Die Abenteuer von Tim und Struppi

Die Abenteuer von Tim und Struppi
Filmdaten
Deutscher Titel Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn
Originaltitel The Adventures of Tintin
Produktionsland Vereinigte Staaten, Neuseeland
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 2011
Länge 107 Minuten
Altersfreigabe FSK 6
JMK 6[1]
Stab
Regie Steven Spielberg
Drehbuch Steven Moffat,
Edgar Wright,
Joe Cornish
Produktion Steven Spielberg,
Peter Jackson,
Kathleen Kennedy
Musik John Williams
Kamera Janusz Kaminski
Schnitt Michael Kahn
Besetzung

Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn (Originaltitel: The Adventures of Tintin) ist ein computeranimierter Abenteuerfilm in 3D von Steven Spielberg aus dem Jahr 2011. Der Film basiert auf der Comic-Serie Tim und Struppi des Autors und Zeichners Hergé.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Während auf dem Brüsseler Flohmarkt ein Taschendieb Briefbörsen fast im Sekundentakt einsackt, lässt sich der Reporter Tim von einem Straßenmaler zeichnen, der mehr als nur eine Ähnlichkeit mit Hergé aufweist. Beim anschließenden Bummel entlang der Auslagen entdeckt Tim ein Schiffsmodell, das er einem Händler abkauft. Kaum hält er die „Einhorn“ in Händen, wird ein dicklicher US-Amerikaner vorstellig, der ihn aufgeregt vor den Gefahren warnt, die er sich mit dem Kauf aufgebürdet hat. Tim lässt sich aber auch nicht von dem spitzbärtigen Iwan Iwanowitsch Sakharin beirren, dem Besitzer von Schloss Mühlenhof, der ihm den Dreimaster ebenfalls gerne für den doppelten Preis abkaufen möchte.

Kaum hat Tim die „Einhorn“ daheim abgestellt, bringt Struppi das Schiff bei der Verfolgungsjagd mit einer Katze zum Absturz. Tim beklagt, dass der mittlere Mast abgebrochen ist, bemerkt aber nicht, wie aus dem Mast eine metallene Hülse auf den Boden kullert, die Struppi durch sein aufgeregtes Tasten nur noch tiefer unter den Schrank befördert. In einer Bibliothek informiert sich Tim über die echte „Einhorn“, die dem Schiffsmodell zugrundeliegt. Dabei wird er heimlich von dem US-Amerikaner beobachtet, was Struppi nicht entgeht.

Wieder daheim, muss Tim feststellen, dass ihm das ramponierte Modell gestohlen worden ist. Er vermutet sein Eigentum in dem heruntergekommenen Schloss Mühlenhof, so dass er sich im Dunkeln durch ein Loch in der Mauer Zugang zum Grundstück verschafft. Im Innern des Gebäudes entdeckt Tim eine zweite Ausfertigung des Schiffsmodells, die er zunächst für sein gestohlenes Exemplar hält. Dabei wird er vom Schlossherrn Sakharin und dessen Butler Nestor überrascht. Sakharin berichtet seinem ungebetenen Besucher vom „Fluch der Haddocks“.

In der Zwischenzeit waren der oder die Einbrecher erneut in Tims Wohnung. Da er alle Zimmer verwüstet vorfindet, wird ihm klar, dass sich etwas Wertvolles in dem Dreimaster befunden haben muss. So sieht er unter dem Schrank nach und entdeckt die Metallhülse. Sie verbirgt einen Pergamentstreifen mit einer kryptischen Botschaft. Da steht der US-Amerikaner an der Haustüre, hinter dem sich der Geheimagent Barnabas Dawes verbirgt. Kaum steht er Tim gegenüber, wird er aus einem vorbeifahrenden Fahrzeug durch Schüsse förmlich durchsiebt. Mit letzter Kraft tippt der sterbende Dawes mit blutigen Fingern auf die Buchstaben einer Zeitung. Tim setzt daraus das armenische Wort „Karaboudjan“ zusammen.

Auf der Suche nach dem unbekannten Taschendieb spüren Schulze und Schultze auf der Straße durch Zufall den Kleptomanen Aristide Klemm-Halbseid auf, der mit knapper Not entkommen kann. Zu allem Überfluss muss Tim erkennen, dass auch sein Portemonnaie verschwunden ist, in dem sich das Pergament befindet. Kaum hat Tim dies bemerkt, wird er von einem Komplizen Sakharins chloroformiert, in eine Holzkiste verfrachtet und zum Hafen entführt. Struppi übernimmt mit Erfolg die Verfolgung, die auf dem Schiff „Karaboudjan“ endet.

Hier wird Tim von Sakharin erwartet, der vergeblich die Herausgabe des Pergamentes fordert. Man sperrt Tim in den Frachtraum, wo er sich von Struppi aus den Fesseln befreien lässt und erfolgreich von innen verschanzen kann. Da das Schiff abgelegt hat und sich auf offener See befindet, wagt Tim ein Ausstiegsmanöver durch das Bullauge, wobei er eine Etage höher in der Koje von Kapitän Haddock landet. Der wird von dem neuen Schiffseigner Sakharin laufend mit Alkohol abgefüllt und dadurch in Schach gehalten. Im Kugelhagel der Galgenvögel entkommen die neuen Freunde auf einem Beiboot.

Haddock übernimmt das Ruder mit dem gewagten Ziel, die (fiktive) marokkanische Hafenstadt Bagghar auf offener See nur per Muskelkraft zu erreichen. Dabei merkt er nicht, wie er Tim und Struppi bewusstlos schlägt. Als Tim wieder aufwacht, entdeckt er mit Entsetzen, daß der alkoholisierte Kapitän wegen der Kälte ein Feuer in dem Boot entfacht hat. Schlimmer noch: Haddock zerbricht die Ruder, um den Brand in Gang zu halten, und gibt dem Boot den Rest, indem er das Feuer durch Alkohol zu löschen versucht. Während Tim und Haddock sich an dem kieloben treibenden Boot festhalten, scheint Rettung in Form eines Wasserflugzeugs zu nahen. Die Maschine eröffnet aber das Feuer auf die beiden in Seenot Geratenen, bevor Tim das Flugzeug durch einen einzigen Schuss zum Wassern nötigen kann. Durch einen langen Tauchgang kann er außerdem die beiden Piloten überlisten und das Steuer übernehmen.

Beim Anflug auf Nordafrika überholt Tim die „Karaboudjan“, die ebenfalls Bagghar ansteuert, bevor er in eine lebensbedrohliche Gewitterfront gerät. Zu den Wetterschwierigkeiten kommen ernsthafte Treibstoffprobleme, die Haddock auf seine Weise löst, indem er mit seiner Alkoholfahne in den Tank rülpst. Trotzdem legt Tim eine Bruchlandung in der Sahara hin. Im doppelten Sinne auf dem Trockenen gelandet leidet Haddock unter Halluzinationen. Vor seinem geistigen Auge sieht er einen Piratenangriff auf die „Einhorn“, die im 17. Jahrhundert von Sir Francis Hadoque als Kapitän kommandiert wurde. Hierbei zog es sein Vorfahr vor, das Schiff zu versenken, um es und den an Bord befindlichen Schatz nicht in die Hände des Piraten Rackham des Roten fallen zu lassen.

Tim und Haddock haben bereits das Bewusstsein verloren, da erhalten sie in der Nacht Hilfe: Die Patrouille einer nahegelegenen Militärstation ist auf den Absturz aufmerksam geworden und rettet die beiden vor dem sicheren Tod. Im Delirium kann sich Haddock an nichts mehr erinnern, bevor ihm Struppi hochprozentigen Alkohol zuschustert. Auf einmal weiß der Kapitän sogar wieder, was sich in die letzten Minuten der „Einhorn“ abgespielt hat.

In Bagghar bestätigt sich Tims Verdacht, dass sich im Besitz des reichen Regenten und Schiffssammlers Omar Ben Salaad ein drittes Exemplar der „Einhorn“ befindet. Es wird in einer Vitrine hinter Panzerglas ausgestellt. Sakharin hat ein Open Air-Konzert der „Mailänder Nachtigall“ Bianca Castafiore arrangiert, die es mit den hohen Tönen ihrer Arie schafft, sämtliches Glas zum Zerspringen zu bringen, auch das Panzerglas. So kann Sakharin seinen Falken losschicken, damit er die noch gesuchte Schriftrolle aus dem dritten Schiffsmodell stiehlt. Nach einer aufwendigen Verfolgungsjagd durch die Straßen Bagghars, bei der Haddock versehentlich einen Staudamm beschießt, gelingt Sakharin die Flucht mit allen drei Pergamenten, die übereinander gelegt bestimmte Koordinaten preisgeben. Während die „Karaboudjan“ Marokko verlässt, ist Tim drauf und dran aufzugeben. Haddock kann ihn aber mit Erfolg auffordern zu kämpfen. Schließlich kann man das Schiff ja mit der Hilfe von Interpol aufspüren.

Im Heimathafen werden Sakharin und seine Leute bereits von Tim & Co erwartet. Haddock und Sakharin, der sich als Nachfahre des Roten Rackham offenbart, spielen den Schwertkampf ihrer beiden Ahnen nach, indem sie sich mit Ladekränen bekriegen. Haddock trägt den Sieg davon. In Bedrängnis geraten, droht Sakkharin, alle drei Pergamente zu verbrennen, darunter auch jenes aus Tims Schiffsmodell, das Schulze und Schultze in der Zwischenzeit unter der Diebesbeute des Kleptomanen wiedergefunden haben.

Mit allen drei Schriftrollen in ihrem Besitz, finden Tim und Haddock heraus, dass die Koordinaten zu Schloss Mühlenhof führen, das einst von Sir Hadoque erbaut wurde. Hier werden sie von Butler Nestor bereits erwartet. Im Keller finden sie hinter einem steinernen Globus einen Teil des Schatzes, aber auch einen Hinweis auf den Fundort der „Einhorn“. Tim und Haddock wollen sich auch dieses Abenteuer nicht entgehen lassen, zumal die vier Zentner Gold aus dem gesunkenen Schiff noch verschollen sind.

Hintergrund

Der Film wurde im Performance-Capture-Verfahren gedreht.

Seit einem Telefonat mit Hergé im Jahr 1983 plante Spielberg die Abenteuer von Tim und Struppi ins Kino zu bringen.[2] Nach dem Tod Hergés im selben Jahr hatte Spielberg die Filmrechte von Hergés Witwe erhalten.[3]

Vorerst wurde Melissa Mathison beauftragt, Drehbuchentwürfe für eine Realverfilmung anzufertigen. Erst Jahrzehnte später ist es zur konkreten Umsetzung des Projekts gekommen. Nachdem das Drehbuch soweit überarbeitet war, dass es umgesetzt werden konnte, beauftragte Spielberg Peter Jacksons Produktionsfirma Weta zu testen, wie das Zusammenspiel eines realen Darstellers mit einem digitalen Hund funktioniere. Er war von dem Ergebnis so sehr begeistert, dass er von seinem ursprünglichen Plan, Tim und Struppi als Realfilm zu produzieren, abrückte, um stattdessen einen Animationsfilm mit der Performance-Capture-Technologie in Zusammenarbeit mit Jackson als Co-Produzent und Co-Autor zu drehen. Peter Jackson erklärte, dass man eine Münze warf und den Zufall entscheiden ließ, wer von beiden bei diesem Film Produktion und Regie übernehmen würde. Beim nächsten Film sollen die Rollen getauscht werden und Jackson die Regie übernehmen.[4] Geplant ist, eine Abenteuer-Trilogie von Tim und Struppi ins Kino zu bringen. Die Dreharbeiten begannen im Februar 2009 und dauerten 32 Tage.

Das Drehbuch basiert hauptsächlich auf den drei Comic-Bänden Die Krabbe mit den goldenen Scheren, Das Geheimnis der „Einhorn“, sowie Der Schatz Rackhams des Roten.[5]

Die Weltpremiere fand am 22. Oktober 2011 in Brüssel statt. In Deutschland startete der Film am 27. Oktober 2011. In den USA läuft der Film erst am 21. Dezember 2011 an.

Darsteller und Synchronisation

Die deutsche Synchronbearbeitung erstellte die Berliner Synchron AG Wenzel Lüdecke. Das Dialogbuch schrieb Alexander Löwe, Dialogregie führte Dietmar Wunder.

Rolle Darsteller Deutsche Stimme
Tim Jamie Bell Nicolás Artajo
Kapitän Haddock Andy Serkis Lutz Schnell
Iwan Iwanowitsch Sakharin Daniel Craig Dietmar Wunder
Schultze Simon Pegg Alexander Doering
Schulze Nick Frost Uwe Büschken
Aristide Klemm-Halbseid Toby Jones Hasso Zorn
Tom Mackenzie Crook Peter Lontzek
Allan Daniel Mays Dennis Schmidt-Foß
Omar Ben Salaad Gad Elmaleh Tayfun Bademsoy
Barnaby Joe Starr Eberhard Haar
Leutnant Delacourt Tony Curran Peter Flechtner
Pilot Cary Elwes
Pilot Phillip Rhys
Ausguck auf der „Unicorn“ Ron Bottitta

Kritiken

Die Kritik war über den Film sehr gespalten. In der Welt erschienen am selben Tag eine Pro- und eine Kontra-Kritik.

Zu Action, Handlung und Dialogen

Es fehle dem Film nicht an Schauwerten,[6] er zeitige „in seinen besten Ansätzen […] jene überbordende Schaulust“, die in den letzten Indiana-Jones-Filmen gefehlt habe.[7] In den Action-Szenen verzichte Spielberg auf ein „Schnittgewitter“ und ermögliche es dem Zuschauer, den Überblick zumeist zu behalten,[8] die Verfolgungsjagden seien „mehr oder minder unterhaltsam“, aber die zahlreichen sinnfreien Sachbeschädigungs-Sequenzen „weder animationstechnisch übermäßig gelungen noch besonders originell“, aber immerhin „phasenweise unterhaltsam“.[9] Der Regisseur habe sich „ein paarmal zu oft“ von seinen eigenen Filmen und deren Verfolgungsjagden inspirieren lassen.[10] Bei der Seeschlacht mit Piraten stiegen „unangenehme Erinnerungen“ an Spielbergs Hook (1991) hoch.[6] Die zwei Actionsequenzen gegen Ende seien „ohne Frage optisch beeindruckend“,[7] stellten indes für den Zuschauer ein Übermaß dar.[11][7]

Auf Spiegel Online stellte David Kleingers fest, es mangle dem Film nicht an Mitteln, doch hinterlasse er „ein sonderbares Gefühl von Ratlosigkeit. Denn der sichtbare Wunsch, möglichst alle Erwartungshaltungen zu befriedigen, führt zu einem unentschlossenen Spagat zwischen Werktreue und den Notwendigkeiten einer zeitgemäßen Dramaturgie.“ Kleingers hielt es für legitim, dass der Film die „kulturelle Stereotypen sowie eine koloniale Weltsicht mit entsprechenden rassistischen Darstellungen“ der frühen Comic-Bände nicht wiedergeben wolle und eine eigenen Handlung erfinde. Doch: „Während Tim in seinem ungebrochenen Idealismus akkurat getroffen ist, bleibt Kapitän Haddock schlicht zu zahm“, weil ihm „das anarchische, unberechenbare Element“ der Originalfigur fehle.[7] Die Verbindung von Spielberg und Hergé, jeder auf seinem Gebiet ein Meister, hätte ein Gipfeltreffen werden können, hatte Andreas Platthaus von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gehofft. „Doch wenn der Meistererzähler Spielberg dem Meistererzähler Hergé die Pointen wegstreicht, bleibt von beider Meisterschaft wenig übrig. Nur einer von ihnen ist daran schuldlos.“[12]

Mehrfach bemängelt wurden die Dialoge. Anstrengend und platt, dienten sie zu „verbalisieren, was die Schauspieler mangels mimischen Repertoires nicht auszudrücken vermögen.“[9] Gelegentlich wirke der Film „geschwätzig, da besonders Tim dauernd vor sich hin redet“.[8] Ungeeignet fürs Kino seien die „Momente, in denen Tim seine Gedanken mit Struppi (und dem Leser) teilt.“[8]

Zum Animationsverfahren und den Figuren

Der Welt-Kritiker Matthias Heine erklärte die „Ängste der weltweiten Tintinologen-Gemeinde vor der Hollywoodmaschine“ für unbegründet. „Der liebevolle Respekt, mit dem sich Spielberg den Original nähert, könnte kaum größer sein, dennoch begeht er nicht den Fehler, in Ehrfurcht zu erstarren. Und der gefürchtete Technik-Overkill bleibt aus.“ Der „filmhistorische Rang“ der Produktion liege darin, „der erste 3D-Film für denkende Menschen“ zu sein. Jenen Figuren aus der Comic-Reihe, die „immer schon die größte psychologische Tiefe hatten – Struppi und Kapitän Haddock – tun die durch 3D erlangten zusätzlichen Ausdrucksmöglichkeiten gut. Sie gewinnen noch einige Charakternuancen.“[11]

Laut Daniel Kothenschulte von der Frankfurter Rundschau ist es „der beste Abenteuerfilm seit Langem“, auf der Höhe von Spielbergs schönsten Filmen und ein „würdiger Nachfolger“ der Indiana-Jones-Reihe, „ein Wunderwerk der Gattung ‚Kino der Attraktionen‘“. Das Motion-Capturing sei inzwischen weiterentwickelt, spätestens nach einigen Minuten nehme man es nicht mehr als unnatürlich wahr. „Zum ersten Mal hat man nicht mehr das Gefühl, es mit einem schlechten Kompromiss aus Real- und Trickfilm zu tun zu haben sondern einer eigenständigen Filmästhetik.“ Und: „Erst die digitalen Bildmaschinen können füllen, was Hergé mit seiner klaren Linie umrissen hat: die Realität der Fantasie.“ Kothenschulte wies auf die „liebevollen“ Übergänge von Szene zu Szene hin: „Da wird aus einem tosenden Meer in der nächsten Einstellung eine kleine Pfütze und aus einem Handrücken die Sahara.“[13] Auch Elke Vogel vom Tagesspiegel äußerte sich über die „beeindruckende“ Animation und die „prima getroffenen“ Figuren, die „extrem echt aussehen. Man sieht zum Beispiel Tims pubertäre Hautunreinheiten oder die wehenden Barthaare“ von Haddock. „Ganz wunderbar: die knollennasigen, trotteligen Polizisten Schulze und Schultze.“[14] Der taz-Rezensent Michael Pekler schrieb, „gerade die aufs Äußerste reduzierte Mimik der Figuren (die höchstens noch Schnurrbärte oder Knollennasen ins Gesicht bekommen) funktioniert als Übertragung von Hergés sogenannter Ligne-claire-Technik ausgezeichnet.“[6]

Durchwachsen war die Besprechung von Georg Seeßlen in der Zeit. Er fand den im Film erzeugten Tim „lebendiger“ als den gezeichneten. Im ersten Teil des Films „beglückt [Spielberg] Tintin hier mit etwas, was Hergé aus seinem Werk verbannt hatte, mit dem Eintauchen ins Malerische, in alle nur erdenklichen Farben der Dunkelheit und der Ambiguität.“ Im zweiten Teil erschienen die Figuren „in »klarem« Kontrast zu den so perfekt und feinteilig simulierten Erscheinungen der Natur“. Im dritten Teil kämen Verfolgungsjagden. „Nur eine Einheit bildet das nicht. Im Gegensatz zum Comic-Tintin ist der Film-Tim nicht, sondern er geschieht. Sieht man ihn einmal nicht in Bewegung, so beginnen schon Selbstzweifel und Verzagtheit; Tim ist von der »Leerstelle« nicht zu einer Person geworden, sondern: zu einem postidentischen Akteur, für den Zeit und Raum […] nur als beliebig vorstellbar sind.“ Durch die Vermischung von Elementen verschiedener Jahrzehnte agiere Tim „in einer Nichtzeit, und all die historische Abgründigkeit, diese Verwandlung von einem Mitläufer des Faschismus in einen humanistischen Kämpfer für Gerechtigkeit (mochten wir sie dem Hergé-Tim nun vollständig abnehmen oder nicht), ist auf wundersame Weise verschwunden.“[15]

Rüdiger Suchsland kam im film-dienst zum Schluss: „In der Gesamtschau ergibt sich ein zwiespältiger Befund: Visuell kann der Film die Fans der Vorlage bei aller rein technischen Meisterschaft nicht befriedigen.“ Anstelle der „stilbildend-puristischen Optik“ der Comic-Reihe zeige der Film Figuren, die an Puppen erinnerten: „Köpfe wie Hände wirken überdimensioniert, die Nasen knollenförmiger als in der Vorlage“.[8] Auch Platthaus (F.A.Z.) betonte den Unterschied „zwischen der revolutionären Zeichenkunst des Belgiers und der Motion-Capturing-Technik, mit der der Amerikaner arbeitet. Die Erste lebt, obwohl sie starr ist, die Zweite wirkt leblos, obwohl sich alles bewegt.“[12] Und laut dem Spiegel versuche Spielberg, „Hergés nostalgischen Zauber mit Computertricks zu übertrumpfen.“ Das Ergebnis sei „ein brillant inszeniertes, aber mitunter seelenloses Hightech-Spektakel: Tims tote Augen düften selbst treue Fans verstören.“[10]

In der Welt urteilte Sascha Lehnartz, mit den Comic-Bänden aufgewachsene Anhänger, „die das Werk des Meisters Hergé vor allem wegen seiner „ligne claire“, seiner Eleganz und Subtilität bewundern, werden den Kinosaal […] mit einem üblen Gefühl verlassen: mit dem Gefühl, Zeuge einer 106-minütigen digitalen Schändung, zumindest aber einer brutalen Entführung geworden zu sein. Es gibt eine Szene im ‚Geheimnis der Einhorn‘, in der zwei Finsterlinge Tim chloroformieren und in eine Kiste packen. Das ist ungefähr das, was Steven Spielberg und Peter Jackson ihm angetan haben.“ Nach dem Vorspann werde „alles knollennasig und tumb. Ein paradoxer Effekt stellt sich ein: Während die Figuren in Hergés Comic trotz ihrer Zweidimensionalität für den Leser rasch menschliche Qualitäten anzunehmen scheinen und diesem – wie Spielberg sagt – ‚ans Herz wachsen‘, bleibt es selbst dem gutwilligen Betrachter verwehrt, auch nur einen Hauch von Empathie für deren dreidimensionale Replikanten zu entwickeln. Je menschenähnlicher diese aussehen, umso grotesker wirken sie.“[9] Nach Ansicht Fritz Göttlers von der Süddeutschen Zeitung vergreife sich der Regisseur an den Comic-Helden und befördere sie in ein totes Niemandsland.“ Da werden sie zu „monströsen Figuren, die bei aller Rasanz, zu der die Dramaturgie sie verdonnert, ihre plastilinöse Plumpheit nicht kaschieren können. Sie sind nicht Mensch und nicht Phantasiewesen, kennen keinen Ort und keine Zeit, die ihnen gehören […].“ Im ersten Indiana-Jones-Film vor dreißig Jahren sei „der Geist von Tintin sehr viel vitaler“, leider habe Spielberg seit vielen Jahren „das Träumen verlernt“.[16]

Literatur

Gespräch

Kritikenspiegel

Positiv

Eher positiv

Gemischt

Eher negativ

Negativ

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Freigabe der Jugendmedienkommission
  2. Interview mit Steven Spielberg zum Film
  3. Belgiens Comic-Erbe liegt in Spielbergs Händen
  4. Spielberg und Jackson ließen Münze entscheiden
  5. Steven Spielberg: Liebesbriefe an die Literaten
  6. a b c Michael Pekler: Nicht Mann, nicht Kind. In: taz, 26. Oktober 2011
  7. a b c d David Kleingers: Saufen Sie mehr, Kapitän Haddock!. In: Spiegel Online, 24. Oktober 2011
  8. a b c d Rüdiger Suchsland: Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der Einhorn 3D. In: film-dienst Nr. 22/2011, S. 30–31
  9. a b c Sascha Lehnartz: Spielbergs digitale Schändung des Hergé-Klassikers. In: Die Welt, 26. Oktober 2011
  10. a b Der Spiegel, Nr. 43, 24. Oktober, S. 134, nicht gezeichnet: Struppi, fass!
  11. a b Matthias Heine: Der erste 3D-Film für denkende Menschen. In: Die Welt, 26. Oktober 2011
  12. a b Andreas Platthaus: Was hat Spielberg nur aus Hergés Geniestrich gemacht?. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. Oktober 2011, S. 35
  13. Daniel Kothenschulte: Die Realität der Fantasie. In: Frankfurter Rundschau, 23. Oktober 2011
  14. Elke Vogel: Hommage mit Knalleffekt. In: Der Tagesspiegel, 20. Oktober 2011
  15. Georg Seeßlen: Pusteblume!. In: Die Zeit, 27. Oktober 2011
  16. Fritz Göttler: Aus der Traum von der Unsterblichkeit. In: Süddeutsche Zeitung, 26. Oktober 2011

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