Die Gänse von Bützow

Die Gänse von Bützow

Die Gänse von Bützow ist eine historische Erzählung von Wilhelm Raabe, die um 1865 entstand[1] und 1866 bei Hallberger in Stuttgart in der Illustrierten „Über Land und Meer“ erschien. Derselbe Verleger brachte 1869 die Buchausgabe innerhalb der Sammlung „Der Regenbogen“ heraus. Raabe erlebte 1871, 1896, 1901, 1903, 1906 und 1909 Nachauflagen.[2] Die Satire wurde ins Holländische (1870), Rumänische (1960) und ins Schwedische (1960) übertragen.[3] Dreizehn Untersuchungen zu dem Text listet Meyen[4] auf. Zum Beispiel referiert Johannes Klein im Jahr 1968 über die „Vorwegnahme moderner Formen“ bei Raabe.

Hinter der „verruchten Gänsegeschichte“ aus dem Jahr 1794 steckt eine „fünfunddreißig Jahre alte ehelose Frau jungfräulichen Wandels“. Die agierenden Herren erscheinen meistenteils als Marionetten jener Bützower Mamsell Hornbostel.

Raabe nimmt die Wirkungen der von Frankreich ausgehenden weltgeschichtlichen Ereignisse in der mecklenburgischen Provinz aufs Korn.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Ich-Erzähler J. W. Eyring, emeritierter Rektor, hat das ganze Leben in seiner Heimatstadt Bützow an der Warnow verbracht - bis auf die Jugendjahre, als er auf der Rostocker Universität studierte. Der Witwer Eyring erzählt von einem Bützower Danton, dem „kleinen und hagern“ Advokaten Dr. Wübbke. Dieser „umstürzlerische Volksverführer“ wird von dem „dirigierenden Bützower Bürgermeister Dr. Hane“, einem Junggesellen, wegen einer Gänsegeschichte unsanft behandelt. Prompt beschließt darauf der „wohllöbliche Bützower Magistrat“ am 5. November 1794, „jene Spezies der Wasservögel, Gans genannt“, dürfen nicht mehr „frei nach ihrem tierischen Willen“ durch die Stadt watscheln. „Das geflügelte Völkchen“ wird „im Stalle inkarzerieret“. Frei laufende Gänse werden vom Büttel des Magistrats eingefangen und weggesperrt. Eyring kauft eine Gans aus dem städtischen Pfandstall und lädt seinen Schulkollegen Magister Albus am Martinstag zum Gänsebraten ein. Verwundert muss der Gastgeber hören, der Gast bringt die „Gänsefreiheit“ allen Ernstes mit dem Kampf „edler und aufgeklärter Bürger für eine große Republik der Zukunft“ in Verbindung: „Große Tage nahen sich mit großen Schritten dem morschen Reiche der Teutschen“.

Eyring weiß es besser. Sein „politisch-amoroser Tischgenosse“ wird von Mamsell Hornbostel gegen den dirigierenden Bürgermeister vorgeschickt. Dem Junggesellen Magister Albus wurde von der Mamsell versprochen, sie werde ihn erhören, falls er den „hochweisen Magistrat zur Zurücknahme“ des Gänse-Ediktes bewegen könne. Albus prescht in der Tat vor. Er, der jahrelang den Spott der Bützower „mit lächelnder Demut“ ertragen hatte, fürchtet nicht die Reaktion des „Ober-Schul-Kollegiums“ aus Schwerin. „Unsere Gänse leiden an Dyspepsie!“ schreit er den Bürgermeister vor versammeltem Magistrat unerschrocken an und avanciert mit seiner Suada von der Gänsefreiheit bei der Bützower Bürgern zum „Volksrepräsentanten“ Dantonscher Prägung. „Der Pöbel rasaunet vor Lust.“ Der Demos von Bützow stürmt den Pfandstall. Während des Tumultes schlagen sich Dr. Wübbke und Magister Albus um Mamsell Hornbostel. Beiden wurde von der „heuchlerischen Trulla“ in ihrem Kampf gegen den dirigierenden Bürgermeister die Ehe versprochen. Der armselige Schulmeister Magister Albus wird tief in den Kot hinabgedrückt und muss bei seinem Freunde, dem Ich-Erzähler, Schutz suchen. Albus erkennt, die kapitolinischen Vögel der Mamsell Hornbostel zu retten, war Vorwand. Beide Herren hat die „libidinose Janua ausgespielet wie zwo Schellenbuben“.

Dr. Wübbke ist spurlos verschwunden. Pastor Primarius Klafautius berichtet die jakobinischen Vorgänge aus Bützow schriftlich nach Schwerin. Die herzogliche Regierung entsendet daraufhin elf Soldaten. Der Bürgermeister klagt dem Ich-Erzähler sein Leid. J. W. Eyring weiß Rat. Dr. Hane solle für die Einquartierung des Militärs bei der Mamsell sorgen. Für den guten Rat verlangt der Emeritus eine Gegenleistung. Der Bürgermeister soll die Flucht des Magisters Albus nach Berlin tolerieren.

Angeführt von Leutnant Schlappupp rücken die Schweriner Husaren in Bützow ein. Einige Bürger werden ins Zuchthaus gesteckt, kommen jedoch bald wieder frei. Die Gänse werden „heimgeholet“. Schlappupp heiratet die Mamsell. Den Bürgermeister trifft der Schlag. Er wird feierlich zu Grabe getragen. Magister Albus macht in der Metropole Karriere.

Form

J. W. Eyring, „Historiograph der bützowschen Schreckenszeit“ hält einen altertümelnden, bildungssprachlichen[5] Ton durch. Neben der Französischen Revolution müssen nicht nur die Alten[6] herhalten. Der erzählende Emeritus schweift auch noch in andere Gefilde ab - zum Beispiel in die Welt nordischer Gottheiten. Daneben lässt Eyring etliche Stimmen aus dem Volk zu Wort kommen[7]. Einerseits klatscht der „Historiographus Buetzoviensis“ dem Herrn Bürgermeister Beifall und andererseits hilft er dem Schulkollegen Magister Albus während der „großen Revolution zu Bützow“ aus der Not.

Eyring weiß Vieles, aber eben nicht alles. Dieser Bützower „Geschichtsschreiber folgt mit stoischer Ruhe dem Laufe der Weltbegebenheiten“.

Literatur

  • Fritz Meyen: Wilhelm Raabe. Bibliographie. 438 Seiten. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1973 (2. Aufl.). Ergänzungsbd. 1, ISBN 3-525-20144-3 in Karl Hoppe (Hrsg.): Wilhelm Raabe. Sämtliche Werke. Braunschweiger Ausgabe. 24 Bde.
  • Werner Fuld: Wilhelm Raabe. Eine Biographie. 383 Seiten. Hanser, München 1993 (Ausgabe dtv im Juli 2006), ISBN 3-423-34324-9

Erstausgabe

  • Wilhelm Raabe: Die Gänse von Bützow. Eine Historia. 138 Seiten. Halbleinen. Verlag von Otto Janke, Berlin 1906.

Quelle

  • Die Gänse von Bützow, S. 52-126 in: Hans-Heinrich Reuter (Hrsg.): Wilhelm Raabe: Erzählungen. 776 Seiten. Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1962 (Die Ausgabe folgt: Karl Hoppe (Hrsg.): Wilhelm Raabe. Das ausgewählte Werk. Kritisch durchgesehene Ausgabe. 4 Bände. Freiburg im Breisgau 1955)

Weitere Ausgabe

Verfilmung

Hörbuch

  • Sprecher: Hans Jochim Schmidt. Verlag Vorleser Schmidt anno 2006. Format: 1 MP3-CD, 3:40 h, ISBN 978-3-937976-75-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Fuld, S. 207, 4. Z.v.o. und S. 208, 5. Z.v.o.
  2. Nach Oppermann in der Quelle, S. 425, Eintrag B1
  3. Meyen, S. 73-74
  4. Meyen, S. 335-336
  5. „Ich aber, des nächtlichen Lagers fürs erste noch entsagend,...“ (Quelle, S. 100, 10. Z.v.u.)
  6. Römische sowie griechische Geschichte und Mythologie.
  7. „Un dat sall wi ösch gefallen laaten?“

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Die Kinder von Finkenrode — ist ein Roman[1] von Wilhelm Raabe, der vom November 1857 bis zum Juli 1858 entstand und 1859 bei Ernst Schotte in Berlin erschien.[2] Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Zitat 3 Form …   Deutsch Wikipedia

  • Die Akten des Vogelsangs — ist ein Roman von Wilhelm Raabe, der vom 30. Juni 1893 bis 10. August 1895 entstand und 1896 im Verlag Otto Janke in Berlin erschien.[1][2] Oberregierungsrat Dr. jur. Karl Krumhardt liebt den Ort seiner Kindheit und Jugendzeit, die Vorstadt „Zum… …   Deutsch Wikipedia

  • Die Innerste — ist ein Novelle[1] von Wilhelm Raabe, die im Herbst 1874[2] entstand und 1876 in Westermanns Monatsheften erschien. In Buchform kam die Erzählung 1879 innerhalb der „Krähenfelder Geschichten“ heraus.[3] Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Die Leute aus dem Walde — ist ein Roman[1] von Wilhelm Raabe, der von Ende 1861[2] bis Anfang 1863[3] entstand und 1863 bei Westermann in Braunschweig erschien. Nachauflagen erlebte Raabe 1890, 1901, 1902, 1903 und 1906.[4] 1868 erschien in Utrecht eine Ausgabe in… …   Deutsch Wikipedia

  • Die schwarze Galeere — ist eine geschichtliche Erzählung von Wilhelm Raabe aus dem Jahre 1861. Die Anregung zu ihr erhielt Raabe aus der Fortschreibung von Schillers Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande und Der niederländische Revolutionskrieg , die Carl… …   Deutsch Wikipedia

  • Die alte Universität — ist eine Novelle[1] von Wilhelm Raabe, die im Sommer 1858 entstand und im selben Jahr in Westermanns Monatsheften erschien. 1862 lag der Text in der Sammlung „Verworrenes Leben“ bei Carl Flemming in Glogau vor.[2] Nachauflagen hat Raabe 1896,… …   Deutsch Wikipedia

  • Bützow — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Die Chronik der Sperlingsgasse — DDR Briefmarke von 1981 aus der Serie Bedeutende Persönlichkeiten: Wilhelm Raabe, im Hintergrund Buchtitel Die Chronik der Sperlingsgasse Die Chronik der Sperlingsgasse (1856) ist ein Roman von Wilhelm Raabe. Die Chronik ist der erste Roman… …   Deutsch Wikipedia

  • Die Hämelschen Kinder — Augustin von Moersperg (1592): Hameln, Glasfenster der Marktkirche St. Nikolai: Rattenfänger Die Hämelschen Kinder ist eine historische Novelle[1] von Wilhelm Raabe, die im März 1863 entstand[2] und im selben Jahr in der Zeitschrift „Die Maje“… …   Deutsch Wikipedia

  • Meister Autor oder Die Geschichten vom versunkenen Garten — ist eine Erzählung von Wilhelm Raabe, die in der ersten Hälfte des Jahres 1873 entstand und Ende desselben Jahres bei Günther in Leipzig erschien. Nachauflagen erlebte Raabe 1900 und 1903.[1][2] Mit dem Titel spielte Raabe auf St. Autor, den… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”