- Solvay GmbH
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Solvay GmbH Rechtsform GmbH Gründung 1880 Sitz Hannover, Deutschland Leitung Frank Schneider, Vorsitzender der Geschäftsführung Mitarbeiter rund 2.500 (Anfang 2011) Umsatz 1,1 Mrd. EUR (2010) Website http://www.solvay.de Die Solvay GmbH ist ein deutsches Chemieunternehmen mit Sitz in Hannover, das zur internationalen Solvay-Gruppe mit Hauptsitz in Brüssel gehört.
Der konsolidierte Umsatz der Gruppe betrug 2010 ca. 1,1 Milliarden Euro; sie beschäftigt rund 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter [1]. Die Geschichte von Solvay in Deutschland geht zurück bis ins Jahr 1880, als im badischen Wyhlen die älteste deutsche Fabrik zur Gewinnung von Soda nach dem Solvay-Verfahren den Betrieb aufnimmt.[2]
Inhaltsverzeichnis
Organisation
Organe der SOLVAY GmbH (Stand: 2011)
Die Geschäftsführung der Solvay besteht aus Andreas H. Meier (Vorsitzender) und Axel Tegge. Im Aufsichtsrat sitzen Bernard de Laguiche, Brüssel / Belgien (Vorsitzender); Edeltraud Glänzer, Hannover (stellvertretende Vorsitzende); Erich Barke, Hannover; Karlheinz Bretz, Rheinbrohl; Alexis Brouhns, Rixensart / Belgien; Christian Jourquin, Ganshoren / Belgien; Bärbel Koch, Bernburg; Burkhardt Meister, Frankfurt am Main; Norbert Paß, Moers; Jürgen Möbius, Rheinberg; Werner Popp, Rheinberg; Ludolf von Wartenberg, Berlin[3]
Wesentliche Tochter- und Beteiligungsgesellschaften (Stand: Ende 2007)
Die Obergesellschaft SOLVAY GmbH, Hannover (59,49 % Solvay S.A.; 40,51 % Solvay Participations France S.A.S.) hält ihre gesamten Beteiligungen im Wesentlichen direkt bzw. indirekt über folgende Gesellschaften:
- Solvay Kali-Chemie Holding GmbH, Hannover (100 %); Kapital: 1,0 Mio. Euro · OG
- Kali-Chemie AG, Hannover (99,45%); 0,55% Streubesitz; Kapital: 76,74 Mio. Euro · OG
- Solvay Salz Holding GmbH, Hannover (100%); Kapital: 3,5 Mio. Euro · OG
- SolVin Holding GmbH, Hannover (75%); 25 % BASF AG; Kapital: 1,1 Mio. Euro
Im Einzelnen handelt es sich um folgende inländische Unternehmen:
Unternehmensbereich Chemie
- Solvay Chemicals GmbH, Hannover (100 %); Kapital: 12,0 Mio. Euro · OG
- Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen mbH & Co.KG, Ahaus-Graes/Epe (65 %); 25 % Vestolit GmbH & Co. KG; 10 % Bayer MaterialScience AG. Kapital: 5,12 Mio. Euro
- Solvay Infra Bad Hönningen GmbH, Hannover (100 %); Kapital: 4,5 Mio. Euro · OG
- Solvay & CPC Barium Strontium GmbH & Co. KG, Hannover (75 %); 25 % Chemical Products Corporation; Kapital: 10,0 Mio. Euro
- Solvay Fluor GmbH, Hannover (100 %); Kapital: 5,39 Mio. Euro · OG
- Solvay Organics GmbH, Hannover (100 %); Kapital: 0,025 Mio. Euro · OG
- Girindus AG, Bensberg (75 %); 25 % Streubesitz; Kapital: 6,5 Mio. Euro
- Solvay Interox Bitterfeld GmbH, Bitterfeld (100 %); Kapital: 34,1 Mio. Euro · OG
- Solvay Salz Beteiligungs GmbH & Co. KG, Hannover (100 %); Kapital: 1,6 Mio. Euro
- Cavity GmbH & Co. KG, Hannover (100 %); Kapital: 1,6 Mio. Euro
Unternehmensbereich Kunststoffe
- Solvay Advanced Polymers GmbH, Hannover (100 %); Kapital: 0,25 Mio. EUR · OG
- Pipelife International GmbH, Wiener Neudorf (50 %); 50 % Wienerberger Finanz Service B.V.; Kapital: 29,0 Mio. Euro
- Solvicore GmbH & Co KG, Hanau (50 %); 50 % Umicore AG & Co. KG; Kapital: 0,03 Mio. Euro
Betrieb von Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerken
- Energie Anlage Bernburg GmbH, Bernburg (50 %), 50 % Tönsmeier Dienstleistung Beteiligungs-GmbH
- Energie Anlage Rheinberg GmbH, Hannover (100 %)
Kapital = gezeichnetes Kapital bzw. Kommanditeinlage
OG = Organgesellschaft der SOLVAY GmbH[4]
Etliche Gesellschaften und Werke von Solvay in Deutschland sind den weltweit operierenden Strategic Business Units (SBU) der internationalen Solvay-Gruppe zugeordnet. So etwa gehört das Werk Wimpfen zur SBU Fluor Chemicals. Die konzernweite Organisationsstruktur der SBU wurde Ende der 90er Jahre eingeführt, um schneller und flexibler auf die Anforderungen des globalen Marktes reagieren zu können.
Geschichte
Zeittafel
Die Entwicklung von Solvay in Deutschland ist auch geprägt durch Firmenübernahmen, Zusammenlegungen von Unternehmen und Veräußerungen von Geschäftsbereichen. Der besseren Übersichtlichkeit halber konzentriert sich die folgende Zeittafel auf wichtige Daten aus der Geschichte der Deutschen Solvay Werke (DSW) und der Kali-Chemie AG; an diesem Unternehmen hatte DSW im Jahr 1954 die Mehrheitsbeteiligung erworben.[5]
Geschäftsbereiche wie etwa die Mitte der 1990er Jahre veräußerten Sparten Katalysatoren, Kohlensäure, Holzschutzmittel und Molkenproteine sind in der Übersicht nicht erfasst, weil sie für das aktuelle Bild von Solvay in Deutschland nicht relevant sind. Ebenso wurde das nur kurzzeitige Engagement von Solvay bei der European Salt Company (esco) von 2002 bis 2004 nicht ausgewiesen.
1880–1933
1880 In Wyhlen (heute Baden-Württemberg) nimmt eine Sodafabrik der Solvay & Cie. den Betrieb auf. Die Tagesproduktion beträgt 20 Tonnen.
1883 Aufnahme der Sodafabrikation im Werk Bernburg (heute Sachsen-Anhalt).
1885 Alle Aktivitäten der Solvay & Cie. in Deutschland werden in der Deutschen Solvay-Werke Actiengesellschaft (DSW) mit Sitz in Bernburg zusammengefasst.
1890 Aufnahme der Kaliförderung im Kaliwerk Solvayhall bei Bernburg.
1896 Erwerb der Saline und Sodafabrik Chateau Salins in Elsass-Lothringen; Inbetriebnahme der zweiten Sodafabrik in Bernburg.
1898 Inbetriebnahme der deutschlandweit ersten Chloralkali-Elektrolyse in Osternienburg (zum heutigen Sachsen-Anhalt gehörend). Die deutschlandweit ersten Chlor-Alkalielektrolysen wurden durch die chemische Fabrik Griesheim Elektron und die Elektrochemischen Werke (Rathenau) etwa zeitgleich 1894 errichtet. In Griesheim hatte nach dem Verfahren von Stroof eine Versuchsanlage erfolgreich produziert. Für beide Anlagen war das Diaphragmaverfahren verwendet worden. 1896/97 wurde nach dem gleichen Verfahren von Stroof eine baugleiche Anlage wie in Bitterfeld in den konsolidierten Alkaliwerken Westeregeln errichtet. Dann kam erst Osternienburg mit einem völlig anderen Verfahren dazu.
1899 Gründung der Kaliwerke Friedrichshall AG; 1954 erwerben DSW die Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen, das 1927/28 nach einer Fusion mit der Rhenania-Kunheim Verein Chemischer Fabriken AG in Kali-Chemie AG (KC) umfirmiert worden war.
1900 DSW produzieren 175.000 t Soda, das sind knapp 60 % der insgesamt in Deutschland produzierten Menge.
1907 Inbetriebnahme der Sodafabrik in Rheinberg (heute Nordrhein-Westfalen).
1908/1910 Niederbringung von vier Salzschächten in Borth bei Rheinberg nach dem seinerzeit neuartigen Gefrierschachtverfahren.
1930 Einrichtung eines Zentrallabors in Bernburg.
1933–1945
1933 Aufnahme der Produktion von Siedesalz in Rheinberg.
1939 Erwerb der Consolidierten Alkaliwerke Westeregeln AG. Die Sodaproduktion der DSW erreicht 725.000 t, das sind über 80 % der gesamten deutschen Produktion.
1940 Das Werk Bernburg wird als „feindliches Vermögen“ unter nationalsozialistische Zwangsverwaltung gestellt.
In den letzten Kriegsjahren war der Schacht Solvayhall Auslagerungsort für Kunstschätze (so die Anhaltische Gemäldegalerie aus Dessau), die 1945/46 als Beutegut großenteils in die Sowjetunion verbracht wurden.
1945 Beginn der nahezu vollständigen Demontage der Werksanlagen in Bernburg. Sämtliche KC- und Solvay-Werke in Ost- und Mitteldeutschland werden unter Treuhandverwaltung gestellt.
1945 Beginn des Wiederaufbaus in Westdeutschland. In den Werken Wyhlen, Rheinberg und Borth kann im Herbst die Produktion wieder aufgenommen werden.
1946–1989
1948 Sitzverlegung der DSW von Bernburg nach Solingen (Nordrhein-Westfalen).
1952 Umwandlung der Deutsche Solvay-Werke Actiengesellschaft in eine GmbH.
1951 KC verlegt ihre Hauptverwaltung nach Hannover (Niedersachsen).
1954 Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an der Kali-Chemie AG durch DSW.
1958 Beginn der PVC-Produktion in Rheinberg.
1959 Gründung der Kali-Chemie Engelhard Katalysatoren GmbH.
1960 Beginn der Produktion von unlöslichem Schwefel CRYSTEX. Erwerb der Aktienmehrheit an der Saline Ludwigshalle AG, Bad Wimpfen (Baden-Württemberg).
1966 Einweihung des pharmazeutischen Forschungszentrums in Hannover.
1967 Beginn der Produktion von gefälltem Calciumcarbonat in Rheinberg.
1969 Beginn der Diaphragma-Elektrolyse in Rheinberg.
1971 Beginn der Produktion von Allylchlorid (3-Chlorpropen), Epichlorhydrin und Glycerin sowie von Chlor in Rheinberg.
1971 Gründung der Peroxid-Chemie GmbH zusammen mit Laporte Industrie Ltd.
1972 Gründung der Miles Kali-Chemie GmbH & Co. KG Biochemisches Werk, Nienburg. Gründung der Tochtergesellschaft Kali-Chemie Pharma GmbH.
1973 Erwerb des gesamten Aktienkapitals der Saline Ludwigshalle AG; Weiterführung der Gesellschaft unter dem Namen Kali-Chemie Fluor GmbH Bad Wimpfen.
1973 Beginn der Soleförderung durch die Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen mbH, einer gemeinsamen Tochterfirma mit Bayer AG und Hüls AG in Ahaus. Über ein Pipelinesystem werden Produktionsstätten in Marl und Rheinberg sowie in Jemeppe und Couillet in Belgien versorgt. Beginn der Produktion von Vinylchlorid (VC) in Rheinberg.
1977 Erwerb der Mehrheitsbeteiligung an der Alkor-Gruppe.
1979 Erwerb der Draka-Plast GmbH.
1985 Gemeinsame Gründung der SOLTRONIC Chemikalien für die Elektronik GmbH durch Solvay & Cie., Deutsche Solvay-Werke und Kali-Chemie.
1986/1987 Zusammenführung der Bereiche Vertrieb, Beschaffung und Ingenieurwesen der Deutschen Solvay-Werke und der Kali-Chemie. Übernahme der Soda-Aktivitäten der Kali-Chemie.
1990–2003
1990 Gründung der Obergesellschaft Solvay Deutschland GmbH mit Hauptverwaltung in Hannover. Das produktive Geschäft wird auf selbstständige Gesellschaften übertragen.
1991 Wiedereingliederung der Sodafabrik Bernburg in die Solvay-Gruppe; Neuaufnahme des Betriebs als Solvay Alkali Bernburg GmbH.
1992 Inbetriebnahme einer neuen Schwersodaanlage in Bernburg.
1994 Grundsteinlegung für ein Pharmaforschungszentrum in Hannover.
1995 Erwerb des Geschäftsbereichs Fluorprodukte der Hoechst AG. Umfirmierung im Pharmabereich: Solvay Pharmaceuticals GmbH und Solvay Arzneimittel GmbH entstehen.
1997 Recycling-Preis für das SF6-ReUse-Konzept der Solvay Fluor und Derivate GmbH.
1999 Gründung der SolVin GmbH & Co. KG zusammen mit BASF für die Produkte PVC und PVDC.
2001 Erwerb der Ausimont Deutschland GmbH.
2001 Baustart einer PVC-Verwertungsanlage auf Basis der Vinyloop-Technologie durch SolVin, einem 75/25 Joint Venture von Solvay und BASF in Ferrara (Italien).
2003 Erwerb des Kalksteinbruchs Les Petons (Belgien) für die Belieferung des Werks Rheinberg.
ab 2004
2004 Umfirmierung der Solvay Deutschland GmbH in Solvay GmbH. Gründung der Solvay Chemicals GmbH durch Verschmelzung von Solvay Soda Deutschland, Solvay Elektrolysespezialitäten und Solvay Interox.
2005 Baustart einer Produktionsanlage für Natriumhydrogencarbonat (BICAR) im Werk Bernburg.
2006 Gründung des 50/50 Joint Ventures Solvicore GmbH & Co. KG zusammen mit der belgischen Umicore AG & Co. KG. Gegenstand des Gemeinschaftsunternehmens mit Hauptsitz in Hanau sind Entwicklung und Produktion sowie Vertrieb sogenannter Membranelektrodeneinheiten (membrane electrode assembly; MEA) für Brennstoffzellenanwendungen.
2006 Inbetriebnahme einer neuen BICAR-Anlage in Bernburg; vorgesehene Jahreskapazität: rund 100.000 t
2007 Inbetriebnahme einer Monofluorethylencarbonat-Anlage in Bad Wimpfen; die Fluorverbindung mit der Kurzbezeichnung F1EC erhöht die Lebensdauer von Lithium-Ionen-Akkus.
2008 Baustart einer Produktionsanlage für Solkane 227 im Werk Wimpfen. Die Inbetriebnahme ist für das erste Quartal 2009 geplant.
Am 28. September 2009 veröffentlichte Solvay eine Presseerklärung zum vereinbarten Verkauf der Pharma-Sparte an Abbott[6].
Am 15. Februar 2010 Solvay hat den Verkauf des Pharmageschäfts an Abbott Laboratories nach Zustimmung durch die EU Kartellbehörden abgeschlossen.[7]
Der Solvay-Prozess
Unter der Regie der 1948 gebildeten Zentralen Kommission für staatliche Kontrolle wurden 1950 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) vier große politische Schauprozesse vor dem Obersten Gericht abgehalten, unter ihnen auch der sogenannte Solvay-Prozess gegen ehemalige Direktoren und leitende Angestellte der Deutschen Solvay-Werke (DSW) wegen „Wirtschaftsspionage“, „Förderung der systematischen Misswirtschaft“ und der „Verheimlichung des Einflusses der IG Farben-Industrie auf die DSW“.[8] Die Anklageschriften wurden von Walter Ulbricht, dem späteren Staatsratsvorsitzenden der DDR persönlich begutachtet und abgesegnet.[9]
Ziel des Prozesses war es offenbar, in der ostzonalen Wirtschaft noch vorhandenes Auslandskapital in Volkseigentum zu überführen. Die Angeklagten wurden zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt. Der Fall war nicht nur Thema einer Doktorarbeit (Dauster, Christel: Der Solvay-Prozess. Stuttgart, 2004), sondern auch des 1952 gedrehten DEFA-Kriminalfilms Geheimakten Solvay (Regie Martin Hellberg). Der Streifen, dessen Drehbuch angeblich auf authentischen Prozessakten, der Aussagen von Zeugen und „verurteilten Agenten und Saboteuren“ basiert[10], gehörte mit über 3,8 Mio. Besuchern zu den erfolgreichsten Filmen der DDR.[11]
Standorte
Ahaus
Ahaus-Graes/Epe, im westlichen Münsterland nahe der Grenze zu den Niederlanden gelegen, ist Standort der Salzgewinnungsgesellschaft Westfalen mbH & Co. KG (SGW). Hauptgeschäftszweck der Gesellschaft ist die Salzförderung. Jährlich werden in Gronau Epe über zwei Millionen Tonnen Kochsalz gewonnen. Mit dem Rohstoff werden unter anderem die Solvay-Werke in Rheinberg und Jemeppe-sur-Sambre (Belgien) versorgt. Eigentümer der SWG sind die SOLVAY GmbH (65 %), die Vestolit GmbH & Co. KG (25 %) und die Bayer MaterialScience AG (10 %).[12]
Bad Hönningen
Das 1890 von dem Chemiker Walther Feld gegründete Werk wurde 1928 von der Kali-Chemie AG erworben und auf die heutige Größe ausgebaut. Seit 1992 ist das Werk zu 100 % in den Chemiesektor des Solvay-Konzerns integriert. Hauptprodukte sind Barium- und Strontiumcarbonat (Rohstoffe für die Herstellung von Bildschirmglas von TV- und PC-Monitoren sowie von Elektromagneten für Gleichstrommotoren) und sogenannte Detergenzien. Darunter versteht man die in Wasch- und Reinigungsmitteln zur Verbesserung der Reinigungsleistung verwendeten Substanzen. Das von der Solvay Chemicals GmbH unter dem Markennamen IXPER in Hönningen hergestellte Calciumperoxid findet unter anderem Anwendung in Zahnpasten, Backwaren, Kosmetika, Saatgut und bei Bodensanierungen.[13]
Bad Wimpfen
Die Ursprünge des Solvay-Werkes Wimpfen gehen auf die Gründung der Saline Ludwigshall zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück, die ein Jahrhundert lang Salz produzierte. Ab 1921 wurden aus der Salzsole auch chemische Produkte hergestellt. Das erste dieser Produkte – noch heute im Programm – war Kryolith, ein Schmelzflussmittel für die aufstrebende Aluminiumindustrie. 1960 erwarb die Kali-Chemie AG eine Beteiligung an der Saline und hatte 1973 die Aktienmehrheit. 1982 wurde das Werk in die Kali-Chemie AG eingegliedert und stark erweitert. Zu Produkten der anorganischen Fluoridchemie wie Fluorwasserstoff, Flusssäure und Kryolith kam eine Reihe organischer Fluoride hinzu.
Seit der Produktionseinstellung von FCKW und Halogenkohlenwasserstoffen (Halonen) zum 30. November 1991 stellt das Werk Wimpfen Nachfolgeprodukte her, zum Beispiel Solkane als Kältemittel und Treibmittel für Schaumkunststoffe. Weitere Produkte sind Schwefelhexafluorid (SF6) als Dielektrikum für Hochspannungsanlagen sowie patentierte CF2-/CF3-Synthesebausteine für die Herstellung von Agrochemikalien und Arzneimitteln. Auch die Palette der anorganischen Fluorprodukte wurde erweitert; so etwa dient Kaliumbifluorid der Glasmattierung. Mit dem Markenprodukt NOCOLOK ist Solvay eigenen Angaben zufolge Weltmarktführer bei Flussmitteln für das Aluminiumlöten, etwa bei der Herstellung von Kühlern und Klimaanlagen für Autos.[14]
Zusammen mit anderen Solvay-Gesellschaften und Werken gehört das Werk Wimpfen zur „Strategic Business Unit Fluor Chemicals“ der internationalen Solvay-Gruppe. So etwa werden in Wimpfen Prozesse für die Produktion von Fluorspezialitäten im Solvay-Werk Onsan (Südkorea) entwickelt und getestet.
Bernburg
Bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges vereinigte Solvay 82% der deutschen Soda-Produktion auf sich. Einen beträchtlichen Anteil daran hatte das Werk in Bernburg, in dem Solvay seit 1883 Soda herstellt. 1940 wurde das Werk unter nationalsozialistische Zwangsverwaltung gestellt. 1952 wurde die Sodafabrikation als Volkseigener Betrieb (VEB) der DDR wieder aufgenommen. 1991 wurde das Werk Bernburg durch die Treuhandanstalt privatisiert und wieder in die Solvay-Gruppe eingegliedert. Seither ist der Standort mit einem Investitionsvolumen von bislang rund 500 Millionen Euro (Stand 2008) modernisiert und erweitert worden.
Die Solvay Chemicals GmbH stellt in Bernburg Soda, Natriumhydrogencarbonat und hochreines Wasserstoffperoxid zur Produktion von Computerchips her. Die Soda-Produktion hat eine Kapazität von etwa 600.000 t pro Jahr; die Jahresproduktion von Natriumhydrogencarbonat (Markenname BICAR) in Bernburg beläuft sich auf etwa 100.000 t. Ähnlich wie am Standort Rheinberg dient auch das Solvay-Gelände in Bernburg als Industriepark. Auch hier können angesiedelte Unternehmen die vorhandene Infrastruktur (Energieversorgung, Wassernetz, Transporteinrichtungen etc.) sowie von Solvay angebotene zugehörige Dienstleistungen nutzen.[15] Alle am Standort Bernburg produzierenden Solvay-Gesellschaften sind Mitgliedsunternehmen der 1999 gegründeten Umweltallianz Sachsen-Anhalt. Voraussetzung für die Teilnahme an der Umweltallianz ist die Verpflichtung zu einer oder mehreren freiwilligen, über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden Umweltschutzmaßnahmen.[16]
Das Bernburger Werk bezieht Kalkstein über eine eigene Werksbahn aus dem Abbaugebiet zwischen Bernburg und dem Stadtteil Strenzfeld. Das ebenfalls zur Soda-Herstellung benötigte Natriumchlorid wird durch Aussolung von Bohrlöchern südlich von Bernburg gewonnen, die mehrere hundert Meter tief bis in Salzlagerstätten reichen.[17][18] Viele dieser in der Vergangenheit entstandenen Kavernen werden inzwischen durch die Verbundnetz Gas AG als Untergrundspeicher für Erdgas genutzt.
Bei der Herstellung von Soda fallen in Bernburg pro Tag 16.000 m³ Abwasser an. Darin sind bis zu 2.000 m³ Calciumchloridschlamm enthalten.[19] Das Abwasser wird durch Rohrleitungen nach Latdorf geleitet, wo sich der Kalkschlamm absetzt und die so genannten Kalkteiche bildet. Das von den festen Schwebstoffen gereinigte Abwasser wird in die Saale abgeführt.
2008 begann Solvay zusammen mit dem Entsorgungsunternehmen Tönsmeier mit dem Bau eines Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerks auf dem Werksgelände, um eigenen Angaben zufolge die Produktion unabhängiger von Erdöl und Erdgas zu machen.[20] Während Politiker und Konzern-Vorstand den Industriestandort durch diese Investition gesichert sehen[21], gibt es aus der Bevölkerung Kritik gegen den Bau dieses Müllkraftwerkes[22].
Siehe: Ersatzbrennstoff-Heizkraftwerk Bernburg
Bensberg
In Bensberg, einem südlichen Stadtteil von Bergisch-Gladberg, befindet sich die Hauptverwaltung der Girindus AG, einem 2004 von der Solvay Organics GmbH zu 75 Prozent übernommenem Unternehmen mit Spezialisierung auf chemische und biotechnologische Verfahren für die Pharmaindustrie. Schwerpunkt ist der Bereich Oligonucleotide; Verbindungen, die unter anderem bei der Behandlung genetisch bedingter Krankheiten eine wichtige Rolle spielen können.[23]
Bitterfeld
Die im Chemiepark Bitterfeld vom italienischen Unternehmen Ausimont errichtete Produktionsanlage nahm 1995 nach knapp einem Jahr Bauzeit ihren Betrieb auf. 2002 übernahm Solvay Ausimont. Seitdem werden die Bitterfelder Aktivitäten als Solvay Interox Bitterfeld GmbH geführt. In Bitterfeld produziert Solvay jährlich bis zu 50.000 Tonnen industrielles und reinstes Wasserstoffperoxid. Wegen sinkender Nachfrage soll der Standort bis Ende des Jahres 2009 geschlossen werden.[24]
Eigenen Angaben zufolge ist Solvay weltweit Marktführer in der Wasserstoffperoxid-Herstellung.[25]
Frankfurt am Main
1996 übernahm Solvay das Fluorchemikaliengeschäft der Hoechst AG und betreibt seitdem die entsprechenden Anlagen auf dem Gelände des Industrieparks Höchst im Westen Frankfurts. Eines der im Werk Frankfurt hergestellten Produkte ist Solkane 134a (1,1,1,2-Tetrafluorethan). Die Produktvarianten Solkane 134a pharma und Solkane 227 pharma werden als Treibmittel in Asthmamedikamenten genutzt
Auf dem Werksgelände betreibt Solvay die weltweit erste Spaltanlage für organische Fluorverbindungen (FCKW). Das angelieferte Material wird bei etwa 2.300 °C in seine Bestandteile gespalten. 2004 wurden knapp 1.000 t Chemikalien beseitigt. Fluorwasserstoffsäure und Salzsäure, die bei der Spaltung wieder gewonnen werden, können als Rohstoffe in Produktionen genutzt werden.
Zusammen mit anderen Solvay-Gesellschaften und -Werken gehört der Standort Frankfurt zur „Strategic Business Unit Fluor Chemicals“ der internationalen Solvay-Gruppe. Die Solvay Fluor GmbH hat die direkte Verantwortung für das Werk. Sie ist am Produktionsstandort Frankfurt zertifiziert nach der Qualitätsmanagementnorm EN ISO 9001 und nach der Umweltmanagementnorm EN ISO 14001.[26]
Hannover
Hannover ist Sitz der deutschen SOLVAY GmbH. Mehr als 300 Beschäftigte sind hier in Marketing und Verwaltung sowie Forschung und Entwicklung tätig. Von Hannover aus werden die weltweiten Geschäfte mit Fluorprodukten sowie mit Barium- und Strontiumverbindungen gesteuert. In den Forschungslaboren von Solvay Fluor werden neue Fluorverbindungen für unterschiedliche Anwendungen entwickelt. [27]
Rheinberg
Das Solvay-Werk Rheinberg, der größte deutsche Solvay-Produktionsstandort, besteht seit 1906. Hergestellt werden Produkte der Grundstoffchemie, zum Beispiel Soda, Natriumhydrogencarbonat, Natronlauge oder Polyvinylchlorid (PVC), aber auch der Spezial-Kunststoff Polyarylamid (Solvay-Markenname IXEF). Ebenso werden vom Werk Rheinberg aus die Marketing- und Vertriebsaktivitäten für die Produkte Wasserstoffperoxid und Persalze geleitet. Alle Gesellschaften und ihre Produkte sind nach EN ISO 9001 zertifiziert.
Mit den wichtigsten Rohstoffen wird das Werk aus der näheren Umgebung versorgt: Salz kommt in flüssiger Form über eine Soleleitung aus dem etwa 60 km nördlich gelegenen Epe, Kalkstein bezieht das Werk per Bahn aus Belgien. Wesentliches Merkmal des Werkes Rheinberg ist die Verbundwirtschaft, die Nebenstoffe so weit wie möglich an Ort und Stelle für die Herstellung neuer Stoffe verwendet und dazu beiträgt, die Entstehung von Abfallstoffen zu vermindern.
Im Industriepark Solvay Rheinberg sind neben Unternehmen der deutschen Solvay-Gruppe weitere Firmen ansässig, zum Beispiel die Kemira Germany GmbH, Tochter eines finnischen Chemie-Spezialisten, oder Praxair.[28] Das esco-Werk Borth schließlich deckt seinen Bedarf an vollentsalztem Wasser über die Solvay-Produktion ab.[29]
Literatur
- Adolf Eser: Die chemische Industrie in Zscherndorf, Beiträge zur Industriegeschichte, Heft 10, 2009
- Edgar Fischer: Tradition und High-Chem eine chlorreiche Geschichte im Raum Bitterfeld Wolfen, 2004, ebendort
Einzelnachweise
- ↑ www.solvay.de
- ↑ Stand 1.September 2008
- ↑ Stand: 8. September 2011
- ↑ Unternehmensbericht Solvay in Deutschland 2007
- ↑ Die Zeittafel basiert auf folgenden Publikationen: Werner Offermann: 100 Jahre DEUTSCHE SOLVAY-WERKE 1880–1980,Seiten 46 ff. Sonderausgabe SOLVAY-Report, Herausgeber: Deutsche Solvay-Werke GmbH, 1980, sowie auf der Festschrift 125 Jahre · 125 Jahre Zukunft – SOLVAY in Deutschland, herausgegeben von der SOLVAY GmbH, 2005
- ↑ Pressemeldung zum geplanten Verkauf, eingesehen am 17. Oktober 2009
- ↑ Pressemitteilung
- ↑ Jutta Braun, Nils Klawitter, Falco Werkentin: Die Hinterbühne politischer Strafjustiz in den frühen Jahren der SBZ/DDR, Seite 15ff
- ↑ Jutta Braun: Die Zentrale Kommission für Staatliche Kontrolle – Wirtschaftsstrafrechts- und Enteignungspolitik in der Gründungs- und Frühphase der DDR, Seite 181. In: Dierk Hoffmann/Hermann Wentker: Das letzte Jahr der SBZ: Politische Weichenstellungen und Kontinuitäten im Prozess der Gründung der DDR. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2000
- ↑ . Artikel zu Martin Hellberg. Stand 30. September 2008
- ↑ http://www.insidekino.de/DJahr/DDRAlltimeDeutsch.htm Stand 30. September 2008
- ↑ Stand 30. September 2008
- ↑ Stand 30. September 2008
- ↑ Stand 30. September 2008
- ↑ Stand 30. September 2008
- ↑ Stand 30. September 2008
- ↑ Mitteldeutsche Zeitung: Haken von „Franks 900“ hält 500 Meter Bohrgestänge. Artikel über zwei neue Bohrungen. Erschienen am 3. Juli 2009.
- ↑ Mitteldeutsche Zeitung: Untersuchung der Lagerstätte. Erschienen am 3. Juli 2009
- ↑ Mitteldeutsche Zeitung: Dichte Nebelschwaden wabern am Schwedenlager. Artikel über neuen Kalkteich. Erschienen am 27. November 2008.
- ↑ Heizkraftwerk zur Energieversorgung der Produktion. Abgerufen am 2. November 2011.
- ↑ Mitteldeutsche Zeitung: Kraftwerk-Betreiber suchen Gespräch. Artikel vom 10. September 2008
- ↑ Mitteldeutsche Zeitung: Umweltgutachter kritisieren „geschönte“ Schadstoffbilanz. Artikel vom 20. August 2008
- ↑ Stand 30. September 2008
- ↑ Pressemitteilung vom 2. April 2009
- ↑ Stand 30. September 2008
- ↑ Stand 30. September 2008
- ↑ Stand 12. März 2010
- ↑ Industriepark Solvay Rheinberg. Infobroschüre der Solvay Chemicals GmbH, Februar 2010
- ↑ Kurzportrait Solvay in Rheinberg. Infoflyer der Solvay GmbH o. J.
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