Lothar von Trotha

Lothar von Trotha
General Lothar von Trotha

Adrian Dietrich Lothar von Trotha (* 3. Juli 1848 in Magdeburg; † 31. März 1920 in Bonn) war ein preußischer Offizier, zuletzt General der Infanterie. Sein „Vernichtungsbefehl“ gilt als Grundlage des Völkermordes an den Herero.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Lothar von Trotha entstammte einer preußischen Offiziersfamilie, die zu dem weitverzweigten alten Adelsgeschlechtvon Trotha“ aus dem Saalekreis mit Stammhaus Burg Trotha im heutigen Halle-Trotha gehört. Ein häufiger Wohnortwechsel, bedingt durch den Offiziersberuf seines Vaters, prägte die Kindheit mit. So besuchte von Trotha Gymnasien in Wittenberg, Koblenz und Köln.

Er heiratete in erster Ehe am 15. Oktober 1872 in Mainz Bertha Neumann (* 15. Februar 1850 in Graudenz; † 9. Oktober 1905 in Berlin), die Tochter von NN. Neumann und Auguste Spaencke. Aus dieser Ehe stammen zwei Kinder.

In zweiter Ehe heiratete Trotha am 19. Mai 1912 in London Lucy Goldstein-Brinckmann (* 30. April 1881 in Frankfurt am Main; † 30. Januar 1958 in Bonn), die Tochter von Bankdirektor Heinrich Goldstein-Brinckmann und Christel Brinckmann. Die Ehe blieb kinderlos.

Militärischer Werdegang

Trotha trat am 24. November 1865 als Fahnenjunker in das 2. Garde-Regiment zu Fuß der Preußischen Armee ein und nahm am Preußisch-Österreichischen und Deutsch-Französischen Krieg teil. Dort erhielt er das Eiserne Kreuz II. Klasse. Am 17. August 1900 wurde ihm während des Boxeraufstands das Kommando der 1. Ostasiatischen Infanterie-Brigade übertragen. Am 3. Mai 1904 wurde er Kommandeur der kaiserlich deutschen Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika.

Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika

Lothar von Trotha 1904 mit seinem Stab

Am 3. Mai 1904 erfolgte nach der Abberufung Theodor Leutweins die Ernennung zum Oberbefehlshaber und Gouverneur von Deutsch-Südwest-Afrika mit dem Auftrag, den Aufstand der Herero niederzuschlagen. In seinem „Aufruf an das Volk der Herero (s. u.)“ forderte er die Aufständigen zur Übergabe von Anführern auf und kündigte die Vertreibung des Volkes und die Tötung männlicher Volksangehöriger an. Unter seiner Führung wurden die Herero bei der Schlacht am Waterberg entscheidend von der Schutztruppe geschlagen und flohen in die Trockensavanne der Omaheke. Die Deutschen verjagten die Flüchtlinge dort von den wenigen umliegenden Wasserstellen, Zehntausende verdursteten auf der Flucht.

Die Ernennung Trothas zum Kommandanten der Kaiserlichen Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika war aufgrund seines Charakters – wie verschiedene Zeitgenossen berichten (s. u.) – umstritten. Im Offizierskorps der Schutztruppe wurde sogar darüber diskutiert, sich mit einer Eingabe direkt an Kaiser Wilhelm II. zu wenden, um die Berufung von Trothas rückgängig zu machen. Den Berichten zufolge wird von Trotha als ausgesprochen machthungrig, hart, unnachgiebig und beratungsresistent skizziert. Dementsprechend unbeliebt war von Trotha in Deutsch-Südwestafrika. Es kam zu ernsten Auseinandersetzungen mit Offizieren der Schutztruppe, z. B. mit Oberst Berthold Deimling oder Major Ludwig von Estorff. Die einheimischen Hilfstruppen reagierten auf ihre Weise: Cornelius meldete sich krank und kehrte mit seinen Bethaniern nach Hause zurück. In der Witbooi-Abteilung kam es zu Desertionen. Die Loyalität der Nama, insbesondere die von Hendrik Witbooi, geriet ins Wanken. Der Aufstand der Nama im Oktober 1904 war eine unmittelbare Folge des Kommandowechsels von Oberst Leutwein auf von Trotha.

Nach dem Tod des Nama-Führers Hendrik Witbooi am 29. Oktober 1905 im Gefecht bei Fahlgras hielt Trotha seine Aufgabe für beendet und bat um seine Abberufung. Am 19. November 1905 verließ er das Land. Friedrich von Lindequist übernahm die Nachfolge von Trothas als Gouverneur, Oberst Berthold von Deimling als Kommandeur der Schutztruppe. Da man ihn für den schleppenden Verlauf des „Hottentottenkrieges“ verantwortlich machte, fiel er – ebenso wie der Gouverneur Leutwein – beim Kaiser in Ungnade. Zwar hat man v. Trotha mit dem OrdenPour le Mérite“ ausgezeichnet, um damit seine militärischen Erfolge zu würdigen. Bei seiner Ankunft in Berlin wurde von Trotha jedoch von Kaiser Wilhelm II. demonstrativ nicht empfangen und später auch von offiziellen Kreisen gemieden.

Das vom Chef des Generalstabs, von Schlieffen, und dem Kaiser lange unterstützte Vorgehen der Kaiserlichen Schutztruppen unter Trotha gegen die Herero gilt als der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts und kostete rund 80.000 Menschen das Leben.[1] Diese Einschätzung stützt sich vor allem auf die bereits zuvor erklärte Vernichtungsabsicht des Hererovolkes durch von Trotha und Schlieffen[1], die von anderen Personen und Gruppen unterstützt wurde. Tatsächlich wurde selbst in Gesellschaft von Militärs offen der Wille zur Vernichtung ganzer Stämme geäußert.[2] Auch Trotha selbst hat mehrfach seine Bereitschaft geäußert, die Herero zu vernichten.[3]

Grab Lothar von Trothas auf dem Poppelsdorfer Friedhof in Bonn

Der Schießbefehl mit der erklärten Weigerung, Gefangene zu machen, in Verbindung mit der Sperrung der Wasserstellen nach der Schlacht am Waterberg vom 11. August 1904 stellte die praktische Umsetzung dieser Absicht dar. Die Folge war die Flucht in die Wüste Omaheke und das Verdursten zahlreicher Herero. Die Überlebenden wurden weitab von ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten und unter widrigen klimatischen Bedingungen in Konzentrationslagern interniert, die nur rund jeder zweite Insasse überlebte.[1]

Aufruf an das Volk der Herero

„Aufruf an das Volk der Herero Abschrift zu O.K. 17290 Osombo-Windembe, den 2. Oktober 1904
Kommando der Schutztruppe.
J.Nr. 3737
Ich, der große General der deutschen Soldaten, sende diesen Brief an das Volk der Herero. Die Hereros sind nicht mehr deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und andere Körperteile abgeschnitten, und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen. Ich sage dem Volk: Jeder der einen der Kapitäne an eine meiner Stationen als Gefangenen abliefert, erhält 1000 Mark, wer Samuel Maharero bringt, erhält 5000 Mark. Das Volk der Herero muß jedoch das Land verlassen.
Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen. Innerhalb der Deutschen Grenze wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Hereros.
Der große General des mächtigen deutschen Kaisers.
Dieser Erlaß ist bei den Appells der Truppen mitzuteilen mit dem Hinzufügen, daß auch der Truppe, die einen der Kapitänen fängt, die entsprechende Belohnung zuteil wird und das Schießen auf Weiber und Kinder so zu verstehen ist, daß über sie hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu zwingen. Ich nehme mit Bestimmtheit an, daß dieser Erlaß dazu führen wird, keine männlichen Gefangenen mehr zu machen, aber nicht zu Grausamkeiten gegen Weiber und Kinder ausartet. Diese werden schon fortlaufen, wenn zweimal über sie hinweggeschossen wird. Die Truppe wird sich des guten Rufes des Deutschen Soldaten bewußt bleiben. der Kommandeur
gez. v. Trotha, Generalleutnant.[4]

Stimmen über Trotha

Generalmajor Nikolaus Ritter von Endres berichtete am 10. Mai 1904 an das Bayerische Kriegsministerium, „dass die Ernennung des Generalleutnants von Trotha zum Führer des Expeditionskorps gegen den Widerspruch des Reichskanzlers, des Chefs des Generalstabes und des Kolonialdirektors von seiner Majestät [Kaiser Wilhelm II., Anm. d. Verf.] verfügt wurde.[5]

Von den alten Afrikanern wurde diese Ernennung ebenfalls durchweg abgelehnt. Hermann von Wissmann, Forscher, Afrikadurchquerer und Offizier urteilte über von Trotha folgendermaßen:

„Er war ein schlechter Staatsmann, wie er als Führer im Kriege nicht ausreichte und dazu ein unedler, selbstsüchtiger und kaltherziger Mensch.[6]

Der spätere Kommandeur der Schutztruppe, Major von Estorff, laut Generalstab, einer unserer erfahrensten Afrikaner, schrieb:

„Wissmann, der ihn von Ostafrika her kannte, hatte sich seiner Ernennung widersetzt, aber er ward nicht gehört. Wie soll das in großen Verhältnissen werden, wenn sich schon jetzt solcher Mangel an Menschenkenntnis daheim offenbart.[6]

Im Offizierskorps der Schutztruppe wurde darüber diskutiert, sich mit einer Eingabe direkt an Kaiser Wilhelm II. zu wenden, um die Berufung Trothas rückgängig zu machen.

Zitat

„Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme in Strömen von Blut und Strömen von Geld. Nur auf dieser Aussaat kann etwas Neues entstehen.“

Lothar von Trotha[7]

Entschuldigung der Familie

Es gibt keine lebenden Nachfahren Lothar von Trothas. Im Jahre 2004 luden Mitglieder der Familie von Trotha Alfons Maharero, einen Hererohäuptling und Nachfahren Samuel Mahareros, nach Deutschland ein. Sie entschuldigten sich öffentlich für Lothar von Trothas Taten und baten um Vergebung. Im Oktober 2007 fand ein Gegenbesuch in Omaruru statt.[8] Jedoch besitzt Alfons Maharero keine Funktion als offizieller Vertreter der heute lebenden Herero.

Literatur

  • Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser A Band XXVI, Seite 551, Band 126 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 2001, ISSN 0435-2408
  • Georg Rau: Deutsch-Südwestafrika. Bilder aus den Kriegen gegen die Hereros und Hottentotten. Mit einem Geleitwort des Generalleutnants z.D. Lothar v. Trotha; Verlag Stern & Schiele, Berlin-Schöneberg 1907. s.a. http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2010/15484/
  • Zimmerer, Jürgen und Joachim Zeller (Hg.) (2003): Völkermord in Deutsch-Südwestafrika. Der Kolonialkrieg (1904–1908) in Namibia und seine Folgen. Berlin: Links.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Dominik J. Schaller: »Ich glaube, dass die Nation als solche vernichtet werden muss: Kolonialkrieg und Völkermord in «Deutsch-Südwestafrika» 1904-1907«, in: Journal of Genocide Research,6:3, S.398
  2. Johannes Spiecker, Tagebuch [Archiv der Rheinischen Mission, Aktennummer RMG 3.346]: 885f
  3. Johannes Spiecker, Tagebuch [Archiv der Rheinischen Mission, Aktennummer RMG 3.346]: 542
  4. Vgl. Bundesarchiv Berlin Lichterfelde, R 1001, Nr. 2089, Bl. 100 ff. Zit. in: Michael Behnen (Hrsg.), Quellen zur deutschen Außenpolitik im Zeitalter der Imperialismus 1890-1911, Darmstadt 1977, S. 291 ff.
  5. Vgl. Helmut Bley, South-West Africa under German rule 1894-1914, Evanston 1971, S. 158 ff.
  6. a b Vgl. Walter Nuhn, Sturm über Südwest. Der Hereroaufstand von 1904. Ein düsteres Kapitel der Deutschen kolonialen Vergangenheit Namibias, Bonn 1989.
  7. Trotha an Leutwein, zitiert nach Horst Drechsler: Südwestafrika unter deutscher Kolonialherrschaft. Der Kampf der Herero und Nama gegen den deutschen Imperialismus (1884–1915). 2. Auflage, Berlin 1984, S. 156. Vgl. Mauerstraße 45/46: Das Oberkommando der Schutztruppen. In: Afrika in Berlin – Ein Stadtspaziergang des Deutschen Historischen Museums.
  8. Deutsche Entschuldigung für Herero-Massaker. Auf: derstandard.at.

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