Chinin

Chinin
Strukturformel
Strukturformel von Chinin
Allgemeines
Name Chinin
Andere Namen

(8α,9R)-6'-Methoxycinchonan-9-ol

Summenformel C20H24N2O2
CAS-Nummer 130-95-0
PubChem 8549
ATC-Code
Kurzbeschreibung

weißer, fast geruchloser kristalliner Feststoff [1]

Eigenschaften
Molare Masse 324,44 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

174,9 °C (Zersetzung) [1]

pKs-Wert
  • 9,7 (Chinin-H+/Chinin)[2]
  • 5,07 (Chinin-2·H+/Chinin-H+)[2]
Löslichkeit

sehr schwer löslich in Wasser: 0,5 g·l−1 (20 °C) [1]

Sicherheitshinweise
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung [3]
07 – Achtung

Achtung

H- und P-Sätze H: 302-315-317-319-335
EUH: keine EUH-Sätze
P: 261-​280-​305+351+338 [3]
EU-Gefahrstoffkennzeichnung [4]

Xn
Gesundheits-
schädlich
R- und S-Sätze R: 42/43
S: 22-27-37-45
LD50
  • 74 mg·kg−1 (Frau, TDLo, oral)[5][6]
  • 294 mg·kg−1 (Mensch, LDLo, unbekannter Aufnahmeweg)[5][7]
  • 800 mg·kg−1 (Ratte, oral, LDLo)[5][8]
  • 68 mg·kg−1 (Maus, LD50, intravenös) 68mg/kg)[5][9]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Vorlage:Infobox Chemikalie/Summenformelsuche vorhanden

Chinin ist eine natürlich in Chinarinde vorkommende chemische Verbindung aus der Gruppe der Alkaloide. Es ist ein weißes, sehr schwer wasserlösliches, kristallines Pulver mit bitterem Geschmack, das als Bitter- und Arzneistoff eingesetzt wird. Ein Diastereomer von Chinin ist Chinidin.

Inhaltsverzeichnis

Vorkommen

Chinin wird aus der Rinde des Chinarindenbaums (Cinchona pubescens) gewonnen (Familie Rubiaceae, Subfamilie Cinchonoideae). Der Ursprungsort ist der Hochwald (1500–2700 m ü. M.) der Anden (Venezuela bis Bolivien). Der Name der Pflanze stammt von den Ureinwohnern (Quechua quina-quina = „Rinde der Rinden“), die bereits von den fiebersenkenden Eigenschaften wussten.

Den lateinischen Namen Cinchona, nach dem später auch das Chinin benannt wurde, erhielt die Pflanze vermutlich von der Gräfin von Chinchón, Gattin des Vizekönigs Luis Jerónimo Fernández de Cabrera Bobadilla Cerda y Mendoza der spanischen Kolonien, die 1638 durch den Arzt de Vega mit einem Sud aus Rindenpulver von der Malaria geheilt werden konnte.[10] Jesuiten sorgten für die Verbreitung des Mittels in Europa (daher auch die Namen Jesuitenrinde, Kardinalspulver etc.).

Chinin wird in Mengen von ca. 300–500 Tonnen pro Jahr durch Rindenextraktion von kultivierten Pflanzen hauptsächlich in Indonesien, Malaysia und Zaire gewonnen[11]; manche Arten enthalten 11–15 % Chinin in der Rinde.

Geschichte

Chinin wurde 1820 von Pierre Joseph Pelletier und Joseph Bienaimé Caventou durch Extraktion mit Alkohol aus der Chinarinde isoliert.[12][13] Das Extrakt wurde mit Kalilauge verdünnt, worauf ein gelblicher amorpher, sehr bitter schmeckender Niederschlag entstand.[14] Pelletier und Caventou nannten die getrocknete Substanz Chinin.

1823 wurde vom Apotheker Friedrich Koch in Oppenheim Chinin erstmals im industriellen Maßstab aus der Rinde von Cinchona-Arten gewonnen. Die Konstitution von Chinin wurde 1911 von Pictet aufgeklärt.[15]

1944 wurde Chinin durch Robert B. Woodward formal totalsynthetisiert,[16][17] die tatsächliche Totalsynthese gelang M. R. Uskokovic erst 1970.[18][19]

Der Franzose François Magendie analysierte um 1840 erstmals die physiologische Wirkung von Chinin.

Eigenschaften

Chininhaltiges Getränk unter normalem und UV-Licht

Chinin schmeckt bitter. Es fluoresziert in saurer Lösung bei Bestrahlung mit Ultraviolettstrahlung (365 nm) intensiv hellblau. Die Fluoreszenz verschwindet bei Zugabe von Salzsäure,[20] da die darin enthaltenen Chloridionen die Fluoreszenz löschen.

Mit Chrom(VI)-oxid (CrO3) kann Chinin in saurer wässriger Lösung zu Chininsäure und Merochinen oxidiert werden.[21]

Oxidation des Chinins zu Chininsäure und Merochinen

Wirkung und Verwendung

Chinin wird zur Behandlung von Malaria eingesetzt (besonders der komplizierten Malaria tropica); es verhindert die Bildung des Enzyms Hämpolymerase, auf welches die Erreger in ihrer Lebensphase in den roten Blutkörperchen angewiesen sind.[22]

Chinin wirkt schmerzstillend, in unmittelbarer Umgebung betäubend und fiebersenkend. [23] In China wird es aufgrund der fiebersenkenden und schmerzstillenden Wirkung in geringen Dosen Mitteln zur Behandlung von grippalen Infekten beigemischt. Außerdem wird es gegen Muskelkrämpfe (z. B. nächtliche Wadenkrämpfe) verwendet[24]. In den USA ist Chinin aufgrund schwerwiegender Nebenwirkungen nur zur Behandlung der Malaria tropica zugelassen.[25]

Chinin wirkt anregend auf die Gebärmuttermuskulatur und wurde früher als wehenförderndes Mittel eingesetzt. In diesem Zusammenhang wurde Chinin auch als Abortivum (Abtreibungsmittel) missbraucht, was auf Grund der Aufnahme sehr hoher Dosen oftmals zum Tod der Mutter führte. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt wegen der Wirkung auf die Gebärmuttermuskulatur in einer Publikation vor dem Verzehr durch Schwangere.[26]

Chinin kann bei häufiger Einnahme allergische Reaktionen auslösen.[27] Eine mögliche Oxidation des Hämoglobins durch aufgenommenes Chinin kann ferner auch eine Methämoglobinämie verursachen.[28]

Chinin ist wie jedes Präparat in Abhängigkeit von der Dosierung giftig. Eine Überdosis führt unter anderem zu Schwindelgefühl, Kopfschmerz, Tinnitus, Taubheit, vorübergehender Erblindung und Herzlähmung. Die Giftigkeit beruht auf einer Hemmung von Enzymen der Gewebsatmung sowie einer Blockierung der Synthese der DNA. Die tödliche Dosis liegt für einen erwachsenen Menschen bei etwa 5–10 g Chinin.[29] Der Tod tritt durch zentrale Atemlähmung ein.[30]

Nichtmedizinische Verwendung

Das bitter schmeckende Chinin wird in geringen Mengen Getränken wie Bitter Lemon oder Tonic Water zugesetzt. Als Höchstmenge ist in Deutschland 85 mg/kg in alkoholfreien Getränken, 300 mg/kg in Spirituosen zugelassen.[31]

Bitter-Lemon-Getränke finden ihren Ursprung in Afrika; dort versetzte man Getränke mit Chinin, um Malaria vorzubeugen. Generell ist es ein beliebter Bittermacher der Lebensmittelindustrie und ist so beispielsweise auch in Magenbitter zu finden.

Da es sich jedoch um eine pharmakologisch wirksame Substanz handelt, muss die Verwendung in Deutschland in alkoholfreien Getränken stets kenntlich gemacht werden.[32]

Gelegentlich wird Chinin auch als Streckmittel für Heroin benutzt.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Eintrag zu Chinin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 13. Oktober 2007 (JavaScript erforderlich).
  2. a b Ram Wasudeo Sabnis: Handbook of acid-base indicators. CRC Press, 2007, ISBN 978-0-8493-8218-5, S. 331 (Digitalisat)
  3. a b Datenblatt Quinine bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 16. März 2011.
  4. Datenblatt Chinin bei Merck, abgerufen am 19. Januar 2011.
  5. a b c d Chinin bei ChemIDplus
  6. American Journal of Ophthalmology. Vol. 90, S. 403, 1980.
  7. J.M. Arena, I.L. Springfield, C.C. Thomas: Poisoning; Toxicology, Symptoms, Treatments, 2. Auflage, 1970, S. 73.
  8. Journal of Pharmacology and Experimental Therapeutics. Vol. 100, S. 408, 1950.
  9. Japanese Journal of Toxicology. Vol. 4, S. 105, 1991.
  10. Meilensteine, Hrsg. Bayer AG, Leverkusen, 1988, ISBN 3-921349-48-6.
  11. Thieme Chemistry (Hrsg.): Eintrag zu China-Alkaloide im Römpp Online. Version 3.14. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2011, abgerufen am 8. Juni 2011.
  12. C. Gerhardt: Lehrbuch der Organischen Chemie: Band 4, S. 113, Otto Eiland Verlag, Leipzig, 1853.
  13. J. J. Berzelius: Lehrbuch der Organischen Chemie: Band 5, S. 86, Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig, 1856.
  14. V. Gulliermond: Ueber die gelbe Chinarinde, in: Pharmaceutisches Central Blatt 1957, 508–510.
  15. E. Schwab in: Römpp Online - Version 3.5, 2009, Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
  16. Robert B. Woodward und Wilhelm E. von Doering: Total Synthesis of Quinine, in: Journal of the American Chemical Society 1944, 66, 849–849; doi:10.1021/ja01233a516.
  17. Robert B. Woodward und Wilhelm E. von Doering: Total Synthesis of Quinine, in: Journal of the American Chemical Society 1945, 67, 860.
  18. Milan R. Uskokovic, Juerg Gutzwiller und Thomas Henderson: Total Synthesis of Quinine and Quinidine I, in: Journal of the American Chemical Society 1970, 92, 203–204; doi:10.1021/ja00704a036.
  19. Juerg Gutzwiller und Milan R. Uskokovic: Cinchona alkaloids. 2. Stereoselective total syntheses of quinine and quinidine, in: Journal of the American Chemical Society 1978, 100, 576–581; doi:10.1021/ja00470a036.
  20. F. von Bruchhausen: Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis : Drogen A-K, S. 101, 5. Auflage, Springer Verlag, Berlin, 1998, ISBN 3-540-61618-7.
  21. C. Vernon, H. Resch: The Oxidation of Optochin, in: J. Am. Chem. Soc. 1932.
  22. medikamente.onmeda.de: Mittel gegen Malaria
  23. www.dge.de.
  24. klosterfrau.de: Limptar® N Produkte.
  25. FDA Drug Safety Communication: New risk management plan and patient Medication Guide for Qualaquin (quinine sulfate), 8. Juli 2010
  26. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Publikationen zu Chinin.
  27. www.alles-zur-allergologie.de.
  28. www.arztauskunft-niedersachsen.de.
  29. Thieme Chemistry (Hrsg.): Eintrag zu Chinin im Römpp Online. Version 3.14. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2011, abgerufen am 24. Mai 2011.
  30. Virchow: Über die Wirkung des Chinins auf den respiratorischen Stoffwechsel des Menschen In: Naunyn-Schmiedeberg's Archives of Pharmacology, Heidelberg 1927 doi:10.1007/BF01863946
  31. Anlage 4 (zu § 2 Abs. 3) Höchstmengen an bestimmten Stoffen in verzehrfertigen aromatisierten Lebensmitteln AromV
  32. § 5 Verkehrsverbot AromV
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