Umspurung (Eisenbahnfahrzeug)

Umspurung (Eisenbahnfahrzeug)
Umspuranlage im Bahnhof Brest (Weißrussland) zur polnischen Grenze: Der Wagenkasten eines Reisezugwagens ist durch die seitlich zu sehenden Hebeböcke angehoben worden, die Drehgestelle werden ausgewechselt
Umspuranlage im Bahnhof Brest: Die Drehgestelle werden unter den Wagenkästen ausgetauscht.
Umspuranlage im Bahnhof Brest: Austausch der Kupplung

Mit Umspurung eines Eisenbahnfahrzeuges bezeichnet man einen technischen Vorgang.

Dieser wird dort notwendig, wo zwei Eisenbahnnetze oder -strecken mit unterschiedlicher Spurweite zusammentreffen. Sollen Fahrzeuge von dem einen zum anderen Netz übergehen, müssen eine Reihe von Vorkehrungen getroffen werden, am augenfälligsten ist die Anpassung des Laufwerkes.

Hierfür stehen Umspuranlagen zur Verfügung.

Inhaltsverzeichnis

Umspuranlage

Grundsätzliches

Eine Umspuranlage ist eine ortsfeste Anlage, mit der die Spurweite von Schienenfahrzeugen geändert werden kann.

In herkömmlichen Umspuranlagen werden die Radsätze oder Drehgestelle der Fahrzeuge ausgetauscht. Neuer ist das Verfahren, den Abstand der Radscheiben an das zu befahrende Netz anzupassen. Dafür müssen besondere Radsätze oder Einzelradlaufwerke vorhanden sein. Früher war das nur bei Fahrzeugen mit nicht angetriebenen Achsen möglich. Inzwischen können jedoch auch angetriebene Achsen umgespurt werden, eine wichtige Entwicklung, besonders für Triebwagen.

Umspurbare Lokomotive im Bahnhof Livraçao (Portugal) auf Meterspur. Die Kopfstücke sind mehrfach gebohrt, um die Zug- und Stoßvorrichtung anpassen zu können
Umspurbares Triebdrehgestell der Renfe-Reihe 130 in Regelspurstellung

Im Güterverkehr werden heute oft auch Container und Wechselpritschen eingesetzt, die an den Grenzbahnhöfen umgeladen werden, so dass die Umspurung entfällt.

Lokomotiven können grundsätzlich ebenfalls umgespurt werden, jedoch geschieht das wegen des unverhältnismäßig großen Aufwandes nicht planmäßig während einer Zugfahrt. Ausnahmen sind die Triebköpfe des spanischen Hochgeschwindigkeitszüge der RENFE-Baureihe 130, welche mit Talgo-Radsätzen ausgerüstet sind und Umspuranlagen regelmäßig befahren. Talgo baute dafür 2005 den Prototyp einer mehrsystem-fähigen Elektrolokomotive des Typs Travca L 9202, die erstmals während der Fahrt umgespurt werden kann.

Relativ häufig werden an der polnischen Ostgrenze je nach Güteraufkommen dafür ausgelegte Rangierloks umgespurt, wofür die PKP sowohl regel- als auch breitspurige Drehgestelle vorhält. Die RENFE hat mehrere ihrer Maschinen der Baureihe 252 schon mehrfach umgespurt.

Umspurbare Fahrzeuge müssen den Bedingungen in beiden Netzen entsprechen, beispielsweise beim Fahrzeugumgrenzungsprofil, den Kupplungen, der Bremsausrüstung und der Achs- und Meterlast. Das wird umso komplizierter, je stärker die Normen der beteiligten Netze voneinander abweichen und je größer die Differenz der Spurweiten ist. Bei Fahrzeugen, die auf dem europäischen Regel- und dem iberischen sowie GUS-Breitspurnetz verkehren sollen, ist es durch die auf den Regeln der Technischen Einheit im Eisenbahnwesen beruhenden Normung noch vergleichsweise einfach. Weichen die Systeme zu sehr voneinander ab, wie künftig zwischen MOB und Simmentalbahn, dann sind die Fahrzeuge im jeweils fremden Netz nicht freizügig einsetzbar.

Spillanlage und Führungsschiene in der Umspuranlage Brest (Weißrussland)

Herkömmliche Umspuranlagen

Nach dem herkömmlichen Verfahren werden die Drehgestelle von den Wagenkasten gelöst und letztere mit Hebeböcken auf ca. 1,5 m angehoben. Mit einer Spillanlage werden die Drehgestelle herausgezogen und die für die neue Spurweite gleichzeitig unter die Wagen gezogen. Nachdem die neuen Drehgestelle unter den Wagen positioniert sind, werden die Wagenkasten wieder abgesenkt und die Drehgestelle mit dem Wagenkasten verbunden. An der westlichen Grenze des russischen Breitspurnetzes werden zusätzlich bei Reisezugwagen auch die Kupplungen ausgetauscht. Russische Güterwagen, die wegen der Bauart des Bodenrahmens nicht mit Seitenpuffern ausgerüstet werden können, werden im Regelspurnetz mit Kuppelwagen befördert.

Die Umspuranlage ist meist in einer Halle untergebracht. Beim Übergang zwischen dem westeuropäischen Normalspurnetz und der russischen Breitspur verfügt das Mischspurgleis, auf dem der Drehgestellwechsel vorgenommen wird, über zusätzliche Schienen auf der Innenseite, die die Regelspurradsätze an den Rückflächen führen. An den spanisch-französischen Übergängen ist wegen des größeren Unterschiedes zur iberischen Breitspur ein einfaches Vierschienengleis möglich.

Spurwechselradsatz DR III für 1435 und 1524 mm Spurweite (entwickelt 1957), die erste im Regelbetrieb eingesetzte Bauart

Automatische Umspuranlagen

Die automatischen Umspuranlagen können nur von Fahrzeugen benutzt werden, die speziell an die Anlage angepasste Fahrwerke haben. Der Spurwechsel wird während der langsamen Fahrt durch die Anlage vollzogen. Beim Befahren der Anlage mit etwa 15 km/h wird von Betätigungsschienen der Entriegelungsmechanismus des Fahrwerks geöffnet, so dass die Radscheiben von Führungsschienen auf die neue Spurweite eingestellt werden können.

Bei den am weitesten verbreiteten Systemen werden während des Umspurvorgangs die Fahrzeuge von seitlich angebrachten Gleitschienen getragen, so dass die Räder während des Umspurvorgangs entlastet sind.

Andere Systeme, die meist beim Umspuren schwerer Güterzüge verwendet werden, können die Räder auch unter Belastung verschieben. Damit die Räder während des Verstellens der Spurweite nicht auf die Schienen aufklettern, darf bei diesen Systemen die Spurweite nur langsam geändert werden, so dass die Umspuranlage wesentlich länger ist als bei den erstgenannten Systemen. Folgende Systeme werden verwendet:

Deutschland und Polen

Mukran

In dem Fährhafen Mukran in Sassnitz im Nordosten Rügens befindet sich eine Umspuranlage – ausschließlich für den Güterverkehr –, in der Wagen umgespurt werden, bevor sie per Trajekt nach Klaipeda zur Weiterfahrt auf den Breitspurstrecken der GUS befördert werden. Dies geschieht durch Austauschen der Drehgestelle. Es handelt sich um die einzige derartige Anlage in Deutschland.

SUW-2000 (PKP) / DB AG/Rafil V

Die PKP und die DB AG haben eine einheitliche Umspurtechnik entwickelt, auf der sowohl Radsätze der Bauart SUW-2000 (PKP) als auch der Bauart DB AG/Rafil V automatisch umgespurt werden können. Hierbei werden die Radscheiben auf der starren Achse entriegelt, in die jeweilige Endstellung verschoben und anschließend wieder verriegelt. Dieser Vorgang kann je nach Bauart der Umspuranlage bei beiden Radscheiben eines Radsatzes gleichzeitig erfolgen (symmetrische Anlage) oder zunächst bei den Radscheiben der einen und dann der anderen Seite vorgenommen werden (asymmetrische Anlage). Asymmetrische Anlagen benötigen eine längere Strecke für die Umspurung als symmetrische Anlagen. Die Anlagen für die Systeme SUW-2000 und DB AG/Rafil V sind länger als Umspuranlagen des Talgo-Systems, da die Radscheiben unter Last verschoben werden und daher das Verhältnis von Spurveränderung zu Umspurstrecke kleiner sein muss.

GUS

Umspuranlage in Ussurijsk (Russland) an der chinesischen Grenze
Drehgestellwechsel in Eren Hot an der chinesisch/mongolischen Grenze

Der für Fahrten aus Europa in das Breitspurnetz der GUS wichtigste Umspurbahnhof ist Brest (Weißrussland), wo die Umspurung der Personenwagen in entsprechend ausgerüsteten Hallen vorgenommen wird. Außer den Radsätzen werden auch die Kupplungen ausgetauscht, bei ganzen Zügen nur an den Endwagen. Weitere Umspuranlagen für den Personenverkehr für den Verkehr von und zur Ukraine befinden sich in Jagodin, Przemyśl und Tschop.

Spanien / Frankreich[1]

Talgo

Bei den Talgo-Gliederzügen gibt es keine durchgehenden Achswellen. Jede Radscheibe sitzt auf einer Halbachse mit je zwei Achslagern, die ihrerseits jeweils im Laufwerksportal gelagert sind. Bei den umspurbaren Fahrzeugen sind die Achslager in den Portalen seitlich verschieb- und in den Endstellungen arretierbar. Die Fahrwerksportale werden beim Spurwechsel von außenliegenden Gleitschienen getragen, damit werden die Radscheiben für die Verschiebung entlastet. Seitliche Führungen drücken die Radscheiben beim Durchfahren der Spurwechselanlage in die neue Position. Zur Verbesserung des Bogenlaufs werden bei manchen Bauarten die gegenüberliegenden Achsstummel durch eine drehstarre Zahnkupplung miteinander verbunden.

Inzwischen ist das Talgo-Spurwechselsystem nicht mehr nur Talgo-Einachslaufwerken vorbehalten. Es wurden auch Standard-Drehgestellbauarten damit ausgerüstet. Daraus wurden Güterwagendrehgestelle entwickelt. Seit Ende der 1990er Jahre ist es außerdem möglich, angetriebene Talgo-Fahrzeuge umzuspuren (Talgo XXI, RENFE S-130).

Anlagen dieser Bauart wurden 1969 in Portbou und Irún an der spanisch-französischen Grenze für die Talgo RD (rodadura desplazable) errichtet und werden aktuell von den Talgo Catalán zwischen Barcelona und Montpellier sowie von den Hotelzügen nach Paris, Zürich und Mailand genutzt. Seit 1969 sind über 3 Mio. Umspurvorgänge durchgeführt worden, ohne dass dabei Ausfälle oder auch nur nennenswerte Störungen aufgetreten wären. Täglich werden heute über 500 Züge umgespurt. Mit dem Bau der regelspurigen AVE-Strecken kamen seit 1992 Anlagen für den Übergang vom spanischen Breitspurnetz auf die Neubaustrecken in Madrid, Córdoba, Saragossa, Lleida, Sevilla, Antequera-Santa Ana und bei Tarragona hinzu.

Umspurung in Hendaye

Umspurung bei Vollachsen

Bei dem von CAF entwickelten System werden die entlasteten Räder auf einer Achse verschoben. Dabei muss jeder Radsatzrahmen mit einer Gleitvorrichtung ausgerüstet sein, die das Fahrzeug beim Umspurvorgang auf Hilfsschienen führt. Auf den Hilfsschienen befindet sich ein Wasserfilm, der die Reibung zwischen Gleitvorrichtung und Hilfsschiene erheblich verringert. Der Wagen „schwimmt“ sozusagen auf dem Wasserfilm. Der Vorteil dieses Verfahrens ist vor allem eine relativ kurze Umspurstrecke. Das System wird bei Triebwagen in Spanien eingesetzt.

Güterverkehr

Für den Güterverkehr zwischen Frankreich und Spanien gibt es in Hendaye/Irún und Cerbère/Portbou Umspuranlagen. Dort werden die Wagen angehoben und – auch bei Drehgestellwagen – die Radsätze gewechselt und die Bremssohlen entsprechend umgestellt. Für den Wechselverkehr mit Spanien und Portugal zugelassene Wagen haben dafür verstellbare Bremsdreiecke und einen deutlich größeren Abstand zwischen den Rahmenwangen.

Reisezüge aus Regelfahrzeugen

Bis zum Fahrplanwechsel 1994 verkehrten auch Reisezüge, die aus gewöhnlichen Drehgestellwagen gebildet wurden, von Frankreich nach Spanien und Portugal. Die letzten Züge waren der 310/313 »Sud-Expres« von Paris Austerlitz nach Lissabon Santa Apolónia mit Kurswagen nach Porto, der 300/301 »Puerta del Sol« nach Madrid Chamartín (von 1991–1993 mit einem Kurswagen von und nach Moskau, der dabei sogar zweimal umgespurt werden musste) und die Kurswagenverbindung Paris–Algeciras. Das Spurwechselverfahren ähnelte dem an den Übergängen zum russischen Breitspurnetz, nur waren die Hebeböcke verfahrbar, um sie an den Anhebepunkten der Wagen positionieren zu können. So waren unterschiedliche Wagenbauarten behandelbar und die Wagenzüge konnten im gekuppelten Zustand angehoben werden. Zumindest beim 300/301 wurden nur Schlaf-, Liege- und Autotransportwagen umgespurt, während die Fahrgäste in den Sitzwagen umsteigen mussten.

Die Spurwechselanlage für Reisezugwagen in Hendaye ist inzwischen abgebrochen worden, ihre Lage am Ende der breitspurigen Bahnsteiggleise ist noch erkennbar.

Finnland

Wagen, die vom westeuropäischen auf das finnische Netz per Trajekt übergehen, werden in Turku angehoben und die Drehgestelle oder Einzelachsen ausgewechselt. In Tornio gibt es an der Haparandabahn außerdem eine asymmetrische Umspuranlage, die jedoch kaum genutzt wird. Dies ist die einzige Gleisverbindung zwischen dem finnischen und dem schwedischen Netz. Mit der Neuen Haparandabahn soll hier bis 2012 eine leistungsfähigere Verbindung entstehen.

Litauen

Eine asymmetrische Anlage für Radsätze der Bauarten SUW-2000 und DB AG/Rafil V wird auf dem litauischen Bahnhof Mockava eingesetzt. Ein Personenzug mit SUW-2000-Achsen zwischen Warschau und Vilnius wurde darauf bis zur Einstellung der Verbindung umgespurt.

Japan

In Japan sind umspurbare Triebzüge für die Spurweiten 1067 mm und 1435 mm in der Entwicklung. Der Versuchszug hat angetriebene Achsen, die mit Hilfe automatischer Spurwechselanlagen umgespurt werden können. Zu Versuchszwecken werden zwei unterschiedliche Bauarten von Drehgestellen verwendet.[2]

Schweiz

Neben dem normalspurigen Streckennetz gibt es in der Schweiz, vor allem im alpinen Bereich, zahlreiche meterspurige Bahnen. Speziell für die GoldenPassLine wurde das umspurbare Drehgestell EV09 für die Spurweiten 1000 mm und 1435 mm entwickelt. Als Besonderheit wird beim Umspuren die Drehgestellgeometrie auch in der Höhe verändert, wodurch die Einstiegshöhe der Wagen an die unterschiedlichen Bahnsteighöhen im Schmalspur- und Normalspurnetz angepasst wird. Im Jahr 2010 wurde ein Panoramawagen mit den Prototypen der neuen Drehgestelle ausgerüstet und umfangreich getestet. Eine provisorische Umspuranlage wurde in Montreux errichtet.[3][4][5] 2016 soll die Technik im fahrplanmäßigen Verkehr eingesetzt werden. Die Umspuranlagen werden im Bahnhof Zweisimmen eingerichtet werden und die Züge in langsamer Fahrt beim Ein- und Ausfahren aus dem Bahnhof umgespurt werden. Die entsprechenden Züge werden als Ganzzüge verkehren.[6]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. hpm: Automatische Spurwechselsysteme in Spanien. In: Eisenbahn-Revue International 2009, S. 404–407.
  2. Entwicklung eines spurweitenverstellbaren Zugs in Japan (PDF; engl.)
  3. Pressemeldung (PDF) auf GoldenPass.ch, mit weiteren Links
  4. Ch. Gyr, Ch. Deiss:Das spurwechselfähige Laufdrehgestell EV09. (PDF) in: Treffpunkt Prose, 26. Mai 2011, Seiten 11–43
  5. hav: Treffpunkt Prose. In: Eisenbahn-Revue International 7/2011, S. 339.
  6. Christoph Gyr: Entwicklung des spurwechselfähigen Laufdrehgestells EV09. In: Eisenbahn-Revue International 8-9/2011, S. 382-386.

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