Bernhard Wildenhain

Bernhard Wildenhain
Bernhard Wildenhain als junger Schauspieler

Bernhard Wildenhain (* 1. Januar 1873 in Werdau; † 15. Mai 1957 in Leipzig) war ein deutscher Schauspieler und Regisseur.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als Sohn eines Handwerkers in der sächsischen Kleinstadt Werdau geboren, verbrachte er seine Kindheit und Jugend in Leipzig-Gohlis, wo der Vater eine Schieferdachdeckerfirma gegründet hatte. Nach Abschluss seiner Volkschulbildung begann er auf Wunsch des Vaters zunächst eine Ausbildung als Maschinentechniker, später als Graveur. Beide Ausbildungen brach er ab, um sich dem Theater und der Schauspielerei zu widmen, denen sein ganzes Interesse galt. Ab 1891 erhielt er bei Anton Hartmann unentgeltlich Unterricht in Deklamation und Schauspielkunst. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich mit Geigenspiel und -unterricht.

Nach 37 einstudierten Rollen im Helden- und Liebhaberfach erhielt er für die Herbstspielzeit 1892 sein erstes Engagement als jugendlich-schüchterner Liebhaber am Theater im Kristallpalast Apolda. Sein Debüt war die Rolle des Tapezierers im Stück Die Großstadtluft von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg unter der Regie des Theaterdirektors Drescher. Es folgten Engagements an kleinen Bühnen der Provinz, so in Landsberg an der Warthe unter Okonowsky, in Gumbinnen und Elberfeld, wo er unter Emil Meßthaler auch in Halle an der Saale und München gastierte. 1898 spielte er in Nordhausen und im schlesischen Bad Salzbrunn, Waldenburg und Brieg, bevor er im selben Jahr von seinem Lehrer und Freund Anton Hartmann an das Stadttheater Görlitz verpflichtet wurde. Hier spielte er erstmals auch modernes Repertoire - etwa die Titelrolle in Sudermanns Fritzchen aus der Trilogie Morituri - und legte als Bibliothekar in dem gleichnamigen Stück von Gustav von Moser zugleich sein Debüt im komischen Fach ab, das später zu seiner eigentlichen Domäne werden sollte. Es folgten weitere Engagements in Krefeld, auf dessen Bühne vor allem Shakespeare-Stücke nach klassischem Meininger Vorbild zu Aufführung gebracht wurden, am Weinbergtheater in Prag unter August Kurz und in Bad Kreuznach, wo sich Wildenhain in den Rollen als Beppo in Fra Diavolo und als Eisenstein in Die Fledermaus auch im Opern- und Operettenfach bewährte.

Ab dem 1. September 1902 gehörte Bernhard Wildenhain dem Ensemble des Leipziger Schauspielhauses in der Sophienstraße (heute: Shakespearestraße) an. Dieser Bühne sollte er vierzig Jahre die Treue halten. Das Privattheater war von der Leipziger Literarischen Gesellschaft als Gegengewicht zum konventionellen Theaterstil der Städtischen Bühnen unter Max Staegemann gegründet worden. Schneider Zwirn in Nestroys Der böse Geist Lumpazivagabundus war seine erste große Rolle unter dem Direktorat von Anton Hartmann und der Oberspielleitung von Arthur Eggeling. 1902/03 spielte er in Moretos Donna Diana den Diener Perin an der Seite der vergötterten Dresdner Hofschauspielerin Clara Salbach. Gemeinsam mit Josef Kainz stand er in Grillparzers Die Jüdin von Toledo, in Shakespeares Hamlet und in Cyrano de Bergerac auf der Bühne. Ein Höhepunkt der Kainzschen Gastrollen war die Aufführung von Hauptmanns Versunkener Glocke, bei der Wildenhain den Part des Nickelmann übernommen hatte. Die Premiere fand in Anwesenheit des Autors statt. 1917 führte Wildenhain Regie in Gerhard Hauptmanns Fuhrmann Henschel mit Eduard von Winterstein und Else Lehmann in den Hauptrollen. Gemeinsam mit Albert Bassermann spielte er 1925 die Rolle des Struve in Sudermanns Stein unter Steinen, den Löffler in Hauptmanns Komödie Kollege Crampton, den Hilmar Tönnesen in Ibsens Stützen der Gesellschaft, 1927 den alten Ekdal in Die Wildente und 1928 den Isolani in Wallensteins Tod.

Wildenhains Paraderolle war jedoch der Direktor Striese in dem Lustspiel Der Raub der Sabinerinnen. 1500 Mal stand er als der sächselnder Leiter eines Schmierentheaters auf der Bühne. Sein großes komödiantisches Talent, mit dem er diese Rolle meisterte, stellte er auch 1936 in der bekannten Verfilmung unter der Regie von Robert A. Stemmle unter Beweis.

Populär wurde Wildenhain auch durch seine jährlich inszenierten Sommerschwänke, die allabendlich das Haus und die Kassen des Theaters füllten. Darin spielte er an der Seite verschiedener Partnerinnen unzählige Male den Ehemann mit dem Seitensprung, der immer wieder in komische und heikle Situationen gerät und mit allerlei Kniffen und Schlichen letztendlich in den ehelichen Hafen zurückgelotst wird.

Einem großen Publikum, darunter unzähligen Kindern, wurde Wildenhain auch durch seine alljährlich inszenierten Weihnachtsmärchen bekannt. Die wohl beliebteste Rolle war dabei die des Königs Kakadu in Görners Aschenbrödel. "Ich habe zeitlebens mit großer Liebe den Märchenonkel abgegeben und sicherlich zahllose Kinderherzen froh gemacht. Wenn ich so zurückdenke, fällt mir ein Lautenlied ein, das ich oftmals gehört habe. (...) Es handelt von dem Spielmann vor der Himmelstür. Petrus fragt, ob er den Spielmann einlassen solle. Die alten Männer sind dagegen, auch die Frauen, aber die Kinder jubeln und betteln: 'Sankt Peter, laß den Spielmann ein.' So denke ich, daß auch für mich die vielen Kinder bitten werden, wenn ich einmal ganz bescheiden an der Pforte oben anklopfen werde."[1]

Grab des Schauspielers Bernhard Wildenhain (1873-1957)

Als Senior der Leipziger Schauspieler musste Bernhard Wildenhain den Niedergang seiner berühmten Spielstätte, auf deren Bühne bis 1933 Werke von Walter Hasenclever, Georg Kaiser, Stefan Zweig, Leonhard Frank, Berthold Brecht und Friedrich Wolf aufgeführt wurden, noch erleben. Zunächst vollzog sich dieser in künstlerischer und menschlicher Hinsicht mit der Gleichschaltung aller Theater durch die allmächtige Reichsdramaturgie der Nationalsozialisten, letztlich aber durch die Zerstörung des gesamten Hauses während der Bombenangriffe vom 4. Dezember 1943.

Kurz vor seinem Tod konnte Bernhard Wildenhain seine Lebenserinnerungen vollenden, die in der Bearbeitung von Ferdinand und Käte May 1958 im Berliner Henschelverlag erschienen sind. Sein schlichtes Grab befindet sich in der XIX. Abteilung des Leipziger Südfriedhofs.

Seine Töchter waren die Schauspielerinnen Hilli und Edith Wildenhain sowie die Autorin und Herausgeberin Maria-Viola Wildenhain-Gorski.

Werke

  • Bernhard Wildenhain: Schauspieler sein... herausgegeben und bearbeitet von Ferdinand und Käte May, Henschelverlag, Berlin 1958.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bernhard Wildenhain: Schauspieler sein... Henschelverlag, Berlin 1958, S. 41.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Wildenhain — bezeichnet: Wildenhain (Großenhain), Ortsteil der Stadt Großenhain im Landkreis Meißen in Sachsen Wildenhain (Mockrehna), Ortsteil der Gemeinde Mockrehna im Landkreis Nordsachsen Wildenhain (Regis Breitingen), Ortsteil der Stadt Regis Breitingen… …   Deutsch Wikipedia

  • Leipziger Schauspielhaus — Das Leipziger Schauspielhaus in der Sophienstraße Das Leipziger Schauspielhaus war ein Privattheater in der südlichen Vorstadt Leipzigs, dem jetzigen Ortsteil Zentrum Süd. Es befand sich in der Sophienstraße 17–19 (heute: Shakespearestraße). Das… …   Deutsch Wikipedia

  • Anton Hartmann — und Friedrich Mitterwurzer in Wildenbruchs Die Quitzows Anton Christian Hartmann (* 30. Oktober 1864 in Varel; † 23. Oktober 1912 in Leipzig) war ein deutscher Schauspieler und Theaterdirektor …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Leibelt — Hans August Hermann Leibelt (* 11. März 1885 in Volkmarsdorf; † 3. Dezember 1974 in München) war ein deutscher Schauspieler. Hans Leibelt (links) und Hans Söhnker …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Schauspielern des deutschsprachigen Theaters — Hier sind bekannte Theaterschauspieler des deutschsprachigen Theaters aufgelistet. Nach dem Aufkommen des Films wurden manche von ihnen auch Filmschauspieler. Wer sich ausschließlich für Filmschauspieler interessiert siehe unter: Liste der… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste prominenter Bewohner der Stadt Leipzig — Diese alphabetische Übersicht nennt bedeutende Persönlichkeiten, die in Leipzig gelebt und gewirkt haben, jedoch nicht hier geboren sind. Sie haben den Genius loci dieser Stadt mitgeprägt. Inhaltsverzeichnis A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S… …   Deutsch Wikipedia

  • Ilse Petri — Ilse Petri, teilweise auch gelistet als Ilse Petry (* 20. März 1918 in Göttingen) ist eine deutsche Schauspielerin. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Filmografie 3 Literatur 4 …   Deutsch Wikipedia

  • Ilse Petry — Ilse Petri, teilweise auch gelistet als Ilse Petry (* 20. März 1918 in Göttingen) ist eine deutsche Schauspielerin. Sie erhielt zwei Jahre privaten Schauspielunterricht bei Ilka Grüning und absolvierte anschließend eine vierjährige… …   Deutsch Wikipedia

  • Raub der Sabinerinnen (1936) — Filmdaten Deutscher Titel Raub der Sabinerinnen Produktionsland Deutschland …   Deutsch Wikipedia

  • Südfriedhof (Leipzig) — Kapellenanlage und Friedhofsareal vom Völkerschlachtdenkmal aus gesehen, im Hintergrund das Kraftwerk Lippendorf Der Südfriedhof ist mit 82 Hektar der größte Friedhof Leipzigs. Er befindet sich im Leipziger Süden in unmittelbarer Nähe des… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”