Karl Lindemann

Karl Lindemann

Karl Wilhelm Ove Theodor Lindemann (* 17. April 1881 in Goldberg; † 4. Juli 1965 in Bremen) war ein deutscher Kaufmann, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Norddeutschen Lloyd, ab 1936 Mitglied im Präsidium der deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer[1] und letzter Präsident der Reichswirtschaftskammer.

Inhaltsverzeichnis

Ausbildung und Tätigkeit in China

Als Sohn eines Geheimen Konsortialrats und seiner Ehefrau Minna Becker besuchte er in Doberan das Humanistische Gymnasium. Von 1896 bis 1900 absolvierte er eine kaufmännische Lehre in Hamburg.[2] Danach leistete er von 1900 bis 1901 das Einjährige im freiwilligen Militärdienst ab. Anschließend ging er 1902 nach China. Dort arbeitete er für die Firma Fuhrmeister & Co. 1908 ging er nach Hankow und wurde für die Bremer Firma Melchers & Co. als Leiter der Filiale und Prokurist tätig. In Hankow übernahm er von 1908 bis 1914 Aufgaben als Königlicher Konsul für Norwegen. 1913 erwarb er einen Anteil an der Firma Melchers.

Rückkehr nach Bremen und Teilhaber von Melchers

1919 verließ er China und kehrte nach Bremen zurück, wo die Firma seit 1806 ihren Stammsitz hatte. 1920 wurde er Teilhaber der Firma. Im September 1933 erfolgte seine Ernennung zum Staatsrat in Bremen.[3] Da die Firma auch die Generalvertretung des Norddeutschen Lloyds für Ostasien ausübte, konnte Lindemann auch den Vorsitz im Aufsichtsrat des Norddeutschen Lloyds übernehmen.

Zudem wurde er 1933 Aufsichtsratsmitglied der Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft (ESSO AG) und der Atlas-Werke, Bremen. Lindemann übernahm zwischen 1933 und 1945 Aufsichtsratsposten in 18 Bank- und Industrieunternehmen.[4] Im Jahr 1932 wurde er auch Mitglied in der Stiftung Haus Seefahrt,[5] in der sich das führende bremer Wirtschaftsbürgertum organisiert und deren Schaffermahlzeiten zur Aufnahme wichtiger wirtschaftspolitischer Kontakte im Deutschen Reich[6] von 1936 bis 1939 wieder stattfanden.

Unterstützung der NSDAP und SS

Seit 1932 gehörte er zum Wirtschaftskreis der NSDAP um Wilhelm Keppler, um dann ab 1935 der Nachfolgeeinrichtung Freundeskreis Reichsführer SS anzugehören.[7] Seine Mitgliedschaft im Freundeskreis der SS begründete er damit, „dass auch Schlappheit und Ehrgeiz dabei waren, die mich veranlaßten, dem Freundeskreis treu zu bleiben.“[8] Später versuchte Lindemann zu erklären, seine Mitgliedschaft in der NSDAP seit 1938[9] hätte keine große Bedeutung gehabt.[10] Von 1933 bis 1945 wurde er in der Nachfolge von Philipp Heineken Vorsitzender des Aufsichtsrats des Norddeutschen Lloyd.[1]

In diesen Jahren zahlte er in einen Fonds ein, der zuerst von Adolf Hitler, später von Heinrich Himmler genutzt wurde.[11] Als Vertreter der HAPAG hatte Lindemann auch die Aufsicht über die Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft.[12] Diese Gesellschaft war fast vollständig im Eigentum der Standard Oil Company.

Waffenhandel und Verwaltung eroberter Firmen in den Niederlanden

Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs nahm Lindemann einen engen Kontakt mit dem deutschen Botschafter Fritz Grobba in Bagdad auf und organisierte einen Waffenhandel über die Filiale der Firma in Bagdad.[13] Nach der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen wurden 1940 von deutschen Behörden Maßnahmen eingeleitet, die dazu führten, dass der Konzern Unilever in deutschen Besitz kam. Dabei wurden Lindemann, Karl Blessing und Heinrich Schicht als Schutzverwalter für die Tochterfirmen von Unilever Marga, Saponia und Wemado eingesetzt.[14] 1943 gehörte er einer Delegation an, die das deutsch-schweizerische Handelsabkommen aushandelte, womit das NS-Regime erreichte, wichtige Rohstoffe für die Kriegswirtschaft über die Schweiz zu importieren.[15] Der Reichsminister Schwerin von Krosigk berief Lindemann persönlich in den Aufsichtsrat der mit der Produktion von Rüstungsgütern tätigen Firma VIAG.

Im September 1944 wurde er von Reichswirtschaftsminister Walther Funk zum Präsidenten der Reichswirtschaftskammer ernannt. Am Ende des NS-Regime 1945 gab er sein Vermögen mit 800.000 Reichsmark (RM) an, wovon der Anteil vom RM 500.000 die Teilhabe an der Firma Melchers & Co. gewesen sei.[16]

Nachkriegszeit

Nach Kriegsende wurde Lindemann mit anderen Mitgliedern der Dresdner Bank im Internierungslager USFET G-2 (USFET steht für US Forces European Theater) in Butzbach interniert. Seine Adresse gab er mit Bremen, Wachmann Str. 76, an. 1952 gehörte er wieder dem Aufsichtsrat der Dresdner Bank an.[17] Die Deutsche Gruppe der Internationalen Handelskammer ernannte ihn nach 1945 in Anerkennung seiner Verdienste zu ihrem Ehrenpräsidenten. Im Sommer 1959 übernahme er den Posten des Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Norddeutschen Kreditbank AG. Dabei hatte er schon seit 1931 enge Kontakte zu dieser Bank, als diese damals umorganisiert wurde.[1] 1961 beendete er seine Tätigkeit als Seniorchef in der Firma C. Melchers & Co.[18]

Schriften

  • Die deutsche Seeschiffahrt im Wandel der Nachkriegsjahre bis 1936. In: Deutsches Institut für Bankwissenschaft und Bankwesen: Probleme des deutschen Wirtschaftslebens, Erstrebtes und Erreichtes: eine Sammlung von Abhandlungen. Berlin 1937, S. 405.

Ämter und Mitgliedschaften

Siehe auch

  • Liste Bremer Staatsräte und Stellvertreter von Senatoren

Einzelnachweise

  1. a b c Reinhold Thiel: Die Geschichte des Norddeutschen Lloyd 1857–1970. (Band V, 1945–1970), Bremen 2006, S. 123.
  2. Reichshandbuch der Deutschen Gesellschaft. (Band 2), Berlin 1931.
  3. Herrmann A. L. Degener: Wer ist’s? Berlin 1935.
  4. Hartmut Rübner: Konzentration und Krise der deutschen Schiffahrt. Maritime Wirtschaft und Politik im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus. (Deutsche Maritime Studien, Band 1.; Zugl.: Bremen, Univ., Diss., 2003), herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Schiffahrtsmuseum Bremerhaven, Hauschild, Bremen 2005, ISBN 3-89757-238-9, S. 415.
  5. Karl H. Schwebel: „Haus Seefahrt“, Bremen, seine Kaufleute und Kapitäne. Vierhundert Jahre Dienst am deutschen Seemann, 1545–1945. Verlag H. Krohn, Bremen 1947, S. 76.
  6. Karl H. Schwebel: „Haus Seefahrt“ Bremen. Seine Kaufleute und Kapitäne. Bremen 1947, S. 18.
  7. Wolfgang G. Schwanitz: Gold, Bankiers und Diplomaten. Zur Geschichte der Deutschen Orientbank 1906–1946. Berlin 2002, S. 22
  8. Treue im Chor. In: Der Spiegel. Nr. 42, 1965 (13. Oktober 1965, online).
  9. OMGUS: Ermittlungen gegen die Dresdner Bank – 1946. Nördlingen 1986, S. 232.
  10. Peter Ferdinand Koch (Hrsg.): Die Dresdner Bank und der Reichsführer SS. Hamburg 1987, S.19
  11. Erklärung von Lindemann an Eides statt vom 28. Februar 1947 in Dokument NI 5514. In: Eberhard Czichon: Wer verhalf Hitler zur Macht? Zum Anteil der deutschen Industrie an der Zerstörung der Weimarer Republik. Köln 1972, S. 29, FN 71.
  12. John Loftus; Mark Aarons: The Secret War against the Jews. How Western Espionage betrayed the Jewish People. New York, 1994, S. 532, FN 25.
  13. Wolfgang G. Schwanitz, ebenda, S. 28.
  14. Ben Wubs: International Business and War Interests. Unilever Between Reich and Empire. 2008, Florence (Kentucky), S. 106.
  15. OMGUS, ebenda, S. 233 und S. 234.
  16. Persönliche Schätzung und Angabe von Lindemann, in: OMGUS, ebenda, S. 235.
  17. Ralf Ahrens, Ingo Köhler et al.: Die Dresdner Bank 1945–1957. Konsequenzen und Kontinuitäten nach dem Ende des NS-Regimes. München 2007, S. 242 FN 4.
  18. Nachruf in den Bremer Nachrichten vom 6. Juli 1965 unter dem Titel Karl Lindemann im 85. Lebensjahr gestorben.
  19. Hermann Teschemacher (Hrsg.): Handbuch des Aufbaus der gewerblichen Wirtschaft. (Band III, Reichswirtschaftskammer/Wirtschaftskammern, Industrie- und Handelskammern), Lübeck 1937, S. 439.
  20. In der Organisation des Beirats gab es ab dem Jahre 1939 drei Ausschüsse: 1. den Währungspolitischen Ausschuss, 2. den Außenhandelsausschuss und 3. den Börsenausschuss. Den Vorsitz im Außenhandelsausschuss führte Karl Lindemann. Vgl.: Eberhard Czichon: Der Bankier und die Macht. Hermann Josef Abs in der deutschen Politik. Köln 1970, S. 108.

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