konkret (Zeitschrift)

konkret (Zeitschrift)
konkret
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Beschreibung Zeitschrift für Politik und Kultur
Verlag KVV KONKRET GmbH & Co. KG
Erstausgabe 1957
Erscheinungsweise monatlich
Verkaufte Auflage (3. Quartal 2010) 42.903 Exemplare
Chefredakteur Wolfgang Schneider
Herausgeber Hermann L. Gremliza
Weblink konkret-verlage.de
ISSN 0023-3528

konkret ist eine 1957 gegründete deutsche Zeitschrift, die – mit einer Unterbrechung von November 1973 bis Oktober 1974 – bis heute erscheint. Die monatlich erscheinende Zeitschrift für Politik und Kultur vertritt weit links angesiedelte Positionen; während sie selbst sich als „einzige linke Publikumszeitschrift Deutschlands“ versteht,[1] wird sie vom Verfassungsschutz dem „undogmatischen Linksextremismus“ zugeordnet.[2]

Inhaltsverzeichnis

Vorläufer Studentenkurier

Der in Stil und Angriffslust innovative, erstmals die westdeutsche akademische Jugend über die lokalen Studentenzeitschriften hinaus als Leserschaft erschließende Vorläufer Studentenkurier wurde 1955 von Klaus Rainer Röhl in Hamburg gegründet. Er erschien bis 1957 und wurde durch die Mitwirkung zahlreicher bedeutender Autoren (Werner Riegel, Peter Rühmkorf, Arno Schmidt, Kurt Hiller und vieler anderer, auch des Grafikers Verner Witting) eine hoch wirkungsvolle Zeitung.

An seiner Gründung war der Bremer Bauunternehmer Klaus Hübotter finanziell beteiligt.

konkret von 1957 bis 1974

In den ersten Jahren ihres Bestehens hatte Konkret insbesondere auf die gesellschaftskritische Studentenschaft großen Einfluss. In der Hochphase der Studentenrevolte (vgl. 68er-Bewegung) erschien die Zeitschrift vierzehntäglich, von 1972 bis zum Konkurs im November 1973 sogar wöchentlich.

Anfänglich war die in konkret umbenannte Zeitschrift eine Studentenzeitschrift, die an den Universitäten auch ihre Hauptverbreitung fand. Konkret wurde aus der DDR finanziell unterstützt.[3] Klaus Rainer Röhl, Ulrike Meinhof und andere Redakteure reisten dafür häufig in die DDR. Manchmal empfingen sie ihre Weisungen auch im Westen durch Abgesandte der DDR. Röhl gab später an, die Redakteure seien durch Instrukteure der seit 1956 in der Bundesrepublik illegalen KPD angeleitet worden. Deutlich wurde dies zum Beispiel daran, dass moskaukritische Sozialisten wie Kurt Hiller aus dem Blatt hinausgedrängt wurden.

Da es in der Folgezeit beständig Probleme mit der Finanzierung der Zeitschrift gab, gleichzeitig deren Verbreitung und Bekanntheitsgrad sich enorm vergrößerte, suchte K. R. Röhl eine Möglichkeit zur sicheren Expansion und Verbreitung der Zeitschrift. Da mitunter DDR-kritische Artikel gedruckt wurden und die Zahlungen u. a. deshalb zuletzt ausblieben, wurden Aufmachung und Inhalt (in den Anfängen der sexuellen Emanzipation) immer stärker von sexuellen Themen unter Verwendung von Nacktfotos geprägt, da dies eine hohe Auflage erwarten ließ. Gleichzeitig erwarb sich die Zeitschrift durch diese Maßnahme bei ihren Gegnern den noch lange andauernden Ruf einer „Polit-Porno-Postille“.

Peter Rühmkorf, dem die damaligen engen Verbindungen zur DDR nicht bekannt waren, schrieb am 19. Mai 1969 in konkret (11/1969) in seiner Kolumne Agents provocateurs: „Das Schicksal der Zeitschrift konkret, ihre äußeren Anfechtungen und ihre inneren Irritationen sind nicht zu trennen von den Spannungen in der linken Bewegung überhaupt.

Unter den Redakteuren dieser Zeit sind Stefan Aust und Uwe Nettelbeck zu nennen. Doch war die damals bekannteste Mitarbeiterin der Zeitschrift Röhls Ehefrau Ulrike Meinhof, die von 1960 bis 1964 zudem Chefredakteurin war. Im Zuge ihrer politischen Radikalisierung und der sich daraus ergebenden Differenzen zu weiten Teilen der übrigen Mitarbeiter schrieb sie am 26. April 1969 in der Frankfurter Rundschau: „Ich stelle meine Mitarbeit jetzt ein, weil das Blatt im Begriff ist, ein Instrument der Konterrevolution zu werden, was ich durch meine Mitarbeit nicht verschleiern will.“ Am 7. Mai 1969 wurde das Haus des konkret-Herausgebers Röhl in Blankenese von mehreren Aktivisten unter Meinhofs Leitung gestürmt und verwüstet. Ihre Teilnahme an der gewaltsamen Befreiung von Andreas Baader am 14. Mai 1970 bedeutete das endgültige Ende ihrer journalistischen Karriere.

konkret seit 1974

Unter der Herausgeberschaft des vormaligen Redaktionsmitglieds und früheren Spiegel-Redakteurs Hermann L. Gremliza erschien im Oktober 1974 das erste Heft der „neuen“ konkret. Sein Anliegen war es, das Magazin „zur publizistischen Speerspitze einer seriösen Linken zu machen (…), [nachdem] Röhl nach der Trennung von Ulrike Meinhof [konkret] zu einer Art Yellow-Press der Apo gemacht hatte“. (So erschienen unter Röhls Leitung eine Zeitlang auf dem Titelbild und im Innern des Blattes ganzseitige Pin-Up-Fotos.) [4] konkret bezeichnet sich selbst und wird charakterisiert als eine (radikal) linke Zeitschrift, d. h., sie steht im politischen Spektrum links von den im Bundestag vertretenen Parteien (vgl. Neue Linke). Ein Leitspruch der Zeitschrift ist „lesen, was andere nicht wissen wollen.“ Der Erscheinungsort von konkret ist Hamburg. Herausgeber Gremliza verfasst regelmäßig die Einleitungskolumne sowie eine abschließende Seite mit sprachkritischen Betrachtungen. konkret hält auch nach der Einführung der Neuen deutschen Rechtschreibung an den alten Rechtschreibregeln fest.

Kontroverse um die Haltung zum Nahostkonflikt

In einem wesentlichen Teil der sich als antiimperialistisch verstehenden Fraktion der radikalen Linken wird konkret vor allem wegen der grundsätzlich pro-israelischen Haltung sowie der zustimmenden Haltung zum Irak-Krieg kritisiert.

Aus diesen Gründen endete auch die Arbeit Jürgen Elsässers bei konkret. Noch Ende 2002 hatte er in Bezug auf den bevorstehenden Irak-Krieg dem Vergleich der Methoden Hitlers und Bushs durch Herta Däubler-Gmelin zugestimmt, die Linke für ihr „in dubio pro bello“ (= im Zweifel für Krieg) kritisiert und geschrieben: „Bei Bush wie bei Hitler ist der Krieg nicht nur ein Ablenkungsmanöver von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten (gewesen), sondern die einzige Lösungsmöglichkeit einer säkularen Krise.“[5] In zwei Artikeln in der Zeitschrift junge Welt rechnete Elsässer einen Monat später mit „Kriegslügen von links“, insbesondere in konkret ab, und warf der Zeitschrift u.a. politischen Zynismus sowie eine unseriöse und groteske Aufblähung der „Opferbilanz der Baath-Partei“ vor.[6][7]

Konkret kündigte wenig später den Arbeitsvertrag mit Elsässer als Redakteur und schrieb Anfang 2003 dazu: „Die Gründe dafür waren arbeitstechnischer als auch politischer Art; […] die politischen betrafen Elsässers Versuch, seine eigene politische Neuorientierung gegen den Willen des Herausgebers und der Redaktion sowie auf Kosten anderer KONKRET-Autoren auf die Zeitschrift zu übertragen.“[8]

In einem Schriftstück des Verfassungsschutzes wird resümiert:

Insbesondere die Monatszeitschrift ‚konkret‘ sowie die Bahamas-Gruppe erklärten nunmehr, zum Schutz Israels sei die militärische Intervention am Golf notwendig und richtig. Aus der Sicht des traditionellen Linksextremismus war dies ein Tabubruch, weil es die Befürwortung einer ‚imperialistischen Aggression‘ einschloss. Die ‚konkret‘-Fraktion erhielt von ihren Gegnern umgehend den Stempel ‚Bellizisten‘, um zu illustrieren, dass sie sich als Verräter vom antiimperialistischen ‚Friedenskampf‘ abgesetzt und das Lager gewechselt habe.

konkret-Herausgeber Gremliza wird von der Broschüre mit der Bemerkung zitiert:

Vom Irak, von den ungezählten Verbrechen, die das Regime Saddam Husseins angerichtet hat, darf am Friedenslager nicht gesprochen werden. Wer es dennoch tut, ist ein Kriegstreiber. Da mein diesbezüglicher Ruf hinreichend ruiniert ist, kann ich’s ja sagen: Wäre gewährleistet, dass Saddam Husseins Regime beseitigt und durch ein menschenfreundlicheres ersetzt werden könnte, ohne fünfzig-, hunderttausend oder mehr Iraker kollateral umzubringen und zugleich an anderen Orten andere Monster zu entfesseln, hätte ich keine Bedenken.[9]

Autoren

Zu den konkret-Mitarbeitern gehörten über die Jahre viele bekannte freie Publizisten, z. B. Günter Amendt, Walter Boehlich, Martin Büsser, Diedrich Diederichsen, Sebastian Haffner, Ulrich Holbein, Günther Jacob, Reinhard Kahl, Otto Köhler, Erich Kuby, Dietrich Kuhlbrodt, Robert Kurz, Uwe Nettelbeck, Reinhard Opitz, Peggy Parnass, Wolfgang Pohrt, Ernst Alexander Rauter, Karl Heinz Roth, Georg Seeßlen, Kay Sokolowsky, Ingrid Strobl und Oliver Tolmein.

Nicht nur professionelle Journalisten lieferten Beiträge zur konkret, auch Hochschullehrer, wie u. a. die Professoren F. W. Bernstein, Georg Fülberth, Ernst Fürntratt-Kloep, Freerk Huisken, Oskar Negt und Klaus Theweleit, des Weiteren bekannte Schriftsteller wie Heinrich Böll, Peter O. Chotjewitz, Dietmar Dath, Karlheinz Deschner, Hubert Fichte, Erich Fried, Gerd Fuchs, Robert Gernhardt, Peter Hacks, Eckhard Henscheid, Gerhard Henschel, Günter Herburger, Wladimir Kaminer, Yaak Karsunke, Brigitte Kronauer, Robert Neumann, Hermann Peter Piwitt, Ernst Alexander Rauter, Michael Scharang, Michael Schneider, Horst Tomayer, Henning Venske und Peter Paul Zahl, sowie (Ex-)Politiker wie Jutta Ditfurth, Rudi Dutschke, Thomas Ebermann, Karl-Heinz Hansen, Rainer Trampert, Jürgen Trittin, Sahra Wagenknecht, Mathias Wedel und Winfried Wolf.

Unter den Autoren fanden sich auch solche, die in der Zeitschrift im späteren Verlauf zum Teil heftig kritisiert wurden; zu ihnen gehörten u. a. (in Klammern das Jahr ihres letzten Beitrags): Wolf Biermann (1980), Norbert Blüm (1976), Alice Schwarzer (1981), Günter Wallraff (1985) und Gerhard Zwerenz (1992).

Literatur

  • Hermann L. Gremliza (Hrsg.): 30 Jahre KONKRET. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1987, ISBN 3-922144-63-2.
  • Hans-Joachim Noack: Rosen aus Ost-Berlin. In: Der Spiegel. Nr. 11 vom 13. März 2006, S. 46–49.
  • Frederik Obermaier: Sex, Kommerz und Revolution. Vom Aufstieg und Untergang der Zeitschrift "konkret" (1957-1973). Tectum-Verlag, Marburg 2011, ISBN 978-3-8288-2671-7.
  • Bettina Röhl: So macht Kommunismus Spaß! Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2006, ISBN 3-434-50600-4.
  • Klaus Rainer Röhl: Fünf Finger sind keine Faust. Eine Abrechnung. 3. Auflage. Universitas Verlag, München 1998, ISBN 3-8004-1365-5. (Autobiographie)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Selbstdarstellung auf Konkret Online
  2. Die Bundesregierung ordnete konkret 2003 auf die Schriftliche Frage des CDU-Abgeordneten Georg Schirmbeck hin, als „organisationsunabhängige linksextremistische/linksextremistisch beeinflusste Publikation“ ein, s. Antwort des Staatssekretärs Lutz Diwall vom 1. August 2003, Bundestagsdrucksache 15/1474, Nr. 40, S.21. 2004 ordnete das Bundesamt für Verfassungsschutz in dem Reader „Extremismus in Deutschland – Erscheinungsformen und aktuelle Bestandsaufnahme, Herausgegeben vom Bundesamt für Verfassungsschutz, Juni 2006, veröffentlicht auf Extremismus.com, S.202f.“ die Zeitschrift dem „undogmatischen Linksextremismus“ zu. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz bezeichnet konkret als antideutsche Publikation „innerhalb des linksextremistischen Spektrums“, s. Innenministerium NRW – Antideutsch; zuletzt abgerufen am 31. Juli 2006
  3. Hubertus Knabe: Ein Agent als Kronzeuge. In: Berliner Zeitung. 8. Mai 2000
  4. Hermann L. Gremliza: Im Gespräch. Das Gelächter des Sisyphos. DER POLEMIKER WIRD 60. Interview mit Hermann P. Piwitt In: Freitag. 10. November 2000.
  5. Jürgen Elsässer: Deficit bombing. In: Konkret. 11/2002, S. 13
  6. Jürgen Elsässer: Wie sie lernten, die Bombe zu lieben. Linke, Krieg und Antisemitismus, erster Teil. In: Sozialistische Positionen. Hannover, Onlineauftritt.
  7. Jürgen Elsässer: Mit Auschwitz lügen. Linke, Krieg und Antisemitismus, zweiter Teil. In: Sozialistische Positionen. Hannover, Onlineauftritt.
  8. Konkret 1/2003, S. 4
  9. Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Extremismus in Deutschland – Erscheinungsformen und aktuelle Bestandsaufnahme. S. 202, veröffentlicht auf Extremismus.com. Vgl. auch die Reaktion von konkret auf ihrer Internetseite.

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