- Karlspreis
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Der Karlspreis, eigentlich Internationaler Karlspreis der Stadt Aachen (seit 1988 Internationaler Karlspreis zu Aachen), wird alljährlich in Aachen für Verdienste um die Europäische Einigung verliehen. Verliehen wird neben der Urkunde auch eine Medaille, deren Vorderseite das Bildnis Karls des Großen auf seinem Thron, eine Darstellung des ältesten erhaltenen Stadtsiegels Aachens aus dem frühen 12. Jahrhundert, zeigt. Den Abschluss der Verleihungszeremonie des mit einer Summe von 5000 € dotierten Karlspreises bildet die Rede des Preisträgers.
Der Preis wurde nach Karl dem Großen benannt, da dieser als erster Einiger Europas gilt und weil er Ende des achten Jahrhunderts Aachen zu seiner Lieblingspfalz wählte. Durch diese Wahl sollte eine Brücke zwischen europäischer Vergangenheit und Zukunft geschlagen werden.
Die Verleihung findet traditionell Christi Himmelfahrt im Krönungssaal des Rathauses der Stadt Aachen statt. Die Auswahl des Preisträgers trifft das Direktorium der Karlspreisgesellschaft, das sich heute aus dem Oberbürgermeister der Stadt Aachen, dem Dompropst in Aachen und dem Rektor der RWTH Aachen als Mitgliedern kraft Amtes, Vertretern der im Rat der Stadt Aachen vertretenen Fraktionen, vom Direktorium benannten Mitgliedern, gewählten Mitgliedern und Vertretern der Stiftung zusammensetzt.
Inhaltsverzeichnis
Träger
Im Dezember 1949 gründeten die Aachener Bürger Albert Maas, Albert Servais, Bischof Johannes Joseph van der Velden, Professor Wilhelm Müller, Peter Mennicken, Hermann Heusch, Franz Krauß, Carel Nieuwenhuijsen, Erasmus Schlapp und Jean Louis Schrader nach einer Initiative des Kaufmanns Kurt Pfeiffer die „Gesellschaft zur Verleihung des Internationalen Karlspreises der Stadt Aachen“ (Karlspreisgesellschaft), deren Zweck es sein sollte, den Weihnachten 1949 proklamierten Karlspreis zu verleihen. Sie erklärte, der Preis solle fortan jährlich „Persönlichkeiten verliehen“ werden, „die den Gedanken der abendländischen Einigung in politischer, wirtschaftlicher und geistiger Beziehung gefördert haben“. Die Karlspreisgesellschaft ist seit 1987 in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins verfasst und führt den Namen „Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen e. V.“. Seit 1997 existiert daneben die „Stiftung Internationaler Karlspreis zu Aachen“, die den Gedanken der europäischen Einigung fördern soll.
Jugendpreis
Seit 2008 wird von der Karlspreisstiftung, gemeinsam mit dem Europäischen Parlament, auch ein Karlspreis für die Jugend vergeben, der das europäische Engagement von Jugendlichen und jungen Erwachsenen würdigt und vorbildliche Jugendprojekte auszeichnet.[1]
Proteste
Fast jährlich werden die Verleihungen von Demonstrationen begleitet. Auf Kritik von linken Gruppen stößt immer wieder die Auswahl der Preisträger, wie auch die Institution Karlspreis selbst. Unter den Ausgewählten befand sich etwa 1987 der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger, zu dessen Amtszeit sowohl die Ausweitung des Vietnamkrieges als auch der von US-Geheimdiensten unterstützte Putsch gegen die Regierung Chiles unter Salvador Allende stattfanden. Tony Blair (1999), Bill Clinton (2000) und Javier Solana (2007) wurde vorgehalten, sie seien die Hauptverantwortlichen der Luftangriffe gegen Jugoslawien. Grundsätzlich kritisiert wird die Berufung auf den Namensgeber Karl den Großen, der im Nachhinein den Beinamen „Sachsenschlächter“ durch ein Massaker an über 4.000 heidnischen Sachsen erhielt.[2]
Auch auf Grund neuer Erkenntnisse aus dem Bericht des US-Nachrichtenoffiziers Saul Kussiel Padover wurden sowohl in einer amerikanischen[3] als auch einer britischen[4] Pressemitteilung die Idee des Karlspreises wegen der Mitgliedschaft Pfeiffers in der NSDAP und fünf weiteren NS-Organisationen sowie den ebenfalls NS-belasteten Mitgliedern des ersten Karlspreisdirektoriums, Oberstadtdirektor und Bürgermeister Albert Servais und Hochschulprofessor Peter Mennicken, in Frage gestellt und dieser Preis zusätzlich auch als vermeintliche und nicht angebrachte „Mystifizierung“ Karls des Großen, seiner Politik und seines Reiches interpretiert.
Preisträger
Jahr Preisträger Medailleninschrift Anmerkungen Bild 1950 Richard Nikolaus Graf von Coudenhove-Kalergi In Würdigung seiner Lebensarbeit für ein geeintes Europa 1951 Hendrik Brugmans Dem mutigen Wegbereiter eines geeinten Europa 1952 Alcide De Gasperi Dem Staatsmann und Europäer Alcide de Gasperi 1953 Jean Monnet Dem Schöpfer der ersten souveränen übernationalen europäischen Institution 1954 Konrad Adenauer Dem kraftvollen Förderer eines einigen Europa 1956 Winston Churchill Hüter menschlicher Freiheit – Mahner der europäischen Jugend 1957 Paul-Henri Spaak Verdienst um Europas Einigung und Sicherheit 1958 Robert Schuman Für die Einheit Europas 1959 George C. Marshall Für Verdienst um Wiederaufbau und Einigung Europas 1960 Joseph Bech Für Verdienste um Europa 1961 Walter Hallstein Neues Europa freiwilliger Bindung 1963 Edward Heath Einordnung und Festigkeit in Europäischer Zukunft 1964 Antonio Segni Für Einheit und Freiheit Europas 1966 Jens Otto Krag Für die Einheit Europas 1967 Joseph Luns Einsatz für Europa 1969 Kommission der europäischen Gemeinschaften Gemeinschaften in Anerkennung ihrer hohen Verdienste um die Europäische Einigung 1970 François Seydoux de Clausonne Freiheit durch Einheit 1972 Roy Jenkins Bekenntnis zu Europa 1973 Salvador de Madariaga Ein Leben für Europa – Freiheit, Ethik, Mut 1976 Leo Tindemans Abendländische Klarheit und Verantwortung 1977 Walter Scheel Für Europa und den Frieden der Welt 1978 Konstantinos Karamanlis Freiheit und Wohlfahrt in enger Bindung 1979 Emilio Colombo Ein Leben für Europa 1981 Simone Veil Für ein demokratisches Europa 1982 König Juan Carlos I. von Spanien Für Einheit und Menschenwürde 1984 Karl Carstens Raum des Rechtes und des Friedens 1986 Das Volk von Luxemburg Vorbild und Beharrlichkeit auf dem Weg zur Einheit Europas 1987 Henry Kissinger Für Partnerschaft und Frieden 1988 François Mitterrand und Helmut Kohl Für Französisch-Deutsche Freundschaft und Europas Zukunft 1989 Frère Roger Gleichnis der Gemeinschaft 1990 Gyula Horn Gesamteuropa – Von der Spaltung zur Einheit 1991 Václav Havel Symbol der Verständigung in Europa 1992 Jacques Delors Baumeister des europäischen Binnenmarktes 1993 Felipe González Streiter für Freiheit und Demokratie in Europa 1994 Gro Harlem Brundtland Verantwortung Europas für die Welt 1995 Franz Vranitzky Europa wachsen neue Kräfte zu 1996 Königin Beatrix der Niederlande Gute Nachbarschaft in Europa 1997 Roman Herzog Unsere Vision heißt Europa 1998 Bronisław Geremek Freiheit und Demokratie in Europa 1999 Tony Blair Frieden und Zusammenwachsen in Europa In der Kosovo-Krise 1999 spielte Blair eine führende Rolle. Im Gegensatz zum Zögern der Tory-Regierung während des Bosnienkrieges forderte Blair ein klares Handeln der NATO gegenüber Slobodan Milošević. Er überzeugte US-Präsident Clinton, notfalls auch Bodentruppen im Kosovo einzusetzen. Auf einer Rede in Chicago, einen Monat nach Kriegsbeginn, legte er Grundzüge einer neuen Doktrin für die internationale Gemeinschaft fest. Die Verleihung des Karlspreises wurde allerdings (siehe Vorwort) vielfach als Rechtfertigung von Kriegshandlungen kritisiert 2000 Bill Clinton Partnerschaft für Freiheit, Demokratie und Frieden 2001 György Konrád Brückenbauer für Gerechtigkeit und Versöhnung in Europa 2002 Der Euro Identifikation mit Europa Im Jahre 2002 wurde der Euro, die Währung der Europäischen Währungsunion, mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen ausgezeichnet, da er „wie kein anderer Integrationsschritt zuvor die Identifikation mit Europa befördert und damit einen entscheidenden, epochemachenden Beitrag zum Zusammenwachsen der Völkerfamilie leistet“. Angenommen wurde der Preis von Wim Duisenberg, dem damaligen Präsidenten der Europäischen Zentralbank. 2003 Valéry Giscard d’Estaing Verfassung für ein Vereintes Europa Giscard d'Estaing erhielt den Preis für seine Verdienste um den Entwurf einer Europäischen Verfassung, die er als Präsident des Europäischen Konvents mit ausarbeitete. 2004 Johannes Paul II. Außerordentlicher Karlspreis Aachen. Papst Johannes Paul II. Europa des Friedens Am 24. März 2004, wurde in Rom der Außerordentliche Internationale Karlspreis zu Aachen an Seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II. verliehen in Würdigung seines herausragenden Wirkens für die Einheit Europas, die Wahrung seiner Werte und die Botschaft des Friedens. 2004 Pat Cox Erweiterung und Demokratisierung der Europäischen Union Am 20. Mai 2004 wurde er in Aachen mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Das Karlspreis-Direktorium würdigt damit seine Verdienste um die EU-Erweiterung und Demokratisierung der Europäischen Union. 2005 Carlo Azeglio Ciampi Europa der Werte Der Italiener wird für seine Verdienste um Europa ausgezeichnet. Ciampi hat den Preis am 5. Mai im Krönungssaal des Aachener Rathauses entgegengenommen. 2006 Jean-Claude Juncker Motor für Europa Mit Glaubwürdigkeit, Kompetenz und Leidenschaft sei er Motor und Vordenker des Integrationsprozesses, begründete das Karlspreis-Direktorium die Wahl. 2007 Javier Solana Frieden in Europa – Frieden in der Welt Solana erhielt am 17. Mai 2007 für „herausragendes Engagement für einen substanziellen Beitrag Europas zu einer sicheren und gerechteren Welt“ den Karlspreis. 2008 Angela Merkel Europa gelingt gemeinsam Der deutschen Bundeskanzlerin wurde am 1. Mai 2008 der Preis „für ihre Verdienste um die Weiterentwicklung der Europäischen Union“ verliehen. Nicolas Sarkozy, der Präsident Frankreichs und zukünftige EU-Vorsitzende, hielt die Laudatio zu Ehren Angela Merkels, er würdigte das Verhältnis der Franzosen zu Deutschland und Europa.[5][6] 2009 Andrea Riccardi Frieden, Solidarität und Menschenwürde Gründer der Gemeinschaft Sant’Egidio. Das Direktorium für den Karlspreis würdigte neben den zahlreichen Verdiensten insbesondere das herausragende Beispiel zivilgesellschaftlichen Engagements für ein menschliches und – innerhalb wie außerhalb seiner Grenzen – solidarisches Europa, für die Verständigung von Völkern, Kulturen und Religionen und für eine friedlichere und gerechtere Welt.[7] 2010 Donald Tusk[8] Überzeugender und überzeugter Europäer Der polnische Ministerpräsident wurde am 13. Mai 2010 unter anderem für „den besonderen Einsatz […] für die Ratifizierung des Lissaboner Vertrags durch die Republik Polen“ geehrt.[9] Die deutsche Bundeskanzlerin und frühere Preisträgerin Angela Merkel würdigte Tusk in ihrer Laudatio als großen Europäer.[10] 2011 Jean-Claude Trichet[11] Stabilität und Vertrauen für Europa Verdienste um die Stabilisierung des Euroraums in der Finanzkrise Außerordentlicher Preisträger
Am 24. März 2004 wurde zum bisher einzigen Mal ein außerordentlicher Karlspreis an Papst Johannes Paul II. verliehen (siehe oben).
Siehe auch
Literatur
- Franco Bettin (Hrsg.): 50 Jahre internationaler Karlspreis zu Aachen. Monschau 2000
- Harald Kästner (Hrsg.): Die Karlspreisträger und ihre europäischen Reden. Bonn 1983
- Heinz Kundolf: Die Gedenk-Medaillen auf den Internationalen Karlspreis zu Aachen, Jahresgabe der Aachener Münzfreunde. Aachen 1996
- Helmut Reuther (Hrsg.): Der internationale Karlspreis zu Aachen. Zeugnis europäischer Geschichte. Symbol europäischer Einigung. Bonn 1993
- Sabine Schulz: Der Aachener Karlspreis. Aachen 1988
Weblinks
Commons: Karlspreis – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- http://www.karlspreis.de/
- Walter Eversheim, Geschichte des Karlspreises auf der Internetpräsenz der Stadt Aachen
Einzelnachweise
- ↑ Jugendprojekte: Jetzt bewerben für den Europäischen Jugend-Karlspreis. Website des Europaparlaments, 17. November 2008
- ↑ Zeitung für Aachen, Meldung vom 16. April 2007
- ↑ Rodney Atkinson: The Totalitarian founders of E.U. In: Cronicles, A Magazine of American Culture vom 18. März 2008
- ↑ Blair’s Charlemagne Prize created by Nazis, In: Breaking News vom 11. Dezember 2003
- ↑ Aachener Nachrichten: Karlspreis ganz harmonisch: «Chére Angela» und der «liebe Nicolas», 1. Mai 2008
- ↑ Rede des Präsidenten der Französischen Republik Nicolas Sarkozy im deutschen Text bei www.karlspreis.de und als Video bei www.elysee.fr am 1. Mai 2008
- ↑ http://www.karlspreis.de/preistraeger/2009/begruendung.html
- ↑ Karlspreis 2010 für polnischen Premier Tusk. In: AZ-Web.de, 16. Januar 2010
- ↑ aachen.de: Rahmenprogramm 2010
- ↑ vgl. Aachener Karlspreis für Donald Tusk bei dw-world.de, 13. Mai 2010 (aufgerufen am 13. Mai 2010)
- ↑ Frankfurter Allgemeine Zeitung: Aachener Karlspreis 2011 geht an Trichet, 4. Dezember 2010.
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