Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft

Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
INSM.svg
Gründer Gesamtmetall
Gegründet 12.10.2000
Sitz Berlin
Aktionsraum Deutschland
Finanzmittel 8,32 Mio. Euro (nach Abzug von Steuern)
Fokus Wirtschaftsliberalismus
Methoden Öffentlichkeitsarbeit
Website www.insm.de

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist eine im Jahr 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete sowie von weiteren Wirtschaftsverbänden und Unternehmen getragene Denkfabrik. Nach ihrer Eigenaussage verfolgt sie das Ziel, ihre ordnungspolitischen Botschaften bei Entscheidern und in der Bevölkerung zu verankern. Dies erfolgt durch Öffentlichkeitsarbeit.[1]

Inhaltsverzeichnis

Organisation

Die INSM wird von der INSM Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft GmbH (bis 2007 berolino.pr GmbH) betrieben. Dieses in Köln ansässige Unternehmen wurde im Dezember 1999 von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie gegründet. Die GmbH hat acht feste und etwa 40 freie Mitarbeiter. Mit der Konzept- und Inhaltsgestaltung wurde vom Verband zunächst die die PR-Agentur Scholz & Friends beauftragt[2], seit 2010 betreut die Agentur Serviceplan Public Opinion den Etat der INSM.[3]

Der Jahresetat der Initiative beträgt nach eigenen Angaben 8,32 Mio. Euro. Finanziert wird die Initiative durch den Arbeitgeberverband Gesamtmetall.[4] Als wissenschaftlicher Berater fungiert das von Verbänden und Unternehmen der privaten Wirtschaft finanzierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Die INSM arbeitet mit dem Institut für Demoskopie Allensbach zusammen. Sie ist Mitglied im Stockholm Network, einer Dachorganisation wirtschaftsliberal orientierter Denkfabriken.

Die INSM wird von ehrenamtlichen „Kuratoren“, „Botschaftern“ und „Beratern“ unterstützt, auch von Mitgliedern aus verschiedenen politischen Parteien, vor allem der CDU und FDP. Die Ziele der INSM werden ebenfalls durch den am 1. Juni 2005 gegründeten gemeinnützigen Förderverein Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft e.V. verfolgt.

Ziele

Die INSM vertritt das Ziel die Bürger in Deutschland von der „Notwendigkeit marktwirtschaftlicher Reformen“ überzeugen. Die Soziale Marktwirtschaft müsse an die Bedingungen des 21. Jahrhunderts angepasst werden: „An die Globalisierung, die Wissensgesellschaft, die Veränderungen in der Arbeitswelt und den demografischen Wandel.“ Die INSM orientiere sich dabei an den Idealen Eigeninitiative, Leistungsbereitschaft und Wettbewerb. Sie sieht sich dabei in der Tradition von Ludwig Erhard.[5]

So spricht sich die INSM in ihren Auftritten beispielsweise gegen Mindestlöhne und für (soweit möglich) Steuer- und Abgabensenkungen aus. Sie befürwortet Studiengebühren, aber auch kostenlosen Kindergartenbesuch.[5]

Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Claus Leggewie ist das Ziel der INSM weniger „soziale“ Marktwirtschaft als vielmehr „kapitalistische freie Marktwirtschaft“. In diesem Sinne propagiere sie Entstaatlichung „gegenüber Journalisten, gegenüber Schulen, um damit die Gesellschaft für das Thema der Entstaatlichung und Privatisierung bereit zu machen.“[6] Nach Ansicht des Journalisten Thomas Leif gehe es der INSM im Kern um „die Flankierung von Wirtschaftsinteressen durch PR-Maßnahmen“.[7] Rudolf Speth sieht die INSM in der Tradition des Verbandes „Die Waage“.[2] Ulrich Müller von LobbyControl führt die INSM beispielhaft als eine Lobby-Organisation an, die sehr weitgehend den Diskurs in den Massenmedien und im Internet zu beeinflussen sucht, um ihre Ziele durchzusetzen.[8]

Öffentlichkeitsarbeit

Die Öffentlichkeitsarbeit der INSM ist charakterisiert durch die Strategie der integrierten Kommunikation. Die Verbreitung der Inhalte erfolgt durch Anzeigen, Broschüren, Magazine, Bücher und Lehrveranstaltungen.

Die INSM stellt aus den Reihen ihrer Botschafter Experten für Diskussionsrunden im Fernsehen sowie Interviewpartner für Zeitungsredaktionen, liefert fertige Beiträge für Print- und Fernseh-Redaktionen, stellt O-Töne für Hörfunkjournalisten zur Verfügung und beliefert Bildagenturen mit Bildmotiven. Ebenso finanzierte die INSM einen Workshop an der RTL-Journalistenschule in Köln.

Die INSM stellt Lehrern Materialien zum Thema Wirtschaft für den Schulunterricht zur Verfügung. Sie führt auch Veranstaltungen der Kinderuniversität durch, z.B. „Wozu brauchen wir Geld?“.

Von 2003 bis 2005 kürte die INSM zusammen mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung jährlich den „Reformer des Jahres“. Dabei sollten Personen ausgezeichnet werden, die sich im betreffenden Jahr in besonderer Weise für „marktwirtschaftliche Reformen“ in Deutschland eingesetzt haben. Mit dem Titel wurde 2005 der Verfassungsrichter Udo di Fabio ausgezeichnet, 2004 der CDU-Politiker Friedrich Merz und 2003 das spätere CDU-Kompetenzteam-Mitglied Paul Kirchhof. In den Jahren 2004 und 2003 wurde zusätzlich mit dem IG Metall-Vorsitzenden Jürgen Peters und dem SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles auch je ein „Blockierer des Jahres“ ernannt.

Seit 2004 bewertet die INSM mit ihrer Rangeinstufung von Städten zusammen mit der Zeitschrift Wirtschaftswoche deutsche Städte auf Erfolg und „Dynamik“. Sieger waren 2006 München (Erfolg) und Dresden (Dynamik). Die Rankings der Initiative, die Bundesländer danach beurteilen, inwieweit sie Ziele der INSM verwirklichen, wurden von vielen großen Printmedien als neutrale Statistiken über wirtschaftlichen Erfolg der Bundesländer übernommen. Der INSM-Slogan Sozial ist, was Arbeit schafft ist im Wahlkampf 2005 auch von Angela Merkel, Edmund Stoiber, Guido Westerwelle und anderen CDU- und FDP-Politikern übernommen worden.

Die INSM unterhält Medienpartnerschaften. Bisher gab es Medienpartnerschaften zwischen der INSM und der Financial Times Deutschland, der Wirtschaftswoche, der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dem Focus, dem Handelsblatt und der Fuldaer Zeitung. Im Handelsblatt erschien zeitweise eine regelmäßige Kolumne des Kuratoriumsvorsitzenden der INSM, Hans Tietmeyer, und des Kuratoriumsmitglieds Oswald Metzger.

Verhältnis der INSM zu den Medien

Die ARD-Sendung Monitor moniert „kritisch-selbstkritisch“ ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Journalismus und Public Relations (PR).[6] Der Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg sagte in dieser Sendung:

„Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist höchst erfolgreich, weil es ihr gelungen ist, so einen neoliberalen Mainstream in den Medien durchzusetzen. Und das konnte auch leicht gelingen, weil die Medien kostengünstig produzieren müssen. Sie sind sehr darauf angewiesen, dass ihnen zugeliefert wird, hier gibt’s eine Lobby, die sehr wohlhabend ist. Das ist natürlich eine sehr, sehr problematische Geschichte, weil die Medien nicht das tun, was sie tun sollen. Die Journalistinnen und Journalisten fallen sozusagen aus der Rolle, weil sie nicht kritisch kontrollieren, weil sie die Interessen nicht transparent machen.“

Laut Monitor haben die mit Beiträgen belieferten Sender allerdings angegeben, die Beiträge redaktionell bearbeitet zu haben, die meisten Sender hätten die Zusammenarbeit mit der INSM inzwischen beendet.[6]

Eine Studie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster von Christian Nuernbergk über die Öffentlichkeitsarbeit der INSM mit Blick auf das Verhältnis von Journalismus und PR kommt zum Fazit, die Medienberichterstattung übernehme weitgehend die INSM-Perspektive, insbesondere wenn exklusive Medienkooperationen geboten werden. Sie mache die Funktion der Initiative als ein strategisches Element in der Interessenvertretung von Arbeitgeberverbänden nur unzureichend transparent. Informationen zur Einordnung der Berichterstattung würden dem Leser vorenthalten. Bei mehr als 50 % der untersuchten Beiträge tauchten INSM-Botschafter auf, aber nicht einmal in jedem sechsten Beitrag wurde die Botschafterrolle für die INSM transparent gemacht.[9]

Im Hinblick auf die Gefährdung der journalistischen Unabhängigkeit rügt die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche in einem Positionspapier die zunehmende Veröffentlichung von PR-Texten als redaktionelle Beiträge ohne jegliche Hinweise über die Herkunft der Texte. Sie zitiert eine Studie der Universität Leipzig unter der Leitung des Medienwissenschaftlers Michael Haller, die zu dem Ergebnis kommt, dass die INSM „zur Vermarktung neoliberaler Reformideen […] über Media-Kampagnen allgemein wahrnehmbare und durch „repräsentative“ Umfragen belegte Stimmungen erzeuge. So werde direkt und indirekt auf das Agenda-Setting der Redaktionen Einfluss genommen.“ [10]

Laut einem Beitrag des ARD-Magazins Plusminus seien die INSM-Botschafter „auf sämtlichen Kanälen Dauergäste in den Talkshows, manchmal säßen gleich drei in einer Sendung“.[11]

Eine Reihe von Botschaftern haben diese Tätigkeit inzwischen wieder aufgegeben, beispielsweise Wolfgang Clement nach Übernahme des Amtes des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit.[12]

Schleichwerbungsvorwurf

Im September 2005 wurde durch eine von der ARD veröffentlichte Kundenliste bekannt, dass die INSM 2002 insgesamt 58.670 Euro bezahlte, um Einfluss auf Dialoge in der ARD-Sendung Marienhof zu erhalten. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di warf ihr daraufhin vor, sie habe mit politischer Werbung Jugendliche manipulieren wollen.[13]

Die INSM erklärte daraufhin, es sei nur darum gegangen, „Grundkenntnisse über unsere Wirtschaftsordnung“ zu vermitteln und die „Bedeutung eigenen Engagements bei der Suche nach einer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle“ zu betonen. Sie räumt inzwischen ein, dass die Medien-Kooperation im Falle der ARD-Serie Marienhof ein Fehler war. Der Initiative sei aber von der Produktionsgesellschaft mehrfach versichert worden, dass die Form der Zusammenarbeit in Einklang mit dem Rundfunkstaatsvertrag stehe und die zuständige ARD-Redaktion die Stücke abnehme, was sich als falsch herausgestellt habe. Den von der Gewerkschaft ver.di in ihrer Pressemitteilung vom 20. September 2005 angebrachten Vorwurf der Medienmanipulation weist die Geschäftsführung der INSM zurück.[13]

Vorwurf redaktioneller Einflussnahme

Im November 2005 berichtete die Wochenzeitung Freitag, dass die INSM, nachdem in den Medien zunehmend kritische Berichterstattung über sie stattfand, zu deren Bekämpfung Druck auf Redaktionen ausübe. Nach Berichten in Fernsehsendungen wie Monitor habe sich die INSM auch direkt an einzelne Mitglieder des Rundfunkrats und ZDF-Fernsehrats gewandt und über „einseitige“ Berichterstattung geklagt. Kritische Journalisten würden als gewerkschaftsnah oder als Attac-Sympathisanten dargestellt, um ihre Glaubwürdigkeit zu unterlaufen.[14]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Webseite der INSM
  2. a b Die politischen Strategien der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Rudolf Speth, August 2004.
  3. http://www.insm.com/2009/12/31/insm-wechselt-agentur-serviceplan-statt-scholz-friends/
  4. Fragen und Antworten zur Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).
  5. a b Selbstdarstellung der INSM auf ihrer Webseite – Was will die INSM?
  6. a b c Gitti Müller, Kim Otto, Markus Schmidt: Die Macht über die Köpfe: Wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft Meinung macht, Monitor Nr. 539 am 13. Oktober 2005
  7. „Lobbying und PR am Beispiel der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, in: Thomas Leif/Rudolf Speth (Hg.), Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden 2006, S.302-316.
  8. Philip Banse, Ulrich Müller. Medienradio 29: LobbyControl, Podcast, 28. August 2010.
  9. Christian Nuernbergk: Die Kampagne der „Visionäre“, in: message – Internationale Zeitschrift für Journalismus, Heft 1-2006
  10. Netzwerk-Recherche (2005), Positionspapier zum Verhältnis von PR und Journalismus: PR-Einfluss auf Journalismus muss drastisch zurückgedrängt werden.(PDF)
  11. „Plusminus“ vom 13. Oktober 2005.
  12. „Angriff der Schleichwerber“ in Frankfurter Rundschau vom 8. Januar 2007
  13. a b INSM: Werbung in «Marienhof» war «Fehler», netzeitung.de 21. September 2005
  14. Die Medien einschüchtern, der Freitag vom 11. November 2005.

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