- Vincenz Müller
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Vincenz Müller (* 5. November 1894 in Aichach/Oberbayern; † 12. Mai 1961 in Berlin) war ein deutscher Offizier und Generalleutnant der Wehrmacht und der NVA.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Erster Weltkrieg und Weimarer Republik
Der Sohn eines Gerbermeisters begann nach dem Abitur eine Karriere als Berufsoffizier in der preußischen Armee. Den Ersten Weltkrieg verbrachte der 1914 zum Leutnant ernannte Müller überwiegend bei der deutschen Militärmission in der Türkei.
Nach dem Ende des Krieges diente er als Zugführer im Pionier-Bataillon in Ulm und beim Wehrkreiskommando V, Stuttgart. Im Jahre 1923 erfolgte sein Wechsel in das Reichswehrministerium nach Berlin, wo er bis 1933 zum Kreis der Mitarbeiter von Kurt von Schleicher gehörte. Dieser Dienststellung schloss sich von 1926 bis 1927 eine Generalstabsausbildung an. Im gleichen Jahr wurde er zum Major befördert. Müller kehrte ins Reichswehrministerium zurück und diente bis 1931 in der politischen Abteilung. Nach einem kurzen Intermezzo als Kompaniechef beim Pionierbataillon 7 in München war er als Berater beim Befehlshaber des Wehrkreises III in Berlin tätig.
Dabei spielte er seine erste Rolle in der deutschen Geschichte: Beim „Preußenschlag“ am 20. Juli 1932 führte er auf Weisung Minister Schleichers und Befehlshaber Rundstedts die Absetzung der preußischen Regierung aus und nahm die Polizeiführung in Arrest.[1]
Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 diente Müller von 1933 bis 1935 als Leiter des Aufbaus der Mobilmachungsorgane im Generalstab des Wehrkreiskommando VII, München, wo sein oberster Vorgesetzter General Wilhelm von Leeb war, den er bereits aus dem Reichswehrministerium persönlich kannte. Anschließend bis 1937 Leiter der Gruppe Mobilmachung im Generalstab des Heeres. Nach dem Besuch der Wehrmachtsakademie diente Müller von 1938 bis 1940 als Erster Generalstabsoffizier (Ia) der Heeresgruppe 2, Kassel. In dieser Zeit wurde er zum Oberst befördert. Von 1940 bis 1943 war Müller Chef des Stabes des Armeeoberkommando (AOK) 17 in Zakopane. Nach der Ernennung zum Generalmajor und einem Lazarettaufenthalt 1943 diente der zum Generalleutnant beförderte Müller von 1943 bis 1944 als Kommandeur der 56. Infanterie-Division, die Teil der 4. Armee war. Diese Armee kommandierte er vom Zeitpunkt ihrer Einkesselung am 3. Juli 1944 bis zu seiner Gefangennahme im Verlauf der Zerschlagung der Heeresgruppe Mitte am 8. Juli 1944. Während der Gefangenschaft trat Müller dem NKFD und dem BDO bei und absolvierte die Antifa-Schule in Krasnogorsk. In Deutschland wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt.
Nachkriegszeit und DDR
Nach der Entlassung aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft leitete er seit 1949 als Chefinspekteur der Volkspolizei, später als einer der Stellvertreter des Ministers des Inneren den militärischen Aufbau der DDR. 1953 wurde er zum Generalleutnant ernannt und Chef des Stabes der Kasernierten Volkspolizei (KVP). Mit deren Umwandelung in die Nationale Volksarmee (NVA) wechselte er 1956 als Chef des Hauptstabes der NVA in das Ministerium für Nationale Verteidigung und wurde zugleich Stellvertreter des damaligen Innen- und späteren Verteidigungsministers Willi Stoph. Müller war damit der ranghöchste der (im Vergleich zur Bundeswehr) wenigen ehemaligen Wehrmachtsoffiziere in den DDR-Streitkräften.
Bereits 1948 trat Müller in die NDPD ein. Von 1949 bis 1952 war er Erster stellvertretender Vorsitzender dieser Partei und Vizepräsident der Volkskammer.
Sämtliche westlichen Nachrichtendienste interessierten sich für ihn und ehemalige Kameraden besuchten ihn 1952 in Ostberlin auch im Auftrag der „Organisation Gehlen“.[2] Über Kontakte, die er zu alten Kameraden, vor allem nach Bayern, hatte, traf er 1955 und 1956 im Auftrag der DDR-Regierung den damaligen Bundesfinanzminister Fritz Schäffer (CSU) in Ostberlin und führte Gespräche über die Chancen einer deutsch-deutschen Verständigung mit dem Ziel einer Konföderation.
Gebremst wurden die Bemühungen Müllers auch durch Anfang der 1950er-Jahre auftauchende Gerüchte, er habe in Russland an der Erschießung von 90.000 Juden bei Artemiwsk teilgenommen. Der Wahrheitsgehalt dieser Anschuldigungen ist bis heute vollkommen unbewiesen, jedoch lag diesbezüglich in der Bundesrepublik zeitweise ein Haftbefehl gegen ihn vor.[3]
Im Februar 1958 wurde er pensioniert. Bereits im März 1958 wurde dies in der bundesdeutschen Presse gemeldet, und zusätzlich dargelegt, Müller sei bereits im Dezember 1957 vom Dienst suspendiert worden. Weiter hieß es, DDR-Verteidigungsminister Stoph hätte ihm vorgeworfen, sich gegen Beschlüsse des SED-Zentralkomitees bezüglich der führenden Rolle der SED in der Volksarmee gestellt zu haben. Im September 1958 wurde dann auch offiziell bekannt gegeben, dass Müller wegen einer schweren Herzkrankheit auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt worden sei.[4] Einige westdeutsche Politiker setzten jedoch weiter ihre Hoffnungen auf eine baldige Vereinigung der beiden deutschen Staaten in den ehemaligen Stabschef der NVA.
Ab 1960 versuchte die Staatssicherheit, den missliebigen Pensionisten ohne Aufsehen politisch auszuschalten. Hierzu wurde u.a. verbreitet, Müller leide an Schizophrenie, weshalb er, wahrscheinlich auf Betreiben des MfS, Ende 1960 für einige Monate ins Krankenhaus kam.
Vermutlich in Suizid-Absicht starb Müller am 12. Mai 1961, an diesem Tag sollte er gegen seinen Willen wieder ins Krankenhaus gebracht werden, nach einem Sturz vom Balkon seines Hauses in Berlin-Schmöckwitz.
Auszeichnungen
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse[5]
- Verwundetenabzeichen (1918) in Schwarz[5]
- Ritterkreuz II. Klasse des Friedrichs-Ordens mit Schwertern[5]
- Mecidiye-Orden V. Klasse mit Säbeln [5]
- Silberne Liakat-Medaille mit Säbeln[5]
- Eiserner Halbmond[5]
- Spange zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse
- Deutsches Kreuz in Gold am 26. Januar 1942[6]
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes am 7. April 1944[6]
- Vaterländischer Verdienstorden der DDR in Gold
Literatur
- Klaus Froh, Rüdiger Wenzke: Die Generale und Admirale der NVA. Ein biographisches Handbuch. 4. Auflage. Ch. Links, Berlin 2000, ISBN 3-86153-209-3
- Peter J. Lapp: General bei Hitler und Ulbricht. Vincenz Müller – Eine deutsche Karriere. Christoph Links, Berlin 2003, ISBN 3861532867 (GoogleBooks).
- Aufsätze
- Hanns Jürgen Küsters, Wiedervereinigung durch Konföderation? Die informellen Unterredungen zwischen Bundesminister Fritz Schäffer, NVA-General Vincenz Müller und Sowjetbotschafter Georgij Maksimowitsch Puschkin 1955/56, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 40. Jahrg., 1. H. (Jan., 1992), S. 107-153
Belege
- Hans Ehlert und Armin Wagner; Genosse General! Die Militärelite der DDR in biografischen Skizzen; Ch. Links Verlag (2003); ISBN 3-86153-312-X
Weblinks
Commons: Vincenz Müller – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienEinzelnachweise
- ↑ Lapp, General bei Hitler und Ulbricht, S. 41–43
- ↑ General bei Hitler und Ulbricht. Vincenz Müller - eine deutsche Karriere 3.sat.de, abgerufen am 7. Sep. 2010
- ↑ Rolf Helfert, Gedient in fünf Armeen
- ↑ http://www.3sat.de/page/?source=/ard/sendung/69885/index.html
- ↑ a b c d e f Rangliste des Deutschen Reichsheeres, Mittler & Sohn Verlag, Berlin 1930, S.145
- ↑ a b Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.558
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