Schweizer Bankkundengeheimnis

Schweizer Bankkundengeheimnis

Das Schweizer Bankgeheimnis oder Schweizer Bankkundengeheimnis ist eine gesetzliche Verpflichtung der Banken, die ökonomische Privatsphäre der Kunden gegenüber Dritten zu bewahren und sicherzustellen. Den Banken wird vorgeschrieben, keine kundenbezogenen Bankinformationen preiszugeben. Das Bankgeheimnis steht im Moment im Zentrum der Debatte um die Integration oder Assoziation der Schweiz in die Europäische Union. Diese Problematik betrifft jedoch nicht nur die EU, sondern eigentlich auch alle anderen Länder, deren Bürger Geld auf Schweizer Bankkonten deponiert haben. Die Schweizer Banken sprechen statt von Bankgeheimnis von Bankkundengeheimnis, da nur der Kunde, nicht aber die Bank geschützt werde.

Inhaltsverzeichnis

Rechtliches

Gesetzliche Grundlagen

«Der Bankkunde hat ein Recht auf Schutz seiner ökonomischen Privatsphäre, die Bank hat somit die Pflicht, über alle Tatsachen, die ihre Kunden betreffen, Verschwiegenheit zu wahren.»

So definiert die Schweizerische Bankiervereinigung das Bankgeheimnis. Das Bankgeheimnis ist ein Berufsgeheimnis, dem nicht nur die Angestellten einer Bank unterworfen sind, sondern auch Organe, Beauftragte oder Liquidatoren einer Bank, Untersuchungs- oder Sanierungsbeauftragte der Bankenkommission sowie Organe oder Angestellte einer anerkannten Revisionsstelle. Das Bankgeheimnis ist im Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG) in Artikel 47 verankert. Das Bankengesetz bildet die Grundlage für eine Bewilligung für die Tätigkeit als Bank. Dieses schreibt im Zusammenhang mit der Geheimhaltung weitere Pflichten für Banken vor, zu erwähnen ist vor allem die Sorgfaltspflicht. Bei den Sorgfaltspflichten gibt es aufsichtsrechtliche und zivilrechtliche Sorgfaltspflichten. Eine aufsichtsrechtliche Bestimmung ist der sogenannte Gewährleistungsartikel: «Die Bewilligung wird erteilt, wenn, (...) die mit der Verwaltung und Geschäftsführung der Bank betrauten Personen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten.» (Art. 3 Abs. 2 Lit. c BankG)

Ausser den Pflichten, die im Bankgesetz verankert sind, haben sich die Banken auch an die zivilrechtlichen Sorgfaltspflichten zu halten. Diese sind im Vertragsrecht zu finden. Ganz besonders betrifft dies jene Vertragsarten, die das Tätigwerden für einen Anderen zum Gegenstand haben. Im Auftragsrecht steht beispielsweise: «Er (der Beauftragte) haftet dem Auftraggeber für getreue und sorgfältige Ausführung des ihm übertragenen Geschäftes.» (OR 398 Abs.2) Im Bankenalltag heisst dies, dass der Bankier im Fall, dass ein Geschäft nicht den erwarteten Erfolg zeigt, nur haftet, wenn er absichtlich oder fahrlässig die Sorgfaltspflicht verletzt hat. Für Kurseinbrüche, Börsencrash und ähnliches hat er also nicht zu haften.

Neben den Pflichten, die mit der Tätigkeit als Bank verbunden sind, gibt es auch noch Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Geldwäscherei. Zwischen den Banken der Schweiz und der Bankiervereinigung gilt die «Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB, aktuelle Version 03)», die auch unter dem Namen «Sorgfaltspflichtvereinbarung» bekannt ist. Diese Standesregeln sollen bestimmte im Geldwäschegesetz geregelte Sorgfaltspflichten (Art. 3–5 GwG) sowie den Begriff der «nach den Umständen gebotenen Sorgfalt» bei der Entgegennahme von Vermögenswerten (Art. 305ter StGB) konkretisieren. Die VSB entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem ausgebauten Selbstregulierungsinstrument mit eigenem Aufsichtsorgan. Diesem kommen mittlerweile weitreichende Sanktionierungskompetenzen zu, wie zum Beispiel Konventionalstrafen bis zu 10 Mio. Franken. Um eine einwandfreie Geschäftstätigkeit gemäss dem Gewährleistungsartikel ausüben zu können, ist es aus Sicht der Aufsichtsbehörden (EBK) unerlässlich, dass die Identität des Bankkunden und des allfälligen wirtschaftlich Berechtigten fast immer festgestellt werden muss. Ausnahmen gibt es namentlich für ansässige Vertragspartner, wenn weniger als 25'000 Fr. einbezahlt werden und das Konto auf einen Minderjährigen lautet, wenn es um die Hinterlegung einer Mieterkaution oder die Gründung oder Kapitalerhöhung einer Gesellschaft geht.

Territorialitätsprinzip

Das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip beschränkt das Schweizer Bankgeheimnis auf das Staatsgebiet der Schweiz. Das Schweizer Bankgeheimnis hindert ausländische Behörden nicht am Zugriff auf Daten im Ausland[1]. In der Schweiz können im Ausland begangene Geheimnisverletzungen sanktioniert werden. Ausländischen Behörden sind Ermittlungen auf Schweizer Territorium ausserhalb des Rechtshilfeweges verboten. Die Täter können für «Verbotene Handlungen für einen fremden Staat» (Art. 271 StGB) und «Wirtschaftlicher Nachrichtendienst» (Art. 273 StGB) bestraft werden.

Strafbestimmungen

Verstösse gegen das Bankgeheimnis sind im Bankengesetz (BankG, Art. 47) geregelt. Sie stellen im Gegensatz zu anderen Berufsgeheimnissen ein Offizialdelikt dar. Das bedeutet, die Polizei oder die richterlichen Behörden sind bei Kenntnis eines Straftatbestandes zur Eröffnung der Strafverfolgung verpflichtet. Bei vorsätzlicher Verletzung des Bankgeheimnisses wird der fehlbare Bankangestellte mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit einer Busse bis zu Fr. 50'000.— bestraft. Erfolgt die Verletzung fahrlässig, wird der Täter mit einer Busse bis 30'000.— Fr. bestraft.

Die Bank wird ausserdem Schadensersatzpflichtig gemäss OR 398, der auf das Arbeitsrecht Art. 337b Abs. 1 verweist. Darin heisst es wörtlich «[...] hat diese vollen Schadenersatz zu leisten, unter Berücksichtigung aller [...] entstehenden Forderungen». Im privaten Bereich ist der Schaden meist schwierig zu beziffern, zum Beispiel wenn Informationen an nichtberechtigte Familienangehörige weitergegeben wurde. Einfacher ist die Bemessung des Schadens im geschäftlichen Bereich, wenn zum Beispiel ein Bankkunde wegen einer Verletzung des Bankgeheimnisses einen Auftrag an einen Konkurrenten verliert.

Ausser den relativ strengen Gesetzen gibt es heute Strafnormen im Zusammenhang mit dem Bankgeheimnis, zum Beispiel eine interkantonale sowie eine internationale Rechtshilfe. Das heisst, sobald in der Schweiz ein Straftatbestand erfüllt ist, kann Rechtshilfe verlangt werden. Diese Rechtshilfe wird bei Insiderdelikten, Kursmanipulationen, Geldwäscherei, Organisiertem Verbrechen oder Korruptionsstraftaten angewendet.

Die Verrechnungssteuer (VST)

Damit Schweizer Steuerpflichtige ihre Vermögen trotz des Bankgeheimnisses versteuern, gibt es die sogenannte Verrechnungssteuer. Diese VST ist eine Quellensteuer, die auf Zinserträgen von Konti, Darlehen, Aktien und Obligationen erhoben wird. Deklariert der Besitzer seine Wertschriften auf der Steuererklärung, bekommt er die Verrechnungssteuer zurück. In der Schweiz beträgt die Verrechnungssteuer 35 Prozent, dies ist einer der höchsten Prozentsätze in Europa. Auf im Ausland angelegtes Vermögen, beispielsweise ausländischen Wertpapieren, wird keine Verrechnungssteuer erhoben. Hingegen wird auf bestimmten Vermögenseinkommen für in der EU wohnhafte EU-Bürger eine Quellensteuer in Form eines Steuerrückbehalts erhoben.

Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU

In der Europäischen Union (EU) gibt es seit 1989 Bestrebungen, die steuerliche Erfassung von Zinseinkünften innerhalb ihres Hoheitsgebietes zu vereinheitlichen. Um zu verhindern, dass Steuerpflichtige aus EU-Staaten die Richtlinie über Anlagen auf Finanzplätzen ausserhalb der EU umgehen, ist die EU an einer Zusammenarbeit mit bestimmten Drittstaaten interessiert. Dazu gehört auch die Schweiz.

Das Zinsbesteuerungsdossier ist Bestandteil der zweiten Tranche der Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU, die am 26. Oktober 2004 in Luxemburg von der Schweiz und der EU unterzeichnet wurden. Diese sind am 1. Juli 2005 in Kraft getreten.

Demnach wird auf sämtlichen Zinszahlungen, die eine auf dem Gebiet der Schweiz gelegene Zahlstelle – zum Beispiel eine Bank – einer natürlichen Person mit steuerlichem Wohnsitz in einem EU-Mitgliedsland leistet, ein Steuerrückbehalt von zunächst 15 Prozent, dann 20 Prozent und ab Juli 2011 35 Prozent abgezogen. Der Ertrag des Steuerrückbehalts fällt zu 75 Prozent an die EU beziehungsweise ihre Mitgliedstaaten. Der Steuerrückbehalt wird analog der Verrechnungssteuer von der Bank automatisch abgezogen und periodisch als Sammelbetrag dem Bund abgeliefert.

Damit ist in den meisten Fällen sichergestellt, dass die geplante EU-Regelung nicht von der Schweiz umgangen werden kann und die Schweizer Rechtsordnung und das Bankgeheimnis gewahrt bleiben.

Grenzen des Bankgeheimnisses

Es gibt gewisse Ausnahmen, wann die Geheimhaltung und damit das Bankgeheimnis aufgehoben wird:

  • wenn ein Erbe Auskunft über die Verhältnisse des Erblassers verlangt
  • ein Ehegatte kann per Gerichtsurteil Auskunft über die Ersparnisse erhalten
  • eidgenössische und kantonale Bestimmungen können die Bank zur Zeugnispflicht im Gerichtsverfahren zwingen, das heisst sie haben als Zeuge am Strafprozess mitzuwirken. Durch die Zeugnispflicht entfällt die Rechtswidrigkeit der Verletzung des Bankgeheimnisses. Kantonale Prozessrechte wiederum können den Banken ein Zeugnisverweigerungsrecht gewähren. In diesem Fall muss der Bankier die Aussage verweigern.
  • gemäss dem Schuldbetreibungs- und Konkursrecht muss die Bank Betreibungs- und Konkursämtern Auskunft geben, wenn gegen den Kunden eine Zwangsvollstreckung im Gang ist.

Das Bankgeheimnis wird aber bei Steuerhinterziehung nicht aufgehoben. Diese sogenannte einfache Steuerwiderhandlung besteht darin, dass der Steuerpflichtige ein Vermögen oder ein Einkommen nicht deklariert. Hier müssen die Steuerbehörden die notwendigen Belege beim Steuerpflichtigen einfordern. Leistet der Steuerpflichtige den Aufforderungen keine Folge, wird er eingeschätzt und mit einer Ordnungsbusse belegt. Anders sind die Verhältnisse beim Steuerbetrug, dies ist eine qualifizierte Steuerwiderhandlung. Bei diesem Delikt reicht der Steuerpflichtige gefälschte Dokumente (zum Beispiel Lohnausweise, Liegenschafts- oder Wertschriftenverzeichnis) ein, um die Steuerbehörde zu täuschen. Dies führt zu einer kantonalen Strafverfolgung, bei der, wie oben erwähnt, die Bank zur Zeugenaussage verpflichtet und das Bankgeheimnis aufgehoben werden kann. Die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und -hinterziehung wird in anderen Ländern nicht gemacht. Wegen des Holocausts wurde bei der Suche nach den Besitzern von nachrichtenlosen Vermögen das Bankgeheimnis auch aufgehoben, weil man in diesem speziellen Fall der Rückgabe des Geldes höhere Priorität gab als der Geheimhaltung der Namen der ehemaligen Besitzer. Wegen des Auftauchens von Potentatengeld und dem Bekanntwerden von Geldwäschereifällen wurde das Bankgeheimnis in den letzten Jahrzehnten auf verschiedene Art gelockert.

Rechtsgrundlagen, die das Bankgeheimnis relativieren

Folgende Potentatengelder wurden in der Schweiz gefunden:

  • Imelda und Ferdinand Marcos, ehemaliger Diktator der Philippinen † 1989. 1986 wurden 600 Millionen US$ auf Schweizer Konten blockiert. Dieses Geld wurde 2003 an die Philippinen zurückbezahlt.
  • Mobutu Sese Seko, ehemaliger Präsident von Kongo/Zaire † 1997. Seit Mai 1997 sind 6 Millionen US$ in der Schweiz blockiert. Seine Villa am Genfersee wurde versteigert und das Geld auf ein Sperrkonto überwiesen. Ein Schweizer Gläubiger versucht, den Erlös aus dem Verkauf der Mobutu-Villa zur Schuldentilgung zu beschlagnahmen und hat erstinstanzlich Recht erhalten.
  • Sani Abacha, früherer Militärdiktator von Nigeria † 1998. Nach seinem Tod wurden 700 Millionen US$ auf Schweizer Konten gesperrt. 200 Millionen Dollar wurden bereits zurückerstattet, nun sollen die restlichen 500 Millionen ausbezahlt werden. Mit dem demokratisch gewählten Präsidenten Olusegun Obasanjo wird eine Vereinbarung gesucht, um das Geld Entwicklungshilfeprojekten zukommen zu lassen. Die Erben Abachas haben gegen den Entscheid rekurriert. Der Fall ist beim Bundesgericht hängig.
  • Vladimiro Montesinos, ehemaliger peruanischer Geheimdienstchef. Noch vor seinem Sturz im Herbst 2000 wurden seine Konten gesperrt. Ermittlungen ergaben, dass Bestechungsgelder aus Waffenlieferungen nach Luxemburg, USA und die Schweiz geleitet worden waren. Dank einem Regimewechsel in Peru konnten bereits drei Jahre später 113 Millionen Schweizer Franken zurückerstattet werden.
  • Charles Taylor, ehemaliger Diktator Liberias. Er wurde 2003 vertrieben. Aufgrund eines Rechtshilfegesuchs der UNO wurden zwei Millionen Franken in der Schweiz blockiert.
  • Jean-Claude Duvalier, früherer Diktator in Haiti. Wurde 1986 vertrieben und soll sein Land um 500 Millionen Dollar erleichtert haben. Von ihm wurden 7,6 Millionen Franken in der Schweiz blockiert. Da der haitianische Staat die unrechtmässige Herkunft bis heute nicht bewiesen hat, musste der Schweizer Bundesrat 2002 auf eine Sonderkompetenz zurückgreifen, um zu verhindern, dass das Geld an Duvalier zurückfliesst.
  • José Eduardo dos Santos hat sich sehr wahrscheinlich bei einer Umschuldung der Angolanischen Staatsschuld mit Russland über Konten zweier Waffenhändler bereichert. Im Zusammenhang mit dieser Affäre wurden 2002 750 Millionen US$ blockiert.

Aufgrund dieser Vorkommnisse und der veränderten Ausgangslage wurden die Schweizer Gesetze verschiedentlich angepasst, um eine bessere Bekämpfung krimineller Tätigkeiten zu ermöglichen. Seit 1994 darf eine Bank den Strafbehörden Meldung erstatten, wenn ein Verdacht auf kriminelle Machenschaften besteht.

Seit 1997 ist eine Meldepflicht in Kraft. Das heisst, wenn ein Verdacht besteht, dass Geld aus organisiertem Verbrechen oder ähnlichem stammt, muss es der Meldestelle für Geldwäscherei gemeldet werden.

Seit 1998 ist das Geldwäschereigesetz (GwG) in Kraft.[2] Damit gilt eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Finanzintermediäre müssen jeden begründeten Verdacht melden. Die Banken vertreten die Meinung, das Schweizer Geldwäschegesetz, das seit 1997 in Kraft ist, sei das schärfste der Welt. Andere Quellen relativieren dies, indem sie den Vergleich mit anderen Ländern nicht gelten lässt. Die internationalen Standards, die ausländischen und die Schweizer Gesetze seien alle gleich angemessen.

Kontrollinstanzen

Als 1934 das neue Bankengesetz geschaffen wurde, mussten die Banken einwilligen, sich von der Eidgenössischen Bankenkommission kontrollieren zu lassen. Gegenüber der staatlichen Aufsichtsbehörde, seit dem 1. Januar 2009 die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA, gibt es kein Bankgeheimnis. Sie darf von den Banken Informationen verlangen, soweit sie in den Aufsichtsbereich der FINMA fallen. Die FINMA nutzt dieses Instrument, um zu kontrollieren, ob ein Schuldner kreditwürdig ist oder ob ein Verdacht bei einem Kunde begründet ist und ob die Bank ihre Richtlinien einhält. Die FINMA kann auch kundenbezogene Information ins Ausland geben. Dies geschieht beispielsweise bei Börsengeschäften, Verdacht auf Insidergeschäften oder Kursmanipulationen.

Seit einigen Jahren gibt es auch eine sogenannte Vor-Ort-Kontrolle. Das heisst, eine ausländische Behörde kann eine Niederlassung einer Bank aus ihrem Land in der Schweiz kontrollieren. Der Private Banking Bereich ist von dieser Regel allerdings ausgeschlossen, dies um das Bankgeheimnis im Steuerbereich zu schützen und die Kunden nicht zu verunsichern. Das Problem hier ist, dass die Finanzmarktaufsicht nach wie vor national ausgerichtet ist, während es kaum Verbrechensfälle gibt, die nicht grenzüberschreitend sind. Meistens wird das Verbrechen im Ausland begangen und das Geld gelangt anschliessend in die Schweiz.

Das Schweizer Bankgeheimnis und die EU

Dass einige Länder in Europa ein stark geschütztes Bankgeheimnis haben, ist der EU ein Dorn im Auge. [3] Namentlich sind dies die Schweiz, Österreich, Belgien, Luxemburg und Zwergstaaten wie Monaco, die Kanalinseln oder Liechtenstein. Vor allem stösst sich die EU daran, dass ihre Bürger Geld in eines der genannten Länder verschieben und so an der Steuerbehörde vorbeischleusen. [4] Da Steuerhinterziehung in der Schweiz keine Straftat darstellt, leistet sie in diesem Fall auch keine Rechtshilfe.

Im Rahmen der bilateralen Verträge mit der EU musste sich die Schweiz freilich verpflichten, bei der Hinterziehung von indirekten Steuern (wie namentlich der Mehrwertsteuer) Rechtshilfe zu leisten. Damit relativiert sich der Schutz durch die Verweigerung der Rechtshilfe bei direkten Steuern, denn die Hinterziehung von direkten Steuern geht nicht selten mit der Hinterziehung von Mehrwertsteuern einher. Wenn zum Beispiel ein deutscher Autohändler sein zu versteuerndes Einkommen tief hält, indem er den gewinnbringenden und somit einkommengenerierenden Verkauf von PKW-Zubehör dem Fiskus gegenüber nicht deklariert, so begeht er zugleich eine Mehrwertsteuerhinterziehung. In einem solchen Fall muss die Schweiz Rechtshilfe leisten. Über diesen Umweg können die Behörden der EU-Staaten das Schweizer Bankgeheimnis bei der Hinterziehung von Einkommenssteuern in gewissen Fällen aushebeln.

Geschichte

Das Bankgeheimnis basiert auf einer jahrhundertealten Kultur der Verschwiegenheit bei Handelsgeschäften von Privatbanken. In der Schweiz wurde es aber formell erst durch das Inkrafttreten des Bankgesetzes 1935 verankert. Dieses wurde nach der staatlichen Rettung der Schweizerischen Volksbank im Dezember 1933 nötig, da nach diesem Vorfall wegen dem Druck der Öffentlichkeit das Bankenwesen unter stärkere staatliche Kontrolle gestellt werden musste.[5]

Während des Ersten Weltkrieges brachten viele ausländische Vermögende ihr Geld in die Schweiz, da in andern Ländern die politische Stabilität nicht mehr gegeben war. Während der Weltwirtschaftskrise begannen die umliegenden Staaten mit Devisenbewirtschaftung. Diese Staaten wollten wissen, ob ihre Bürger grosse Vermögen in der Schweiz haben. Deutschland und Frankreich begannen grössere Anstrengungen zu unternehmen, um Kapitalflucht zu verhindern; die Schweizer Banken verweigerten jedoch die Auskunft. Deshalb wurde 1932 ein Schweizer Bankdirektor einer Basler Bank in Paris verhaftet, der eine Kundenliste mit sich führte. Dadurch gab es in Frankreich einen Skandal, da eine umfangreiche Liste französischer Anleger in der Schweiz bekannt wurde. Darunter waren viele bekannte Franzosen, so zum Beispiel die Peugeot-Familien. Dieser Vorfall war Anlass für eine Gesetzeserweiterung, welche das Bekanntgeben von Kundendaten unter Strafe stellte (Busse bis CHF 50'000).

Bevor das Bankengesetz 1935 in Kraft trat, hatte man sich auf das Persönlichkeitsrecht im Zivilgesetzbuch gestützt, welches die Vermögensverhältnisse als Teil der Privatsphäre schützt (ZGB 27/28). Dieses Persönlichkeitsrecht war die Grundlage für die Verankerung des Bankgeheimnisses im Gesetz. Das «Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen» in dem das Bankgeheimnis verankert ist, trat 1934 in Kraft. Damals wollte die Schweiz nach aussen signalisieren, dass hier auch in Zukunft mit Verschwiegenheit gerechnet werden kann.

In Deutschland stellte die Regierung den Kapitalexport unter hohe Strafen. Diese Begebenheiten führten unter anderem dazu, dass die Regierung der Schweiz das Bankgeheimnis stärken wollte. Damit das Bankgeheimnis geschaffen werden konnte, mussten die Banken einwilligen, sich von nun an von der Bankenkommission kontrollieren zu lassen.

Im Jahr 1941 wurden in den USA alle Vermögen blockiert, die aus Staaten stammten, welche mit den Achsenmächten kooperierten oder neutral waren. Davon waren Schweizer Vermögen im Umfang von ungefähr 5 Milliarden Franken betroffen. 1943 wurde der Druck der Alliierten, vor allem der USA, auf die Schweiz stärker, weil Schweizer Banken offenbar Raubgold der deutschen Reichsbank übernommen hatten und deutsche Vermögenswerte in die Schweiz verschoben worden waren. Nach dem 2. Weltkrieg kam die Forderung, die deutschen Vermögen seien den Siegermächten auszuliefern. Zu diesem Zweck kam eine alliierte Delegation der Tripartite Gold Commission in die Schweiz, welche die betreffenden Konten registrierte und diese Daten den Alliierten zugänglich machte. Dies führte zu Kritik der Juristen- und Bankenwelt an der Schweiz, weil damit das Bankgeheimnis gelüftet worden war. Beim Vollzug des Washingtoner Abkommens 1946 gelang es der Schweiz, zu einer Lösung zu kommen, mit der u. a. deutsche Eigentümer ihr Geld zurückerhalten konnten, ohne dass die Daten der Weltöffentlichkeit bekannt wurden. Dadurch hielt sich der fiktive Schaden am Bankgeheimnis in Grenzen.

Nach Kriegsende war die Schweiz eine Zinsinsel, es wurden im Vergleich zum restlichen Europa niedrige Zinsen bezahlt. Dieser Nachteil wurde aber durch die Vorteile des Bankgeheimnisses und der Tradition als «sicheres Land» mehr als wettgemacht.

Anfang der 60er Jahre wurde eine heftige Kampagne gegen die Schweiz geführt, als nachgewiesen wurde, dass eine umfangreiche Zahl so genannter nachrichtenloser Vermögenskonti aus dem Zweiten Weltkrieg vorhanden sind (zumindest in Teilen Fluchtgelder oder Vermögen von Holocaustopfern). Ein Meldebeschluss des Bundesrates 1962 verordnete, dass die Banken nach nachrichtenlosen Vermögen suchen und diese melden müssen. Bei Ablauf der Meldefristen kam es erneut zum Disput. Mit dem Geld wurde ein Fonds gespeist, dessen Ertrag für die Wiedergutmachung im weitesten Sinne bestimmt war. Das Klima verschärfte sich generell, die OECD kritisierte die Schweiz, weil man der Meinung war, dass Steuerflüchtlingen zu starker Rückhalt geboten würde. Die Schweiz startete eine Gegenoffensive mit dem Argument, die Schweiz habe eine humanitäre Tradition und man habe das Bankgeheimnis in den 30er Jahren geschaffen, um jüdische Vermögen vor den Nationalsozialisten zu schützen.

Im Jahr 1977 wurde der sogenannte SKA-Skandal bekannt. In der Filiale Chiasso der damaligen Schweizerischen Kreditanstalt waren von Mitarbeitern durch Zinsmanipulationen Verluste in der Höhe von ungefähr 2 Milliarden Franken produziert worden. Die anderen Grossbanken eilten zu Hilfe, da der Imageschaden aus dem Zusammenbruch einer Grossbank zu gross gewesen wäre. In der Bevölkerung wuchs die Einsicht, dass ein so wichtiger Finanzplatz auch Nachteile hat, wenn er beispielsweise einen Skandal produziert. Man sah auch ein, dass die Sorgfaltspflichten für die Finanzinstitute beträchtlich verbessert werden mussten. Ein wichtiges Ergebnis bildete die weiter oben erwähnte Sorgfaltspflichtvereinbarung (VSB). Die selbstauferlegte Sorgfaltspflicht machte der damaligen Krise ein rasches Ende.

Der SKA-Skandal führte zu einer Volksinitiative der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, welche die Abschaffung des Bankgeheimnisses zum Ziel hatte. Bei der Abstimmung 1984 wurde diese Initiative aber mit 73% Neinstimmen abgelehnt.

Das Bankgeheimnis und die Schweizer Volkswirtschaft

Der Finanzsektor ist für die Volkswirtschaft Schweiz von grosser Wichtigkeit. Der Bankensektor produziert in der Schweiz mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und über 100'000 Personen finden Arbeit darin. Nach Schätzungen der Bankenkommission verwaltet der Finanzplatz Schweiz ungefähr 6900 Milliarden Franken.[6] Schätzungen zufolge stammen 58 % der in der Schweiz verwalteten Vermögen aus dem Ausland.[7] Für die starke internationale Verflechtung des Finanzplatzes gibt es verschiedene Gründe:

  • die zentrale Lage der Schweiz in Europa
  • das neutrale und unabhängige System gilt als Sicherheitsfaktor für Geld aus Drittstaaten
  • die hohe politische und wirtschaftliche Stabilität
  • der Schweizer Franken ist gegenüber anderen Währungen stabil

Siehe auch

Quellenverzeichnis

  1. Referat von Bundesrat Hans-Rudolf Merz, Compétitivité de la place financière, Bankiertag Bern vom 14. September 2006 [1]
  2. http://www.admin.ch/ch/d/sr/c955_0.html SR 955.0 Bundesgesetz vom 10. Oktober 1997 über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor (Geldwäschereigesetz, GwG)
  3. Tagesschau:Schweiz, Österreich und Luxemburg wehren sich
  4. Tagesschau:Streit um Bankgeheimnisse
  5. «Das Bankgeheimnis verdankt seine Geburt einer Rettungsaktion des Staates». In: NZZ am Sonntag, 1. März 2009, S. 11
  6. http://derstandard.at/?url=/?id=2726770
  7. NZZ-Artikel vom 20. Oktober 2006

Weblinks

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