Friedrich Schorlemmer

Friedrich Schorlemmer
Schorlemmer während einer Lesung im September 2009

Friedrich Schorlemmer (* 16. Mai 1944 in Wittenberge) ist ein deutscher evangelischer Theologe, Bürgerrechtler und Mitglied der SPD. Er war ein prominenter Protagonist der Opposition in der DDR und ist weiterhin politisch aktiv.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Schorlemmer wurde als Sohn eines Pfarrers in Wittenberge (Prignitz) geboren und ist in Werben (Altmark) aufgewachsen. Aufgrund seiner Herkunft wurde ihm der Besuch der Erweiterten Oberschule verwehrt. Stattdessen erwarb er das Abitur an einer Volkshochschule und studierte danach von 1962 bis 1967 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Theologie. Von 1971 bis 1978 war er Studentenpfarrer in Merseburg, von 1978 bis 1992 lehrte er als Dozent am Evangelischen Predigerseminar und war Prediger an der Schlosskirche in Lutherstadt Wittenberg. Von 1992 bis 2007 war Schorlemmer Studienleiter der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt.

Bereits 1968 beteiligte sich Schorlemmer an Aktionen gegen die neue Verfassung der DDR und den militärischen Einmarsch in der Tschechoslowakei. Von den siebziger Jahren an war er Mitglied der Friedens-, Menschenrechts- und Umweltbewegung. Auf dem Kirchentag 1983 in Wittenberg fand auf dem Lutherhof unter seiner Verantwortung die symbolische Umschmiedung eines Schwertes zu einer Pflugschar statt, obwohl DDR-Behörden bereits vorher die öffentliche Benutzung des Slogans Schwerter zu Pflugscharen für illegal erklärt hatten. Diese Aktion wurde als Symbol zu einem Hoffnungszeichen für die Friedensbewegung in der DDR, die sich für atomare und konventionelle Abrüstung in Ost und West einsetzte und für konsequente Entspannungspolitik, für Frieden – in und zwischen den Ländern – wirkte. Stefan Nau, der Schmied, musste kurze Zeit später die DDR verlassen.[1]

Schorlemmer spricht bei der Berliner Großdemonstration am 4. November 1989

Schorlemmer unterzeichnete den Aufruf „Für unser Land[2] vom 26. November 1989, in dem sich die Initiatoren und Unterzeichner gegen eine deutsche Wiedervereinigung und für eine Eigenständigkeit der DDR aussprachen. Er war während einer kurzen Phase Mitglied im Demokratischen Aufbruch. Schorlemmer war in den Synoden der evangelischen Kirche in der DDR und engagierte sich in den „Ökumenischen Versammlungen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“. Als diese begann, sich unter Führung Wolfgang Schnurs der CDU anzunähern, trat Schorlemmer aus und wurde Mitglied der SDP. Er gehört zu den engagierten Gegnern der sogenannten Antiterror-Kriege in Afghanistan und im Irak und ist heute besonders publizistisch aktiv. Schorlemmer ist Mitherausgeber der politisch-wissenschaftlichen Monatszeitschrift Blätter für deutsche und internationale Politik und der Wochenzeitung der Freitag.

Schorlemmer ist Mitglied der Deutschen UNESCO-Kommission, Mitglied des PEN-Zentrums der Bundesrepublik Deutschland sowie Mitglied im Beirat der Vereinigung Gegen Vergessen – Für Demokratie. Des Weiteren ist er einer der streitlustigsten, provokantesten und umstrittensten Aktivisten der ehemaligen DDR-Opposition. Seine politischen Prioritäten liegen weniger in der Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern mehr darin, auf die Gefahren der Globalisierung hinzuweisen. Er sprach sich gegen eine Ausgrenzung der PDS aus dem politischen Diskurs aus und unterzeichnete 1997 die Erfurter Erklärung,[3] die zu einem breiten Bündnis linker Parteien und Organisationen aufrief und auf Ausfüllung von Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes besteht, wonach Eigentum zugleich dem Gemeinwohl dienen muss. Seit März 2009 ist Schorlemmer Mitglied im globalisierungskritischen Netzwerk attac[4]. Auf einer Gedenkveranstaltung der Linken in Berlin anlässlich des zwanzigsten Jahrestages der Alexanderplatz-Demonstration würdigte er den 4. November 1989 als „Tag der Befreiung“.[5]

2010 war Schorlemmer eines der Gründungsmitglieder des Institut Solidarische Moderne.[6]

Auszeichnungen

Werke (Auswahl)

  • Träume und Alpträume (Berlin 1990) – Texte und Reden von 1982-1990 aus der DDR
  • Bis alle Mauern fallen (Berlin 1991) – Texte und Reden aus der DDR
  • Worte öffnen Fäuste. Die Rückkehr in ein schwieriges Vaterland. München, 1992
  • Freiheit als Einsicht“ – Bausteine für die Einheit München 1993
  • Versöhnung in der Wahrheit – Vorschläge und Nachschläge eines Ostdeutschen, München, 1992
  • Zu seinem Wort stehen Kindler Verlag München 1994
  • Das Buch der Werte − Wider die Orientierungslosigkeit unserer Zeit (Edition Stuttgart 1995) VS Verlagshaus Stuttgart , o. ISBN, Buch Nr.: 032 / 016519
  • Was ich denke erschienen im Goldmann Verlag München 1995
  • Einschärfungen zum Menschsein heute, Freiburg 1996
  • Eisige Zeiten (1996 in München) – Ein Pamphlet, Sammlung von aktuellen Texten und Reden München 1996/1998
  • Die Wende in Wittenberg – Persönlicher Rückblick 1997 erschienen beim Drei Kastanien Verlag ISBN 3-933028-01-9
  • Zeitansagen – Sammlung von aktuellen Texten und Reden München 1999 ISBN 3-442-75540-9
  • Absturz in die Freiheit – Was uns die Demokratie abverlangt, Berlin 2000
  • Nicht vom Brot allein. Leben in einer verletzbaren Welt, Berlin 2002
  • Die Bibel für Eilige, 2003
  • In der Freiheit bestehen, 2004
  • Hier stehe ich, Martin Luther, 2003
  • Den Frieden riskieren. Sätze und Grundsätze, Pamphlete und Predigten, Reden und Aussprüche aus zwanzig Jahren, Stuttgart 2003
  • Einander achten – aufeinander achten, Jena 2004
  • Gibt es Wahrheit im Plural?, Frankfurt am Main 2005
  • Lebenswege – Gespräche mit Zeitgenossen, von 1991 – 2006, Herausgegeben von Friedrich Schorlemmer, 6 Bände Halle, 1995 – 2006
  • Lass es gut sein. Ermutigung zu einem gelingenden Leben, 2007
  • Was protestantisch ist / Große Texte aus 500 Jahren, herausgegeben von Friedrich Schorlemmer, Freiburg i. B. 2008
  • Wohl dem, der Heimat hat, Berlin 2009
  • Ich habe keinen Gott,aber Gott hat mich, Die Künstler und die Religion, Berlin 2007
  • Die Wahrheit zu zweit, Eine Auswahl der besten Gespräche, Halle 2010
  • Tritt fassen, 52 Wochensprüche, Freiburg 2010
  • Da wird auch dein Herz sein, Engagiertes Christsein, Freiburg 2011

Literatur

Einzelnachweise

  1. Skript eines SWR-Features
  2. Appell „Für unser Land“: http://www.glasnost.de/hist/ddr/89appell.html
  3. Erfurter Erklärung: http://www.glasnost.de/db/DokZeit/9702erfurt.html
  4. Attac-Pressemitteilung: Schorlemmer tritt Attac bei
  5. Linke erinnert an Ost-Berliner Großdemo vom 4. November 1989; Mittelbayerische Zeitung, 4. November 2009
  6. ISM – Gründungsmitglieder. Abgelesen am 4. Februar 2010.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Schorlemmer — ist der Familienname der folgenden Personen: Carl Schorlemmer (1834–1892), deutscher Chemiker Friedrich Schorlemmer (* 1944), deutscher Theologe Ludwig Schorlemmer (1847–1926), deutscher Sozialdemokrat Ludwig Wilhelm von Schorlemmer (1695–1776),… …   Deutsch Wikipedia

  • Friedrich Asinger — (* 26. Juni 1907 in Freiland/Niederdonau (Österreich); † 7. März 1999 in Aachen) war Professor für Technische Chemie. Bekannt wurde Asinger durch seine Arbeiten zur Petrolchemie, Substitutionsreaktionen an Alkanen und Olefinen sowie eine nach ihm …   Deutsch Wikipedia

  • Schorlemmer — Schọrlemmer,   1) Carl, Chemiker, * Darmstadt 30. 9. 1834, ✝ Manchester 27. 6. 1892; seit 1874 Professor für organische Chemie am Owens College in Manchester (erster derartiger Lehrstuhl in England). Schorlemmer untersuchte v. a. die… …   Universal-Lexikon

  • Ludwig Schorlemmer — (* 26. März 1847 in Darmstadt; † 6. Dezember 1926 ebenda) war ein deutscher Sozialdemokrat. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Briefe (Auswahl) 3 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Carl Schorlemmer — (um 1880) Carl Schorlemmer (* 30. September 1834 in Darmstadt; † 27. Juni 1892 in Manchester) war ein deutscher Chemiker. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Carl Schorlemmer — Infobox Scientist name = Carl Schorlemmer image width = caption = birth date = birth date|1834|9|30|df=y birth place = Darmstadt, Germany residence = Germany, England nationality = German death date = death date and age|1892|6|27|1834|9|30|df=y… …   Wikipedia

  • Ludwig Wilhelm von Schorlemmer — Ludwig Wilhelm von Schorlemmer, auch Schorlemer (* 1695[1] in Hessen; † 14. Mai 1776 in Berlin) war ein königlich preußischer Generalleutnant, Ritter des Ordens Pour le Merite, Chef des Dragoner Regiments Nr. 6 sowie Amtshauptmann von Wolmirstedt …   Deutsch Wikipedia

  • Martin Luther — Martin Luther, Porträt von Lucas Cranach d.Ä., 1529. Oberhalb des Kopfes steht in lateinischer Übersetzung Jes 30,15 LUT: „Durch Stillesein und Hoff …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Scho — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Persönlichkeiten Wittenberg — Hier sind alle Persönlichkeiten der Lutherstadt Wittenberg erfasst, deren Wirken eng mit der Lutherstadt und der Universität Wittenberg verbunden ist. Dies berührt ausschließlich Persönlichkeiten, bei denen der Bezug zu Wittenberg im Lebenslauf… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”