Berthold Deimling

Berthold Deimling
Berthold von Deimling

Berthold Deimling, seit 1905 von Deimling (* 21. März 1853 in Karlsruhe; † 3. Februar 1944 in Baden-Baden) war ein preußischer General und späterer Pazifist. Deimling war zeit seines Lebens eine umstrittene Persönlichkeit und erreichte durch spektakuläres Verhalten und Eigenmächtigkeiten eine höchst kontroverse Beurteilung. Er galt bis zum Ende des Weltkrieges als einer der Exponenten des „Säbelrasselns“. Die unmittelbar danach erfolgte Wende zum Pazifisten erschien den meisten Zeitgenossen als nicht nachvollziehbar.

Inhaltsverzeichnis

Militärische Laufbahn

Deimling trat 1871 als Einjährig-Freiwilliger in das 5. Badische Infanterie-Regiment Nr. 113 in Freiburg im Breisgau ein und wurde 1873 zum Sekondeleutnant befördert. 1875 wechselte er in das Infanterie-Regiment „Herzog von Holstein“ (Holsteinisches) Nr. 85 in Rendsburg. 1879 heiratete er. Er wurde 1880 zum Premierleutnant befördert, während er von 1879 bis 1882 die Preußische Kriegsakademie in Berlin absolvierte. Deimling nahm dann 1882 den Dienst im Infanterie Regiment Nr. 85 in Rendsburg wieder auf.

1886 wurde er in den Großen Generalstab in die Eisenbahn-Abteilung versetzt und 1888 zum Hauptmann befördert. Er war ab 1891 Generalstabsoffizier der 1. Division in Königsberg. 1893 wurde er Major und war ab 1895 im Generalstab des XVI. Armeekorps eingesetzt. 1898 wurde er Bataillonskommandeur im Infanterie-Regiment „Prinz Wilhelm“ (4. Badisches) Nr. 112 in Mülhausen (Sundgau). 1900 wurde er zum Oberstleutnant befördert und in den Großen Generalstab (Chef Operationsabteilung II) versetzt. Deimling wurde 1903 Oberst und Kommandeur des Infanterie-Regiments Nr. 112 in Mühlhausen und 1904 Kommandeur des neu aufgestellten 2. Feldregiments für den Einsatz in Südwestafrika.

Während des Nama-Aufstandes war er 1905 Stellvertreter des Oberbefehlshabers für die Südregion. Es folgte bereits 1905 die Heimreise wegen angeblicher „Felddienstunfähigkeit“ und ein Empfang beim Kaiser mit Erhebung in den erblichen Adelsstand. 1906 wurde er zum Kommandeur der Schutztruppe in Südwestafrika ernannt und 1907 zum Generalmajor befördert. Nach dem Ende der Kämpfe und Heimkehr der Interventionstruppen gab er das Kommando ab. Er wurde dann Kommandeur der Infanterie-Brigade 58 in Mühlhausen. 1910 erfolgte die Beförderung zum Generalleutnant und die Ernennung zum Kommandeur der 29. Division in Freiburg im Breisgau. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde er 1913 zum General der Infanterie befördert und Kommandierender General des XV. Armeekorps in Straßburg.

Ab 1914 war Deimling im Kriegseinsatz mit seinem Korps im südlichen Elsass, an der Aisne, vor Ypern in Flandern, vor Verdun. Am 3. September 1916 wurde er mit dem Pour le Merite für die Einnahme des Fort Vaux ausgezeichnet. Im Oktober 1916 wurde Deimling an der Somme eingesetzt. Am 19. November 1916 erfolgte eine Versetzung als „Abschnittskommandeur der Armee-Abteilung B“ in die mittleren Vogesen. Am 22. Mai 1917 erfolgte die zur Disposition-Stellung (Verabschiedung) unter gleichzeitiger Ernennung zum Chef des 1. Unter-Elsässischen Infanterie-Regiments Nr. 132.

Kritische Würdigung

Herero- und Nama-Aufstand

Oberst Deimling zeichnete sich ganz im Sinne des Kaisers und des Oberkommandierenden Generalleutnant von Trotha durch unnachgiebige Härte sowohl gegen den indigenen Gegner als auch gegenüber den eigenen Soldaten aus, was ihm schnell die Ablehnung der „Alten Afrikaner“, der langjährigen Schutztruppenoffiziere, aber auch die Anerkennung „von Höchster Stelle“ einbrachte. Er verstand es, selbst Misserfolge und Fehlleistungen in Erfolge umzudeuten. [1] Nach Beendigung des Herero-Feldzuges wurde er als Stellvertreter des Oberkommandierenden mit der Niederschlagung des Nama-Aufstandes beauftragt. Trotz häufiger Siegesmeldungen musste er die Aussichtslosigkeit des Unternehmens erkennen und ließ sich wegen einer „verletzten Schulter“ nach Deutschland entlassen. Wegen seiner Verdienste wurde er vom Kaiser in den Adelsstand erhoben. Nach seiner Genesung löste er den in Ungnade gefallenen von Trotha als Kommandeur der Schutztruppe in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika ab, mit der Weisung des Kaisers, den unpopulär gewordenen Krieg auf dem schnellsten Wege durch Verhandlungen und Zugeständnisse zu beenden.

Kolonialvorlage

Unmittelbar vor seiner Abreise als Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika erregte er einen Eklat im Reichstag, als er als „Fachmann“ der Reichsregierung in der Haushaltsdebatte über die Kolonien auftrat und ausrief: „Solange ich die Ehre habe, das Kommando draußen zu führen, wird der Süden nicht aufgegeben […] es sei denn, dass Seine Majestät der Kaiser es befiehlt, der allein darüber zu bestimmen hat und sonst niemand.“ [2] Die Parlamentarier quer durch alle Parteien reagierten daraufhin mit Empörung und die entsprechende Regierungsvorlage verfiel der allgemeinen Ablehnung.

Die Satirezeitschrift Kladderadatsch ergänzte seinen Redebeitrag mit den Versen:

Ich bin der Herr von Deimling
und Oberst noch zur Zeit.
Ich bin kein Haferschleimling,
Ich bin von Mark und Schneid.
Ich fuchtle mit dem Säbel
Am Bundesratestisch
Und hack’ aus Spahn und Bebel
Mir ein Ragoutgemisch[3]

Zabernaffäre

Deimlings Ernennung 1913 zum Kommandierenden General in Straßburg, dessen Wirkungsbereich fast das gesamte Elsass umfasste, wurde aufgrund seines bisherigen öffentlichen Auftretens als Verantwortlicher in Mühlhausen und Freiburg sowie der Drohung des Kaisers gegenüber dem Straßburger Oberbürgermeister, die erst zwei Jahre alte Verfassung in „Scherben zu schlagen“ und zur Diktatur zurückzukehren, durchaus nicht als Befriedung des gespannten Verhältnisses zwischen Militär und Zivilbevölkerung in Elsass-Lothringen aufgenommen. Im Gegenteil nutzte Deimling jede Gelegenheit, um das beanspruchte Primat des Militärs auch gegenüber dem Statthalter (Oberpräsident) für Elsass-Lothringen Karl Graf von Wedel zu betonen. Nur in diesem politischen Klima konnte die Hybris eines zwanzigjährigen Leutnants zu einer ernsten Staatskrise, der Zabernaffäre wachsen, zumal der Kommandierende General nicht nur nichts tat, um die Wogen zu glätten, sondern im Gegenteil allen nachgeordneten Beteiligten den „Schutz des Kaisers“ angedeihen ließ und den schon um seine Beurlaubung bittenden Regimentskommandeur diese verweigerte und zu unnachsichtigem Durchgreifen aufforderte. Das Telegramm des Kronprinzen an Deimling und Reuter, den Regimentskommandeur, in dem er schrieb „Bravo!“ und „Immer feste druff“, es müsse „ein Exempel statuiert werden, um den Herren Eingeborenen die Lust an derartigen Vorfällen zu versalzen“, das durch einen elsässischen Telegrafenbeamten öffentlich wurde, zeigt die eigentliche Verantwortung an der Affäre.

„Schlächter von Ypern“

Mit der Verlegung 1914 seines XV. Armeekorps ins heftig umkämpfte Flandern versuchte Deimling mehrfach eigenmächtig – entgegen anders lautenden Befehlen – militärische Erfolge an seinen Namen zu heften. Diese Eigenmächtigkeiten wirkten sich jedoch zu weitreichenden Katastrophen aus und zogen auch politische Folgen nach sich. Die mehrfachen Versuche, Ypern zu erobern, blieben im „Schlamm und Blut“ stecken. So ließ er am 4. November 1914 ohne militärischen Grund und gegen die ausdrückliche Weisung seines Oberbefehlshabers Kronprinz Rupprecht von Bayern die berühmten mittelalterlichen Tuchhallen von Ypern in Schutt und Asche legen.

Am 15. November ließ er vier Regimenter mit insgesamt 12.000 Mann mit Regimentsmusik und Spielen des „Deutschlandliedes“ angreifen; knapp die Hälfte überlebte. Dort wurde sein Ruf als „Schlächter von Ypern“ geboren. Entgegen dem Rat aller seiner Regimentskommandeure ließ er am 22. April 1915 Giftgas in großem Stil einsetzen, das erste Mal auf deutscher Seite.

Dienstende – Kriegsende

Auf Betreiben Hindenburgs und Ludendorffs, seines ehemaligen untergebenen Brigadekommandeurs, wurde Deimling Mitte November 1916 von seinem Kommando abgelöst, offenbar wegen Erfolglosigkeit und Eigenmächtigkeiten, und trat nach einem kurzen Intermezzo in der Etappe im September 1917 endgültig in den Ruhestand. Der Kaiser ernannte ihn zum Chef des Infanterieregiments Nr. 132 (1. Unterelsässisches), eine im Kriege seltene Auszeichnung. Trotz bis zuletzt heftigen Bemühens wurde er nicht wieder eingesetzt.

Mit Kriegsende stellte er sich dem Badener Soldatenrat zur Verfügung und war für den Baden-Badener Bezirk zuständig für die Durchschleusung der zurückflutenden Truppen und für die Entmilitarisierung eines 30 Kilometer breiten Streifens entlang des Rheins.

Weimarer Republik

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er überzeugter Pazifist und war im Vorstand der Deutschen Friedensgesellschaft. Er war Mitglied der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und Mitbegründer des Republikschutzbundes „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold". Deimling wurde als einer von 13 DDP-Mitgliedern in den Reichsausschuss des Reichsbanners gewählt, ein Gremium, das den Bundesvorstand beraten und kontrollieren sollte.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. [Nachlass Franke, Viktor, N 1030 (Bundesarchiv Koblenz) Tagebucheintrag v.19.08.1904]
  2. [Stenographische Berichte über Verhandlungen des Reichstags 217, Sitzung v.26.05.1906,S.3538]
  3. zitiert nach Frankfurter Zeitung Nr.932 v. 15.121930

Weblinks


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