später wieder von Schütze. Zwischen 1905 und 1908 bereiste er zu Studienzwecken zahlreiche europäische Länder. Über sein Privatleben ist wenig bekannt.

Zu Kohtz' Frühwerk zählen das Verwaltungsgebäude für den Bund deutscher Landwirte (1909/1911) in Schöneberg sowie ein Ledigenwohnheim in Moabit (1913/1914). Letzteres weist Anklänge eines klassizierenden Jugendstils auf. Nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigte sich der Architekt zunehmend mit Fragen der Stadtentwicklung. Bekanntester Beitrag ist sein Entwurf für das „Reichshaus“ (1920/1921), ein pyramidenartig gestaffeltes, etwa 200 m hohes Bürohaus in unmittelbarer Nähe zum Reichstagsgebäude im Berliner Spreebogen. In diesem Gebäude sollten mehrere Reichsbehörden ihren Sitz haben. Die Vorliebe für Monumentalität und Hochhäuser beherrschten die praktische und theoretische Arbeit des Architekten zeitlebens.

In seinen architekturtheoretischen Abhandlungen äußerte Otto Kohtz Kritik an den Arbeiterwohnbauten, den sog. Mietskasernen. Sein Gegenvorschlag waren „deutsche Hochhäuser“ in Abgrenzung zur amerikanischen Bauweise. Mehrere Hochhausprojekte, u.a. am Bahnhof Friedrichstraße, folgten. Aus soziopsychologischen Erwägungen dürften diese Ansätze nach den Erfahrungen mit den Großsiedlungen der Nachkriegszeit heute zumindest für Wohnbebauung als überholt gelten.

Privathaus von Otto Kohtz in Berlin Dahlem

Otto Kohtz' selbst entworfenes Privathaus (1922/1923) im Villenvorort Berlin-Dahlem präsentiert sich schnörkellos und von formaler Strenge mit reduziert-klassizistischen Zitaten, wie einem Säulenportikus. In seiner Gestalt ist es ein Solitär. Eigentümer ist heute die Technische Universität Berlin, in deren Architekturmuseum auch zahlreiche seiner Entwurfszeichnungen zu finden sind. Wie viele andere seiner Bauwerke ist die Villa in der Berliner Denkmalliste verzeichnet.

1925 wurde nach seinen Plänen der Neubau des Scherlverlages im Berliner Presseviertel nahe der Kochstraße errichtet.

Ende der 1920er Jahre baute Kohtz für die UFA deren erstes Tonfilmstudio, das wegen seines Grundrisses auch „Tonkreuz“ genannt wird. In den Folgejahren zeichnete er für den Neu- bzw. Umbau weiterer UFA-Ateliergebäude an der Oberlandstraße in Berlin-Tempelhof und Neubabelsberg verantwortlich. 1936/1938 wurde nach seinem Plan das Verwaltungsgebäude des Reichsnährstandes mit Reliefs von Herbert Volwahsen in Dresden errichtet. Hier ist die Staffelung des Gebäudes ähnlich seinem Entwurf für das „Reichshaus“ wieder erkennbar. Wohl vor allem aus Rücksicht vor der historischen Umgebungsbebauung, namentlich der Frauenkirche, unterblieb jedoch eine größere vertikale Betonung. Alle Bauten sind bei funktionalistischer Strenge von Monumentalität und Einflüssen eines „vergröberten“ Klassizismus gekennzeichnet.

In den späten 1930er Jahren entwarf der Künstler die Vision einer Hochschulstadt, die auf dem Gelände des heutigen Teufelsberges in Berlin-Grunewald entstehen sollte. Abermals sah Kohtz monumentale aneinandergereihte Hochhausscheiben vor, deren Vorplatz von langen, massiv wirkenden Gebäudeblöcken flankiert werden sollte. Begonnen wurde stattdessen die Ausführung eines anderen Entwurfs, der bis zum Rohbau gelangte, nach dem Krieg jedoch weitgehend als Baumaterial verwendet und mit Trümmerschutt bedeckt wurde.

Während des Zweiten Weltkriegs war Otto Kohtz maßgeblich an Bauvorhaben für die Heinkel-Werke in Oranienburg beteiligt.

In der frühen Nachkriegszeit realisierte er einige Gebäude in Berlin, so ein Synchronstudio in Berlin-Tempelhof (1946/1948) und ein Altersheim (1949), ehe er kurz vor Weihnachten 1956 im Alter von 76 Jahren in seiner langjährigen Wahlheimat starb.

Kohtz war Mitglied im Bund Deutscher Architekten (BDA) und in der Freien Deutschen Akademie des Städtebaus.

Werk

Bauten und Entwürfe (Auswahl)

  • 1909–1911: Verwaltungsgebäude des Bundes der Landwirte in Berlin-Schöneberg
  • 1913–1914: Ledigenwohnheim Wichern-Haus in Berlin-Moabit
  • 1922–1923: eigenes Wohnhaus in Berlin-Dahlem
  • 1925: Verlagshaus Scherl in Berlin-Kreuzberg (nur teilweise ausgeführt, kriegszerstört)
  • 1929–1930: UFA-Tonfilmstudio (gen. „Tonkreuz“) in Neubabelsberg
  • 1933–1935: Um- und Neubau der UFA-Ateliers in Berlin-Tempelhof
  • 1936–1938: Verwaltungsgebäude des Reichsnährstandes in Dresden
  • 1937–1938: Entwurf für die Hochschulstadt in Berlin-Charlottenburg (nicht ausgeführt)
  • 1942–1943: Heinkel-Werke in Oranienburg (weitgehend kriegszerstört)
  • 1946–1948: Synchronstudio in Berlin-Tempelhof
  • 1949: Altersheim in Berlin

Schriften

  • Gedanken über Architektur. Baumgärtel, Berlin 1909.
  • Das Reichshaus am Königsplatz in Berlin. Ein Vorschlag zur Verringerung der Wohnungsnot und der Arbeitslosigkeit. Architekturverlag „Der Zirkel“, Berlin 1920.
  • Büro-Turmhäuser in Berlin. Selbstverlag, Berlin-Friedenau 1921.
  • Entwürfe für Bauten der Universum Film A.-G. in Babelsberg 1939 bis 1940. o.J. (ca. 1940) (laut KOBV-Datenbank)

Literatur

als Nachdruck (mit einem kommentierenden Nachwort von Harold Hammer-Schenk): Gebr. Mann, Berlin 1996, ISBN 3-7861-1814-0.
  • Kohtz, Otto. In: Hans Vollmer: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Bd. III. E. A. Seemann, Leipzig 1956, S. 85

Weblinks


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