Think-Tank

Think-Tank

Eine Denkfabrik (nach engl. Think tank; auch: Public Policy Institution, PPI) ist ein Forschungsinstitut oder eine informelle Gruppe meist von Politikern, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern oder Unternehmern, die gemeinsam politische, soziale und wirtschaftliche Konzepte oder Strategien entwickeln und entsprechende öffentliche Debatten fördern (= wissenschaftliche Politikberatung). Denkfabriken werden meistens von Unternehmen(-sverbänden), privaten Stiftungen oder Einzelpersonen finanziert, um neue Ideen in Bereichen wie zum Beispiel Außen- und Innenpolitik, bzw. Wirtschafts- und Sozialpolitik zu erarbeiten. Da Denkfabriken private Einrichtungen sind, verrichten sie oft Lobbyarbeit und haben deshalb meist weniger Freiheiten, neue Ideen vorzuschlagen und zu diskutieren, als Mitglieder oder Arbeitsgruppen der Regierung. Eines der wichtigsten Ziele von Denkfabriken ist somit Agenda Setting.

In der Forschung wird zwischen verschiedenen Typen von Think Tanks unterschieden.

  • „Universitäten ohne Studenten“ bzw. akademische Think Tanks: Sie arbeiten sehr wissenschaftlich, veröffentlichen viele Bücher, und haben einen langfristigen Zeithorizont im Auge, um das Elitenmeinungsklima zu beeinflussen. „Stammvater“ dieser Art ist die Brookings Institution in den USA.
  • Advokatische Think Tanks: Sie gelten als aggressive Verkäufer ihrer Ideen. Sie forschen selten selbst, sondern geben schon existierenden Ideen einen Spin. Vorbild dieses Typus ist die US-amerikanische Heritage Foundation. Sie führte die Idee der Policy Briefs ein, die so kurz und prägnant sind, dass sie z.B. auf dem Weg vom Flughafen in den Kongress durchgelesen werden können. Sie setzen v.a. auf kurzfristigen Entscheidungshorizont und nutzen verstärkt die Medien. Das Team besteht meistens aus wenig Wissenschaftlern, aber dafür mehr PR-Leuten, die die Ideen einfach besser „verkaufen“ können. Sie werden von Interessengruppen ins Leben gerufen und haben eine klare gesellschafts- und wirtschaftspolitische Ausrichtung. Die Neutralität der Ergebnisse ihrer Arbeit wird deshalb oft angezweifelt, was sie in die Nähe von Junk Science rückt. Gerade Denkfabriken diesen Typs betreiben oft Öffentlichkeitsarbeit, um für ihre Ziele zu werben, andererseits wird ihnen aber auch oft vorgeworfen, hinter den Kulissen Einfluss auszuüben (Lobbyismus).
  • Auftragsforschung: Sie sind vor allem auf Studien im Regierungsauftrag fokussiert, Urform ist die RAND Corporation. Sie stehen oft unter Druck des Auftraggebers, allerdings schätzt der manchmal auch kritische Stimmen.
  • Parteinahe Stiftungen: Ein deutscher Sonderfall. Nach Schätzungen investieren sie 15–20 Prozent ihres Budgets in Think-Tank-Aktivitäten.

Der Erfolg der Arbeit von Think Tanks ist kaum messbar. Erfolgsversprechend scheint aber vor allem das „Denken auf Vorrat“ zu sein, also Konzepte auszuarbeiten, noch bevor Probleme ins Bewusstsein der politischen Sphäre dringen. Denn wenn ein Problem auftaucht, hält die Denkfabrik dann optimalerweise schon einen Lösungsvorschlag bereit.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zu den ältesten Denkfabriken gehört die bereits 1916 gegründete Brookings Institution in Washington. Die liberale Mont Pelerin Society wurde 1947 gegründet, 1948 die Rand Corporation.

Bis dahin wurden Denkfabriken auch nicht als solche bezeichnet, die wenigen Dutzend Institute waren schlicht unter ihrem Namen bekannt. Erst während des Zweiten Weltkriegs bildeten sich Gruppenbezeichnungen heraus, zuerst als Brain Box („Gehirnkiste“). Die Bezeichnung Think Tank ist erst seit 1945 für Vorläufer der Rand Corporation belegt.

Bis in die 1970er blieb es bei den wenigen Dutzend bekannter Denkfabriken, die für allgemeine und unabhängige Beratung von politischen und militärischen Stellen in den USA herangezogen wurden. Dazu standen ihnen meist viel Personal und Geld zur Verfügung. Erst danach explodierte die Anzahl der Denkfabriken, und es bildeten sich viele kleinere Institutionen heraus, die häufiger zur Unterstützung zielgerichteter Lobbyarbeit gegründet wurden.

Von den circa 4.500 Denkfabriken, die heute auf der Welt existieren, sind die Hälfte nach 1980 gegründet worden. Nach 1989 wurden vermehrt, meist mit amerikanischer finanzieller Unterstützung, (wirtschafts-)liberale Denkfabriken in Osteuropa gegründet. Im westlichen Europa wurden die beratenden Funktionen der Denkfabriken lange von Institutionen mit Hochschulstatus übernommen.

Funktion

Niklas Luhmann sieht in Organisationen, die Denkfabriken entsprechen, eine Antwort auf die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz für eine Kopplung von Macht und Geld: „Man finanziert nicht Wahrheiten, sondern Organisationen, die sich um die Feststellung und Erforschung von Wahrheiten bzw. Unwahrheiten mehr oder minder erfolgreich bemühen. Mutatis mutandis ergibt sich eine ähnliche Situation bei der Konversion von Eigentum und Geld in Macht.“[1]

Bekannte Denkfabriken

International

Deutschland

Schweiz

Siehe auch

Quellen

  1. Niklas Luhmann, Macht (Kapitel 9, Organisierte Macht), 1975

Literatur

  • Abelson, Donald E.: Do Think Tanks Matter? Assesing the Impact of Public Policy Institutes. Montreal, 2002.
  • Konrad Becker (Hrsg.): Die Politik der Infosphäre. World-Information.org. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2002.
  • Wolfgang Wessels; Verena Schäfer: Think Tanks in Brüssel: „sanfte“ Mitspieler im EU-System? - Möglichkeiten und Grenzen der akademisch geleiteten Politikberatung, in: Steffen Dagger; Michael Kambeck (Hrsg.): Politikberatung und Lobbying in Brüssel, VS-Verlag, Wiesbaden 2007. ISBN 3-531-15388-9
  • Keith Dixon: Die Evangelisten des Marktes ISBN 3-89669-951-2
  • Daniel Florian: Benchmarking Think Tanks. Wandlungsstrategien akademischer Think Tanks. Bachelorarbeit, Ruhr-Universität Bochum 2004.
  • Martin Gehlen: Politikberatung in den USA. Der Einfluss von Think Tanks auf die amerikanische Sozialpolitik. Frankfurt, 2005.
  • Karen Horn: Die wirtschaftlichen Freigeister stellen sich auf die Hinterbeine. Selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten entstehen auf der Welt immer mehr ‚Think Tanks‘, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. August 2005, S. 11
  • Manuel Lianos: Think Tanks in Deutschland. In: politik&kommunikation, 20, 10/2004. [1]
  • Michael Borchard: Politische Stiftungen und Politische Beratung. Erfolgreiche Mitspieler oder Teilnehmer außer Konkurrenz?, in: Dagger, Steffen (Hrg.et.al.): Politikberatung in Deutschland, VS-Verlag 2004. ISBN 3-531-14464-2
  • Martin Lendi: Thinktanks, Institutionen politischer Innovation. In: Schweizer Monatshefte. Zeitschrift für Politik Wirtschaft Kultur. Heft 01/02, Januar/Februar 2007, S. 34f.
  • Martin Thunert: Think Tanks als Ressourcen der Politikberatung in FJ NSB, Jg. 12 03/99, S. 10–19, 1999.

Weblinks


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