- Wilhelm Souchon
-
Wilhelm Anton Souchon (* 2. Juni 1864 in Leipzig; † 13. Januar 1946 in Bremen) war Vizeadmiral der kaiserlichen Marine im Ersten Weltkrieg. Er wurde bekannt als Befehlshaber der Mittelmeerdivision, die im August 1914 durch ihr Einlaufen in die Dardanellen und ihre Übergabe an die Türkei erheblich zum Kriegseintritt des Osmanischen Reiches auf Seite der Mittelmächte beitrug.
Inhaltsverzeichnis
Vorkriegszeit
Als Seekadett der Crew 1881 nahm Souchon, wie auch der spätere Admiral Franz Hipper, als Besatzungsmitglied der Kreuzerfregatte SMS Leipzig bei der Flaggenhissung und offiziellen Inbesitznahme der Kolonie Deutsch-Südwestafrika am 7. August 1884 bei dem Fort Vogelsang in Angra Pequena (Lüderitzbucht) teil. Vom 20. Mai bis zum 3. Oktober 1894 war Souchon Kommandant des Minenschulschiffes SMS Rhein und wurde während dieses Kommandos zum Kapitänleutnant befördert. Im April/März 1900 war er als I. Offizier des Küstenpanzerschiffes SMS Odin vertretungsweise dessen Kommandant. Der inzwischen zum Korvettenkapitän beförderte Souchon war während der Flottenmanöver 1903 Chef des Stabes des II. (Reserve-)Geschwaders.
Im April 1904 wurde Souchon Chef des Stabes des Kreuzergeschwaders in Ostasien unter Vizeadmiral Kurt von Prittwitz und Gaffron auf der SMS Fürst Bismarck. Im gleichen Jahr nahm er an einer Jangtsefahrt des Geschwaderchefs mit Besuchen bei hochrangigen chinesischen Würdenträgern teil. Während der Endphase des Russisch-Japanischen Krieges fanden wenige Fahrten des Geschwaders statt. Im November 1905 übernahm Konteradmiral Alfred Breusing den Befehl über das Geschwader. Unter ihm wurde noch eine Reise durch Niederländisch-Indien durchgeführt und der erste Besuch deutscher Marineoffiziere nach dem Boxeraufstand in Peking mit einer Audienz bei Kaiser und Kaiserinwitwe. Nach einem Besuch im Japan trat Souchon die Heimreise an.
Ab Juni 1906 war er im Reichsmarineamt tätig, wo er zum Kapitän zur See befördert wurde. Im Oktober 1907 wurde er Kommandant des Linienschiffes SMS Wettin und im September 1909 Chef des Stabes der Marinestation Ostsee. Auf diesem Posten wurde er am 10. April 1911 zum Konteradmiral befördert. Im Oktober wurde er 2. Admiral des II. Geschwaders der Hochseeflotte.
Mittelmeerdivision
Am 23. Oktober 1913 übernahm Souchon den Befehl über die im Vorjahr gebildete Mittelmeerdivision, die aus dem Schlachtkreuzer SMS Goeben, dem Kleinen Kreuzer SMS Breslau sowie der Stationsyacht SMS Loreley bestand. Zugeteilt war der Division noch der alte Kreuzer SMS Geier, abgezogen von der Position des Stationärs in Ostafrika. Darüber hinaus konnte der Divisionschef bei Bedarf über die im Mittelmeer operienden Schulschiffe verfügen, von denen im Winter 1913/14 die SMS Hansa und die SMS Victoria Louise erwartet wurden.
Als im August 1914 mit dem Ausbruch von Feindseligkeiten zu rechnen war, führte Konteradmiral Souchon seine beiden Schiffe, die Goeben und die Breslau, aus der Adria ins westliche Mittelmeer, beschoss nach Kriegsausbruch die Hafenanlagen von Bône und Philippeville in Algerien, entzog sich danach erfolgreich Versuchen der britischen Royal Navy, ihn zu stellen, und lief schließlich am 10. August 1914 in die Dardanellen ein. Nach mehrtägigen Verhandlungen führte er sein kleines Geschwader nach Konstantinopel, wo es am 12. August offiziell in die türkische Marine übernommen wurde.
Am 15. August kündigte die Türkei ihr Marineabkommen mit Großbritannien und verwies die britische Marinemission unter Admiral Arthur Limpus bis zum 15. September des Landes. Die Dardanellen wurden mit deutscher Hilfe befestigt, der Bosporus durch die in Yavuz Sultan Selim umbenannte Goeben gesichert, und beide Meerengen wurden am 27. September 1914 offiziell für die internationale Schifffahrt gesperrt. Am 29. Oktober griff Souchon unter osmanischer Flagge russische Hafenstädte an, während fast zeitgleich britische Einheiten vor Smyrna türkische Handelsschiffe angriffen. Am 2. November erklärte Russland der Türkei und am 12. November 1914 die osmanische Regierung der Triple Entente den Krieg.
Osmanische Marine
Souchon wurde zum Oberbefehlshaber der osmanischen – nach dem Kriegseintritt Bulgariens auch der bulgarischen – Kriegsmarine ernannt und führte bis 1917 verschiedene Kampfhandlungen gegen die russische Marine und russische Hafen- und Küstenanlagen im Schwarzen Meer durch. Er wurde am 27. Mai 1915 zum Vizeadmiral befördert und erhielt am 29. Oktober 1916 den Orden Pour le Merite.
Während seiner Zeit im Osmanischen Reich war er, wie aus seinen Tagebüchern hervorgeht, über den Genozid an der armenischen Bevölkerung nicht nur wohl informiert, sondern befürwortete dieses Vorgehen auch stillschweigend.[1]
Geschwaderchef in der Hochseeflotte
Im September 1917 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er vom 4. September 1917 bis zum 12. August 1918 das Vierte Schlachtgeschwader der Hochseeflotte mit den Großlinienschiffen der Kaiser-Klasse (Flaggschiff SMS Friedrich der Große) befehligte und es bei der Besetzung der Baltischen Inseln und verschiedenen Flottenvorstößen kommandierte.
Kieler Matrosenaufstand
Dann wurde er „zur Allerhöchsten Verfügung” gestellt, ehe er im Oktober 1918 zum Chef der Marinestation der Ostsee sowie zum Gouverneur von Kiel ernannt wurde. Beim Ausbruch des Matrosenaufstands in Kiel versuchte er zunächst (am 3. November 1918), die Lage durch Gewaltanwendung unter Kontrolle zu bringen; dabei wurden mindestens acht Menschen getötet. Schon am folgenden Tag sah Souchon sich gezwungen, mit Karl Artelt und anderen Mitgliedern der Kieler Soldatenräte und Vertretern der SPD und USPD zu verhandeln und die inhaftierten Matrosen freizulassen. Entgegen seiner Absprache mit Artelt ließ Souchon auswärtige Truppen zur Niederschlagung des Aufstands in Kiel einmarschieren, die aber entweder umkehrten oder sich den Aufständischen anschlossen. Der SPD-Reichstagsabgeordnete Gustav Noske, der noch am Abend des 4. November in Kiel eingetroffen war, löste Admiral Souchon am 7. November als Gouverneur von Kiel ab.
Wilhelm Souchon wurde 1919 pensioniert. 1932 hielt er neben dem Chef der Marineleitung, Admiral Erich Raeder, eine Gedenkrede für den letzten Chef der Hochseeflotte, Admiral Franz von Hipper, auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg.
Auszeichnungen
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse [2]
- Pour le Mérite [2]
- Roter Adlerorden II. Klasse mit Stern, Eichenlaub und Schwertern [2]
- Kronenorden II. Klasse mit Stern [2]
- Preußisches Dienstauszeichnungskreuz [2]
- Lippisches Kriegsverdienstkreuz [2]
- Komturkreuz I. Klasse des Albrechts-Ordens [2]
- Großkreuz des Hausordens vom Weißen Falken mit Schwertern [2]
- Kreuz für Verdienste im Kriege [2]
Literatur
- Hans H. Hildebrand und Ernest Henriot: Deutschlands Admirale 1849-1945, Band 3: P-Z (Packroß bis Zuckschwerdt), Osnabrück 1990, ISBN 3-7648-2482-4, S.347-348
- Hans H. Hildebrand/Albert Röhr/Hans-Otto Steinmetz: Die deutschen Kriegsschiffe: Biographien - ein Spiegel der Marinegeschichte von 1815 bis zur Gegenwart, Koehlers Verlagsgesellschaft, Herford,
Weblinks
- FirstWorldWar.com: Wilhelm Souchon
- An essay on Admiral Souchon (englisch)
- Zeitleiste Matrosenaufstand
Einzelnachweise
- ↑ Wolfgang Gust: Der Völkermord an den Armeniern. Die Tragödie des ältesten Christenvolkes der Welt. Hanser, München/Wien 1993, ISBN 3-446-17373-0, S. 277.
- ↑ a b c d e f g h i Rangliste der Kaiserlich Deutschen Marine für das Jahr 1918, Hrsg.: Marine-Kabinett, Mittler & Sohn Verlag, Berlin 1918, S.6
Kategorien:- Militärperson (Kaiserliche Marine)
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Militärperson (Osmanisches Reich)
- Militärperson (Bulgarien)
- Träger des Pour le Mérite (Militärorden)
- Träger des Roten Adlerordens 2. Klasse
- Träger des Preußischen Königlichen Kronenordens 2. Klasse
- Träger des Albrechts-Ordens
- Deutsch-türkische Beziehungen
- Deutscher
- Geboren 1864
- Gestorben 1946
- Mann
Wikimedia Foundation.