- Gasser-Syndrom
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Klassifikation nach ICD-10 D59.3 Hämolytisch-urämisches Syndrom ICD-10 online (WHO-Version 2006) Das hämolytisch-urämische Syndrom (Abkürzung HUS, auch Gasser-Syndrom) ist eine seltene Krankheit, die hauptsächlich Kleinkinder und Säuglinge betrifft.Vom kompletten enteropathischen HUS spricht man bei Vorkommen von mikroangiopathischer hämolytischer Anämie und Thrombopenie und Nierenversagen. Bei einem inkompletten enteropathischen HUS sind nur zwei der vorhin genannten Krankheitszeichen vorhanden.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen
Der häufigste krankmachende Faktor ist Verotoxin, ein bakterielles Toxin das vorwiegend vom enterohämorrhagischen E. coli, aber auch von anderen darmschädigenden (enteropathogenen) Keimen gebildet wird. Keimreservoir sind meist Rinder.
Eine weitere Ursache ist die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP, Moschcowitz-Syndrom). Grund dafür ist der Mangel an von-Willebrand-Faktor spaltender Protease (= ADAMTS-13); angeboren (familiäre TTP) oder erworben durch ADAMTS-13-Antikörper.
Nicht-infektiöse Ursachen sind relativ selten, z. B.: Medikamente (Ticlopidin, Clopidogrel, Chinin, Mitomycin C, Ciclosporin A, Pentostatin u. a.), Spätschwangerschaft (HELLP-Syndrom), Familiäres HUS mit Komplementaktivierung (Faktor H-Störung).
Pathophysiologie
Beim HUS entsteht durch unterschiedliche Infekte eine Endothelschädigung mit disseminierter intravasaler Gerinnung in den Nierenarteriolen. Damit einher gehen eine mikroangiopathische hämolytische Anämie mit Auftreten sogenannter Fragmentozyten im Blut, eine Thrombozytopenie und ein akutes Nierenversagen mit Urämie.
Im Frühstadium stehen histologisch Mikrothromben im Vordergrund. Im fortgeschrittenen Stadium der thrombotischen Mikroangiopathie finden sich arterioläre und glomeruläre Sklerosen, eine stenosierende Fibroelastose in Interlobulararterien sowie eine Tubulusatrophie und interstitielle Fibrose.
Klinik
Drei bis zehn Tage nach einer blutigen (hämorrhagischen) Gastroenteritis mit Erbrechen, Bauchkrämpfen und blutigen Durchfällen oder nach einer Atemwegsinfektion durch Pneumokokken kommt es zu zunehmender Blässe und zum Rückgang bzw. Sistieren der Urinproduktion. Eintrübung oder Krampfanfälle zeigen eine Mitbeteiligung des Gehirns auf, die prognostisch ungünstig ist. Diese können aber bei hohen Harnstoffspiegeln und Elektrolytentgleisungen auch Folge der urämischen Intoxikation sein und bilden sich dann unter der Dialysebehandlung rasch zurück. Ein schwerer Bluthochdruck ist ebenfalls prognostisch ungünstig, bei Erkrankung im Säuglingsalter jedoch selten.
Diagnostik
Neben der Anämie finden sich als Zeichen der Hämolyse im Serum freies Hämoglobin, verminderte Spiegel vom Haptoglobin und erhöhte LDH-Werte. Charakteristisch sind zerstörte, eierschalenförmige rote Blutkörperchen (Fragmentozyten) und eine oft erhebliche Thrombozytopenie. Häufig besteht eine Leukozytose. Je nach Ausmaß der Nierenschädigung finden sich erhöhte Kreatinin- und Harnstoffwerte im Blut, eine Hypokalzämie und Hyperphosphatämie und bereits im Frühstadium der Erkrankung eine ausgeprägte Hyperkaliämie infolge der Hämolyse. Die Urinanalyse zeigt eine Mikro- oder Makrohämaturie, Hämoglobinurie und Proteinurie.
Therapie
Keine Antibiotika (das Problem stellt das Toxin dar, nicht E. coli selbst), keine Antidiarrhoika wie zum Beispiel Loperamid bei einer EHEC-Infektion (dadurch würde der Streuherd künstlich lange im Körper gehalten). Die Therapie ist nur symptomatisch. Bei Hypovolämie und mäßiger Niereninsuffizienz kann durch Infusion einer Glukose-Kochsalz-Lösung (1:1) und Gabe des Diuretikums Furosemid die Urinproduktion evtl. wieder in Gang gebracht werden. Bei Versagen dieser Therapie sollte frühzeitig eine Dialysebehandlung begonnen werden. Bluttransfusionen sollten nur bei vitaler Indikation gegeben werden, da sie den Krankheitsprozess reaktivieren können und außerdem eine starke Kaliumbelastung darstellen. Bei prognostisch ungünstigen Fällen und bei TTP kommt eine Plasmapherese in Betracht.
Prognose
Im Säuglingsalter ist die Prognose gut, meist kommt es auch nach länger anhaltender Anurie zu einer vollständigen Genesung. Bei einem Teil der Fälle kann jedoch noch nach Jahren trotz anfänglicher Normalisierung der Nierenfunktion eine Niereninsuffizienz auftreten. Das Mortalitätsrisiko der akuten Phase konnte durch frühzeitige Dialyse auf unter 5 % gesenkt werden. Bei sehr hohem Bluthochdruck (maligne arterielle Hypertonie) entwickelt sich oft rasch eine terminale Niereninsuffizienz, welche eine dauerhafte Dialyse oder eine Nierentransplantation erforderlich macht.
Prophylaxe
Der Genuss von rohem Rindfleisch und unpasteurisierter Milch sollte vermieden werden.
Literatur
- Friedrich Carl Sitzmann: Pädiatrie, Thieme: Duale Reihe, Stuttgart 2007, 3. Auflage.
- Gerd Herold und Mitarbeiter: Innere Medizin, Ausgabe 2007.
- Böcker, Denk, Heitz: Pathologie, Urban & Fischer, München 2004, 3. Auflage.
- Razzaq S: Hemolytic uremic syndrome: an emerging health risk. Am Fam Physician. 2006 Sep 15;74(6):991-6. Review. PMID 17002034
- Noris M, Remuzzi G: Hemolytic uremic syndrome. J Am Soc Nephrol. 2005 Apr;16(4):1035-50. Review. PMID 15728781
Weblinks
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