- Große Koalition
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Als Große Koalition bezeichnet man eine Regierungskoalition derjenigen (beiden) Parteien, die im Parlament am stärksten vertreten sind.
Da im politischen System der Bundesrepublik Deutschland traditionell die Parteien CDU/CSU und SPD die größten Fraktionen stellen, bestanden Große Koalitionen bisher meist aus diesen beiden Parteien. Sie werden aufgrund ihrer Farben im Parteienspektrum umgangssprachlich auch Schwarz-Rot bzw. Rot-Schwarz genannt. In einigen Bundesländern wie Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen werden mitunter CDU-SPD-Koalitionen als große Koalition bezeichnet, obwohl bei der Landtagswahl die Partei Die Linke höhere Stimmanteile und Parlamentsplätze errang. Die Linke und die SPD bilden zahlenmäßig in Brandenburg eine Große Koalition, SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Bremen.
In Österreich bezeichnet man eine Koalition von ÖVP und SPÖ als Große Koalition.
Allgemeines
Große Koalitionen sind teilweise umstritten, da sie nach Meinung der Kritiker über zu große Regierungsmacht verfügen und aufgrund ihrer Breite zu viele Kompromisse erfordern. Andererseits schafft eine große Koalition die Möglichkeit, manche dringend erforderlichen Reformprojekte auch dann durchzusetzen, wenn ihre Begleiterscheinungen von den Betroffenen als stark negativ empfunden werden, wie Steuererhöhungen, Subventions- oder Rentenkürzungen. Eine (zu) starke Opposition würde diese Projekte allein aus parteitaktischen Gründen angreifen und eventuell verhindern. In Deutschland litten sowohl die schwarz-gelben Regierungen der 1990er Jahre als auch die rot-grünen Regierungen 1998–2005 darunter, dass die jeweils in der Opposition befindliche Volkspartei über den Bundesrat viele von der Bundesregierung betriebene Gesetzesvorhaben erfolgreich blockieren konnte. Daraus resultierte genau jener politische Stillstand, für den häufig Koalitionen zweier Großparteien kritisiert werden. Die Regierungsmehrheit muss sich zudem mit der Mehrheit im Bundesrat einigen, um ihre politischen Ziele verwirklichen zu können. Daher kommt es bei den im Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetzen zu einer faktischen Großen Koalition.
Große Koalitionen werden oft als Notlösung gebildet, wenn sich aufgrund des Machtgleichgewichtes keine eindeutigen, weltanschaulich fundierten Parlamentsmehrheiten bilden, vor allem in Ländern mit einer großen Parteienvielfalt. Ein weiterer Grund für die Bildung großer Koalitionen sind außenpolitische oder allgemein-politische Krisen. So hatten viele Staaten jeweils Große Koalitionen in den beiden Weltkriegen, beispielsweise Großbritannien. Ein weiteres Motiv sind Abwehrbewegungen gegen aggressive Klein- oder Randparteien, was im 20. Jahrhundert mehrmals zu großen Koalitionen in Österreich führte.
Deutschland
Große Koalition zur Zeit der Weimarer Republik
In der Weimarer Republik wurden die beiden Kabinette Stresemann (1923) und das Kabinett Müller II (1928-1930) als Große Koalitionen bezeichnet. Mit dem Wort „groß“ meinte man dabei, dass sowohl links die SPD als auch rechts die DVP eingebunden wurde. Meistens regierte in der Weimarer Zeit eine Koalition von DDP und Zentrum, die jeweils entweder nach links (SPD) oder rechts (DVP, DNVP) erweitert wurde. Oft wurde eine bürgerliche Minderheitsregierung von der SPD toleriert. So gesehen war dieses Modell die eigentliche „Weimarer Koalition“, auch wenn man mit diesem Begriff gemeinhin etwas anderes meint: die drei republiktreuen Parteien SPD, Zentrum und DDP, die seit 1920 allerdings keine gemeinsame Mehrheit hatten. Dazu kommen Koalitionen auf Landesebene, von denen am bekanntesten die SPD-Zentrums-Regierung in Preußen sein dürfte.
Große Koalition 1966–1969
In den 1950er Jahren dominierte die CDU/CSU die westdeutsche Parteienlandschaft, musste aber 1961 abermals eine Koalition mit der FDP eingehen. 1962 war im Verlauf der Spiegel-Affäre die Koalition in Frage gestellt worden. So diskutierten Christdemokraten und Sozialdemokraten sehr ernsthaft über eine Große Koalition, nicht nur, wie Kritiker meinten, weil Konrad Adenauer die FDP disziplinieren wollte. Adenauer ging zu Recht davon aus, dass die SPD ihn als Kanzler akzeptieren würde, um in die Regierung zu gelangen (die FDP wollte einen neuen Kanzler). Andere Christdemokraten wie Bauminister Paul Lücke dachten vor allem daran, gemeinsam mit der SPD das Mehrheitswahlsystem einzuführen.[1] Schließlich aber einigten sich die Koalitionsparteien CDU/CSU und FDP auf eine Fortsetzung der Koalition, bis im Herbst 1963 Adenauer durch Erhard abgelöst werden würde.
Die (erste) Große Koalition kam zustande, nachdem die Koalition aus CDU/CSU und FDP daran zerbrochen war, dass die CDU/CSU das entstandene Haushaltsdefizit und die immer größer werdende Staatsverschuldung im Haushalt 1967 durch eine Steuererhöhung eindämmen wollte. Die FDP war dazu nicht bereit und trat daher im Oktober 1966 aus der Koalition aus. Nach dem Rücktritt der FDP-Minister nahm die CDU/CSU Verhandlungen mit der SPD auf, die sich nach Erwägen einer sozialliberalen Koalition für die Kooperation mit der CDU entschied, woraufhin am 1. Dezember 1966 die Große Koalition geschlossen wurde.
Geführt wurde die Regierung von dem früheren Ministerpräsidenten Baden-Württembergs Kurt Georg Kiesinger, der den letztlich glücklosen Bundeskanzler Ludwig Erhard ablöste. Im Kabinett Kiesinger wurde der SPD-Vorsitzende Willy Brandt Vizekanzler und Außenminister.
Die Große Koalition sah sich während der verbleibenden Zeit zur nächsten Wahl (28. September 1969) drei großen Aufgaben gegenüber:
- erstens der Sanierung des Haushalts und der Eindämmung der Staatsschulden sowie die Bekämpfung der ersten Rezession nach 1945. Es gelang der Koalition recht schnell, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, was vor allem ein Verdienst von Franz Josef Strauß und Karl Schiller war, welche in der Öffentlichkeit den Spitznamen „Plisch und Plum“ innehatten.[2]
- Zweitens sollten die noch bestehenden Eingriffsrechte der Alliierten in die Souveränität Deutschlands abgelöst werden. Diese forderten dazu die Verabschiedung der so genannten Notstandsgesetze, um die Sicherheit ihrer in Deutschland stationierten Truppen gewährleistet zu wissen. Für die nötige Änderung der Verfassung war eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag vonnöten. Besonders daran schieden sich die Geister, da es der Regierung während eines nationalen Notstandes nun möglich war, Grundrechte vorübergehend außer Kraft zu setzen. Die Außerparlamentarische Opposition (APO) nahm dieses Thema auf und machte ihrem Unmut darüber auf der Straße Luft. Das Phänomen, dass Teile der Jugend rebellierten, gab es jedoch auch in anderen westlichen Ländern ebenso wie Notstandsgesetze.
- Drittens war ein Ziel der Großen Koalition, das Mehrheitswahlrecht nach britischem oder US-amerikanischem Modell einzuführen, damit nach Wahlen stets eine Partei die absolute Mehrheit innehabe und man nicht mehr auf Koalitionsverhandlungen angewiesen sei. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch am Ende an der SPD, die auf ihrem Parteitag 1968 die Einführung in die Zukunft schob.
So bestand die – von den meisten nur als Übergangslösung betrachtete – „Vernunftehe“ aus CDU/CSU und SPD nur bis zur nächsten Wahl im Jahre 1969, bei der die CDU/CSU die angestrebte absolute Mehrheit verfehlte. So bildeten SPD und FDP unter Bundeskanzler Willy Brandt die erste sozialliberale Koalition auf Bundesebene ("Kabinett Brandt I").
Große Koalition 2005–2009
Nach der vorgezogenen Bundestagswahl vom 18. September 2005 konnte kein angestrebtes Koalitionsbündnis, weder eine schwarz-gelbe Koalition aus CDU/CSU und FDP noch ein rot-grünes Bündnis aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die absolute Mehrheit der Bundestagsmandate erreichen. Dies war unter anderem auch dem Einzug der Partei Linkspartei.PDS geschuldet, welche 8,7 % der Stimmen erringen konnte und mit welcher keine der anderen Parteien bereit war, eine Koalition einzugehen. Nach kurzen Sondierungsgesprächen, den kategorischen Absagen der FDP an eine Ampelkoalition mit Bündnis 90/Die Grünen und SPD sowie von Bündnis 90/Die Grünen an eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP und weiterhin von SPD und Bündnis 90/Die Grünen an eine Koalition unter Tolerierung durch Die Linke.PDS, standen alle Zeichen auf Schwarz-Rot.
Am 11. November 2005 kam es zur Einigung auf den endgültigen Wortlaut des Koalitionsvertrages. Die Parteitage von Union und SPD haben mit großer Mehrheit dem Vertragswerk zugestimmt. Am 18. November wurde der Koalitionsvertrag von den Vorsitzenden der drei Parteien unterzeichnet, am 22. November 2005 wurde Angela Merkel zur Bundeskanzlerin gewählt und die anderen Minister des ersten Kabinetts Merkel ernannt. Damit hatte die Bundesrepublik Deutschland zum zweiten Male eine Große Koalition auf Bundesebene.
Entscheidender Einfluss bei den Koalitionsverhandlungen wurde neben Angela Merkel vor allem dem damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering zugeschrieben. Nicht zuletzt durch seine Präsenz kam es dazu, dass die SPD bei den Verhandlungen über die Ressortverteilung einige wichtige Ministerien gewinnen konnte und somit auf das Kanzleramt verzichtete. Nach der Niederlage bei der Abstimmung im Bundesvorstand über den neuen Generalsekretär der Partei legte Müntefering allerdings den Vorsitz der SPD nieder, den Matthias Platzeck übernahm, der damit auch für die SPD den Koalitionsvertrag am 18. November unterzeichnete. Matthias Platzeck leitete die SPD in der großen Koalition aber nur kurzzeitig, da er am 10. April 2006 aus gesundheitlichen Gründen sein Amt niederlegte. Sein Nachfolger wurde der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck.
Die Zweite Große Koalition nahm sich, wie die erste, besondere Hauptaufgaben vor, um die Chancen durch absolute Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat zu nutzen. Die erste war das Erreichen eines ausgeglichenen Haushaltes, also eines Haushaltsplanes ohne Nettokreditaufnahme, bis 2011. Eine erste Maßnahme war das Anheben der Mehrwertsteuer auf 19 % und Ausgabenreduzierung vor allem im Bildungsbereich, was Studiengebühren nötig machte. Weiterhin wurde in der Föderalismusreform das Verhältnis von Bund und Ländern zueinander neu geordnet. Außerdem wurde mit dem Schacht Konrad das erste Endlager für leicht und mittelstark radioaktive Abfälle beschlossen und damit für 90 % des in Deutschland erzeugten Atommülls.
Große Koalition in der DDR 1990
Unter Lothar de Maizière bildete sich nach langwierigen Verhandlungen eine Große Koalition aus der Allianz für Deutschland (einem aus der Christlich-Demokratischen Union (CDU-Ost), Deutschen Soziale Union (DSU) und Demokratischem Aufbruch (DA) gebildeten Wahlbündnis), der SPD und den Liberalen. Am 12. April 1990 wurde Lothar de Maizière (CDU) von der Volkskammer mit 265 Stimmen bei 108 Gegenstimmen und 9 Enthaltungen zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt. Die Abgeordneten bestätigten danach en bloc auch die Regierung de Maizière, deren stellvertretende Regierungssprecherin Angela Merkel wurde.
Am 23. August 1990 trat die DDR mit Wirkung zum 3. Oktober 1990 der Bundesrepublik bei, und die Volkskammer löste sich auf. Ihre Legislaturperiode hatte somit nur gute sechs Monate gedauert. Am 2. Dezember 1990 folgte die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl.
Große Koalitionen auf Landesebene
Auf Ebene der deutschen Länder sind große Koalitionen häufiger zu finden. Insgesamt gab es auf Landesebene bereits in 13 der 16 Bundesländer eine große Koalition aus CDU und SPD. Derzeit bestehen in drei Bundesländern große Koalitionen: in Sachsen-Anhalt, in Mecklenburg-Vorpommern und in Thüringen. Bisher noch keine große Koalition auf Landesebene gab es in Bayern, Hamburg und im Saarland.
Große Koalitionen, in denen eine der Regierungsparteien nur drittstärkste Partei im Parlament ist, gibt es derzeit in Sachsen-Anhalt und Thüringen (SPD drittstärkste Partei).
Baden-Württemberg
- 1953–1958 unter Ministerpräsident Gebhard Müller (CDU) Allparteienregierung
- 1958–1960 unter Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger (CDU) Allparteienregierung
- 1966–1972 unter Ministerpräsident Hans Filbinger (CDU)
- 1992–1996 unter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU)
Berlin
- 1946-1947 Otto Ostrowski (SPD) Allparteienregierung
- 1947-1948 Louise Schroeder (SPD) Allparteienregierung
- 1948-1953 Ernst Reuter (SPD) Allparteienregierung, von 1948 bis 1950 trotz absoluter Mehrheit für die SPD
- 1955–1957 Otto Suhr (SPD) trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1957–1963 Willy Brandt (SPD) trotz absoluter SPD-Mehrheit
- 1991–2001 Eberhard Diepgen (CDU)
Brandenburg
- 1999–2002 Manfred Stolpe (SPD)
- 2002–2009 Matthias Platzeck (SPD) ab 2004: CDU nur drittstärkste Partei
Seit 2009 hat Brandenburg eine SPD-geführte rot-rote Koalition unter Ministerpräsident Matthias Platzeck. Da der Koalitionspartner der SPD, Die Linke, die zweitstärkste Fraktion im Landtag stellt, kann rein zahlenmäßig von einer „großen Koalition“ gesprochen werden.
Bremen
- 1948–1951 Wilhelm Kaisen (SPD)
- 1995–2005 Henning Scherf (SPD)
- 2005–2007 Jens Böhrnsen (SPD)
Seit 2007 hat Bremen eine SPD-geführte rot-grüne Koalition unter Bürgermeister Jens Böhrnsen. Da der Koalitionspartner der SPD, Bündnis 90/Die Grünen, seit 2011 die zweitstärkste Fraktion in der Bürgerschaft stellt, kann rein zahlenmäßig von einer „großen Koalition“ gesprochen werden.
Hessen
- 1946–1950 Christian Stock (SPD)
Mecklenburg-Vorpommern
- 1994–1998 Berndt Seite (CDU)
- 2006–2008 Harald Ringstorff (SPD)
- seit 2008 Erwin Sellering (SPD)
Niedersachsen
- 1965–1970 Georg Diederichs (SPD)
Nordrhein-Westfalen
- Februar 1948–1950 Karl Arnold (CDU)
Rheinland-Pfalz
- 1948–1951 Peter Altmeier (CDU)
Sachsen
- 2004 – Mai 2008 Georg Milbradt (CDU) SPD nur drittstärkste Partei
- Mai 2008 – September 2009 Stanislaw Tillich (CDU) SPD nur drittstärkste Partei
Sachsen-Anhalt
- 2006-2011 Wolfgang Böhmer (CDU) SPD nur drittstärkste Partei
- seit 2011 Reiner Haseloff (CDU) SPD nur drittstärkste Partei
Schleswig-Holstein
- 2005–2009 Peter Harry Carstensen (CDU)
Thüringen
- 1994–1999 Bernhard Vogel (CDU)
- seit 2009 Christine Lieberknecht (CDU) SPD nur drittstärkste Partei
Österreich
In Österreich ist die Große Koalition aus der konservativen ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ die am längsten regierende Koalitionsform der Nachkriegszeit. Seit 1945 gab es nur zwischen den Jahren 1966 und 1987 sowie 2000 und 2007 keine Große Koalition auf Bundesebene. Seit dem 11. Jänner 2007 gibt es in Österreich wieder eine Große Koalition, die nach den Nationalratswahlen 2008 am 2. Dezember 2008 fortgesetzt wurde.
Große Koalitionen gab es auf Bundesebene zwischen 1945 und 1966 unter den konservativen Bundeskanzlern Leopold Figl (bis 1953), Julius Raab (1953–1961), Alfons Gorbach (1961–1964) und Josef Klaus (1964–1966). Ab 1987 gab es SPÖ-ÖVP-Koalitionen unter den sozialdemokratischen Kanzlern Franz Vranitzky (1987–1997), Viktor Klima (1997–2000), Alfred Gusenbauer (2007–2008) und Werner Faymann (seit Dezember 2008). Bis auf die sehr kurze Legislaturperiode zwischen 1994 und 1995 und wieder seit der Wahl 2008 hatten alle Große Koalitionen auch jeweils die notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament zum Beschluss von Verfassungsgesetzen.
Bundesländer
Auch Regierungen österreichischer Bundesländer waren und sind häufig Große Koalitionen (oftmals bedingt durch das von der jeweiligen Landesverfassung vorgeschriebene Proporzsystem, das nach wie vor in einem Großteil der österreichischen Bundesländer für die Regierungsbildung gilt) – derzeit sind Tirol (unter ÖVP-Führung, die SPÖ ist hier seit 2008 allerdings nur drittstärkste Kraft), Salzburg (seit 2004 unter SPÖ-Führung, davor unter ÖVP-Führung), die Steiermark (seit 2005 unter SPÖ-Führung, Proporzsystem) und Niederösterreich (unter ÖVP-Führung, Proporzsystem).
Mittlerweile gibt es auch in Österreich jenes Phänomen, das seit längerem in vielen Bundesländern Ostdeutschlands zu beobachten ist: Wegen der Erosion der Großparteien wird man oft nicht mehr einer wirklichen „großen“ Koalition gerecht: In Vorarlberg beispielsweise liegen die Sozialdemokraten nur auf dem vierten Platz in der Wählergunst. Dort wäre folgedessen eine Große Koalition eine Zusammenarbeit der Parteien ÖVP und FPÖ. In Kärnten käme eine Große Koalition gar nicht auf die erforderliche Mehrheit der Landtagssitze. Vielmehr sehen sich die (ehemaligen) Großparteien mit einer blau-grünen Mehrheit konfrontiert.
Schweiz
Die Schweiz besitzt, anders als die meisten anderen Demokratien, keine Konkurrenz-, sondern eine Konkordanzdemokratie. Deren Merkmale sind vor allem:
- Die Schweizer Regierung besteht nicht aus einem Koalitionsbündnis mehrerer Parteien, dem im Parlament eine Opposition gegenübersteht, sondern sie setzt sich proportional aus Mitgliedern aller größeren Parteien zusammen, die zusammen ungefähr 80 bis 90 % der Wählerschaft repräsentieren (siehe auch: Zauberformel).
- Die Politik der Regierung wird von den Parlamentsfraktionen der Regierungsparteien immer nur von Fall zu Fall unterstützt, sodass sich diese größeren Parteien zugleich in der Regierung und in der Opposition befinden.
Bulgarien
Zwischen 2005 und 2009 bestand zwischen der Bulgarischen Sozialistischen Partei, der Nationalen Bewegung Simeon der Zweite und der Bewegung für Rechte und Freiheiten eine Große Koalition im bulgarischen Parlament.
Griechenland
In Griechenland herrschte 1967 - 1974 eine Militärdiktatur. Nach Wiedereinführung der Demokratie kristallisierten sich die Parteien PASOK und Nea Dimokratia als die beiden großen Parteien heraus. Bis 2011 kam es zu keiner großen Koalition. Im November 2011 bot - nach fast zweijährigem Kampf gegen die griechische Finanzkrise, die auch Teil einer Staatsschuldenkrise im Euroraum ist - der bis dahin regierende Ministerpräsident Giorgos Andrea Papandreou seinen Rücktritt an.
Der griechische Staatspräsident wirkte massiv auf die beiden Parteien ein, bis zu Neuwahlen - geplant für Februar 2012 - eine große Koalition zu bilden.
Kai Strittmatter (Süddeutsche Zeitung) kommentierte:
„Die Führer der beiden großen Parteien Pasok und Nea Dimokratia haben sich vor der Einigung am Sonntag erneut gestritten - wie zwei kleine Jungs um ihr Spielzeug, so als drohe ihrem Land nicht in wenigen Tagen der Bankrott, so als hätten sie noch einen Rest von Glaubwürdigkeit übrig, den sie verspielen könnten. Sie haben ihn nicht.[3]“
Island
Nach der isländischen Parlamentswahl im Mai 2007 bestand nach 12 Jahren liberal-konservativer Regierung eine Große Koalition aus der konservativen Unabhängigkeitspartei und der sozialdemokratischen Allianz. Diese hielt allerdings nur zwei Jahre lang.
Japan
In Japan wird angesichts der anhaltenden politischen Lähmung des Landes in den letzten Jahren (Nejire Kokkai) immer wieder die Bildung einer Großen Koalition (大連立, dairenritsu) aus der Liberaldemokratischen Partei (LDP) und der Demokratischen Partei ins Spiel gebracht.
Historisch wurde während der Besatzungszeit nach dem Pazifikkrieg über eine große Koalition zwischen Liberaler Partei Japans (LPJ) und Sozialistischer Partei Japans (SPJ) verhandelt. Erstmals verwirklicht wurde eine „große“ Koalition aber erst ab 1994 zwischen LDP und SPJ im Kabinett Murayama, wobei die SPJ allerdings bereits 1993 nur noch knapp zweitstärkste Partei geworden war, während ihrer Regierungsbeteiligung zahlreiche Abgeordnete verlor (im Unterhaus von 70 1993 auf 30 vor den Wahlen 1996) und nach den Wahlen 1996, als sie noch mal die Hälfte ihrer Unterhausmandate verlor, als kleine Sozialdemokratische Partei aus der Regierungskoalition ausschied. In späteren Jahren diskutierte die LDP mehrfach über eine große Koalition, insbesondere mit der Neuen Fortschrittspartei von Ichirō Ozawa (1996) und der Demokratischen Partei unter Ichirō Ozawa (2007) sowie nach dem Großen Ostjapanischen Erdbeben 2011 unter Naoto Kan; diese Gespräche erreichten aber nicht den Status konkreter Koalitionsverhandlungen.
Luxemburg
Seit 2004 bildet die sozialdemokratische Partei Lëtzebuerger Sozialistesch Arbechterpartei zusammen mit der konservativen Partei Christlich Sozialen Volkspartei eine Große Koalition in Luxemburg.
Niederlande
In den Niederlanden gibt es den Begriff der Großen Koalition nicht. Gleichwohl sind Christdemokraten und Sozialdemokraten meist die beiden stärksten Parteien im Parlament. Allerdings gibt es den Christen Democratisch Appèl (CDA) offiziell erst seit 1980, davor war meist die Vorgängerpartei Katholieke Volkspartij (KVP) stärkste Kraft. Die Sozialdemokraten der Partij van de Arbeid (PvdA) waren in der Legislaturperiode 2002-2003 wegen der Lijst Pim Fortuyn nur drittstärkste Fraktion.
Für die 1950er- und 1960er-Jahre, als oftmals mehr Parteien in der Regierung vertreten waren als rechnerisch für die Mehrheit nötig, spricht man von den brede cabinetten (Kabinetten auf breiter Grundlage). Die Zusammenarbeit von KVP und PvdA nannte man rooms-rood, römisch-rot. Römisch-rote Kabinette gab es unter Willem Drees 1948-1958 und noch einmal kurz 1965/1966 unter dem Katholiken Jo Cals. Das Kabinett Cals hatte mit KVP und PvdA eine große Mehrheit im Parlament, nahm aber noch die protestantische ARP mit hinzu. Es endete dramatisch, nachdem die KVP-Fraktion auf mehr Zurückhaltung bei den Ausgaben gedrängt hatte (sogenannte Nacht von Schmelzer).
PvdA und KVP arbeiteten von 1973 bis 1977 unter dem PvdA-Ministerpräsidenten Joop den Uyl zusammen. Sie hatten aber keine gemeinsame Mehrheit; vertreten waren in der Regierung auch noch eine protestantische, eine radikaldemokratische und eine sozialliberale Partei (ARP, PPR und D66). Überhaupt war die PvdA zusammen mit PPR und D66 ein lockeres Wahlbündnis eingegangen. Das Kabinett litt unter großen Spannungen vor allem zwischen Ministerpräsident Den Uyl und dem KVP-Justizminister Dries van Agt.
Der CDA entstand 1977 zunächst als gemeinsame Wahlliste von KVP und zwei kleineren protestantischen Parteien (ARP und CHU). Offiziell kam der Zusammenschluss 1980 zustande. Gemeinsam in der Regierung vertreten waren CDA und PvdA in den Jahren 1981/1982 (Dries van Agt, zusammen mit D66), 1989-1994 (Ruud Lubbers) und 2007-2010 (Jan Peter Balkenende, zusammen mit der ChristenUnie). Alle CDA-Ministerpräsidenten haben damit während eines Teils ihrer Amtszeit mit den Sozialdemokraten regiert.
Ukraine
In der Ukraine wird angesichts der anhaltenden politischen Lähmung des Landes immer wieder die Bildung einer Großen Koalition (ukrainisch Ширка/Schirka, dt. wörtlich Die Breite) aus dem Block Julija Tymoschenko und der Partei der Regionen ins Spiel gebracht. Presseberichten zufolge standen die Verhandlungen über eine solche Koalition Anfang Juni 2009 kurz vor dem Abschluss.[4]
Siehe auch
Literatur
- Sebastian Bukow, Wenke Seemann (Hg.): Die Große Koalition. Eine Bilanz, VS Verlag, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-16199-0.
- Jürgen Dittberner: Große Koalition. 1966 und 2005, in: APuZ 35-36/2007, S. 11–18.
- Christoph Egle, Reimut Zohlnhöfer (Hg.): Die Große Koalition 2005-2009, VS Verlag, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-16796-1.
- Joachim Samuel Eichhorn: Durch alle Klippen hindurch zum Erfolg. Die Regierungspraxis der ersten Großen Koalition (1966-1969), Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2009, ISBN 978-3-486-58944-3. (Rezension)
- Lothar Höbelt (Hg.): Republik im Wandel. Die Große Koalition und der Aufstieg der Haider-FPÖ, Universitas Verlag, München 2001, ISBN 3-8004-1422-8.
- Benedikt Pott: Liebesheirat oder Zwangsehe? Regierungsbildungen zwischen CDU/CSU und SPD 1966 und 2005. Ein politikwissenschaftlicher Vergleich, Müller, Saarbrücken 2009, ISBN 978-3-8364-5730-9.
- Manfried Rauchensteiner: Die Zwei. Die Große Koalition in Österreich 1945-1966, Österreichischer Bundesverlag, Wien 1987, ISBN 3-215-06433-2.
Weblinks
Wiktionary: Große Koalition – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenEinzelnachweise
- ↑ Hans-Peter Schwarz: Adenauer. Der Staatsmann: 1952–1967, Stuttgart 1991, S. 801–805; Kurt Klotzbach: Der Weg zur Staatspartei. Programmatik, praktische Politik und Organisation der deutschen Sozialdemokratie 1945 bis 1965, Berlin / Bonn 1982, S. 524/525.
- ↑ PHOENIX Runde vom 30. November 2006: „Liebesheirat oder Zwangsehe?“ – Die Große Koalition damals und heute, vom 30. November 2006.
- ↑ Bankrott der politischen Klasse
- ↑ NEWSru.ua: Янукович открыл карты: переговоры с БЮТ на финишной прямой, осталось решить детали
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