William Pitt, der Jüngere

William Pitt, der Jüngere
William Pitt der Jüngere auf einem Thomas Gainsborough zugeschriebenen Gemälde

William Pitt der Jüngere (* 28. Mai 1759 in Hayes, Kent; † 23. Januar 1806 in Putney bei London) war zweimal Premierminister von Großbritannien.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der zweite Sohn von William Pitt dem Älteren begann als 14-Jähriger in Cambridge zu studieren. Hier lernte er William Wilberforce kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Durch den Einfluss des Herzogs von Rutland erlangte er einen Sitz im Unterhaus für Aggleby. Er schloss sich hier der Whigpartei an, die sein Vater bis zu seinem Tod geleitet hatte, sprach gegen den amerikanischen Krieg, trug 1782 wesentlich zum Sturz des Ministeriums North bei und erreichte durch sein Drängen auf Abschaffung der Testakte, Emanzipation der Katholiken und namentlich auf Reform des Parlaments große Popularität. Untergeordnete Ämter, die ihm angeboten wurden, lehnte er ab; als aber Charles James Fox 1782 zurücktrat, trat Pitt als Schatzkanzler in das Ministerium Shelburnes ein. Seitdem war er der erklärte Gegner von Fox und dessen Politik. In das nach Shelburnes Sturz 1783 gebildete Koalitionsministerium Fox-North trat er deshalb nicht ein und bekämpfte die von Fox eingebrachte Indiabill, wonach alle Rechte der Ostindien-Kompanie an den Staat übergehen sollten, im Unterhaus auf das heftigste; sie ging zwar trotzdem durch, wurde aber im Oberhaus durch die unmittelbare Einwirkung des Königs verworfen. Georg III. entließ darauf das Ministerium und ernannte den 24-jährigen Pitt am 19. Dezember 1783 zum jüngsten Premierminister der britischen Geschichte.

Das Unterhaus wurde 1784 aufgelöst, und in dem neu zusammentretenden Parlament hatte Pitt die überwältigende Mehrheit. Durch einen India Act, den er einbrachte, wurde die Ostindische Kompanie einer von der Krone zu ernennenden Kontrollbehörde unterworfen. Mit Energie und Umsicht ordnete Pitt unter Anleitung von Adam Smith das zerrüttete Finanzwesen und hob namentlich durch die Einführung von Tilgungsfonds den öffentlichen Kredit. 1786 brachte er einen günstigen Handelsvertrag mit Frankreich zustande. Von 1792 bis 1806 war er Lord Warden of the Cinque Ports.

Am 2. April 1792 ging es im Parlament in einer langen Debatte – eingebracht von William Wilberforce – um das Verbot des Sklavenhandels. Obwohl schon erschöpft – es war bereits der 3. April fünf Uhr morgens – hielt Pitt die beste Rede seiner Laufbahn. Er analysierte alle Argumente seiner Gegner, ohne dabei den Faden zu verlieren. Er beschwor das Haus – sofort und ohne Verzögerung –, die Afrikaner wieder als Menschen zu betrachten. Gegen Ende seiner Rede zitierte er[1] leicht abgewandelt aus den Georgica (1, 250-251) von Vergil:

Nos primus equis oriens afflavit anhelis; illic sera rubens accendit lumina vesper.
(Uns ist der beginnende (Tag) mit (seinen) schnaufenden Pferden zuerst hold gewesen; dort (aber) entflammt der rötliche Abend die späten Lichter.)

Bei diesen Worten seien die ersten Sonnenstrahlen im Unterhaus hinter dem Redner erschienen, hieß es (nicht sicher verbürgt). Die Abstimmung ergab dann 230 zu 85 Stimmen dafür, den Sklavenhandel schrittweise abzuschaffen – ein Durchbruch, der schließlich 1808 zum völligen Verbot führte.

Allein die Ausschreitungen der französischen Revolution machten Pitt, dem sich seit 1791 viele ehemalige Whigs unter Führung Burkes anschlossen, immer konservativer, und er war bestrebt, dem Um-sich-Greifen der demokratischen Ideen in England durch die Fremdenbill, die zeitweilige Suspendierung der Habeas-Corpus-Akte (1794-1801), die Beschränkung des Vereins- und Versammlungsrechts und der Presse so energisch gegenzusteuern, dass ihn der Konvent in Paris zum „Feind des Menschengeschlechtes” erklärte.

Der Aufstand der Iren wurde mit blutiger Strenge unterdrückt und der infolge des kostspieligen, wenngleich wenig erfolgreichen Krieges mit Frankreich und wiederholter Missernten gefährdete öffentliche Kredit 1797 durch die Suspension der Bankakte und das Verbot der Bezahlungen vor völliger Vernichtung bewahrt, während die Einführung einer Einkommensteuer und wiederholte Anleihen die Mittel zur Fortsetzung des Krieges gewährten und Pitt in den Stand setzten, die nach dem 18. Brumaire gemachten Friedensvorschläge Bonapartes unbeantwortet zu lassen. Durch kolossale Bestechungen und glänzende Vorspiegelungen wurde Irland, um ihm jede selbständige Bewegung unmöglich zu machen, ganz mit England vereinigt (1800). Als aber der König sich weigerte, die von Pitt den irischen Katholiken in Aussicht gestellte Emanzipation gutzuheißen, trat Pitt am 3. Februar 1802 zurück. Ihm folgte ein Ministerium Addington, das im Mai 1802 den Frieden von Amiens schloss.

The plum pudding in danger: William Pitt der Jüngere (l.) und Napoléon Bonaparte teilen sich die Welt – dargestellt als Plumpudding – auf , karikaturistischer Cartoon von James Gillray, 1805

Als 1803 der Krieg wieder entbrannte, stürzte Pitt mit Charles James Fox das kraftlose Ministerium Addington und übernahm am 15. Mai 1804 wieder sein früheres Amt. Er ließ nun stark aufrüsten und brachte die dritte Koalition gegen Frankreich zustande. Aber auf seine ohnehin schwächliche Konstitution wirkten sich die ungeheuren Anstrengungen höchst nachteilig aus. Die Nachricht vom Ausgang der Schlacht bei Austerlitz gab ihm den Todesstoß. Er starb am 23. Januar 1806 mit dem Seufzer: „Oh my country!” (O mein Vaterland!)

Er wurde in der Westminster Abbey begraben, und durch Parlamentsbeschluss übernahm die Nation die Bezahlung von 40.000 Pfund Sterling Schulden, die Pitt hinterließ, der auch als Inhaber der höchsten Ämter nie daran gedacht hatte, ein Vermögen zu sammeln. Einfachheit und Liebenswürdigkeit zeichneten sein Privatleben aus. An Pitt als Redner rühmte man die klare Verständigkeit, die vortreffliche Dialektik, die vollendete innere und äußere Abrundung.

Pitts Schwager war der Politiker und Erfinder Charles Stanhope, 3. Earl Stanhope, der die erste eiserne Druckerpresse des Vereinigten Königreichs schuf. Dessen Tochter Hester Stanhope, später als Abenteurerin berühmt, diente Pitt bis zu seinem Tode als Haushälterin, bevor sie in den Orient aufbrach.

In Carol Reeds Spielfilm The Young Mr. Pitt (1942) wurde er als Kind von Geoffrey Atkins und als Erwachsener von Robert Donat dargestellt.

Einzelnachweise

  1. Text aus der Rede vom 2. April 1792 vor dem Unterhaus (engl.)

Literatur

Biographien

  • George Pretyman-Tomline: Memoirs of William Pitt. – 3 Bände, 1821 (Zeitraum bis 1792)
  • Philip Henry Stanhope, 5. Earl Stanhope: The Life of William Pitt. With extracts from his unpublished correspondence and manuscript papers. 3 Bände. John Murray, London 1861
  • Edward Walford: William Pitt: A Biography. 1890
  • T. Evan Jacob: The Life of William Pitt. 1890
  • Earl of Rosebery: Pitt. MacMillan, London 1891
  • Charles Whibley: William Pitt. W. Blackwood, Edinburgh 1906
  • John Holland Rose: William Pitt and National Revival. G. Bell & Sons, London 1911 online
  • John Holland Rose: William Pitt and the Great War. G. Bell & Sons, London 1911 online
  • John Holland Rose: Pitt and Napoleon: Essays and letters. G. Bell & Sons, London 1912
  • John Holland Rose: Der jüngere Pitt (Originaltitel: A short Life of William Pitt). (2. Auflage.) Rinn, München 1948, 235 S.
  • John Ehrman: The Younger Pitt. The Years of Acclaim. Constable, London 1969, ISBN 0-09455720-9
  • Derek Jarrett: Pitt the Younger. Weidenfeld and Nicolson, London 1974, ISBN 0-29776668-6
  • Robin Reilly: William Pitt the Younger. Cassell, London 1978, ISBN 0-30429781-X
  • John Ehrman: The Younger Pitt. The Reluctant Transition. Constable, London 1983
  • John Ehrman: The Younger Pitt. The Consuming Struggle. Constable, London 1996, ISBN 0-09475540-X
  • Michael Duffy: The Younger Pitt. Longman, Harlow und New York 2000, ISBN 0-58205279-3
  • William Hague: William Pitt the Younger. HarperCollins, London 2004, ISBN 0-00714719-8
  • Michael J. Turner: Pitt the Younger. A Life. Hambledon & London, London 2005, ISBN 1-85285377-8

Weiteres

  • Ludwig Reiners: Roman der Staatskunst. Leben und Leistung der Lords. (10. - 11. Tausend.) Beck, München 1968, 524 (VIII) S.



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