- Drehmatrix
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Eine Drehmatrix oder Rotationsmatrix ist in der Mathematik eine Matrix, die eine Drehung im euklidischen Raum beschreibt. Drehmatrizen sind definiert als orthogonale Matrizen mit Determinante +1.
Die Drehung kann ein Objekt (eine Figur, einen Körper) bezüglich eines festgehaltenen Koordinatensystems oder das Koordinatensystem selbst bewegen.
Inhaltsverzeichnis
Drehmatrix der Ebene R²
In der euklidischen Ebene
wird die Drehung eines Vektors p um einen festen Ursprung um den Winkel α, welcher im mathematisch positiven Sinn (gegen den Uhrzeigersinn) definiert ist, durch die Multiplikation mit der Drehmatrix Rα erreicht. Es existieren zwei Arten von Drehungen, die aktive Drehung und die passive Drehung. Bei der aktiven Drehung wird der Vektor durch die Multiplikation mit der Drehmatrix (Rotationsmatrix) Rα gegen den Uhrzeigersinn gedreht:
- p' = Rαp.
Bei der passiven Drehung wird das Koordinatensystem gedreht und damit der Vektor mit dem Uhrzeigersinn gedreht. Die Koordinaten des Vektors im gedrehten Koordinatensystem findet man durch Multiplikation mit der Matrix
:
Jede Rotation um den Ursprung ist eine lineare Abbildung. Wie bei jeder linearen Abbildung genügt zur Festlegung der Gesamtabbildung daher die Festlegung der Bilder der Basisvektoren einer beliebigen Basis. Wird die Standardbasis gewählt, sind die Bilder der Basisvektoren gerade die Spalten der dazugehörigen Abbildungsmatrix.
Wir haben unter Rα
Die Drehmatrix für eine Drehung um α ist also
Die Verkettung zweier Drehungen um die Winkel α bzw. β ist erneut eine Drehung, und zwar um den Winkel α + β. Die zur Verkettung gehörende Matrix kann mittels Matrixmultiplikation berechnet werden,
und erlaubt die Ablesung der Additionstheoreme für den Sinus und den Kosinus.
Drehmatrizen des Raumes R³
Die elementaren Drehungen im
sind Drehungen um die üblichen kartesischen Koordinatenachsen. Die folgenden Matrizen drehen einen Punkt (bzw. Vektor) um den Winkel α, bei festen Koordinatenachsen. In der Physik werden häufig Drehungen des Koordinatensystems benutzt, dann müssen bei den untenstehenden Matrizen die Vorzeichen aller Sinus-Einträge vertauscht werden. Die Drehung eines Vektors um einen bestimmten Winkel in einem Koordinatensystem ist äquivalent zur Drehung des Koordinatensystems um den gleichen Winkel in umgekehrter Richtung (Drehung um negativen Winkel).
Die Matrizen gelten sowohl für Rechts- als auch für Linkssysteme. Drehungen mit positiven Drehwinkeln sind im Rechtssystem Drehungen entgegen dem Uhrzeigersinn. Im Linkssystem wird bei positiven Winkeln mit dem Uhrzeigersinn gedreht. Der Drehsinn ergibt sich, wenn man entgegen der positiven Drehachse auf den Ursprung sieht. In Rechtssystemen kann auch eine Rechte-Hand-Regel angewandt werden: Zeigt der Daumen der rechten Hand in Richtung der Drehachse, so geben die gebeugten restlichen Finger die Richtung des Drehwinkels an. Im Ergebnis ist das Vorzeichen der Sinuseinträge der Drehung um die y-Achse anders als bei den beiden anderen Matrizen.
- Drehung um die x-Achse:
,
- Drehung um die y-Achse:
,
- Drehung um die z-Achse:
,
- Drehung um eine Ursprungsgerade, deren Richtung und Orientierung durch den beliebigen Einheitsvektor
gegeben ist:
.
Diese beliebige Drehung lässt sich auch über drei aufeinanderfolgende Drehungen mit den eulerschen Winkeln um bestimmte Koordinatenachsen erzielen, so dass sich diese Matrix auch mit diesen Winkeln formulieren lässt.
Eine Drehung um eine beliebige Achse
(mit
) um den Winkel α lässt sich im
schreiben als:
Dies lässt sich mit der Graßmann-Identität für doppelte Kreuzprodukte und dem dyadischen Produkt
umformen zu:
Dabei ist I die Einheitsmatrix und
sind die kanonischen Einheitsvektoren. Der Term in geschweiften Klammern stellt die Drehmatrix im
dar. In Komponentendarstellung schreibt sich diese:
Allgemeine Definition
Eine
-Matrix R mit reellen Komponenten heißt Drehmatrix, wenn sie
- a) die Länge von Vektoren und die Winkel zwischen Vektoren erhält (ausgedrückt durch das Skalarprodukt), wenn also für alle Vektoren x und y des
gilt:
und
- b) orientierungserhaltend ist, also
gilt.
Drehmatrizen sind orthogonale Matrizen mit der Determinante +1.
Eigenschaften
Weitere Eigenschaften von Rotationsmatrizen
:
- Quadratische Matrix mit reellen Komponenten
- RTR = RRT = In (orthogonal), folgt aus Definition erster Teil:
- RT = R − 1 (R transponiert = R invertiert), folgt aus der Orthogonalität
- det(R) = 1 (Determinante), entspricht Definition zweiter Teil
- Die Ausrichtung des Koordinatensystems (Rechts- oder Linkssystem) wird beibehalten, da det(R) = 1 > 0 positive Orientierung.
- R − 1(α) = R( − α) = R(2π − α)
- Die Drehachse
ist die Lösung zu:
-
.
- Da (R − I) singulär ist, ist die Berechnung der Drehachse über eine Eigenwertzerlegung durchzuführen. Die Drehachse
ist Eigenvektor von R mit Eigenwert 1.
- Der Drehwinkel α ergibt sich über das Skalarprodukt:
-
,
- mit
orthogonal zur Drehachse
oder aus der Spur der Drehmatrix
- (siehe auch Formel für die Matrix einer Drehung um eine allgemeine Achse oben).
- Die Menge aller Drehmatrizen eines Raumes bildet die Drehgruppe, nämlich die spezielle orthogonale Gruppe:
-
- Die Gruppenordnung der SO(n) ist n(n − 1) / 2.
- Zusätzlich zur algebraischen Struktur einer Gruppe besitzt die Menge aller Drehmatrizen auch eine topologische Struktur: Die Operationen Multiplikation und Inversion von Drehmatrizen sind stetig differenzierbare Funktionen ihrer Parameter, den Drehwinkeln. Die SO(n) bildet eine differenzierbare Mannigfaltigkeit und ist somit eine Lie-Gruppe.
- Mit der Lie-Gruppe SO(n) ist eine Lie-Algebra
verknüpft, ein Vektorraum mit einem bilinearen alternierenden Produkt (Lie-Klammer), wobei der Vektorraum bezüglich der Lie-Klammer abgeschlossen ist. Dieser Vektorraum ist isomorph zum Tangentialraum am neutralen Element der SO(n) (neutrales Element ist die Einheitsmatrix), sodass insbesondere
gilt. Die Lie-Algebra besteht aus allen schiefsymmetrischen
-Matrizen und ihre Basis sind die sog. Erzeugenden. Die Exponentialabbildung verknüpft die Lie-Algebra mit der Lie-Gruppe:
Infinitesimale Drehungen
Betrachtet man Drehungen um infinitesimal kleine Winkel dα, so ist es ausreichend, die Winkelfunktionen der endlichen Drehung bis zur ersten Ordnung zu entwickeln (sin x = x bzw. cos x = 1). Damit lassen sich nun infinitesimale Drehungen darstellen als:
wobei I die Einheitsmatrix und J die Erzeugende einer infinitesimalen Drehung darstellt. Die Erzeugenden sind die Ableitung der Rotationsmatrix an der Stelle der Identität und bilden die Basis der Lie-Algebra
(Beispiel siehe unten).
Eine endliche Drehung lässt sich durch Hintereinanderausführung infinitesimaler Drehungen erzeugen:
Dabei wurde die Exponentialfunktion identifiziert. Die Exponentialfunktion von Matrizen ist über die Reihendarstellung definiert, wie im letzten Schritt gezeigt. Es lässt sich zeigen, dass Erzeugende spurfrei sein müssen
und schiefsymmetrisch sind:
Mit dem Konzept der Erzeugenden lässt sich die lokale Gruppenstruktur der SO(n) in der Umgebung der identischen Abbildung ausdrücken, und zwar durch die infinitesimalen Drehungen. Wegen des Zusammenhangs über die Exponentialfunktion wird aus einer Multiplikation von Drehmatrizen eine Addition ihrer Erzeugenden. Die Erzeugenden bilden einen Vektorraum, dessen Dimension der Ordnung G = n(n − 1) / 2 der Drehgruppe SO(n) entspricht; somit gibt es G linear unabhängige Erzeugende der Gruppe SO(n).
Die Erzeugenden Ji bilden mit dem Lie-Produkt (Kommutator) die sog. Lie-Algebra
. Eine Algebra besitzt zwei Gruppenstrukturen, die kommutative Addition und eine Multiplikation (Lie-Produkt). Der Kommutator zweier Erzeugenden liegt wieder in der Menge der Erzeugenden (Abgeschlossenheit):
Die Koeffizienten
sind charakteristische Konstanten der Gruppe. Für alle doppelten Kommutatoren gilt die Jacobi-Identität:
In der theoretischen Physik spielen Lie-Gruppen eine wichtige Rolle, z.B. in der Quantenmechanik (siehe Drehimpulsoperator) oder der Elementarteilchenphysik.
Ebene R²
Für Drehungen im
ist eine infinitesimale Drehung und ihre Erzeugende gleich:
Für die SO(2) gibt es nur eine linear unabhängige Erzeugende.
Eine endliche Drehung lässt sich über die Exponentialfunktion des Drehwinkels und der Erzeugenden darstellen. Dies wird hier auf eine weitere Art gezeigt: Die Drehmatrix wird in einen symmetrischen und antisymmetrischen Anteil zerlegt und die trigonometrischen Funktionen durch ihre Taylorreihe dargestellt.
Mit J2 = − I bzw. J2n = ( − I)n folgt das von oben bekannte Ergebnis:
Raum R³
Für Drehungen im
um die kartesischen Koordinatenachsen sind die infinitesimalen Drehungen und ihre Erzeugenden gleich:
Für die SO(3) gibt es drei linear unabhängige Erzeugende. Gegenüber endlichen Drehungen vertauschen infinitesimale Drehungen miteinander (der Kommutator verschwindet in erster Ordnung in dα).
Eine infinitesimale Drehung und ihre Erzeugende um eine beliebige Achse
(mit
) lässt sich auch schreiben als
Hieran sieht man, dass eine beliebige Erzeugende stets eine schiefsymmetrische Matrix ist.
Eine endliche Drehung um eine beliebige Achse
(mit
) um den Winkel α lassen sich darstellen als:
Die Erzeugenden Jx, Jy, Jz bilden die sog. Lie-Algebra
, d. h. der Kommutator (Lie-Produkt) zweier Erzeugenden liegt wieder in der Menge der Erzeugenden:
und ebenso für alle zyklischen Permutationen der Indizes.
Literatur
- Gerd Fischer: Lineare Algebra. Eine Einführung für Studienanfänger. 17. aktualisierte Auflage. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-8348-0996-4 (Studium. Grundkurs Mathematik).
- Karlheinz Goldhorn: Moderne mathematische Methoden der Physik. Band 2. Springer, Berlin u. a. 2010, ISBN 978-3-642-05184-5 (Springer-Lehrbuch).
- Max Koecher: Lineare Algebra und analytische Geometrie. 4. ergänzte und aktualisierte Auflage. Springer, Berlin u. a. 1997, ISBN 3-540-62903-3 (Grundwissen Mathematik – Springer-Lehrbuch).
- Florian Scheck: Theoretische Physik. Band 1: Mechanik, von den Newtonschen Gesetzen zum deterministischen Chaos. 8. Auflage. Springer, Berlin u. a. 2007, ISBN 978-3-540-71377-7.
Weblinks
- Eric W. Weisstein: Rotation Matrix. In: MathWorld. (englisch)
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