Franz Fuchs (Attentäter)

Franz Fuchs (Attentäter)

Franz Fuchs (* 12. Dezember 1949 in Gralla; † 26. Februar 2000 in Graz) war ein österreichischer Terrorist und Bombenattentäter. Von 1993 bis 1997 verübte der mutmaßliche Einzeltäter im Namen einer sogenannten Bajuwarischen Befreiungsarmee (BBA) rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Anschläge durch zahlreiche Brief- und Rohrbomben. Opfer und Adressaten der Bombenanschläge waren Migranten, Angehörige der österreichischen einheimischen Minderheiten sowie Personen und Organisationen, die sich in diesen Bereichen engagierten. Die Anschlagserie forderte vier Todesopfer, 15 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.

Inhaltsverzeichnis

Die Anschläge

Erste Briefbombenserie im Dezember 1993

Die erste Briefbombenserie wurde von Fuchs Anfang Dezember 1993 versandt. Von den neun Briefbomben, die vom 3. bis zum 6. Dezember ihre Adressaten erreichten, explodierten vier. Erste Opfer waren der Pfarrer August Janisch und Silvana Meixner, Mitarbeiterin der Minderheitenredaktion des Österreichischen Rundfunks (ORF), sowie der damalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk; er erhielt in der Reihenfolge der Entschärfung bzw. der Explosion die fünfte Briefbombe der 1. Serie, welche am 5. Dezember 1993 um etwa 19 Uhr explodierte. Alle drei wurden schwer verletzt, Zilk verlor bei diesem Anschlag zwei Finger der linken Hand. Sprengsätze, die an Caritas-Präsident Helmut Schüller, die Grünen-Politikerinnen Madeleine Petrovic und Terezija Stoisits, an Universitätsprofessor Wolfgang Gombocz, Gründungs- und Vorstandsmitglied einer Vertretungsorganisation der steirischen Slowenen, des Artikel-VII-Kulturvereines für Steiermark, und die damalige Frauenministerin Johanna Dohnal adressiert waren, wurden rechtzeitig entdeckt. Gombocz erhielt die 4. Briefbombe in der Reihenfolge der Entdeckung: am 5. Dezember 1993 um etwa 11 Uhr wurde sie beim Gendarmerieposten Bad Radkersburg von der Entdeckerin, Andrea Haberl, abgegeben. Eine Angestellte eines Masseverwalters wurde verletzt, als die an einen insolventen türkischen Verein adressierte Bombe detonierte.

Die Rohrbombe von Klagenfurt August 1994

Beim Versuch, eine Rohrbombe zu entschärfen, wurden dem Polizisten Theo Kelz am 24. August 1994 beide Hände abgerissen. Der Sprengsatz war zuvor an der zweisprachigen deutsch-slowenischen Rennerschule in Klagenfurt angebracht gewesen. Dem Polizisten wurden sechs Jahre später erfolgreich Spenderhände transplantiert.[1]

Zweite Briefbombenserie im Oktober 1994

Die zweite Serie von Briefbomben im Oktober 1994 bestand ausschließlich aus Blindgängern. Auf Grund eines Konstruktionsfehlers detonierte keine einzige der vier Bomben. Die Empfänger waren der slowenische Wieser-Verlag in Klagenfurt, ein Verein zur Ausländerbetreuung in Dornbirn, eine Papierfabrik in Hallein und der Abt vom Stift Wilten in Innsbruck/Tirol.

Der Vierfachmord von Oberwart Februar 1995

Mahnmal in Oberwart

Am 5. Februar 1995 wurden vier Roma, Peter Sarközi, Josef Simon sowie Karl und Erwin Horvath, in Oberwart durch eine Sprengfalle getötet. Die Rohrbombe war an einem Schild mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ angebracht. Beim Versuch, dieses Schild zu entfernen, explodierte der aus ca. 150 Gramm gedämmtem Nitroglycerin bestehende Sprengsatz. Am folgenden Tag wurde in Stinatz ein Mitarbeiter der Müllabfuhr durch eine Sprengfalle an der Hand verletzt. Der Schriftsteller Stefan Horvath reflektierte die Morde in verschiedenen Büchern, die spätere Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek thematisierte in ihrem Stück „Stecken, Stab und Stangl“ die Reaktionen von Medien und Politik auf das Attentat.

Briefbombenserie 1995

Die dritte Serie wurde Anfang Juni 1995 an die dunkelhäutige Fernsehmoderatorin Arabella Kiesbauer, an Dietrich Szameit, den damaligen stellvertretenden Bürgermeister von Lübeck, und an eine Partnervermittlung in Linz verschickt. Kiesbauer und Szameit öffneten ihre Briefe nicht persönlich, die Bomben verletzten ihre Mitarbeiter. Im Fall von Szameit traf es den damaligen SPD-Fraktionsgeschäftsführer und heutigen Landtagsabgeordneten in Schleswig-Holstein, Thomas Rother. Auch die dritte Bombe detonierte, die Mitinhaberin der Partnervermittlung erlitt schwere Verletzungen an der linken Hand.

Die vierte Serie ging Mitte Oktober 1995 an zwei ausländische Ärzte und die Flüchtlingshelferin Maria Loley. Ein aus Syrien stammender Arzt und Maria Loley wurden dabei verletzt, der an einen südkoreanischen Arzt verschickte Brief wurde entdeckt.

Zwei der vier Briefbomben der fünften Serie explodierten am 11. Dezember 1995 frühzeitig in einem Postkasten, die zwei anderen konnten abgefangen werden. Unter den Adressaten waren das Wiener Büro des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR), ein ungarisches Partnervermittlungsbüro, Angela Resetarits (die Mutter von Lukas, Willi und Peter Resetarits) und eine aus Indien stammende Wiener Familie.

Sechste und letzte Briefbombe 1996

Eine einzige Briefbombe versandte Fuchs Ende 1996. Der an Lotte Ingrisch, die Stiefmutter des damaligen Innenministers Caspar Einem, adressierte Brief explodierte bei der Untersuchung durch die Polizei. Dies war der letzte Vorfall bis zur Verhaftung von Franz Fuchs, die ein Jahr später folgte.

Verhaftung, Prozess und Selbstmord 1997 bis 2000

Bei einer Verkehrskontrolle durch Gendarmeriebeamte am 1. Oktober 1997 – zufällig der Tag des Beginns der Rasterfahndung in Österreich[2][3] – zündete Fuchs eine Rohrbombe, weil er glaubte, man hätte ihn entlarvt. Der Selbstmordversuch schlug fehl, trennte ihm jedoch beide Hände ab und verletzte die Beamten teilweise schwer.

Ob das vom Kriminalpsychologen Thomas Müller veröffentlichte Täterprofil zur Ergreifung beigetragen hatte, ist nicht erwiesen. Jedoch reklamierten die Fahnder für sich, erfolgreich eine öffentliche Drohkulisse über die baldige Ergreifung des zum damaligen Zeitpunkt noch unbekannten Täters aufgebaut zu haben. Dies habe beim Täter den psychischen Stress ausgelöst, der ihn schließlich zum Zünden einer Rohrbombe während der Polizeikontrolle getrieben hat.[4]

In der Justizanstalt Karlau beging Fuchs am 26. Februar 2000 Selbstmord

Am 2. Februar 1999 begann nach umfangreichen Hausdurchsuchungen im Umfeld von Franz Fuchs der Prozess gegen den Bombenbauer am Landesgericht für Strafsachen in Graz. Bereits am ersten Verhandlungstag blockierte Fuchs den Prozessbeginn durch unentwegt skandierte Parolen, wie etwa „Es lebe die BBA!“ und ausländerfeindliche Hasstiraden. Daraufhin wurde Fuchs vom vorsitzenden Richter Heinz Fuhrmann von der Verhandlung ausgeschlossen. Auch in den folgenden Tagen wurde Fuchs jeweils nach kurzem Auftritt vor Gericht wieder aus dem Gerichtssaal geführt. Schließlich wurde der Prozess ohne die Anwesenheit des Angeklagten fortgesetzt. Fuchs’ Verteidiger versuchte während des Prozesses besonders die Zweifel an der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Einzeltätertheorie zu schüren. Er äußerte die Auffassung, Fuchs sei lediglich ein Beitragstäter in einer Vereinigung namens ‚Bajuwarische Befreiungsarmee‘ gewesen. Dem hielt Staatsanwalt Johannes Winklhofer bereits in seinem Eröffnungsplädoyer entgegen: „Franz Fuchs ist die BBA, die BBA ist Franz Fuchs.“ Am 10. März 1999 fällte der Schwursenat sein Urteil in Abwesenheit des Angeklagten. Franz Fuchs wurde wegen vierfachen Mordes sowie zahlreicher Mordversuche und Körperverletzungen zu einer Freiheitsstrafe auf Lebensdauer verurteilt. Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.[5]

Am 26. Februar 2000 beging Fuchs in seiner Zelle in der Justizanstalt Graz-Karlau Suizid, indem er sich mit dem Kabel seines Rasierapparates erhängte. Zum Zeitpunkt seines Selbstmordes verfügte Franz Fuchs über zwei Plastik-Prothesen anstelle seiner fehlenden Arme.[6]

Rezeption

Der Kriminalfall Fuchs wurde erstmals 2000 durch den deutschen Fernsehregisseur Torsten C. Fischer unter dem Titel Der Briefbomber mit Karl Fischer in der Titelrolle verfilmt. Diese TV-Produktion orientierte sich an den Fakten des tatsächlichen Falles nur oberflächlich, und die tatsächlichen Namen waren verändert worden (z. B. Martin Fechter statt Franz Fuchs). Im Zentrum stand nicht Fuchs, sondern ein Profiler, der Fuchs sucht und aufspürt. Vorbild für diese von Sylvester Groth gespielte Figur, die im Film Frank Meyer hieß, war der Kriminalpsychologe Thomas Müller.

2007 drehte die österreichische Filmregisseurin Elisabeth Scharang das Doku-Drama Franz Fuchs – Ein Patriot mit Karl Markovics in der Titelrolle. Darin wurde die Persönlichkeit Fuchs' anhand der Verhöre des Untersuchungsrichters Erik Nauta (im Film unter dem Namen Schwab; gespielt von Stefan Puntigam) nachgezeichnet. Die Spielszenen wurden von dokumentarischen Aufnahmen und Interviews ergänzt. Der Film wurde aus Anlass des zehnten Jahrestages seiner Verhaftung am 2. Oktober 2007 vom ORF ausgestrahlt.[7]

Einzelnachweise

  1. www.theo-kelz.at
  2. Stenographisches Protokoll 120. Sitzung (XX. GP) des Nationalrates der Republik Österreich
  3. Kommentar zum Datenschutz und Rasterfahndung
  4. Presseinformation des österreichischen Innenministeriums
  5. Karin Kneissl: Lebenslange Haft für Österreichs Bombenbauer Franz Fuchs. Artikel in der Tageszeitung Die Welt vom 11. März 1999.
  6. Norbert Mappes-Niediek: Justiz sieht Tod des Franz Fuchs aufgeklärt, Berliner Zeitung, 29. Februar 2000
  7. Der Standard: ORF-Themenabend zu Franz Fuchs, 26. September 2007

Weblinks


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