Heinz Kraschutzki

Heinz Kraschutzki

Heinz (Don Enrique) Kraschutzki (* 20. August 1891 in Danzig; † 27. Oktober 1982 Füssen) war Marineoffizier, engagierter Demokrat, deutscher Pazifist, Strafvollzugsbeamter und Publizist.[1]

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Im Ersten Weltkrieg und bis 1919

Kraschutzki wurde als Sohn eines Arztes in Danzig geboren. Er trat 1910 in eine Seekadettenschule ein, um Marineoffizier zu werden.[2] Kraschutzki nahm als begeisterter Monarchist am Ersten Weltkrieg teil - zuletzt als Kapitänleutnant und Kommandant eines Minensuchbootes[3]. Schon während des Kriegs war ihm - selbst Abstinenzler - in Gesprächen mit dem Vorsitzenden des Vereins Abstinenter Offiziere, Korvettenkapitän Hinckeldeyn, klar geworden, dass Deutschland einen hohen Anteil am Entstehen des Krieges hatte. Er hatte auch bald erkannt, dass Deutschland den Krieg verlieren würde und dass die Monarchie keine Zukunft in Deutschland haben könne. Kraschutzki engagierte sich in der Novemberrevolution gegen das wilhelminische Kaiserreich für das Entstehen eines demokratischen Deutschlands. Im November 1918 wurde er in den Arbeiter- und Soldatenrat von Bremerhaven gewählt, dem er bis Februar 1919 angehörte.

Als Kraschutzki sich 1919 um die Führung eines neues Minensuchbootes bewarb, das bei der Beseitigung der im Meer schwimmenden Minen des gerade vergangenen Krieges mithelfen sollte, lehnte die Marineleitung seine Bewerbung wegen der Beteiligung an der Novemberrevolution ab und wollte ihn sogar vor ein Kriegsgericht stellen. Kraschutzki verließ die Marine und ergriff einen Zivilberuf. 1919 zog er nach Itzehoe und wurde Prokurist bei der Netzfabrik Die Norddeutschen Netzwerke.

Wandlung zum Pazifisten und Engagement in der Anti-Kriegs-Bewegung

Kraschutzki wurde aufgrund seiner eigenen Erfahrungen Pazifist. Er begann, seine Vorstellungen gegen den Krieg in pazifistischen Blättern (Junge Menschen, Deutsche Zukunft) zu veröffentlichen und gründete 1923 die Ortsgruppe Itzehoe der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG), deren Vorsitzender er bis 1926 war. Zuerst hatte Kraschutzki viel Zuspruch mit seinen pazifistischen Ideen. Aber als er einen französischen Pazifisten zu einem Vortrag einlud, hatte er es sich mit dem zunehmend nationalistisch gesinnten und auf Revanche gegenüber dem "Erbfeind Frankreich" sinnenden Bürgertum Itzehoes verscherzt. Seine Wohnung wurde gekündigt, und er bekam Schwierigkeiten mit seiner Arbeit. Daher übernahm er 1927 die Schriftleitung der von Fritz Küster herausgegebenen Zeitschrift Das Andere Deutschland in Hagen / Westfalen und zog mit seiner Familie dorthin .

Von 1925 bis 1928 war er Mitglied der SPD, verließ diese Partei aber, nachdem die SPD-Regierungsvertreter den Bau des Panzerkreuzers A gebilligt hatten. denn die Pazifisten befürchteten eine weitere Aufrüstung Deutschlands. Kraschutzki blieb fortan parteilos.
In Folge seiner publizistischen Tätigkeit wurde er noch während der Zeit der Weimarer Republik von rechtstehenden Kreisen in Deutschland mit einer Anklage wegen Landesverrats verfolgt. Denn Kraschutzki hatte sich schon ab 1925 zusammen mit Fritz Küster und Berthold Jacob Enthüllungen des Anderen Deutschland über eine illegal erfolgende Aufrüstung beteiligt , die nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages untersagt war. Unter anderem war dazu im Anderen Deutschland Jacobs Artikel Das Zeitfreiwilligengrab in der Weser erschienen, der anhand eines Unglücksfalles mit Zeitfreiwilligen auf der Weser nachwies, dass die Reichswehr über ein illegales Milizsystem verfügte, anstatt sich auf eine zahlenmäßig kleine Berufsarmee zu beschränken.

Emigration 1932 bis 1945

In Absprache mit Herausgeber und Redaktion des Anderen Deutschland blieb Kraschutzki Schriftleiter, aber entzog sich 1932 der juristisch-politischen Verfolgung und emigrierte nach Spanien. Ab 1932 wohnte er auf Mallorca. Er richtete eine Produktion von Sandalen ein und war „ein bei Arbeitern äußerst beliebter Unternehmer“.[4]
Kurz nach dem Beginn des Francoputsches im Juli 1936 wurde Kraschutzki von der Guardia Civil Francos in Cala Ratjada verhaftet, nachdem er von nationalsozialistischen auf Mallorca residierenden Geheimagenten denunziert worden war, die im Auftrag ihrer Regierung den Putsch gegen die legale demokratische Regierung unterstützten[5]. Er kam zunächst in das Gefängnis Casa Mir, wo er im Juli 1936 die republikanischen Bombenangriffe auf Palma de Mallorca erlebte.[4] Kraschutzki wurde von der Franco-Regierung zu dreißig Jahren Zuchthaus verurteilt. Seine Frau und Kinder wurden nach Deutschland zurückgeschickt. Ein Sohn konnte in England studieren.

Durch seine internationalen pazifistischen Kontakte kam er 1943 frei. Die War Resisters' International (WRI) organisierte während des Zweiten Weltkriegs Hilfe insbesondere durch diplomatische Kontakte und sorgte dafür, dass Heinz Kraschutzki 1943 auf die spanische Halbinsel Gibraltar verbracht wurde, die britisches Überseeterritorium ist. Erste Kontakte zu Theodor Michaltscheff entstanden. Nach dem Weltkrieg trat er 1946 in den internationalen Rat (Council) der WRI ein und blieb dort bis 1963.[6]

Rückkehr nach Deutschland und weiterer Einsatz für Frieden in Europa nach 1945

Nach 1945 lebte Kraschutzki in Westberlin und arbeitete mehrere Jahre als Oberfürsorger in der Justizvollzugsanstalt Tegel.[7] Er engagierte sich auch gegen Justizirrtümer. Später war Kraschutzki an der Freilassung des zu Unrecht zu lebenslänglich verurteilten Herbert Schön[7] beteiligt. Über diesen Fall und andere Justizungerechtigkeiten hatte er 1966 das in der Publikationsliste aufgeführte Buch Untaten der Gerechtigkeit geschrieben. Damit unterstützte er auch die politische Arbeit der Humanistischen Union, die damals für eine Liberalisierung des Strafrechts arbeitete.

Nach dem Krieg wurde Heinz Kraschutzki erneut ein Mitstreiter von Fritz Küster in der Zeitschrift Das Andere Deutschland und engagierte sich gegen die Wiederbewaffnung, für die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze, gegen den Kalten Krieg und für eine west-östliche Entspannungspolitik.

Als WRI-Ratsmitglied unterstützte er die Gründung der Internationale der Kriegsdienstgegner (IdK), der ersten deutschen Sektion der WRI nach dem Krieg und gehörte 1947 zu den IdK-Gründungsmitgliedern. Aktiv arbeitete er in der WRI und in der IdK.[8] Dabei vertrat er eine für seine Zeit bemerkenswert offene und vorurteilslose Haltung auch gegenüber dem kommunistischen Weltfriedensrat. Kraschutzli wurde dafür vielfach angefeindet. Er schrieb, er wäre sein ganzes Leben ein Außenseiter gewesen und habe „daher viel harte Kritik herausgefordert“.

Heinz Kraschutzki war seit Anfang der siebziger Jahre Mitglied der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker), lebte im hohen Alter - erblindet - wieder mit seiner Frau auf Mallorca und kehrte zuletzt nach Deutschland zurück.

Publikationen

  • Memòires a les presons de la Guerra Civil a Mallorca. Ed. Miquel Font. In katalanischer Sprache, Palma de Mallorca, 2004
  • Die Untaten der Gerechtigkeit – Vom Übel der Vergeltungsstrafe dargestellt in 111 Fällen - Mit einem Vorwort von Fritz Bauer. Verlag Gerhard Szczesny, München 1966. Eine neue Bearbeitung erschien als Die Gerechtigkeitsmaschine. Erfahrungen mit Strafen und Strafvollzug. Verlag C. F. Müller, 1970.
  • Staatsgefährdung?: Ein dokumentar. Bericht über d. Düsseldorfer Prozess gegen Angehörige d. Friedenskomitees d. Bundesrepublik Deutschland. Küster, Hannover 1961
  • Die verborgene Geschichte des Korea-Krieges. Verlag Das Andere Deutschland, Hannover 1957
  • East and West. Peace News, London 1949. In deutscher Sprache: Ost und West. Verleger: Internationale d. Kriegsdienstgegner, Dt. Zweig [War Resisters' International], Hamburg 13, Bornstr. 6 , 1949

Literatur und Hauptquelle

  • Björn Marnau, Wir, die wir am Feuer von Chevreuse die Hand erhoben haben...: Die Itzehoer Pazifisten in der Weimarer Republik in Jahrbuch Demokratische Geschichte Nr.  10, Seite 141 bis 166- online einsehbar beschäftigt sich mit den Itzehoer Pazifisten in Weimar anhand einer Darstellung des Lebens von Heinz Kraschutzki bis 1945

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Helmut Donat, Karl Holl (Historiker) (Hrsg.): Hermes Handlexikon – Die Friedensbewegung, Organisierter Pazifismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Düsseldorf 1983, S. 232f
  2. Günter Wirth: Die Hauser-Chronik, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1982, S. 94/95
  3. Lothar Kusche Dankesrede zur Verleihung des Tucholsky-Preises, 21. Oktober 2007 und Björn Marnau in Wir, die wir am Feuer von Chevreuse die Hand erhoben haben...: Die Itzehoer Pazifisten in der Weimarer Republik . JahrbuchDemokratische_Geschichte_Band_10 Seite 141
  4. a b Christian Buckard. Der Tod im Inselgarten: Eine andere Geschichte der 'deutschen' Urlaubsinsel Mallorca. In: Der Freitag vom 7. Juli 2006.
  5. Björn Marnau in Wir, die wir am Feuer von Chevreuse die Hand erhoben haben...: Die Itzehoer Pazifisten in der Weimarer Republik [1]
  6. Vgl. Devi Prasad: War is a crime against humanity - the story of the War Resisters' International, London 2005 / published by WRI
  7. a b Gerhard Mauz: Die Kunst, den bösen Schein zu wecken: über beschleunigte und andere Verfahren. In: Der Spiegel, 47/1968 vom 18. November 1968.
  8. Vgl.: Guido Grünewald: Die Internationale der Kriegsdienstgegner (IDK), Köln 1982

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Heinz Kraschutzki — (*1891 †1982) fue un pacifista y antifascista alemán. La historia de la persecución y detención de Kraschutzki tuvo lugar en la época de la guerra civil española (1936 39), cuando las relaciones entre la Falange y simpatizantes… …   Wikipedia Español

  • Fritz Küster — (* 12. Dezember 1889 in Ober Einzingen; † 13. April 1966 in Hannover) war ein deutscher Pazifist und politischer Publizist. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Persönlichkeiten der Stadt Danzig — Diese Liste führt Personen, die mit der Stadt Danzig in Verbindung stehen, in chronologischer Reihenfolge auf. Inhaltsverzeichnis 1 Ehrenbürger 2 Söhne und Töchter der Stadt Danzig 2.1 12. – 17. Jahrhundert …   Deutsch Wikipedia

  • Das Andere Deutschland — Beschreibung deutsche politische Zeitschrift Erstausgabe 1925 Einstellung 1969 …   Deutsch Wikipedia

  • Internationale der Kriegsdienstgegner/innen — IDK Logo mit dem Motiv des zerbrochenen Gewehrs, hier eine dem ursprünglich verbreiteten Friedenssymbol nahekommende Variante Die Internationale der Kriegsdienstgegner/innen e. V. (IDK) ist eine deutsche Sektion der War Resisters’… …   Deutsch Wikipedia

  • Justizirrtum — Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern. Ein Justizirrtum ist ein Fehler der Justiz, der in einer gerichtlichen Entscheidung (Urteil, Beschluss, Verfügung)… …   Deutsch Wikipedia

  • Kriegsschuld — Als Kriegsschuldfrage (frz.: question de la responsabilité dans la guerre; engl.: question of war guilt) bezeichnete man in der Weimarer Republik die öffentliche Debatte über die Schuld am Ersten Weltkrieg. Sie wurde und wird auch in anderen… …   Deutsch Wikipedia

  • Kriegsschulddebatte — Als Kriegsschuldfrage (frz.: question de la responsabilité dans la guerre; engl.: question of war guilt) bezeichnete man in der Weimarer Republik die öffentliche Debatte über die Schuld am Ersten Weltkrieg. Sie wurde und wird auch in anderen… …   Deutsch Wikipedia

  • Kriegsschuldfrage — Als Kriegsschuldfrage (frz.: question de la responsabilité dans la guerre; engl.: question of war guilt) bezeichnete man in der Weimarer Republik die öffentliche Debatte über die Schuld am Ersten Weltkrieg. Sie wurde und wird auch in anderen… …   Deutsch Wikipedia

  • Kriegsschuldfrage — Couverture du livre Anklage und Widerlegung de Hans Draeger, symbole de la discussion autour de la Kriegsschuldfrage dans l Allemagne de la République de Weimar qui s est principalement articulée autour de la réfutation de l accusation portée par …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”