Die Kinder von Finkenrode

Die Kinder von Finkenrode

Die Kinder von Finkenrode ist ein Roman[1] von Wilhelm Raabe, der vom November 1857 bis zum Juli 1858 entstand und 1859 bei Ernst Schotte in Berlin erschien.[2]

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Ich-Erzähler Dr. Max Bösenberg, ein Redakteur der Zeitschrift „Chamäleon“, lässt sich von seinem Freund, dem Chefredakteur Dr. phil. Theobul Weitenweber, beurlauben und verlässt die Residenz in Richtung Geburtsort. Dort, in dem Städtchen Finkenrode[A 1] an der Weser, ist sein Onkel Albrecht Maximilian - der vorletzte Bösenberg - nach einem Schlagfluss verstorben. Der 29-jährige Max erbt von dem verwitweten kinderlosen Onkel sein Geburtshaus - voll gepfropft mit Antiquitäten und tausenden antiquarischen Büchern sowie auch „viel Morgen Land, Wiesen und Wald“. Während des mehrwöchigen Aufenthalts - Max war zwanzig Jahre nicht daheim - kommt es zu unzähligen Begegnungen mit allen möglichen Kindern von Finkenrode. Bereits als Maxens Reisekutsche sich der alten Heimat nähert, erkennt der Reisende im Vorbeifahren den Jugendgespielen Arnold Rohwold - nach Aussage des unterrichteten Kutschers jetzt Pastor zu Rulingen. In Finkenrode angekommen, sucht Max seinen Onkel, den guten alten Hauptmann a.D. Friedrich Wilhelm Fasterling, auf. Max ist gar nicht mit Fasterling verwandt. Als Junge war er lediglich der Liebling des Alten gewesen. Max wirft ein Auge auf das 19-jährige Fräulein Sidonie, die einzige Tochter des verwitweten Militärs. Es stellt sich aber heraus, der Schauspieler Alexander Mietze ist in das junge Mädchen Hals über Kopf verliebt. Die Neigung wird erwidert. Die beiden Herren haben schlechte Karten. Der Hauptmann will weder einen Mimen noch einen Journalisten zum Schwiegersohn. Auch Alexander ist einer von Maxens Jugendfreunden. Beide hatten später gemeinsam für kurze Zeit Jura studiert. Dann war Alexander mit einer Schauspielertruppe auf und davon. Nun will er doch noch ein anständiger Mensch werden; möchte sich in Finkenrode als Spiritusfabrikant etablieren.

Max sucht die 25-jährige Jugendfreundin Cäcilie Willbrand und deren alte Mutter Agnes Willbrand auf.

Gelegentlich betrinken sich Alexander und Max. Bei so einer Gelegenheit verzichtet Max selbstlos auf Sidonie, denn er liebe Cäcilie. Der Schauspieler ist erleichtert. Max aber hat ein Problem. Er will Cäcilie seine Liebe gestehen. Leider fehlt ihm dazu die Courage. Das Problem löst der Pastor Arnold Rohwold. Er setzt Max ins Bild. Cäcilie sei seine liebe Braut. Max wünscht Glück, reist zurück in die Residenz und verkriecht sich in der Redaktionsstube des „Chamäleons“. Zuvor war Freund Weitenweber unangemeldet in Finkenrode vorbeigekommen. Im Verein mit Max hatte der Chefredakteur den Hauptmann überredet, den Spiritusfabrikanten in spe doch als Schwiegersohn zu akzeptieren.

Weitenweber wird höchstwahrscheinlich in Finkenrode eine der Töchter des Syndikus Mümmler ehelichen. Dieses Fräulein Mümmler wird vom Ich-Erzähler als das schönste Mädchen von Finkenrode bezeichnet.

Zitat

  • „Es ist ein schauerlich Ding, nicht zu sein wie die andern!“[3]

Form

Der Ich-Erzähler nimmt Rücksicht auf seine „schönen, aber ungeduldigen Leserinnen“.[4] Manchmal verfällt er in seinen „Memoiren“[5] - aber nur ganz kurz - in ein Zwiegespräch mit den Schönen. Zum Beispiel versichert ihnen Max, er als Erbe sei kein bisschen besitzgierig.

Der Erzähler in Finkenrode unterhält sich in seiner Niederschrift zur Verwunderung des Lesers manchmal mit dem abwesenden Weitenweber[6]. Dann aber wird der Leser ein wenig ruhig gestellt. Weitenweber antwortet Max auf Briefe, die der Leser nicht kennt.[7]

Wie ganz oben angedeutet, wimmelt der Roman von kleiner Nebengeschichten. Zum Beispiel wird das Thema des Romans - die Geschichte des Heimkehrers Max - mehrfach variiert. Zum Beispiel Alexander ist heimgekehrt. Und der „tolle Musikant“ Günther Wallinger, Sohn des Stadtmusikus zu Finkenrode, hatte seiner Braut Anna Ludewig den Rücken gekehrt und sich in der Fremde unter die „vornehmen Leute“ gemischt. Anna hatte sich daheim „zu Tod gehärmt“[8]. Nun liegt der „bettelarm“ und „wahnsinnig“ heimgekehrte Geiger Wallinger auf dem Sterbebett und hält in seinen letzten Stunden Cäcilie für Anna.

In einem Nebensatz erwähnt der Erzähler die Revolution 1848.[9]

Rezeption

  • Hoppe[10] hat zeitgenössische Besprechungen gesammelt. So vermisst Adolf Glaser in der „Deutschen-Reichszeitung“ einen „großen Gegenstand“. Zudem fehle den leidenschaftslosen Figuren die negative Charaktereigenschaft.[11] In den „Blättern für literarische Unterhaltung“ wird Raabe zwar „feine Genremalerei“ bescheinigt, aber der Autor vermöge den Leser nicht durchgängig zu fesseln.[12] Mangelhafte Komposition[13] und flüchtiges Arbeiten[14] werden Raabe von nicht namentlich genannten Rezensenten vorgeworfen. Daneben fehlt es nicht an Lob. Der Humorist Raabe erhält Beifall[15].
  • Meyen[16] erwähnt neun Besprechungen aus den Jahren 1859 bis 1951.
  • Der Roman trage autobiographische Züge[17]. Raabe verherrliche nicht die wunderschöne hinuntergesunkene Kinderzeit[18] und setze sich mit verfehlten Erziehungsmethoden auseinander[19].

Ausgaben

Erstausgabe

  • Die Kinder von Finkenrode. Von Jakob Corvinus. 288 Seiten. Ernst Schotte, Berlin 1859

Verwendete Ausgabe

Weitere Ausgaben

  • Meyen[20] nennt sechs Ausgaben.

Literatur

  • Hans Oppermann: Wilhelm Raabe. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1970 (Aufl. 1988), ISBN 3-499-50165-1 (rowohlts monographien).
  • Fritz Meyen: Wilhelm Raabe. Bibliographie. 438 Seiten. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1973 (2. Aufl.). Ergänzungsbd. 1, ISBN 3-525-20144-3 in Karl Hoppe (Hrsg.): Wilhelm Raabe. Sämtliche Werke. Braunschweiger Ausgabe. 24 Bde.
  • Cecilia von Studnitz: Wilhelm Raabe. Schriftsteller. Eine Biographie. 346 Seiten. Droste Verlag, Düsseldorf 1989, ISBN 3-7700-0778-6
  • Werner Fuld: Wilhelm Raabe. Eine Biographie. 383 Seiten. Hanser, München 1993 (Ausgabe dtv im Juli 2006), ISBN 3-423-34324-9.

Anmerkung

  1. Finkenrode steht für Holzminden und Stadtoldendorf. Die Residenz ist Berlin. (Hoppe in der verwendeten Ausgabe, S. 523, 23. Z.v.u. und S. 524 oben und auch Fuld, S. 120, 10. Z.v.u.)

Einzelnachweise

  1. von Studnitz, S. 309, Eintrag 8
  2. Hoppe in der verwendeten Ausgabe, S. 521 unten, S. 523 Mitte, S. 530 unten
  3. Verwendete Ausgabe, S. 130, 8. Z.v.o. (Der Erzähler über den verrückten Musikus Wallinger (siehe unter Punkt „Form“))
  4. Verwendete Ausgabe, S. 32, 10. Z.v.u.
  5. Verwendete Ausgabe, S. 55, 11. Z.v.o.
  6. Verwendete Ausgabe, S. 68, 3. Z.v.o., S. 69, 13. Z.v.u., S. 92, 6. Z.v.u.
  7. Verwendete Ausgabe, S. 122, 2. Z.v.u.
  8. Verwendete Ausgabe, S. 158, 9. Z.v.o.
  9. Verwendete Ausgabe, S. 79, 2. Z.v.u.
  10. Hoppe in der verwendeten Ausgabe, S. 526-530
  11. Hoppe in der verwendeten Ausgabe, S. 526, 7. Z.v.u. und S. 527, 8. Z.v.o. (Berlin, 14. Februar 1859)
  12. Hoppe in der verwendeten Ausgabe, S. 527, 11. Z.v.u. (Leipzig, 5. Mai 1859)
  13. Hoppe in der verwendeten Ausgabe, S. 530, 13. Z.v.u.
  14. Hoppe in der verwendeten Ausgabe, S. 526, 7. Z.v.u. und S. 528, 13. Z.v.o.
  15. Hoppe in der verwendeten Ausgabe, S. 528-530
  16. Meyen, S.357-358
  17. Fuld, S. 68, 8. Z.v.u.
  18. Fuld, S. 15, 8. Z.v.u.
  19. Fuld, S. 33-34
  20. Meyen, S. 102

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