- Wilhelm Franz Canaris
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Wilhelm Franz Canaris (* 1. Januar 1887 in Aplerbeck bei Dortmund; † 9. April 1945 im KZ Flossenbürg) war ein deutscher Admiral und während des NS-Regimes Leiter des Amtes Ausland/Abwehr (Geheimdienst) im Oberkommando der Wehrmacht. Als Leiter des militärischen Nachrichtendienstes protegierte Canaris zahlreiche konservative Widerstandskämpfer wie Hans Oster, Dietrich Bonhoeffer, Klaus Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi und den Österreicher Erwin von Lahousen.
Inhaltsverzeichnis
Herkunft und militärische Karriere
Wilhelm Canaris kam 1887 als Sohn des Industriellen Carl Canaris und dessen Frau Auguste (geb. Popp) zur Welt. Er wuchs in Duisburg auf, wo er das Steinbart-Gymnasium besuchte. Er war nicht mit dem griechischen Revolutionär und Marineminister Konstantin Kanaris verwandt, sondern entstammte einer ehemals in der Lombardei ansässigen griechischen Familie.
Canaris trat 1905 als Seekadett in die Kaiserliche Marine ein. Im September 1913 wurde er Adjutant des Kommandanten der SMS Dresden, bis diese am 14. März 1915 nach britischem Beschuss in der Cumberland-Bucht der Robinson-Crusoe-Insel (zum neutralen Chile) von der Besatzung aufgegeben und versenkt wurde. Canaris hatte vorher als Verhandlungsführer seines Kapitäns den Kommandanten der britischen Kriegsschiffe vergeblich auf die Seekriegsrechtsverletzung verwiesen und um Waffenruhe gebeten. Er flüchtete im Herbst 1915 aus der chilenischen Internierung über Argentinien nach Deutschland und meldete sich zum Dienst zurück. 1916 erreichte er den Rang eines Kapitänleutnants und sammelte erste nachrichtendienstliche Erfahrungen. Als Beobachtungsoffizier und Organisator von Versorgungsstützpunkten war er für deutsche U-Boote in Spanien unterwegs. 1917 diente er beim U-Boot-Einsatzstab in Cattaro, wo er stellvertretender U-Boot-Kommandant im Handelskrieg war.
Weimarer Republik
Canaris galt als Vertrauter des Freikorpsführers Hermann Ehrhardt. 1919 war er Mitglied des Kriegsgerichts, vor dem sich die der Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht angeklagten Freikorpsmitglieder verantworten sollten. Ein Großteil der Beschuldigten wurde von diesem Gericht freigesprochen. Im selben Jahr heiratete er Erika Waag. Aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor (Eva und Brigitte). Bereits ein Jahr später beteiligte er sich am Kapp-Putsch. Daraufhin wurde er festgenommen und inhaftiert, kam aber nach kurzer Zeit wieder frei. Weitere Stationen waren:
- 1921 Erster Admiralstabsoffizier beim Kommando der Marinestation der Ostsee,
- 1925 Korvettenkapitän Dezernent in der Flottenabteilung der Marineleitung
- 1927 Referent beim Stab des Chefs der Marineleitung
- 1930 Erster Offizier auf dem Linienschiff Schlesien
- 1931 Chef des Stabes beim Kommando der Marinestation der Nordsee.
In den 1920er Jahren protegierte er Reinhard Heydrich, der in dieser Zeit eine Offizierslaufbahn in der Marine einschlug. Heydrich, der später zu einem der führenden Funktionäre der SS aufstieg, wurde 1931 wegen einer Heiratsaffäre aus der Marine entlassen.
Nationalsozialismus
Zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus befürwortete Canaris Teile der NS-Ideologie und stieg unter dem Regime zum Chef der deutschen Abwehr auf. 1935 bis 1944 war er erst Konteradmiral und dann Admiral und Chef des militärischen Nachrichtendienstes und 1944 Leiter der OKW-Dienststelle für Wirtschaftskriegführung.
Nach der Ernennung zum „Abwehrchef“ 1935 nutzte Canaris seine exzellenten Spanischkenntnisse und baute in Spanien ein Spionagenetzwerk auf. Canaris gilt als Hintermann der deutschen militärischen Unterstützung Francos im Spanischen Bürgerkrieg.
Bereits vor Kriegsbeginn kamen ihm allerdings Zweifel an Hitlers Politik, die sich rasch beträchtlich mehrten und schließlich zu entschiedenster Gegnerschaft führten. So besorgte die Abwehr beispielsweise englischen Sprengstoff und die erforderlichen lautlosen Säurezünder für einen geplanten Anschlag auf Hitler am 13. März 1943, die durch Admiral Canaris und Oberst i.G. Erwin von Lahousen, Leiter der Abwehr -Abteilung II, auch persönlich nach Smolensk gebracht wurden. Dieser Attentatsversuch wurde durch Oberleutnant Fabian von Schlabrendorff durchgeführt, indem er in Smolensk eine als Cognac-Flaschen getarnte Sprengladung in Hitlers Flugzeug platzierte. Er scheiterte aber, weil der Sprengstoff aus bisher ungeklärten Gründen nicht detonierte.
Canaris hielt in seiner Position als Chef der Abwehr die Fassade des loyalen Geheimdienstlers aufrecht, bot aber seinen engsten Mitarbeitern Hans Oster und Hans von Dohnanyi, die ebenfalls Umsturzpläne gegen die Regierung schmiedeten, Schutz. Um die gegen Hitler gerichtete Tätigkeit einiger Abwehr-Mitarbeiter zu decken, unterhielt Canaris engen Kontakt zu Reinhard Heydrich, dem Chef des Sicherheitsdienstes (SD) der SS. Beide Männer verband eine nach außen scheinbar freundschaftliche Beziehung. Obwohl sich diese in gemeinsamen Musikabenden und Ausritten im Berliner Tiergarten äußerte, war sie von persönlicher Abneigung und Misstrauen geprägt. Canaris' Wertvorstellungen, seine gegen das NS-Regime gerichtete politische Auffassung und die Ablehnung krimineller und terroristischer Arbeitsmethoden führten zu einer zunehmend offenen Feindschaft zwischen dem Nachrichtendienst der Wehrmacht (Abteilung „Ausland / Abwehr“) und dem NS-treuen Sicherheitsdienst (SD).
Mitte Februar 1944 wurde Canaris seines Amtes als Abwehrchef enthoben und drei Tage nach dem Anschlag vom 20. Juli auf Hitler von seinem Rivalen im Reichssicherheitshauptamt VI (SD Ausland), SS-Brigadeführer Walter Schellenberg, festgenommen. Anfang April 1945 entdeckten zwei Soldaten in einem Panzerschrank der Abwehr in Zossen bei Berlin, dem Ausweichquartier der Abwehr, Canaris' lange gesuchte Privattagebücher, die am 5. April von Ernst Kaltenbrunner, dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Hitler persönlich vorgelegt wurden. Hitler befahl die „sofortige Vernichtung der Verschwörer“. In einem SS-Standgerichtsverfahren unter Vorsitz von Otto Thorbeck im KZ Flossenbürg wurde Canaris zum Tode verurteilt. Am 9. April 1945 wurde er zusammen mit Dietrich Bonhoeffer und Hans Oster nackt gehenkt. Otto Thorbeck wurde vom Bundesgerichtshof 1956 vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord freigesprochen.
Militärische Laufbahn
- 1. April 1905 Eintritt in die Kaiserliche Marine als Seekadett (Crew 1905)
- ab 7. April 1906 Fähnrich zur See
- ab 28. September 1908 Leutnant zur See
- ab 29. August 1910 Oberleutnant zur See
- ab 16. November 1916 Kapitänleutnant
- ab 1. Januar 1924 Korvettenkapitän
- ab 1. Juni 1929 Fregattenkapitän
- ab 1. Oktober 1931 Kapitän zur See
- ab 1. Mai 1935 Konteradmiral
- ab 1. April 1938 Vizeadmiral
- ab 1. Januar 1940 Admiral
- 30. Juni 1944 verabschiedet
Auszeichnungen
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse
- U-Boot-Kriegsabzeichen (1918)
- Eiserner Halbmond
- Ehrenkreuz für Frontkämpfer
- Wehrmacht-Dienstauszeichnung IV. bis I. Klasse
- Kriegsverdienstkreuz (1939) mit Schwertern II. und I. Klasse
- Spange zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse
- Freiheitskreuz I. Klasse mit Stern und Schwertern am 16. September 1941
- Deutsches Kreuz in Silber am 11. November 1943
Siehe auch
Literatur
- Karl Heinz Abshagen: Canaris, Patriot und Weltbürger ,Stuttgart 1954; Mitarbeit: Generalmajor Erwin von Lahousen.(Laut Information von Frau Dipl.Dolmetsch Stefanie Lahousen-Vivremont).
- Karl Glaubauf, Stefanie Lahousen: Generalmajor Erwin Lahousen, Edler von Vivremont. Ein Linzer Abwehroffizier im militärischen Widerstand, Lit-Verlag, Münster 2005, ISBN 3-8258-7259-9.
- Klaus Benzing: Der Admiral. Leben und Wirken; Nördlingen 1973
- André Brissaud: Canaris. 1887-1945; Frankfurt 1990
- Jan Colvin: Admiral Canaris. Chef des Geheimdienstes"; München 1955
- Heinrich Fraenkel, Roger Manvell: Canaris; 1969
- Heinz Höhne: Canaris. Patriot im Zwielicht; München (C. Bertelsmann) 1976 (ISBN 3570016080)
- Michael Soltikow: Ich war mittendrin. Meine Jahre bei Canaris.; 1986
- Michael Mueller: Canaris, Berlin: Propyläen 2006, ISBN 3549072023
- Heinz Höhne: Admiral Wilhelm Canaris; in: Gerd R. Ueberschär (Hrsg.): Hitlers militärische Elite Bd. 1, Primus Verlag, Darmstadt 1998, ISBN 3-89678-083-2, Seite 53-60
Verfilmung
- Canaris, Bundesrepublik Deutschland, 1954, Regie: Alfred Weidenmann, Buch: Erich Ebermayer und Herbert Reinecker, mit Otto Eduard Hasse in der Titelrolle
Weblinks
- Literatur von und über Wilhelm Canaris im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- "Wilhelm Canaris, A Photo Chronology" (English)
- http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/CanarisWilhelm/
- - Biografie bei Shoa.de
- Buchbesprechung zur Biografie von Michael Müller
- Urteil gegen Walter Huppenkothen, Ankläger des SS-Standgerichts
Personendaten NAME Canaris, Wilhelm ALTERNATIVNAMEN Canaris, Wilhelm Franz KURZBESCHREIBUNG deutscher Admiral und Abwehrchef GEBURTSDATUM 1. Januar 1887 GEBURTSORT Aplerbeck STERBEDATUM 9. April 1945 STERBEORT KZ Flossenbürg
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