Deutscher Mondschein

Deutscher Mondschein

Deutscher Mondschein ist eine Erzählung von Wilhelm Raabe, die im zeitigen Frühjahr 1872 entstand und 1873[1] bei Hallberger in Stuttgart in der gleichnamigen Sammlung erschien. Zuvor war die Novelle[2] im selben Jahr in der Illustrierten „Über Land und Meer“ abgedruckt worden. Zu Lebzeiten Raabes kamen 1875, 1896, 1901 und 1905 Nachauflagen heraus.[3]

Der Autor hat in dem kurzen Text Eindrücke eines Badesommers 1867 auf Sylt[4] mit der Märzrevolution verknüpft.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Erzähler, ein nicht benannter Jurist, verbringt den Sommer 1867 auf ärztliches Anraten in Tinnum. Während eines Abendspaziergangs trifft er in den Dünen auf seinen Kollegen Löhnefinke, den Königlich Preußischen Kreisrichter zu Groß-Fauhlenberge. Der Justizbeamte muss den etwa fünfzigjährigen korpulenten Kreisrichter für einen Wahnsinnigen halten, denn Löhnefinke hasst den Mond; nennt den eben hinter den Watten unschuldig aufgehenden Erdtrabanten seinen Todfeind und gebärdet sich auch ganz danach. Weil der Kurgast früher mit Löhnefinke Akten ausgetauscht hat und ihn bis dato für einen unbescholtenen, korrekten Kollegen gehalten hat, geht er der „Mondfeindschaft“ mit einer kriminalistischen Befragung des Geistesgestörten auf den Grund. Zunächst wird der Frager aus den Antworten Löhnefinkes nicht recht klug. Der Mondhasser büße für seine Jugendsünden. Ein Leben lang sei er zu solide gewesen und bereue das nun. Alles hätte 1848 angefangen[A 1]. Und dann ein Jahr darauf sei Löhnefinke „aus einer erregten Volksversammlung“ heimgekommen, sei in der Fensterbank eingeschlafen und das „hämische Gestirn“ habe ihn mehrere Stunden auf den Kopf geschienen. Dies sei nicht ohne Nachwirkung geblieben. Löhnefinke berichtet: „Und am folgenden Morgen hatte ich nicht nur Kopfweh, sondern auch einen ausgesprochenen Ekel an manchen Dingen und Menschen, die mir sonst sehr hoch in Empfindung, Gefühl und Achtung gestanden hatten. Die Poesie brach durch – und – Kollege, wissen Sie, was das bedeutet, wenn die Poesie des Lebens bei einem Königlich Preußischen Auskultator zum Durchbruch gelangt?“[5] Unterdrückte Poesie habe Löhnefinke verrückt gemacht, und nun räche sich der deutsche Mondschein an ihm. Aber die Zeit der Selbstbeherrschung sei ein für allemal vorbei. In diesem Jahr siebenundsechzig habe er eine Lobeshymne in Sonett-Form auf Bismarck[A 2] im Inseratenteil der Nationalzeitung publiziert. Für dieses späte Umschwenken des postrevolutionären Poeten zeigt der Erzähler als Justizbeamter vollstes Verständnis.

Auch Löhnefinkes Wachpersonal, die Gattin und die fast erwachsene Tochter, halten den ausgebüxten Poeten für wahnsinnig, haben den Vater schon längere Zeit in den Dünen gesucht und können ihn endlich einfangen.

Rezeption

  • Fuld[6] liest die Novelle als sarkastische Erinnerung an die „abgebrochene Revolution“ 1848 und deren Folgen im Jahr 1849. Der Beamte Löhnefinke läuft angesichts der politischen Ereignisse zu den Poeten über.[A 3]
  • Weiter führende Arbeiten nennen
    • Meyen[7]: Edmund Hofer und Hermann Marggraf (1873) und
    • Fuld[8]: Hans Jürgen Schrader (1973).

Literatur

  • Fritz Meyen: Wilhelm Raabe. Bibliographie. 438 Seiten. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1973 (2. Aufl.). Ergänzungsbd. 1, ISBN 3-525-20144-3 in Karl Hoppe (Hrsg.): Wilhelm Raabe. Sämtliche Werke. Braunschweiger Ausgabe. 24 Bde.
  • Cecilia von Studnitz: Wilhelm Raabe. Schriftsteller. Eine Biographie. 346 Seiten. Droste Verlag, Düsseldorf 1989, ISBN 3-7700-0778-6
  • Werner Fuld: Wilhelm Raabe. Eine Biographie. 383 Seiten. Hanser, München 1993 (Ausgabe dtv im Juli 2006), ISBN 3-423-34324-9

Erstausgabe

  • Deutscher Mondschein. Vier Erzählungen. 261 Seiten. Hallberger, Stuttgart 1873 (enthält: Deutscher Mondschein. Der Marsch nach Hause. Des Reiches Krone. Theklas Erbschaft oder die Geschichte eines schwülen Tages)

Verwendete Ausgabe

  • Deutscher Mondschein, S. 161-185 in: Fritz Böttger (Hrsg.): Wilhelm Raabe: Deutsche Scherzos. Sechs Erzählungen. 707 Seiten. Verlag der Nation, Berlin 1962

Weitere Ausgaben

Weblinks

Anmerkungen

  1. Löhnefinke sagt: „Da kam das Jahr achtundvierzig, und der Mond ging mir auf.“
  2. genauer: Der Preuße Löhnefinke spricht vom „Herrn Ministerpräsidenten“ (Verwendete Ausgabe, S. 179, 16. Z.v.o.)
  3. siehe dazu auch Löhnefinkes Erläuterung: „Durch ihn [den deutschen Mondschein] und mit Beihilfe der gegenwärtigen Zeit und der Weltlage bin ich – der Poet in meiner Familie geworden.“ (Verwendete Ausgabe, S. 176, 14. Z.v.u.)

Einzelnachweise

  1. von Studnitz, S. 312, Eintrag 38
  2. von Studnitz, S. 312, Eintrag 38
  3. Hoppe in der Braunschweiger Ausgabe 9.2, S. 503, 10. Z.v.o. und S. 504 oben
  4. Fuld, S. 223
  5. Verwendete Ausgabe, S. 176, 14. Z.v.u.
  6. Fuld, S. 43, 10. Z.v.o.
  7. Meyen, S. 325, Einträge 2766 und 2747
  8. Fuld, S. 374, 4. Z.v.o.

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