DRG-Baureihe ET 65

DRG-Baureihe ET 65
DRG-Baureihe ET/ES 65
DB-Baureihe 465
Museumseinheit ET65 006 (Steuerwagen voraus) bei einer Sonderfahrt in Eutingen im Gäu
Anzahl: 25
Hersteller: ME BBC
Baujahr(e): 1933–1939
Ausmusterung: 1979
Achsformel: Bo'Bo'
Spurweite: 1.435 mm (Normalspur)
Länge über Puffer: 20.500 mm
Leermasse: 62,0 t
Reibungsmasse: 68,0 t
Höchstgeschwindigkeit: 85 km/h
Stundenleistung: 804 kW
Stromsystem: 15 kV 16 2/3 Hz AC
Stromübertragung: Oberleitung
Anzahl der Fahrmotoren: 4
Sitzplätze: 111

Die Elektrotriebwagen der Baureihe ET 65 (ab 1968 Baureihe 465 der DB) waren über Jahrzehnte das Rückgrat des Stuttgarter Vorortverkehrs. Sie bestanden jeweils aus einem Triebwagen, einem Steuerwagen und bis 1960 zwei kurzgekuppelten, württembergischen, zweiachsigen Personenwagen. Ab 1960 wurden die beiden Mittelwagen bis zur Ausmusterung durch einen vierachsigen Umbau-Wagen ersetzt. Alle Fahrzeuge waren mit Vielfachsteuerung ausgerüstet. Mehrere Triebwageneinheiten konnten von einem Führerstand bedient werden.

Wegen des lauten "heulenden" Fahrgeräusches und der weinroten Lackierung wurden die Fahrzeuge auch Rote Heuler genannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nach der Elektrifizierung der Strecke Stuttgart–München über die Geislinger Steige 1933 stellte die Deutsche Reichsbahn in zwei Serien 21 Triebwagen mit Steuerwagen in Dienst, die als Baureihe elT 12 eingereiht wurden. Zur Kapazitätserweiterung wurden 1933/34 44 ehemalige württembergische Doppelwagen hergerichtet, die paarweise zwischen Trieb- und Steuerwagen gekuppelt wurden. Dazu wurden zweiachsige Stahlwagen der Bauart Bi Wü 29 und Ci Wü 29 mit elektrischer Heizung und Steuerleitung ausgerüstet und als Biel Wü 29 bzw. Ciel Wü 29 bezeichnet. Sie hatten auf beiden Seiten Endeinstiege und einen Mitteleinstieg. Alle Triebwagen erhielt von Beginn an das seit 1932 gültige Farbschema der Deutschen Reichsbahn in weinrot-beige.

Eine dritte Serie mit vier Einheiten folgte 1938; damit standen insgesamt 25 Triebwageneinheiten für den Vorortverkehr Esslingen–Stuttgart–Ludwigsburg in Dienst. Diese letzte Serie hatte bereits geschweißte Wagenkästen und Drehgestelle der Bauart Görlitz. Auch auf die Stirntüren wurde verzichtet. Der Verkehr auf der Stammstrecke wurde im zwanzig-Minuten-Takt abgewickelt, im Berufsverkehr wurden dazu drei Einheiten gekuppelt. Der Anstrich in rot-beige entsprach den damaligen Normen. Die Fahrzeuge wurden von der Maschinenfabrik Esslingen gebaut. Die elektrische Ausrüstung stammt von der Firma BBC. 1940 wurde die Bauart in ET 65 (Triebwagen) bzw. ES 65 (Steuerwagen) und EB 65 (Beiwagen) umbenannt. 1942 erhielten alle ET 65 das neue Farbschema in Rot mit beigen Zierlinien das nach dem Krieg auch von der Deutschen Bundesbahn übernommen wurde. Die Züge erfüllten von Beginn an die in sie gesetzten Erwartungen.

Im Zweiten Weltkrieg wurden zwei Triebwagen und mehrere Steuerwagen bei Bombardierungen zerstört. Als Ersatz wurden ein verbliebener ET 51 (siehe unten) und mehrere Steuerwagen ES 25 hergerichtet, zu denen keine Triebwagen mehr vorhanden waren. Der Bundesbahndirektion Stuttgart standen so 24 Triebwagen zur Verfügung.

Von 1961 bis 1963 wurden die Triebwagen im AW Stuttgart-Bad Cannstatt einer weiteren Modernisierung unterzogen. Hauptmerkmal war die neue DB-Einheitsfront, wie sie viele Altbau-Triebwagen erhalten haben, die Frontfenster wurden vergrößert und Doppellampen und ein oberes Spitzenlicht eingebaut. In der zweiten Klasse wurden die Holzbänke durch Polstersitze ersetzt. Die Sitzplatzzahl in jedem Triebwagen wurde dabei von 73 auf 58 verringert. Mit vier neuen Fahrmotoren ausgerüstet, erreichten die Triebwagen eine Höchstgeschwindigkeit von 85 km/h. Die alten württembergische Wagen wurden durch Umbau-Wagen der Bauart B4yg ersetzt, die als Mittelwagen der Baureihe EM 65 eingestellt wurden.

Ab 1968 wurden die Triebwagen als 465, die Mittel- und Steuerwagen als 865 bezeichnet. Ab 1970 trugen fast alle Triebzüge die für sie so typischen Werbeaufschriften an den Seiten.

Am 30. September 1978 endete der Planeinsatz der alten Triebwagen. Der Vorortverkehr wurde von den S-Bahn-Triebwagen der Baureihe 420 übernommen. 1979 wurden die meisten Triebwagen ausgemustert und verschrottet. Einige der Mittelwagen EM 65 wurden für den Einsatz in normalen Zügen umgebaut.

Konstruktion

Die Fahrzeugkästen und Rahmen und Drehgestelle waren in schwerer Niettechnik ausgeführt worden, die dritte Serie war geschweißt.

Die Trieb- und Steuerwagen der ersten beiden Serien wiesen eine Fronttür auf, die dem Zugpersonal den Übergang ermöglichte. Bei der dritten Serie gab es eine seitliche Führerstandstür. Die Einstiege aller Serien waren etwas in den Wagenkasten hinein versetzt worden. Die Triebwagen besaßen am Führerstandsende zusätzlich ein Gepäckabteil, das über eine seitliche Schiebetür verfügte. Eine Besonderheit bildeten die beiden als Ersatz für im Krieg verlorene Steuerwagen umgebauten ES 25, zwar erhielten sie beim Umbau die Stirnform der übrigen ET 65, doch behielten sie den Rahmen und die mit der Seite bündig abschließenden Türen bei.

In jedem Drehgestell waren zwei in Reihe geschaltete Fahrmotoren (Typ EDTM 494) untergebracht. In einer Kammer im Fahrgastraum waren der Öltransformator mit dem Hauptschalter sowie die Steuermaschine zur Schaltung der Fahrstufen untergebracht.

Auf dem Triebwagen waren zwei Stromabnehmer der Bauart SBS 9, später auch SBS 10 und DBS 54 montiert, von denen der Strom über einen Dachleitung zum Hauptschalter geführt wurde. Beim SBS 9 und 10 wurde mit beiden Bügeln gefahren, bei den DBS 54 nur ein Bügel angelegt.

Da Trieb- und Steuerwagen einen festen Verbund bildeten, war jeweils nur an einem Ende ein Führerstand vorhanden.

ET 65 031

Im Zuge der ersten Modernisierung der Baureihe ET 65 in den 50er Jahren wurde als Ersatz für die beiden im Zweiten Weltkrieg zerstörten ET 65 Triebzüge ein aus Schlesien stammender Triebwagen der ET 51 01 (Spitzname: Iwan) mit einem ehemaligen ES 25 als Steuerwagen im DB-Ausbesserungswerk Cannstatt umgebaut und als ET 65 031 bezeichnet. Im Unterschied zu den anderen Triebwagen hatte er bis zum Umbau zwei Führerstände. Er war moderner als die Baureihe ET 65 konzipiert und hatte beispielsweise keine Hilfsmaschinenkammer im Fahrgastraum. Er war mit stärkeren Motoren von Siemens-Schuckert ausgerüstet und hatte bis zur Ausmusterung seine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h beibehalten.

Verbleib

Erhalten ist die Museumseinheit ET/EM/ES 65 006. Sie gehört dem Verkehrsmuseum Nürnberg. Die Einheit erhielt die Schienenverkehrsgesellschaft mbH (SVG), Stuttgart, als Dauerleihgabe. Sie wurde restauriert, betriebsfähig aufgearbeitet und im Ausbesserungswerk MOVO in Pilsen hauptuntersucht und wird jetzt im Nostalgieverkehr ab Stuttgart eingesetzt.

Die zweite verbliebene Einheit ET 65 005 und ES 65 011, die seinerzeit für das Technoseum (damals: Landesmuseum für Technik und Arbeit) in Mannheim vorgesehen war, befindet sich im Privateigentum. Am 3. Juni 2007 wurde das Fahrzeug zusammen mit ET 65 006 in Nürnberg abgeholt und feierlich nach über 26 Jahren Pause wieder in Betrieb genommen. An den Wochenenden der Sommerferien 2007 waren diese historischen Triebwagen auf der Gäubahn Eutingen–Freudenstadt erstmals wieder im Planeinsatz.

Ein Drehgestell wurde Bestandteil einer Skulptur, welche vor dem Bahnhof in Bad Cannstatt steht und an die Aufnahme des Eisenbahnbetriebs auf dieser Strecke im Jahre 1845 erinnern soll.

Am 15. März 2008 feierten die beiden ET 65 das 75-jährige Jubiläum (an diesem Tag wurden vor 75 Jahren beide ET 65 von der Maschinenfabrik Esslingen an die DRG ausgeliefert). Es fand eine große Jubiläumsfahrt mit beiden Fahrzeugen rund um Stuttgart mit ca. 250 Reisenden statt. Beide Fahrzeuge fuhren parallel die Geislinger Steige hinauf.

Das Fahrzeug ES 65 006 wurde in der ehemaligen Abstell- und Behandlungsanlage in Esslingen am Neckar durch die Vertreter der Stadt Esslingen feierlich auf den Namen "STADT ESSLINGEN AM NECKAR" getauft.

Literatur

  • Horst J. Obermayer: Taschenbuch Deutsche Triebwagen. 6. Aufl., Franckh, Stuttgart 1986, ISBN 3-440-04054-2
  • Estler: Fahrzeugportrait: Die Baureihe ET 65. transpress, Stuttgart 1999, ISBN 3-61-371111-7
  • Iffländer/Paule/Braun/Rieger: Die elektrischen Einheitstriebwagen der Deutschen Reichsbahn - Band I: Die Wegbereiter ET 51 und 65. Andreas Braun Verlag, München 1987, ISBN 3-92512-002-5
  • Pavel: Stuttgarter Vororttriebwagen ET 465. Verlag der Eislinger Zeitung, Eislingen/Fils 1981, ISBN 3-9800532-1-0
  • Gareis: Elektrotriebwagen von gestern. Krone, Leichlingen 2000, ISBN 3-933241-19-7
  • Meier: Die historischen Triebfahrzeuge und Wagen der Schienenverkehrsgesellschaft. Schienenverkehrsgesellschaft, Stuttgart 2007, (50 Seiten, DIN A4)
  • Michael Dostal: 75 Jahre Roter Heuler. Mit dem ET 65 durchs Schwäbische. In: „LOK MAGAZIN“ Ausgabe 4 (April 2008) Nr. 319, Seiten 48–59, GeraMond-Verlag, München, 2008, ISSN 0458-1822, 10813
  • Manfred Scheihing: 75 Jahre Baureihe ET 65. Die Neckarblitze. In: „eisenbahn magazin“ Ausgabe 4 (April 2008), Seiten 22–25, Alba Publikation, Düsseldorf, 2008

Weblinks



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