Freie Neutronen

Freie Neutronen

Neutron

Klassifikation
Fermion

Hadron
Baryon
Nukleon

Eigenschaften
Ladung

neutral

Ruhemasse

1,008 664 915 78(55) u
1,674 927 16(13) · 10−27 kg
1838,683 6550(40) · me

Ruheenergie

939,565 330(38) MeV
1,505 349 46(12) · 10−10 J

magnetisches Moment −0,966 236 41(23) · 10−26 J T−1
Spin 1/2
Isospin −1/2
mittlere Lebensdauer (frei) 885,7 ± 0,8 s
Wechselwirkung stark
schwach
elektromagnetisch
Gravitation
Quark-Zusammensetzung 2 Down, 1 Up

Das Neutron [ˈnɔɪ̯trɔn] (Plural Neutronen [nɔɪ̯ˈtroːnən]) ist ein elektrisch neutrales Hadron mit dem Formelzeichen n. Es ist, neben dem Proton, Bestandteil der Atomkerne; Protonen und Neutronen nennt man deshalb auch Nukleonen. Sofern das Neutron nicht in einem Atomkern gebunden ist („freies Neutron“), ist es nicht stabil.

Inhaltsverzeichnis

Physikalische Beschreibung

Elementare Eigenschaften

Die Ruheenergie des (freien) Neutrons ist mit 939,6 MeV um etwa 1,3 MeV (0,14 %) größer als die des (freien) Protons.

Es trägt keine elektrische Ladung (daher der Name), hat aber ein magnetisches Moment von −1,91 Kernmagnetonen.

Das Neutron hat den Spin 1/2 und ist damit ein Fermion. Es gehört zu den Baryonen und ist als solches aus Quarks aufgebaut - zwei d-Quarks und einem u-Quark (Formel udd).

Als zusammengesetztes Teilchen ist es räumlich ausgedehnt („diffus“) und hat einen Durchmesser von circa 1,5 · 10-15 m.

Die Lebensdauer des freien Neutrons beträgt ca. 886 Sekunden (knapp 15 Minuten). Damit hat das Neutron die mit Abstand längste Lebensdauer aller instabilen Elementarteilchen.

Elementare Wechselwirkungen

Das Neutron unterliegt allen in der Physik bekannten vier Wechselwirkungen, neben der Gravitationskraft (die sich praktisch nicht auswirkt) unterliegt das Neutron auch der starken, der elektromagnetischen und der schwachen Wechselwirkung.

Die starke Wechselwirkung ist dafür verantwortlich, dass Neutronen in Kernen gebunden sind und bestimmt auch das Verhalten von freien Neutronen bei Stößen mit Atomkernen.

Das Neutron ist zwar elektrisch neutral und unterliegt damit nicht der elektrostatischen Anziehung oder Abstoßung, aber es hat ein magnetisches Moment und unterliegt somit der elektromagnetischen Wechselwirkung. Diese Tatsache sowie auch die räumliche Ausdehnung sind ein klares Indiz dafür, dass das Neutron ein zusammengesetztes Teilchen ist.

Die schwache Wechselwirkung ist verantwortlich für den Zerfall des Neutrons.

Neutronen als Bestandteile von Atomkernen

Mit Ausnahme des häufigsten Wasserstoffisotops (Protium, 1H), dessen Atomkern nur aus einem einzelnen Proton besteht und das den normalen Wasserstoff bildet, enthalten alle Atomkerne sowohl Protonen als auch Neutronen. Protonen und Neutronen werden daher zusammenfassend Nukleonen (von lateinisch nucleus, Kern) genannt.

Die Anzahl der Protonen im Kern und die damit identische Anzahl der Elektronen bestimmt, um welches chemische Element es sich handelt, da die chemischen Eigenschaften aus dem Aufbau der Elektronenhülle resultieren.

Neutronen und Protonen haben fast die gleiche Masse. Im Atomkern zusätzlich vorhandene Neutronen tragen somit zur atomaren Gesamtmasse bei. Ihre Anzahl im Kern bestimmt, um welches Isotop des Elements es sich handelt. Jedes Isotop wird durch die Summe der Anzahl Protonen und Neutronen, die Massenzahl, charakterisiert. Diese wird entweder als Hochzahl vor oder mit einem Bindestrich hinter das Elementsymbol geschrieben, z. B. 60Co oder Co-60, 235U oder U-235. Um daraus die Neutronenanzahl zu ermitteln, muss die Ordnungszahl (Protonenanzahl) des Elements von der Massenzahl abgezogen werden. Uran hat z. B. die Ordnungszahl 92; der Uran-235-Kern enthält also 235 minus 92 gleich 143 Neutronen.

In einem Atomkern können nicht beliebig viele Neutronen sein. Für jede Anzahl von Protonen zwischen 1 und 82 (ausgenommen 43 (Technetium) und 61 (Promethium)) gibt es bestimmte Anzahlen von Neutronen, die zusammen mit diesen Protonen stabile Kerne bilden. Mit mehr oder weniger Neutronen sind die Kerne instabil und daher radioaktiv. Stabile Kerne bestehen bis etwa zum Calcium aus gleich vielen Protonen und Neutronen (je 20); darüber wächst der Neutronenanteil allmählich bis auf fast das Anderthalbfache an (siehe Isotopentabelle). Ab 83 Protonen (Bismut) existieren keine stabilen Atomkerne: es gibt keine Neutronenzahl, die damit stabile Kerne zu bilden vermag.

Dies erklärt sich wie folgt: Für den Zusammenhalt des Atomkerns ist die starke Wechselwirkung zwischen den Nukleonen verantwortlich. Sie wirkt gleichermaßen auf Neutronen und Protonen anziehend, aber nur auf sehr kurze Distanz (quasi nur auf die unmittelbaren Nachbarn). Daher ist die Bindungsenergie pro Nukleon ungefähr konstant. Hinzu kommt aber die elektrostatische Abstoßung der Protonen untereinander, die dieser anziehenden Kraft entgegenwirkt. Zwar ist die elektromagnetische Kraft schwächer, sie wirkt aber über größere Entfernungen. Dadurch steigt die Abstoßung mit der Zahl der Protonen rapide an. Bis zu einer Protonenzahl von 82 lässt sich dies durch „überschüssige“ Neutronen kompensieren, darüber hinaus nicht mehr.

Zerfall des Neutrons

Neutronen unterliegen der schwachen Wechselwirkung. Der hierdurch verursachte Betazerfall bewirkt die Umwandlung eines Neutrons in ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino:

\mathrm{n}\rightarrow\mathrm{p}+\mathrm{e}^-+\bar{\nu}_e + 0{,}78\,\mathrm{MeV}

Der Beta-Zerfall betrifft sowohl freie als auch in manchen Atomkernen gebundene Neutronen; die angegebene Exzessenergie von 0,78 MeV gilt für den Zerfall des freien Neutrons.

Der umgekehrte Prozess tritt z. B. bei der Entstehung eines Neutronensternes auf:

\mathrm{p}+\mathrm{e}^-+ 0{,}78\,\mathrm{MeV} \rightarrow\mathrm{n}+\nu_e

Messung der Lebensdauer freier Neutronen

Die Lebensdauer des freien Neutrons ist mit 885{,}7\pm0,8 Sekunden nicht sehr genau bekannt, weil die Messung sehr schwierig ist: Freie Neutronen lassen sich zwar mit Neutronenquellen, Kernreaktionen oder mittels des Kernphotoeffekts gewinnen, werden jedoch in kürzester Zeit von Materie eingefangen, bevor der Zerfall stattfindet.

Die genaue Kenntnis der Lebensdauer des freien Neutrons ist vor allem für die Kosmologie wichtig. In einer frühen Phase des Universums machten freie Neutronen einen bedeutenden Teil der Materie aus. So könnte man die Entstehung besonders der leichten Elemente (und deren Isotopenverteilung) besser nachvollziehen, wenn die Lebensdauer des Neutrons genau bekannt wäre. Außerdem erhofft man sich ein besseres Verständnis der schwachen Wechselwirkung.

Eine Gruppe am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) (ehemals Hahn-Meitner-Institut (HMI)) arbeitet daran, die Zerfallszeit des freien Neutrons präziser zu messen. Dabei werden Neutronen in einer dreidimensionalen magnetischen Falle eingeschlossen. Die Wechselwirkung des Neutrons mit den Magnetkräften des Käfigs erfolgt über das schwache magnetische Dipolmoment des Neutrons. Dies bedingt eine besonders ausgefeilte Gestaltung des Feldes im Käfig. Die Neutronen, die aus einem Forschungsreaktor in die Falle gelangen, werden von suprafluidem Helium in der Kammer abgebremst und eingefangen. Das aus dem Zerfall stammende hochenergetische Elektron dient als Nachweis. Es ionisiert auf seiner Flugbahn mehrere Helium-Atome, die über Molekülprozesse (Excimere) ein messbares Lichtsignal aussenden. Neutronen selbst hinterlassen in einer Blasenkammer keine Spur, weil sie nicht mit Atomelektronen wechselwirken, also nicht ionisieren.

Erzeugung und Nachweis freier Neutronen

Es gibt viele verschiedene Arten von Neutronenquellen. In der angewandten Forschung (Untersuchung der Struktur und Dynamik von Materie durch elastische und inelastische Neutronenstreuung) werden vor allem Neutronen aus Forschungsreaktoren genutzt. Dort werden die Neutronen bei der Kernspaltung frei. Diese schnellen Neutronen haben allerdings eine Energie im Bereich von einigen MeV und müssen erst auf rund ein Millionstel ihrer Bewegungsenergie abgebremst werden, um mit ihnen kondensierte Materie untersuchen zu können.

Thermische Neutronen

Die Abbremsung geschieht in einem den Reaktorkern umgebenden Wassertank (leichtes oder schweres Wasser als Moderator). Bei jedem Zusammenstoß eines schnellen Neutrons mit einem Atomkern des Wassers wird Energie an den getroffenen Kern abgegeben. Nach vielen solchen Stößen weisen die Neutronen ein der Wassertemperatur (etwa 300 K, „Zimmertemperatur“) entsprechendes Energiespektrum auf. Man spricht dann von thermischen Neutronen (siehe untenstehende Tabelle).

„Kalte“ und „heiße“ Neutronen

Durch das Einbringen von zusätzlichen Moderatoren kann das Energiespektrum der Neutronen auch zu höheren oder niedrigeren Energien verschoben werden. Diese zusätzlichen Moderatoren bezeichnet man auch als sekundäre Neutronenquellen. Zur Gewinnung von sogenannten kalten Neutronen kommt häufig flüssiges Deuterium mit einer Temperatur von etwa 20 K zum Einsatz. Sogenannte heiße Neutronen werden in der Regel mit Graphit-Moderatoren bei etwa 3000 K erzeugt.

In jedem Fall werden die Neutronen durch sogenannte Strahlrohre aus dem Moderatortank oder den sekundären Neutronenquellen zu den Experimenten geleitet. Allerdings müssen noch genügend viele Neutronen im Reaktorkern verbleiben oder dorthin zurück reflektiert werden, um die Kettenreaktion aufrecht zu erhalten. Kalte, thermische und heiße Neutronen weisen jeweils eine bestimmte Energieverteilung und damit Wellenlängenverteilung auf. Für viele Experimente werden jedoch monochromatische oder monoenergetische Neutronen, also Neutronen einheitlicher Energie, benötigt. Diese erhält man z. B. durch den Einsatz eines Monochromators. Als Monochromatoren kommen perfekte Einkristalle oder Mosaik-Kristalle zum Einsatz (Silizium, Germanium, Kupfer, Graphit etc.), wobei durch die Auswahl bestimmter Bragg-Reflexe und Monochromatorwinkel verschiedene Wellenlängen (Energien) aus der Wellenlängenverteilung extrahiert werden können.

Klassifizierung

Der Wirkungsquerschnitt von Reaktionen zwischen Neutronen und anderen Teilchen variiert stark mit der kinetischen Energie der Neutronen. Folgende Klassifikation hat sich herausgebildet:

Typ Kinetische Energie Wellenlänge
ultrakalte Neutronen < 0,2 meV >2 nm
kalte Neutronen < 2 meV 2000…640 pm
thermische Neutronen < 100 meV 640…90 pm
epithermische Neutronen < 1 eV 90…28 pm
mittelschnelle Neutronen 0,5 eV…10 keV  
schnelle Neutronen 10 keV…20 MeV  
relativistische Neutronen > 20 MeV  

Nachweis

Da Neutronen keine elektrische Ladung tragen, können sie nicht direkt mit auf Ionisierung beruhenden Detektoren nachgewiesen werden. Der Nachweis von Neutronen geschieht mittels Neutronendetektoren. Bei niederen Neutronenenergien (unter etwa 100 keV) beruhen diese stets auf einer geeigneten Kernreaktion. Bei höheren Energien kann stattdessen auch der Rückstoß ausgenutzt werden, den ein geladenes Teilchen (meist Proton) bei der Streuung des Neutrons erfährt.

Wirkung von Neutronenstrahlen

Wirkungen auf Materie

(siehe auch Strahlenschaden)

Die Materialeigenschaften von Metallen und anderen Werkstoffen werden durch Neutronenbestrahlung verschlechtert. Dies begrenzt die Lebensdauer von Komponenten in z. B. Kernreaktoren. In Kernfusionsreaktoren mit ihrer höheren Energie der Neutronen tritt dieses Problem verstärkt auf.

Die Wirkung auf lebende Materie ist ebenfalls meist schädlich. Sie beruht bei schnellen Neutronen größtenteils auf von diesen angestoßenen Protonen, die einer stark ionisierenden Strahlung entsprechen.

Die Nutzung von schnellen Neutronen in der Strahlentherapie beschränkt sich auf wenige Sonderfälle. Thermische Neutronen erzeugen durch die Einfang-Kernreaktion 1H(n, gamma) 2H an Wasserstoff eine Gammastrahlung, die ihrerseits ionisiert.

Typische Kernreaktionen

Freie (also nicht in einem Kern gebundene) Neutronen können an Atomkernen gestreut werden, von ihnen absorbiert werden oder Kernreaktionen auslösen.

Die Streuung kann elastisch oder inelastisch sein. Bei inelastischer Streuung verbleibt der Atomkern in einem angeregten Zustand, der dann (meist) durch Emission von Gammastrahlung zum Grundzustand zurückkehrt.

Insbesondere thermische, d. h. langsame Neutronen werden von vielen Atomkernen absorbiert. Auch dabei wird ein Gammaquant emittiert. Der dabei entstehende neue Atomkern, ein anderes Isotop des ursprünglichen Kerns, kann radioaktiv sein.

Einige wenige Nuklide spalten sich nach dem Einfangen eines Neutrons. In Kernreaktoren wird dieser Prozess als Kettenreaktion zur Energiegewinnung genutzt.

Schnelle freie Neutronen lösen Kernreaktionen z. B. des Typs (n, p) oder (n, alpha) aus, wodurch ebenfalls in vielen Fällen ein Radionuklid-Kern entsteht.

Geschichte der Entdeckung und Erforschung

Die ersten Schritte zur Entdeckung des Neutrons wurden von Walther Bothe und seinem Studenten Herbert Becker getan. Sie beschrieben im Jahr 1930 einen ungewöhnlichen Typ von Strahlung, der entstand, wenn sie Beryllium mit Polonium-Alphateilchen beschossen. Ziel der Versuche war es, eine Theorie Ernest Rutherfords zu bestätigen, wonach bei diesem Vorgang sehr energiereiche Strahlung emittiert werden sollte. Dementsprechend hielten sie die durchdringende Strahlung, die sie bei diesen Versuchen mit Hilfe von elektrischen Zählmethoden feststellen konnten, anfänglich fälschlicherweise für Gammastrahlung. Die gleichen Versuche machten sie auch mit Lithium und Bor, und kamen schlussendlich zum Ergebnis, dass die beobachteten „Gammastrahlen“ mehr Energie besaßen als die Alphateilchen, mit denen sie die Atome beschossen hatten. Bei der Bestrahlung von Beryllium mit Alphateilchen entstand nicht – wie zuvor erwartet – Bor, sondern Kohlenstoff. In heutiger Schreibweise lautet die beobachtete Kernreaktion:

{}^{9}_4 \mathrm{Be} + {}^{4}_2 \mathrm{He}^{2+} \to {}^{12}_{\ 6} \mathrm C + {}^{1}_0 \mathrm n

Die beobachtete, sehr energiereiche Strahlung hatte ein großes Durchdringungsvermögen durch Materie, zeigte jedoch sonst ein für Gammastrahlung sehr ungewöhnliches Verhalten. Die Strahlen waren zum Beispiel in der Lage, leichte Atome in schnelle Bewegung zu versetzen. Eine genauere Analyse zeigte, dass die Energie dieser „Gammastrahlung“ so groß hätte sein müssen, dass sie alles bis dahin Bekannte weit übertroffen hätte. So kamen mehr und mehr Zweifel auf, ob es sich bei der beobachteten Strahlung wirklich um Gammastrahlen handelte. Entsprechend dem durchgeführten Versuch nannte man die Strahlung inzwischen „Beryllium-Strahlung“.

Ein Jahr später, 1931, stellten Irène Joliot-Curie und ihr Ehemann Frédéric Joliot-Curie bei Experimenten mit der Beryllium-Strahlung folgende Tatsache fest: Lässt man die „Beryllium-Strahlung“ in eine Ionisationskammer treffen, so zeigt diese keinen nennenswerten Strom an. Bringt man jedoch vor die Ionisationskammer eine wasserstoffhaltige Materialschicht (zum Beispiel Paraffin), dann steigt der Strom in der Kammer stark an. Als Ursache für den Stromanstieg in der Ionisationskammer vermutete das Ehepaar Joliot-Curie, dass aus dem wasserstoffhaltigen Paraffin Protonen durch die „Beryllium-Strahlung“ herausgelöst werden, welche dann in der Ionisationskammer die notwendige Ionisierung bewirken. Sie konnten ihre Vermutung sogar durch den Nachweis solcher Rückstoß-Protonen in der Wilsonschen Nebelkammer belegen. Als Mechanismus vermuteten Joliot-Curie einen dem Comptoneffekt verwandten Vorgang. Die harte Gammastrahlung sollte den Protonen den notwendigen Impuls übertragen. Abschätzungen zeigten jedoch, dass zur Erzeugung eines Rückstoßprotons, dessen Spurlänge in der Nebelkammer etwa 26 cm betrug, eine Gammaenergie von etwa 50 MeV notwendig wäre, was ziemlich unrealistisch erschien.

Sir James Chadwick – ein Schüler Rutherfords – glaubte wie sein Lehrmeister nicht an einen „Comptoneffekt beim Proton“ und nahm an, dass die „Beryllium-Strahlung“ aus Teilchen bestehen müsse. Als Irène und Frédéric Joliot-Curie ihre Versuchsergebnisse veröffentlichten, in denen sie zeigten, dass Bothes „Beryllium-Strahlung“ in der Lage war, aus Paraffin Protonen mit hoher Energie herauszuschlagen, war für Chadwick klar, dass es sich nicht um Gammastrahlung, sondern nur um Teilchen mit einer dem Proton vergleichbaren Masse handeln konnte. In den zahlreichen Versuchen wiederholte er die Experimente des Ehepaares Joliot-Curie und bestätigte den Joliot-Curie’schen Kernschleuder-Effekt. Weiterhin konnte er 1932 experimentell nachweisen, dass es sich bei Bothes „Beryllium-Strahlung“ nicht um Gammastrahlen, sondern vielmehr um einen Geschossregen aus schnell bewegten Teilchen handelte, die ungefähr die Masse des Protons besitzen, jedoch elektrisch neutral sind. Er erkannte, dass die Eigenschaften dieses Typs Strahlung eher mit denen eines bereits zwölf Jahre zuvor von Ernest Rutherford als Kernbaustein vermuteten neutralen Teilchens in Einklang zu bringen waren. Da die nunmehr entdeckten Teilchen keine elektrische Ladung trugen, nannte er sie Neutronen. Für die Entdeckung des Neutrons erhielt er 1935 den Nobelpreis für Physik.

Mit dieser Entdeckung konnte die Beschreibung des Atomaufbaus vorerst vollendet werden: Der Atomkern, bestehend aus Protonen und Neutronen, wird von einer Hülle aus Elektronen umgeben. Bei einem elektrisch neutralen Atom entspricht die Anzahl der negativ geladenen Elektronen in der Atomhülle stets genau jener der positiv geladenen Protonen im Atomkern, wohingegen die Anzahl der Neutronen im Kern variieren kann.

Im gleichen Jahr 1932 stellte Werner Heisenberg seine Nukleonentheorie auf.

Um 1940 nahm man an, dass das Neutron eine Verbindung aus Proton und Elektron darstellt. So hätte man alle Atome auf diese zwei Bausteine zurückführen können. Erst mit der weiteren Entwicklung der Quantenmechanik und der Kernphysik wurde klar, dass es keine Elektronen als dauerhafte Bestandteile des Kerns geben kann.

Literatur

  • Dirk Dubbers, Reinhard Scherm: Neutronen-Forschung am Institut Laue-Langevin: Neutronen-Quelle und Experimente. In: Physik in unserer Zeit. 34, Nr. 3, 2003, S. 108–111 (doi:10.1002/piuz.200390052). 
  • Arno Hiess, Helmut Schober: Mit Neutronen auf der Spur der Elektronen: Neutronen-Spektroskopie an Festkörpern. In: Physik in unserer Zeit. 34, Nr. 3, 2003, S. 112–118 (doi:10.1002/piuz.200390053). 
  • Torsten Soldner: Das Neutron, der Kosmos und die Kräfte: Neutronen in der Teilchenphysik. In: Physik in unserer Zeit. 34, Nr. 3, 2003, S. 127–132 (doi:10.1002/piuz.200390056). 
  • Matthias Honal, Wolfgang Scherer, Götz Eckold: Wozu brauchen Chemiker Neutronen?. In: Nachrichten aus der Chemie. 51, Nr. 11, 2003, S. 1133–1138 ([1] ; Stand: 2008-05-05). 

Weblinks


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