Tilda Swinton

Tilda Swinton
Tilda Swinton bei den 66. Filmfestspielen von Venedig (2009)

Tilda Swinton (* 5. November 1960 in London als Katherine Matilda Swinton) ist eine britische Schauspielerin und unter anderem Oscar-Preisträgerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Swinton entstammt einem der ältesten schottischen Clans und wuchs im jahrhundertealten väterlichen Stammsitz auf. Ihr Vater, Sir John Swinton of Kimmerghame, war ein Generalmajor der zur britischen Armee gehörenden Scots Guards. Sie besuchte gleichzeitig mit Diana Spencer, der späteren Prinzessin von Wales, ein englisches Privatinternat (West Heath Girls School in Sevenoaks). Bis 1983 absolvierte sie ein Studium der Sozialwissenschaften und der Englischen Literatur an der Universität Cambridge (am früheren New Hall College, heute Murray Edwards). Während ihrer Zeit in Cambridge trat sie der Kommunistischen Partei Großbritanniens bei. In diesen Jahren versuchte sie sich auch als Schriftstellerin, verbrachte einige Zeit in einer Township in Südafrika, wo sie ehrenamtlich in einem Hilfsprojekt arbeitete, und entdeckte ihre Leidenschaft für das Theater[1].

Swinton hat zwei Kinder aus ihrer Beziehung mit dem schottischen Autor und Maler John Byrne. Mit ihm und ihren Kindern lebt sie seit Langem gemeinsam in Nairn, nordöstlich von Inverness, in Schottland. Daneben führt sie seit einigen Jahren eine Beziehung mit dem Künstler Sandro Kopp. In verschiedenen Medienberichten, vor allem in Boulevardzeitungen, und in der Polyamory gewidmeten Blogs wird diese Konstellation gerne als Liebesbeziehung Swintons mit zwei Männern dargestellt[2][3]. Swinton selbst erklärte dazu wiederholt, dass sie zwar mit dem Vater ihrer Kinder zusammenlebe, mit dem sie eine tiefe Freundschaft verbinde, sie aber beide unabhängig davon Beziehungen haben.[4]

Karriere

Swinton beim Edinburgh Film Festival 2007
Swinton während einer Publikumsdiskussion im Rahmen der Viennale 2009.

Nach dem Studium schloss sich Tilda Swinton für kurze Zeit der Royal Shakespeare Company an. Später fiel die 1,80 m große, rothaarige Darstellerin auf anderen Bühnen bereits in Transgender-Rollen auf, so etwa als Mozart in Puschkins Mozart und Salieri und in Man to Man, nach dem Stück Jacke wie Hose von Manfred Karge, als Frau, die im Dritten Reich in die Rolle ihres verstorbenen Mannes schlüpft. Das Stück wurde 1991 auch mit Tilda Swinton verfilmt.

1986 debütierte sie als Filmschauspielerin in Derek Jarmans Caravaggio. Bis zu Jarmans Tod im Jahr 1994 trat Swinton in jedem Spielfilm des eng mit ihr befreundeten Regisseurs auf. Auch mit Christoph Schlingensief, dem Regisseur von Mainstreams angesiedelten Filmen. Mit Jarman verband sie die Vorliebe für ein exzentrisches und sehr artifizielles Kino, in dem auch radikale politische Inhalte ihren Platz finden. Schon in Caravaggio war Homosexualität ein Thema, wobei der Film in einer Zeit entstand, in der unter Premierministerin Margaret Thatcher die Clause 28 zum Gesetz wurde, die es in allen Bereichen des öffentlichen Lebens verbot, in irgendeiner Weise positiv über Homosexualität zu berichten. Jarman griff diese Thematik erneut in Edward II auf, wo in mehreren Szenen Demonstranten aus den 1980er-Jahren in das historische Geschehen eindringen und Gleichberechtigung für Schwule und Lesben fordern.[1] In Friendship’s Death (1987, Regie: Peter Wollen) stellt Swinton eine Außerirdische dar, die, als Botschafterin in Freundschaft zur Erde gesandt, mitten in die Bürgerkriegswirren des „Schwarzen Septembers“ in Jordanien gerät und befremdet das Morden ringsum und das seltsame Verhalten der Menschen beobachtet.

Weitere Independent-Filme mit Swinton entstanden unter anderem mit Cynthia Beatt, einer befreundeten Berliner Filmemacherin, mit der sie den Dokumentar-Kurzfilm Cycling the Frame (1988, 27 min) drehte, in dem sie mit dem Fahrrad an der Westseite der Berliner Mauer entlangfährt. Ihren internationalen Durchbruch markierte 1992 Sally Potters Film Orlando nach dem Roman von Virginia Woolf, in dem Swinton eine/n Adelige/n darstellt, der 400 Jahre lebt und sich in dieser Zeit vom Mann zur Frau wandelt. In Female Perversions (Regie: Susan Streitfeld, 1996) spielte sie eine neurotische, bisexuelle Juristin. 1997 stellte sie in Leidenschaftliche Berechnung (Regie: Lynn Hershman-Leeson) die britische Mathematikerin und Informatikpionierin Ada Lovelace dar. Außerdem war sie die Protagonistin in dem Preisgekrönten Musikvideo "The Box" des britischen Elektronik-Duos Orbital. 1999 spielte sie in Tim Roths Regiedebüt The War Zone und 2002 in Spike Jonzes Adaption..

Neben den eher im Arthouse-Bereich angesiedelten Produktionen spielte Swinton auch in einer Reihe von Filmen großer Filmstudios. Sie übernahm Rollen in The Beach (2000) mit Leonardo DiCaprio, Vanilla Sky (2001) mit Tom Cruise und der Comicverfilmung Constantine mit Keanu Reeves (2005), in der sie einen androgynen Erzengel Gabriel verkörperte. Im selben Jahr war sie die „Weiße Hexe Jadis“ im Fantasyfilm Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia, dem ersten Film der Reihe Die Chroniken von Narnia, und spielte in Jim Jarmuschs Broken Flowers. 2007 stand sie mit George Clooney für Michael Clayton vor der Kamera und wurde dafür als Beste Nebendarstellerin mit einem Oscar ausgezeichnet. Ihre Ausflüge in die Welt der Großproduktionen mit ihren enormen Budgets bezeichnet sie mitunter als „Spionage“[1] bzw. stellt fest, dass sie nie in einem Film mitgewirkt habe, den sie nicht selbst als auch experimentell empfand.[5]

2009 wiederholte sie die Fahrradtour an der Berliner Mauer für Beatts 60-minütigen TV-Film Cycling the invisible frame.[6]

Neben ihrer Tätigkeit als Filmschauspielerin nimmt Swinton auch immer wieder an Projekten in anderen Genres teil. So war sie 1995 als „lebendes Exponat“ Teil der mit Cornelia Parker realisierten Installation The Maybe in der Londoner Serpentine Gallery. Eine Woche lang lag sie dabei täglich acht Stunden als Schlafende in einem Glaskasten. 1996 trat sie im Musikvideo zu The Box von Orbital auf. Auf dem Album The Bachelor des britischen Musikers Patrick Wolf, erschienen am 5. Juni 2009, wirkte sie bei drei Songs („Oblivion“, „Thickets“, „Theseus“) mit, wobei sie den Text im Sprechgesang vortrug. 2010 war sie Hauptdarstellerin in einem von dem US-amerikanischen Fotografen Ryan McGinley gedrehten Werbe-Kurzfilm für die schottische Textilmarke Pringle of Scotland.[7]

Bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2009 übernahm Swinton das Amt der Jury-Präsidentin.[8]

Im August 2008 organisierte sie mit Mark Cousins, einem befreundeten Drehbuchautor und Kulturkritiker, in einem von ihr gemieteten früheren Ballsaal in einem viktorianischen Haus in ihrem Heimatort Nairn das Filmfestival „The Ballerina Ballroom Cinema of Dreams“.[9] Gezeigt wurden Filme unter anderem von Astrid Henning-Jensen, Joseph L. Mankiewicz, Federico Fellini und Akira Kurosawa bis hin zu Rainer Werner Fassbinder und Sylvain Chomet. Im Sommer 2009 tourte sie mit einem mobilen Kino durch Schottland, um an den verschiedenen Orten Filme abseits des gewöhnlichen Kinoprogramms zu zeigen.

Auszeichnungen

2008 erhielt Swinton den Oscar als Beste Nebendarstellerin in Michael Clayton. Zu ihren zahlreichen weiteren Auszeichnungen für ihre schauspielerische Arbeit gehören: 1991 die Coppa Volpi als beste Darstellerin bei den Filmfestspielen von Venedig für ihre Rolle als Isabella von Frankreich in Derek Jarmans Film über Edward II. von England, der Teddy Award bei der Berlinale 1988 und die Preise der Filmkritik von Boston und Las Vegas sowie eine Golden-Globe-Nominierung für ihre Hauptrolle in dem Thriller The Deep End – Trügerische Stille (2001). 2001 erhielt sie auch den Bremer Filmpreis. 2009 erhielt sie den Evening Standard British Film Award für ihre Hauptrolle im Film Julia.

Filmografie (Auswahl)

Literatur

  • Du Kulturmedien AG (Hrsg.): Tilda Swinton - Die Antidiva, Du Kulturmagazin, Ausgabe 811, Zürich 2010, ISBN 978-3-905931-03-7

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Christina Nord: Female Misbehaviour, im Begleitband zur Viennale 2009
  2. Alan Tilda Swinton's poly life, Poly in The Media, 25. Februar 2008
  3. Anita Wagner, More on Tilda Swinton's poly family, 3. Juni 2008
  4. Katharina Dockhorn/Die Rheinpfalz (Nr. 250, S. 01_KULT, 27. Oktober 2010): Ich fühle mich wie elf („Ich bin [...] zum Beispiel auf das Gerücht angesprochen worden, ich würde mit zwei Männern zusammenleben. Das habe ich nie, mein Partner und ich sind nur mit dem Vater meiner Zwillinge gut befreundet.“)
  5. Jonathan Romney/The Independent: Tilda Swinton: 'I'm not interested in acting skills, 30. November 2008: „I've never been in something that didn't feel like an experimental film, even if two hundred thousand million dollars was spent on it.“
  6. Anja Popovic/Berliner Morgenpost: Tilda Swinton radelt durch Berlin, 26. Juni 2009]
  7. Pringle of Scotland – Tilda Swinton wirbt jetzt für Herrenmode. In Die Welt online am 20. Januar 2010, abgerufen am 20. Januar 2010.
  8. vgl. Christina Nord: Glamour, Wärme und Witz für Berlinale. In: die tageszeitung. 14. November 2008, S. 2
  9. The Ballerina Ballroom Cinema of Dreams - Offizielle Website des Filmfestivals.

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