- Polnischer Film
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Die Polnische Filmgeschichte beginnt bereits in der Pionierzeit des Films Ende des 19. Jahrhunderts. Sie ist ebenso wechselhaft wie die polnische Geschichte des 20. Jahrhunderts und stand seit jeher unter dem Einfluss des politischen Wandels in Polen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Stummfilm und Tonfilm bis zum Zweiten Weltkrieg (bis einschl. 1945)
Die Anfänge des polnischen Films
Ende des 19. Jahrhunderts erfand Kazimierz Prószyński den Pleographen, mit dem er kleine Szenen des Alltags in Warschau filmte. Zur gleichen Zeit realisierte Bolesław Matuszewski als Kameramann kleine Dokumentarfilme im Auftrag der Firma der Brüder Lumière. 1910 schuf Władysław Starewicz den ersten Puppenfilm in der Geschichte des Kinos. Der Film erlebte seine Premiere in Moskau 1912.
1908 hatte in Warschau der erste polnische Spielfilm seine Uraufführung. Das Drehbuch schrieb der Hauptdarsteller des Films Antoni Fertner. Die populärsten Filme dieser Zeit waren vor allem Komödien und Melodramen. 1914 gab Pola Negri ihr Debüt im polnischen Film. Sie wurde in den nachfolgenden Jahren vor allem durch deutsche und US-amerikanische Stummfilmproduktionen zum Weltstar.
Filme wurden vor allem in Theatern vorgeführt und die Filmvorführer arbeiteten wie Wanderbühnen.
Zweite Republik – Zwischenkriegszeit
Nach dem Ersten Weltkrieg entstand die Republik Polen nach über 100-jähriger Unterdrückung durch das deutsche Kaiserreich, dem russischen Zaren und der österreichisch-ungarischen Donaumonarchie. Mit der wieder gewonnenen Unabhängigkeit entstanden erste polnische Filmproduktionsfirmen. Neben den leichten Komödien und weiteren Melodramen entstanden auch erste patriotische Filme und Literaturadaptionen. Ryszard Ordyński inszenierte 1928 eine erste Verfilmung des polnischen Nationalepos Pan Tadeusz von Adam Mickiewicz.
Der erste Tonfilm in der Geschichte des polnischen Films entstand 1930 und war ebenfalls eine literarische Adaption: Die Moral der Frau Dulska von Gabriela Zapolska. Die dreißiger Jahre waren auch von kommerziellen Erfolgen geprägt. Einige Schauspieler und Sänger wie Adolf Dymsza oder Eugeniusz Bodo wurden nationale Idole, andere wie der später weltbekannte Jan Kiepura starteten ihre Karrieren. Daneben gab es auch Versuche, den avantgardistischen Film populärer zu machen, u.a. von der Künstlergruppe "START" (Stowarzyszenie Propagandy Filmu Artystycznego), der u.a. auch die später als Regisseurin bekannt gewordene Wanda Jakubowska angehörte und von Filmschaffenden wie Aleksander Ford und Jerzy Toeplitz gegründet wurde. Zwischen 1918 und 1939 entstanden insgesamt knapp 300 polnische Filme. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gab es alleine in Warschau 68 Kinos, im ganzen Land über 800.
Der polnische Film während des Zweiten Weltkrieges
Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen 1939 hörte die polnischen Filmindustrie offiziell auf zu existieren und ging, wie die gesamte polnische Kultur, in den Untergrund. Vor allem die historischen Aufnahmen von Dokumentarfilmern und Kameramännern von Verteidigung Warschaus und später 1944 vom Warschauer Aufstand sind bis heute wichtige Dokumente der Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Die polnischen Kinos gerieten dagegen in Besitz der deutschen Nationalsozialisten und verkamen zum Instrument der anti-polnischen Propaganda. Polnische Kinobesucher gerieten deshalb automatisch in den Verdacht der Kollaboration.
Die polnischen Filmemacher versuchten ins Ausland zu emigrieren. Sie landeten meistens bei den polnischen Streitkräften im Ausland. In London entstand eine Filmgruppe ebenso wie in der Sowjetunion. Die Filmemacher, die in der Sowjetunion arbeiteten, waren die ersten, die mit den sowjetischen Truppen nach der Befreiung Polens den Weg zurück in die Heimat fanden. Sie bildeten die Basis für den Aufbau des Kinos nach dem Krieg. Einer der führenden Filmemacher dieser Gruppe war Aleksander Ford, der bereits vor dem Krieg Dokumentarfilmer in Warschau war und 1945 in Lublin einen Dokumentarfilm über das Vernichtungslager Majdanek schuf. Der Titel des Films Majdanek – Friedhof Europas.
Polnischer Film in der Volksrepublik (1945–1989)
Polnisches Kino nach dem Zweiten Weltkrieg
Hatte sich vor dem Krieg die Filmproduktion vor allem auf Warschau beschränkt, wurde nach dem Krieg Łódź zum Zentrum der Filmschaffenden. Dies hatte vor allem einen Grund – Łódź war weit weniger zerstört als Warschau. Der erste Spielfilm nach dem Zweiten Weltkrieg entstand hier. Es war der Film Verbotene Lieder (Zakazane piosenki) von Leonard Buczkowski. Der Film erzählt die Zeit der deutschen Besatzung in Warschau von 1939 bis 1945. Danuta Szaflarska spielte eine der Hauptrollen. Der Film erlebte seine Uraufführung am 8. Januar 1947 in Warschau.
1948 wurde die Filmhochschule Łódź gegründet. Der zweite Nachkriegsfilm war 1948 der Film Die Grenzstraße (Ulica Graniczna) von Aleksander Ford über das Zusammenleben der polnischen und jüdischen Bevölkerung im Vorkriegspolen und während des Krieges. Im gleichen Jahr erschien Wanda Jakubowskas Auschwitz-Drama Die letzte Etappe (Ostatni etap) als dritter Spielfilm.
Der frühe polnische Nachkriegsfilm orientierte sich am italienischen Neorealismus von Regisseuren wie Roberto Rossellini und Vittorio De Sica. In erster Linie sollte ein Kino entstehen, das politischer war als das polnische Vorkriegskino. Die ersten drei Spielfilme aus dem Filmstudio in Łódź hatten diese programmatische Richtung bereits aufgezeigt. Regisseure wie Aleksander Ford, Jerzy Kawalerowicz und Wanda Jakubowska wurden die ersten Regiestars des Kinos der Nachkriegszeit. Schnell erhielten in den 1950er Jahren auch die Absolventen der neu geschaffenen Filmhochschule ihre Chance und etablierten sich schnell. Herausragendes Beispiel der jungen Regisseure wurde Andrzej Wajda, der die Themen der Zeit behandelte. Sein herausragendes Werk in den 1950er Jahren war der Film Der Kanal (Kanał), der erstmals den im noch stalinistisch geprägten Polen tabuisierten Warschauer Aufstand 1944 thematisierte. Der Film erhielt als erster polnischer Film bei den Filmfestspielen in Cannes eine internationale Auszeichnung und öffnete für den polnischen Film das Tor zur Welt. Internationaler Star des polnischen Kinos wurde in den 1960er Jahren dann der Łódź-Absolvent Roman Polański. Sein Film Das Messer im Wasser (Nóż w wodzie) erreichte die Anerkennung des Filmfestivals von Venedig und eröffnete im die Möglichkeit in Frankreich und später in den USA Klassiker des Kinos zu schaffen.
Neben den Spielfilmen war seit den 1950er Jahren der Dokumentarfilm eines der wichtigsten Ausdrucksmittel der polnischen Filmkünstler. 1950 wurde in Warschau das Warschauer Dokumentarfilmstudio gegründet. Es gab bis in die 1980er Jahre hinein eine Tradition, dass vor den Hauptfilmen in den polnischen Kinos Dokumentarfilme gezeigt wurden. Zu den herausragenden Persönlichkeiten des Nachkriegsdokumentarfilms gehörten Kazimierz Karabasz und Jerzy Bossak. In den 1970er Jahren kam Krzysztof Kieślowski hinzu, der durch seine Dokumentarfilme Berühmtheit erlangte, bevor er in den 1980er Jahren zu einem der wichtigsten Spielfilmregisseure Polens wurde.
Der polnische Trickfilm entstand ebenfalls in den 1950er Jahren. Herausragende Künstler dieser Kunstform waren Walerian Borowczyk, Jan Lenica und Witold Giersz. Neben Kunstfilmen und anspruchsvollen Kurzfilmen bestand der größte Teil der Trickfilmproduktion aus Kinderfilmen. Die Kinderfilme wurden zu einem beliebten Exportschlager, nicht nur in das sozialistische Ausland. Die Trickfilmhelden Lolek und Bolek wurden auch jenseits des Eisernen Vorhangs zu populären Kinderfilmfiguren.
Einen Überblick über das polnische Filmschaffen gibt seit 1974 alljährlich das Polnische Filmfestival in Gdynia.
Polnisches Kino und der politische Wandel in Europa nach 1980
Polnische Kinospielfilmproduktion[1] Jahr Anzahl 1975 36 1985 39 1995 23 2005 26 Der politische Wandel in Polen wurde sehr zeitig auch von den polnischen Filmemachern aufgenommen. Die Filme Wajdas (Der Mann aus Marmor und Der Mann aus Eisen) waren fast schon Dokumentarfilme der politisch aufregenden Zeit Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre. Einige Filme erblickten das Licht der Kinoleinwand jedoch erst nach der politischen Wende 1989: Ryszard Bugajskis Film Das Verhör oder Krzysztof Kieślowskis Ein kurzer Arbeitstag, beide aus dem Jahr 1982.
Dritte Republik – unabhängiges Polen (seit 1989)
Das polnische Kino ist heute von leichten Komödien, hochbudgetierten Monumentalwerken oder auch bei Festivals erfolgreichen Low-Budget-Filmen geprägt. In die Serie der leichten Komödien gehören Filme wie Große Jungs weinen nicht (Chłopacy nie płaczą) (eine Mafiakomödie mit Cezary Pazura) oder die Krimikomödieserie Killer ebenfalls mit Cezary Pazura. Teure Kinoerfolge von Literaturadaptionen entstanden. Wajda inszenierte Pan Tadeusz von Adam Mickiewicz und Jerzy Hoffman vollendete die Trilogie von Henryk Sienkiewicz mit seinem Film Mit Feuer und Schwert (Ogniem i Mieczem). Beide Filme wurden große Kassenerfolge. Ein weiterer Film dieser Reihe von Monumentalfilmen war die Neuverfilmung von Henryk Sienkiewiczs Nobelpreiswerk Quo Vadis durch Jerzy Kawalerowicz. Es entstanden allerdings auch Filme, die sich kritisch mit der neuen politischen Realität in Polen nach 1989 auseinandersetzen. Hunde (Psy) sowie der zweite Teil Hunde 2 (Psy 2 – Ostatnia Krew) von Władysław Pasikowski, ein Action-Krimi mit politischem Hintergrund, der die Korruption und Doppelmoral des neuen Polens beschreibt.
Die Low-Budget-Filme boten auf den internationalen Festivals beeindruckende Beispiele polnischer Filmkunst. Regisseur Krzysztof Krauze gewann 2005 mit seinem Film über den naiven Maler Nikifor auf dem Filmfestival in Karlovy Vary. Jüngere Regisseure überzeugten mit ihren Debüts: Piotr Trzaskalski mit dem rührenden Film Edi über einen Schrottsammler oder der Kurzfilm Eine Männersache von Sławomir Fabicki, der auf unterschiedlichen Festivals 25 Preise einsammelte und für einen Oscar nominiert wurde. Im Jahr 2000 erreichte dann auch die Karriere von Regiealtmeister Andrzej Wajda seinen Höhepunkt. Er bekam den Ehrenoscar der amerikanischen Filmakademie für sein Lebenswerk. 2006 erhielt Wajda dann außerdem noch den Goldenen Ehrenbären der Berlinale.
Seit 1999 wird alljährlich von der Polnischen Filmakademie der Polnische Filmpreis vergeben.
Wichtige polnische Filme
- Der achte Wochentag – Regie: Aleksander Ford (1958)
- Asche und Diamant – Regie: Andrzej Wajda (1958)
- Cześć Tereska – Regie: Robert Gliński (2001)
- Dekalog – Regie: Krzysztof Kieślowski (1987)
- Eroica – Regie: Andrzej Munk (1957)
- Das gelobte Land – Regie: Andrzej Wajda (1974)
- Eine Generation – Regie: Andrzej Wajda (1955)
- Der Gerichtsvollzieher – Regie: Feliks Falk (2005)
- Die Handschrift von Saragossa – Regie: Wojciech Has (1965)
- Die Hochzeitsfeier – Regie: Andrzej Wajda (1973)
- Der Kanal – Regie: Andrzej Wajda (1956)
- Korczak – Regie: Andrzej Wajda (1990)
- Die Kreuzritter – Regie: Aleksander Ford (1960)
- Landschaft nach der Schlacht – Regie: Andrzej Wajda (1970)
- Leben, Liebe und Tod des Obersten Wolodyjowski, (poln. Pan Wołodyjowski) – Regie: Jerzy Hoffman (1969)
- Die Legion der Straße – Regie: Aleksander Ford (1932)
- Die letzte Etappe – Regie: Wanda Jakubowska (1948)
- Der letzte Sommertag – Regie: Tadeusz Konwicki (1958)
- Die Mädchen von Wilko – Regie: Andrzej Wajda (1979)
- Der Mann auf den Schienen – Regie: Andrzej Munk (1957)
- Der Mann aus Eisen – Regie: Andrzej Wajda (1981)
- Der Mann aus Marmor – Regie: Andrzej Wajda (1977)
- Das Messer im Wasser – Regie: Roman Polański (1962)
- Nachtzug – Regie: Jerzy Kawalerowicz (1959)
- Mein Nikifor – Regie: Krzysztof Krauze (2004)
- Oberst Kwiatkowski – Regie: Kazimierz Kutz (1995)
- Pharao – Regie: Jerzy Kawalerowicz (1966)
- Potop – Regie: Jerzy Hoffman (1974)
- Die Puppe – Regie: Wojciech Has (1969)
- Samson – Regie: Andrzej Wajda (1961)
- Die Schiffsfahrt (poln. Rejs) – Regie: Marek Piwowski (1970)
- Die Schuld – Regie: Krzysztof Krauze (1999)
- Sexmission – Regie: Juliusz Machulski (1983)
- Das Verhör – Regie: Ryszard Bugajski (1982)
- Miś - Regie: Stanisław Bareja (1981)
Siehe auch: Kategorie:Polnischer FilmBedeutende polnische Filmschaffende
Regisseure
- Aleksander Ford
- Robert Gliński
- Wojciech Has
- Jerzy Hoffman
- Agnieszka Holland
- Wanda Jakubowska
- Jerzy Kawalerowicz
- Krzysztof Kieślowski
- Juliusz Machulski
- Andrzej Munk
- Roman Polański
- Andrzej Wajda
- Krzysztof Zanussi
- Janusz Nasfeter
Schauspieler
- Barbara Brylska
- Zbigniew Cybulski
- Krystyna Janda
- Bogumił Kobiela
- Barbara Lass
- Bogusław Linda
- Tadeusz Łomnicki
- Pola Negri
- Daniel Olbrychski
- Kazimierz Opaliński
- Wojciech Pszoniak
- Andrzej Seweryn
- Jerzy Stuhr
- Beata Tyszkiewicz
- Zbigniew Zamachowski
Andere Filmschaffende
- Paweł Edelman, Kameramann
- Sławomir Idziak, Kameramann
- Janusz Kamiński, Kameramann
- Wojciech Kilar, Filmmusikkomponist
- Edward Kłosiński, Kameramann
- Krzysztof Komeda, Filmmusikkomponist
- Piotr Lenar, Kameramann
- Jerzy Lipman, Kameramann
- Krzysztof Piesiewicz, Drehbuchautor
- Aleksander Ścibor-Rylski, Drehbuchautor
- Witold Sobociński, Kameramann
- Allan Starski, Szenenbildner
- Jerzy Stefan Stawiński, Drehbuchautor
- Jerzy Toeplitz, Filmhistoriker
- Krzysztof Teodor Toeplitz, Publizist und Drehbuchautor
- Jerzy Wójcik, Kameramann
Literatur
- Karol Irzykowski: Dziesiąta Muza. Zagadnienia estetyczne kina. [Die zehnte Muse. Die ästhetischen Probleme des Kinos.] 1924 (Nachdruck: Warschau 1957) (Das erste Buch zur Filmgeschichte und Filmästhetik in polnischer Sprache)
- Nikolas Hülbusch: Die "schwarze Serie" des polnischen Dokumentarfilms 1955–1959 im diachronen Kontext dokumentarfilmtheoretischer Diskurse. Coppi-Verlag 1997
- Marek Haltof: Polish National Cinema. (Taschenbuch), Berghahn Books 2002, ISBN 1571812768
- Zwischen Realismus und Poesie. Dokumentarfilm in Polen. Broschüre des Haus Des Dokumentarfilms, Königsstraße 1 A, 70173 Stuttgart
Weblinks
- Profil des Filmlandes Polen auf cineuropa.org
- Polish Film: A 20th Century History – englischsprachige Buchvorstellung
Einzelnachweise
- ↑ Weltfilmproduktionsbericht (Auszug), Screen Digest, Juni 2006, S. 205–207 (eingesehen am 15. Juni 2007)
Kategorien:- Filmgeschichte
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