Blechblasinstrument

Blechblasinstrument
Blechblasinstrumente

Ein Blechblasinstrument (ital.: ottoni) ist ein Blasinstrument, bei dem die Töne mit einem Kessel- oder Trichtermundstück nach dem Prinzip der Polsterpfeife angeblasen werden: Die schwingenden Lippen des Musikers erzeugen den Ton, das Musikinstrument in Form einer Röhre ist der Resonator. Musikwissenschaftlich gehören sie nach der Hornbostel-Sachs-Systematik zur Gruppe der Aerophone.

Inhaltsverzeichnis

Bedeutung des Materials der Grundröhre

Für die Unterscheidung nach Holz- oder Blechblasinstrument ist gerade nicht das Material der Grundröhre entscheidend, sondern das Material im eigentlich tonerzeugenden Teil (im Mundstück). Bei gängigen Instrumenten wie der Trompete und Posaune ist das Mundstück normalerweise aus Metall, also zählen sie zu den Blechblasinstrumenten.

Die überwiegende Mehrheit der Blechblasinstrumente wird aus Blech von Metalllegierungen wie Messing oder Neusilber hergestellt. Besonders bei großen Instrumenten wie dem Sousaphon kommen mitunter Faserverbundwerkstoffe zur Gewichtsersparnis zum Einsatz. Hölzerne Instrumente wie das Alphorn oder das Didgeridoo funktionieren zwar nach dem gleichen Prinzip, werden aber im allgemeinen Sprachgebrauch genauso wie die mit Tonlöchern ausgestatteten Serpente und Zinken historisch nicht zu den Blechblasinstrumenten gezählt, obwohl sie instrumentenkundlich dazu gehören, von professionellen Musikern auch so bezeichnet werden und nur der laienhafte Sprachgebrauch hier irrt. Dasselbe gilt für die aus Plastik bestehenden Vuvuzelas. Das Klappenhorn und die Ophikleide zählen dagegen allgemein anerkannt im Hinblick auf ihre Entwicklungsgeschichte zu den Blechblasinstrumenten. Auch sie werden mit einem Kesselmundstück angeblasen.

Das Saxophon und die Querflöte hingegen gehören aufgrund ihrer Tonerzeugung zur Gruppe der Holzblasinstrumente, obwohl ihr Korpus meist aus Metall hergestellt werden.

Prinzip der Tonerzeugung

Die meisten Musikinstrumente bestehen aus einem Schwingungserzeuger (Generator) und einem Schwingungsverstärker (Resonator). Die Besonderheit der Blechblasinstrumente liegt darin, dass die Schwingungserzeugung durch die Lippen des Spielers erfolgt und somit ein menschliches Organ in diesem Sinne Teil des Instruments wird. Die Luft wird gleichmäßig durch die seitlich gespannten vibrierenden Lippen durch ein Instrumentenmundstück durch das Instrument geblasen. (Zu den physikalischen Grundlagen siehe: Polsterpfeife)

Je gleichmäßiger die Lippen entsprechend der gewünschten Tonhöhe schwingen, umso „sauberer“ ist der Ton in seiner Qualität. Die ersten Millisekunden in der Tonerzeugung entscheiden die physiologische Qualität eines Instrumententones. Die Dauer eines auszuhaltenen Tones ist abhängig vom Lungenvolumen des Bläsers und der geblasenen Dynamik (Musik): Töne bis ca. 60 Sekunden sind bei geringer Lautstärke möglich (Ausnahme: Zirkularatmung).

Physik der Tonerzeugung

Durch das Schwingen der Lippen am Instrument entsteht in diesem eine stehende Welle durch schwingende Luftmoleküle (Grundlegendes dazu in: Polsterpfeife). Der eigentliche Ton tritt am Schallstück aus. Bei den Blechblasinstrumenten hat speziell die Schalltrichterform (auch Schallbecher) physikalisch/akustische Auswirkungen zum einen auf die Klangfarbe und zum anderen auf den Intervallabstand der Naturtöne. Dieser instrumententypische Exponentialtrichter gibt teilweise Schall-Energie in die Umgebung ab, der andere Teil wird zur Erzeugung der stehenden Welle (die aus vielen Impulsen den eigentlichen Ton bildet) wieder ins Rohr reflektiert, der bei den Lippen einen neuen Impuls auslöst. Gleichzeitig entsteht der Effekt der variablen akustischen Rohrlänge: Die Form des Schalltrichters bestimmt den Reflexionspunkt außerhalb des Trichters. Er kann mit Hilfe des Ansatzes verschoben werden, im Prinzip wird dadurch die akustische (=klingende) Rohrlänge verändert. Dieses Phänomen ist zurzeit noch nicht ausreichend erforscht, einen Einfluss hat z. B. auch die Form des Mundinnenraumes des Bläsers oder die Stellung der Zunge.

Einfluss der Schalltrichterform

Nur leicht geöffnete, flache Trichter sind Bügelhörner. Diese Instrumente sprechen sehr leicht an, klingen aber leiser und weicher, da sie nur wenig Obertöne haben. Die Tonhöhe kann vom Bläser mit dem Ansatz gut variiert werden (+10/–50 Cent). Flache Trichter stellen für die Reflexion eine ungenaue Abrisskante dar. Der Trichter verstärkt die Schwingung nur wenig, relativ wenig Schallenergie wird an die Umgebungsluft abgegeben. Gleichzeitig wird dadurch mehr Energie ins Instrument reflektiert, die die leichtere Bildung der stehenden Welle unterstützt.

Steilere Trichter haben Trompete oder Posaune, die relativ schwer ansprechen, aber einen obertonreichen, hellen bis scharfen Ton haben können, der schwieriger intonierbar ist. Dieser lässt sich mitunter nur sehr geringfügig durch Ansatztechnik verschieben, Intonationskorrekturen sind nur in eng begrenztem Umfang möglich. Steile Trichter bilden eine scharfe Abrisskante, geben somit mehr Schallenergie ab und verstärken den Ton. Die Instrumente klingen lauter, verringern dadurch aber gleichzeitig die reflektierte Energie zur Bildung der stehende Welle.

Einfluss der Mensur

Das Kessel- oder Trichtermundstück steckt in einem meist konischen Mundrohr. Die nachfolgenden zylindrischen Rohre, wo sich auch die Ventilbögen befinden, definieren die „Bohrung“. Mitunter folgt darauf noch ein konischer „Anstoß“, bevor das Instrument im Schallstück mit dem Schalltrichter mündet. Die Längen und Durchmesser dieser einzelnen Segmente bestimmen insgesamt die Mensur des jeweiligen Blechblasinstruments. Dieser Begriff bezeichnet also die Steigung des Rohrdurchmessers zur jeweiligen Position in der Grundrohrlänge. Ein exaktes metrisches Maß kann daher nicht definiert werden, sondern man vergleicht meistens gleichlange Instrumente miteinander.

Die Mensur bestimmt einerseits die Klangfarbe des Instruments: Eine Posaune klingt heller als ein Baritonhorn. Andererseits beeinflusst sie, wie gut der 1.Naturton (der „Grundton“) anspricht. Der tiefste spielbare Ton der Naturtonreihe liegt mitunter eine Oktave über dem eigentlichen Grundton. Entsprechend schwierig ist es, tiefe Passagen auf dem F-Waldhorn zu spielen, während die gleiche Lage bei einer gleich langen F-Tuba den Normalfall bildet.

Weiterhin hat die Mensur Einfluss auf den exakten Intervallabstand der Naturtonreihe. Durch gezielte punktuelle Durchmesserveränderungen können bestimmte Naturtöne in ihrer Intonation verändert werden.

Mensurtypen bei Blechblasinstrumenten

Verschiedene Mensurtypen: 1 weitmensuriert; 2 engmensuriert
  • Engmensuriert − Das Mundrohr ist leicht konisch (Naturtrompete) oder zylindrisch (manche Posaune), ca. 60 % der Gesamtlänge sind zylindrisch, der Schalltrichter weit geöffnet.
  • Mittelmensuriert − Das Mundrohr und das Schallstück sind lang und stark konisch, zylindrische Anteile relativ kurz z. B. wie bei dem Waldhorn ca. 30 % der Gesamtlänge, der Schalltrichter ist weit ausladend.
  • Weitmensuriert − Die Mensur ist bis auf wenige Anteile durchgehend stark konisch, der Schalltrichter wenig ausladend. z. B.: Flügelhorn, Tenorhorn, Bariton, Tuba

Tonhöhensteuerung

Skizzierte Stehende Welle des (von oben nach unten) 1.; 2.; 3.; 4. und 5. Naturtons in einem konischen Blechblasinstrument

Entstehung der Naturtöne

Durch Erhöhung der Lippenspannung überblasen Blechblasinstrumente jeweils zu dem Ton, dessen Frequenz das nächste ganzzahlige Vielfache der Frequenz des Grundtons bildet. Zwei, drei, vier oder mehr Halbwellen entstehen im Rohr, woraus sich die Naturtonreihe des jeweiligen Instruments ergibt. Der tiefste spielbare Ton hängt vordergründig von der praktischen Gesamtrohrlänge des Instrumentes ab (siehe auch unter Falsett).

Der höchste spielbare Ton ist vom Können des Bläsers abhängig, das Mundstück hat allerdings einen starken Einfluss darauf. Kleinere Mundstücke mit engerer Bohrung begünstigen die Ansprache höherer Töne, führen aber zu einem schärferen Klang vor allem in den tieferen Lagen.

Veränderung der Resonanzrohrlänge

Um eine chromatische Spielweise zu ermöglichen, stattete man Blechblasinstrumente bereits im 14. Jahrhundert mit der Möglichkeit aus, die Rohrlänge durch einen Zug (Teleskop-Rohr) zu verlängern (Zugtrompete, Posaune). Dadurch erschlossen sich weitere proportional verschobene Naturtonreihen. Das Gegenteil dazu bilden die danach entstanden Instrumente mit Tonlöchern oder Klappen (Klappenhorn, Ophikleide), bei denen die Luftsäule entsprechend verkürzt wird.

Die bedeutendste Innovation bildet jedoch die Erfindung der Ventilinstrumente um 1813 durch Friedrich Blühmel und Heinrich Stölzel, die seither die überwiegende Mehrzahl aller gängigen Blechblasinstrumente bilden.

Bald darauf setzte sich die klassische Konfiguration mit drei Ventilen durch, die den Grundton um jeweils zwei, einen und drei Halbtöne erniedrigen. Mit einem solchen dreiventiligen Instrument ist es möglich, ab einer Quinte über dem Grundton eine durchgehende chromatische Tonleiter zu spielen.

Tuba in F

Ist noch ein weiteres Ventil vorhanden, so handelt es sich in der Regel um ein Quartventil (fünf Halbtöne). Historisch wurden manche Instrumente aus Gründen der Intonation auch mit fünf, sechs oder mehr Ventilen gebaut, eine Praxis, die sich bis heute bei der Tuba erhalten hat. (Weitere Informationen dazu finden sich unter Ventil (Blasinstrument) sowie den Artikeln zum jeweiligen Instrument selbst.)

Heutzutage werden vorwiegend Posaunen mit einem Zug (teilweise ergänzt durch ein oder zwei Ventile) gespielt. Klappeninstrumente werden überwiegend nur noch im Sinne der historischen Aufführungspraxis verwendet.

Zur Hilfe beim Intonieren schlecht stimmender Töne vor allem bei der Kombination mehrerer Ventile, wird bei diesen der Ventilverlängerungszug (mitunter auch der Hauptstimmzug) während des Blasens mit Hilfe einer Vorrichtung oder in Form eines so genannten Trigger ausziehbar und somit veränderlich gestaltet.

Geschichte

Antike

Als das Grab des Pharao Tutanchamun aus dem Jahre 1323 v. Chr. entdeckt wurde, fand man auch zwei Exemplare des ältesten heute noch erhaltenen Blechblasinstrumentes, des Scheneb. Diese trompetenartigen Instrumente sind ca. 58 cm lang, haben einen Durchmesser von 17 mm (Anblasseite) bis 26 mm und einen anschließenden Schalltrichter mit bis 88 mm. Gefertigt sind beide Instrumente aus getriebenem und verlötetem Blech: Das eine aus teilweise vergoldetem Silber, das andere aus einer Kupferlegierung. Über Blastechniken und eine konkrete Verwendung ist nichts schriftlich überliefert, bildliche Darstellungen (vermutlich bereits ab ca. 2300 v. Chr.) stellen sie in einen militärischen oder repräsentativen Zusammenhang.

Ein weiteres Instrument aus diesem Kulturkreis ist die jüdische Chazozra. Im Kontext des Alten Testaments (Tanach) wird Mose von Gott nach dem Auszug aus Ägypten aufgefordert (4 Mos 10 EU), zwei Trompeten aus getriebenem Silber zu fertigen. Verbunden damit ist an gleicher Stelle eine relativ ausführliche Vorschrift zur Anwendung. Allerdings sind auch sie sowohl nicht zum eigentlichen Musizieren gefertigt als auch nicht dazu geeignet: Der religiöse Gebrauch oblag den Leviten im Jerusalemer Tempel. Originale Instrumente sind wahrscheinlich nicht erhalten, die letzten dürften gemäß der Abbildung im Titusbogen der Plünderung des Tempels zum Opfer gefallen sein.

Während also Scheneb und die Chazozra aus geschmiedeten und verlöteten Blechen bestanden, war auch die Kunst des Wachsausschmelzverfahrens bereits ab dem 4. vorchristlichen Jahrtausend bekannt. Mehrere Instrumente entstanden so:

  • Teile der griechische Salpinx waren so gefertigt: Eine lang gestreckte Trompete mit aus Bronze gegossenem Mund- und Schallstück und 13 Zwischenstücken aus Elfenbein. Ein erhaltenes Instrument (157 cm lang) von ca. 450 v. Chr. befindet sich im Museum of Fine Arts, Boston.

Die Römer übernahmen ab ca. 300 v. Chr. aus der Kultur der Etrusker auch verschiedene Blechblasinstrumente aus gegossener Bronze mit abnehmbaren Mundstücken.

  • Die tuba ist ein langgestrecktes, durchgehend konisches Instrument, ein erhaltenes Exemplar im Etruskischen Museum (Villa Giulia) in Rom, ist 117 cm lang und hatte ein schwach ausladendes Schallstück.
  • Das G-förmig gebogene cornu war ein langes, um den Körper des Bläsers gebogenes Instrument. Ähnlich geformt war die bucina.
  • Die Hakenform des römischen lituus und des keltischen karnyx entstanden vermutlich durch die Verbindung eines geraden Rohrs mit einem krummen Tierhorn als Schallbecher.
  • Die paarweise verwendeten Luren der Germanen erhielten ihre Form vielleicht durch die Nachahmung von Mammutstoßzähnen.

Mittelalter und Neuzeit

Trompeten und Posaunen

Ob die Kunst des Biegens dünnwandiger Rohre von der Antike durch das Mittelalter tradiert wurde oder im Abendland neu entdeckt werden musste, ist nicht mit Sicherheit geklärt. Frühmittelalterliche Instrumente waren gestreckt, die früheste Abbildung einer S-förmig gewundene Form ist auf einer Miniatur von 1377 (Cronicles of France) in der British Library zu sehen.

Als Standardform bildete sich ab ca. 1500 die einmal gewundene Langtrompete heraus, die als Barocktrompete bis zum Ende des 18. Jahrhunderts praktisch unverändert blieb. Da auf festen Röhren nur Naturtonreihen möglich sind und das Clarino-Spiel in der hohen Lage unüblich wurde, kam der Wunsch nach spielbaren Tönen zwischen den (tieferen) Naturtönen auf. Das Stopfen war für Trompeten nur beschränkt praktikabel. Auch der ständige Wechsel zwischen Instrumenten unterschiedlicher Stimmung war keine Verbesserung. Ein erster Schritt war die Veränderung der Rohrlänge durch aufgesteckte Rohrstücke (Setzstücke). Zur Erzeugung schnell aufeinander folgender Halbtonschritte wurde an den Instrumenten (Tromba da tirarsi) wahrscheinlich ein teleskopartig ausziehbares Mundrohr verwendet (Gemälde von Hans Memling, ca. 1480).

Die Entwicklung des ausziehbaren Doppelzuges und somit der eigentlichen Posaune fand wahrscheinlich Mitte des 15. Jahrhunderts in Burgund (Südfrankreich) statt. Zeitgleich entstanden dünnwandige Instrumente mit dem wesentlichen Merkmal des heutigen Waldhorns, der kreisrund gebogenen Röhre. Es finden sich Abbildungen solcher „Hörner“ auf Darstellungen in Worcester oder in Terlan im Tirol.

In heutigen Sinfonieorchestern sind die Blechblasinstrumente meistens in der Mitte hinten angeordnet.

Grifflöcher und Ventile

Aus der Familie der Zinken, die in der Renaissance verbreitet war und nach heutiger Terminologie zu den Blechblasinstrumenten gehört, entwickelten sich weitere Formen von Grifflochhörnern. Die Tonhöhenveränderung des Grifflochhorns erfolgt analog einem Holzblasinstrument: Über Grifflöcher oder Klappen erreicht der Bläser eine Verkürzung der schwingenden Luftsäule. Der Klangcharakter der erzeugten Töne war nach den Maßstäben des 19. Jahrhunderts jedoch nicht so befriedigend wie der eines natürlichen Tons. Trotzdem hielten sich Serpent, Basshorn und die modernere Ophikleide bis weit ins 19. Jahrhundert. Mit der Ophikleide und der Tuba wurden Instrumente entwickelt, die auch im Bassbereich chromatisch spielbar waren. Aus dem italienischen Raum kamen Klappenhorn und Klappentrompete, die sich als volkstümliche Instrumente lange Zeit hielten.

Die Erfindung der Ventile seit den 1810er-Jahren veränderte die Bedeutung der Blechblasinstrumente und deren Stellenwert in der Musik. Die Oper Rienzi von Richard Wagner (UA 1842 in Dresden) verwendete bereits Ventiltrompeten, nach dem Vorbild der Cornets à pistons in der französischen Oper. Das chromatisch spielbare Kornett, in deutschen Sprachgebiet oft „Posthorn“ genannt, wurde zum beliebten Soloinstrument.

Halbinstrument/Ganzinstrument

Über Halbinstrumente berichtet Karl Emil von Schafhäutl 1854 [1] in einem Bericht von einer Industrieausstellung in München:

„Enge Mensuren begünstigen die hohen [Töne], weite die tiefen. So spricht z. B. der Grundton auf Trompeten und Kornett nicht an, wohl aber auf Tuben. […] Im übrigen entscheiden über die Grenzen nach oben und unten die Fähigkeit des Bläsers und die Form des Mundstücks.“

Als Halbinstrument bezeichnet er somit 20 Jahre nach Erfindung der Ventile ein engmensuriertes Blechblasinstrument, bei welchem der Grundton (der erste Naturton) schlecht anspricht, nicht spielbar und somit normal nicht verwendbar ist. Im Gegensatz dazu gibt es Ganzinstrumente, bei denen der erste Naturton gut verwendbar ist. Die Begriffe Halbinstrument/Ganzinstrument haben instrumentenbaupraktisch seit etwa 1900 keine Relevanz mehr, wahrscheinlich waren sie in den Anfangsjahren der Blechblasinstrumentenentwicklung nur entsprechend zitierte Werbeattribute.

Das Phänomen des extrem schlecht stimmenden (also „fehlenden“) Grundtons begründet sich aus den physischen Eigenschaften der Instrumentenform. Ein stark konischer Verlauf des Hauptrohrs, also eine weite Mensur unterstützt das gewünschte Frequenzverhältnis von 1:2 (Oktave) der ersten zwei Naturtöne, während eine weitgehend zylindrische Mensur (gleichbleibendes Rohr ohne Schallstück) dieses Verhältnis zu etwa 1:2,5 verschiebt. Der gewünschte Ton ist fünf Halbtöne zu tief, aber trotzdem (wenn auch schwierig) erzeugbar.

Grundstimmung

Dieser Begriff bezeichnet in der Praxis bei Blechblasinstrumenten den Notennamen des (1.,) 2., 4., 8., usw. Naturtones, unabhängig von dessen absoluter Oktavlage. Bläst beispielsweise eine B-Trompete und ein B-Tenorhorn den 3. Naturton, klingen beide Instrumente im Oktavabstand. Der Gesamtklang wird allgemein als angenehm empfunden. Bläst eine B-Trompete und eine C-Trompete beispielsweise den 2. Naturton, klingen beide Instrumente im Sekundabstand. Der Gesamtklang wird gemeinhin als unangenehm empfunden.

Die Grundstimmung wird festgelegt durch die Grundrohrlänge

  • bei Posaunen: Der Zug ist komplett eingeschoben.
  • bei Ventilinstrumenten: Kein Ventil ist betätigt.

Die Grundtonhöhe f in Hertz ist physikalisch abhängig von der Instrumentenrohrlänge l in Metern und der Schallgeschwindigkeit c der Luft.

Mit der Formel: \mathrm{l} = \tfrac{c}{2f} kann näherungsweise die Länge oder in der Umkehrung auch die Frequenz berechnet werden.

Alle Instrumente mit dem gleichen Grundton haben deshalb auch etwa die gleiche Rohrlänge. Beispielsweise sind die Rohrlängen des Waldhorns in B (274 cm), der Posaune (270 cm), des Tenorhorns (266 cm) und des Baritonhorns beziehungsweise Euphoniums in B (262 cm) fast gleich. Das Waldhorn in F ist mit 370 cm etwas länger als die Tuba in F (354 cm). Diese Längendifferenzen innerhalb der gleichen Grundstimmung hängen von der Bauweise des Instrumentes ab, insbesondere von der Mensur und dem Öffnungswinkel und Durchmesser des Schallstückes.

Das kürzeste gebräuchliche Blechblasinstrument ist die b-Piccolotrompete mit einer Grundrohrlänge von 65 cm. Die B-Tuba mit vier Ventilen ist das üblicherweise tiefste Instrument mit einer Grundrohrlänge von 541 cm, werden noch die Verlängerungen von normalerweise vier Ventilen hinzugerechnet, ergibt sich dabei eine Rohrlänge von 930 cm.

In einem normalen separaten F/B-Doppelhorn sind 704 cm Rohr verbaut, dabei werden dem B-Horn beim Umschalten in die F-Stimmung zusätzlich 96 cm hinzugefügt. Um Intonationskorrekturen vornehmen zu können, werden die F-Ventilzüge (Gesamtlänge 102 cm) unabhängig von den B-Ventilzügen verwendet.

Siehe auch: Grundstimmung (Blasinstrument)

Einzelteile und Baugruppen

Umgangssprachlich haben moderne Blechblasinstrumente unabhängig von ihrer Größe überwiegend die gleichen Baugruppen:

Einzelteile eines Waldhorns: 1-Mundrohr; 2-Stimmbogen; 3-Anstoß; 4-Zwinge; 5-Stengel; 6-Verschraubung; 7-Schallbecher; 8-Maschine; 9-Ventilbögen; 10-Fingerhaken

Stimmzug

Der Stimmzug beeinflusst die Gesamtlänge des Instrumentes und besteht aus zwei parallel verlaufenden Teleskoprohren, verbunden durch einen Bogen. Deshalb ist auch die Bezeichnung Stimmbogen gebräuchlich. Zieht man den Stimmbogen weiter raus, also verlängert man die Gesamtlänge des Instruments, dann werden die Töne tiefer. Schiebt man den Stimmbogen dementsprechend weiter rein, werden die Töne höher.

Wasserklappe

Während des Musizierens kann in kurzen Pausen das Kondenswasser aus dem Instrument durch eine oder mehrere Wasserklappen (wenn vorhanden) schnell entfernt werden. Die Position der Wasserklappe(n) ist so gewählt, dass sie sich in Blashaltung am tiefsten Punkt eines Rohres befinden.

Fertigung

Blechblasinstrumente werden gewöhnlich aus Messingblech und -rohren mit einer Wandstärke von 0,4 bis 0,6 mm gefertigt. Schallstücke und große konische Rohre werden aus Blechen mit silberhaltigem Hartlot zusammengelötet und mit entsprechenden Werkzeugen in die gewünschte Form gedrückt. Zylindrische Rohre werden nahtlos industriell gefertigt. Die einzelnen eventuell gebogenen Rohrteile werden mit kurzen Rohrstücken („Zwingen“) überlappend mit Weichlot verlötet.

Traditionell werden von einem Metallblasinstrumentenmacher zu biegende Rohre mit flüssigem Blei gefüllt und nach Erkalten „per Hand“ gebogen. Mit speziellen Techniken wird die Oberfläche geglättet, dabei verdichtet und gehärtet. Anschließend wird das Blei verflüssigt und restlos entfernt. Dieser Biegevorgang kann auch mit extrem niedrigschmelzenden Metallen oder verflüssigbaren Kunstharzen erfolgen.

In der modernen industriellen Massenproduktion wird der Schallbecher aus einer Ronde tiefgezogen und bündig mit entsprechend konischem Stengel hartverlötet. Gebogen werden Rohre oft mit Wassereis-Füllung, geglättet werden diese danach hydraulisch in einer teilbaren Matrizenform. Das erfordert fertigungstechnisch größere Materialstärken (bis 1 mm), die Haltbarkeit fertiger Instrumente ist mitunter extrem gering: Durch extremes „Aufblasen“ zerreißen homogene Kristallstrukturen und bekommen Kapillarrisse, durch die bei einem fertigen Instrument unabdingbar Kondenswasser diffundiert. Lackierte Oberflächen verhindern das Verdunsten, es kommt zu irreversiblen Schäden am Instrument.

Fertig gestellte Einzelteile werden oftmals bereits vor dem Zusammenbau geschliffen und poliert. Das fertige Instrument kann abschließend lackiert oder galvanisch versilbert, vernickelt beziehungsweise vergoldet werden.

Instrumente

Zeichnung eines Ventilhorns um 1900

Moderne Bauformen geordnet in aufsteigender Tonhöhe

Hersteller und Marken

Wie die meisten Musikinstrumente werden Blechblasinstrumente nicht nur von großen Unternehmen hergestellt, sondern auch von kleinen, handwerklich hoch spezialisierten Fachbetrieben, die mitunter nur aus einem einzigen Metallblasinstrumentenmachermeister bestehen.

Siehe auch

Wiktionary Wiktionary: Blechblasinstrument – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Curt Sachs, Handbuch der Musikinstrumentenkunde. 2. Auflage, 1930, Verlag Breitkopf & Härtel/Leipzig, S. 248

Literatur

  • Curt Sachs: Handbuch der Musikinstrumente. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1930/Reprint 1980 Lizenznummer 472-155/A 104/80
  • Bahnert, Herzberg, Schramm: Metallblasinstrumente. Fachbuchverlag Leipzig/Florian Noetzel Verlag 1986. ISBN 3-7959-0466-8
  • Herbert Heyde: Das Ventilblasinstrument. VEB DVfM 1987. ISBN 3-370-00159-4
  • Günter Dullat: Metallblasinstrumentenbau. PPV Medien GmbH. ISBN 3-923639-79-1

Weblinks

 Commons: Blechblasinstrumente – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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