Geschichte Istanbuls

Geschichte Istanbuls
Constantinople map German.png
Geschichte Istanbuls

Die Geschichte Istanbuls ist so lang und ereignisreich wie die kaum einer anderen europäischen Stadt. Als griechische Stadt Byzantion gegründet, stieg die Stadt zu einem bedeutenden Handelszentrum und schließlich unter dem Namen Konstantinopel zur Hauptstadt des byzantinischen Reichs auf. Im Mittelalter war sie die einzige Weltstadt Europas, und nach der osmanischen Eroberung wurde sie zum Schmelztiegel der Kulturen zwischen Orient und Okzident.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte bis römische Zeit

Hauptartikel: Byzantion

Funde aus dem Neolithikum nahe dem heutigen Istanbuler Stadtteil Kadıköy und aus der Bronzezeit im Stadtteil Sultanahmed belegen, dass die Ufer des Bosporus schon sehr früh besiedelt waren. Bereits für die Griechen war diese Meerenge von entscheidender Bedeutung. Hier fuhren die Schiffe entlang, die Athen und andere Poleis mit Getreide aus der heutigen Ukraine versorgten. Zur Sicherung dieses strategisch wichtigen Punktes, der gleichzeitig Schlüsselstelle der Landverbindung von Europa nach Asien sowie des Seewegs von der Ägäis ins Schwarze Meer ist, wurde von mégarischen Siedlern um 685 v. Chr. die erste Kolonie auf der asiatischen Seite des Bosporus' gegründet: Kalchedon (griechisch: Καλχηδών), an der Stelle des heutigen Kadıköy.

In der bereits von Thrakern besiedelten Gegend auf der europäischen Seite kam es 17 Jahre nach der Gründung von Kalchedon zu einer zweiten Stadtgründung durch die Mégarer, zusammen mit Kolonisten aus Argos und Korinth. Der thrakische Name der neuen Siedlung, Byzantion (griech.: Βυζάντιον), wurde später als Stadt des legendären Anführers, Byzas aus Mégara, gedeutet. Die Neugründung, deren Gebiet etwa dem des Topkapi-Serail im heutigen Istanbuler Stadtteil Eminönü entsprach, lag auf der östlichen Spitze einer nördlich an das Goldene Horn und südlich an das Marmarameer angrenzenden Halbinsel. Da dieser Ort sehr viel geeigneter für eine Stadtgründung war, galt Kalchedon von da an als „Stadt der Blinden“, weil ihre Bewohner den hässlicheren Platz einem schöneren vorgezogenen hatten.

Aufgrund ihrer Lage waren die beiden Städte von nahezu allen Kriegen betroffen, die sich in den folgenden Jahrhunderten im griech-kleinasiatischen Raum abspielen sollten. Während des Ionischen Aufstands wurden beide Städte von den Persern belagert und eingenommen, woraufhin Teile der Bevölkerung auf andere griechische Schwarzmeerkolonien wie Mesambria auswichen. Nach den (aus persischer Sicht) erfolglosen Feldzügen gegen Griechenland wurde Byzantion oligarchisch. 478 v. Chr. wurde es vom Spartaner Pausanias eingenommen (siehe Thukydides I, 94). Dieser herrschte dort zwei Jahre, wurde dann aber von der Bevölkerung vertrieben. Seit 476 v. Chr. hatte Byzantion eine Demokratie als Regierungsform.

Sowohl Kalchedon als auch Byzantion waren Mitglieder im Attisch-Delischen Seebund, letzteres dabei mit sehr hohem Tribut. 411 v. Chr. traten beide nach einem Konflikt mit Samos zum Peloponnesischen Bund über, doch schon 409 v. Chr. wurden beide Städte durch Alkibiades für den Attisch-Delischen Seebund zurückerobert. Ab 387 v. Chr. stand Kalchedon unter persischer Oberherrschaft, 357 v. Chr. wurde es jedoch von Byzantion aus von den Persern befreit. Im Jahr darauf trat Byzantion aus dem mittlerweile geschwächten attischen Seebund aus. 340/339 v. Chr. belagerte der Makedonenkönig Philipp II. Byzantion vergeblich.

Kalchedon wurde 315 v. Chr. durch Zipoites belagert, jedoch löste Antigonos die Belagerung auf. 302/301 v. Chr. war die Belagerung erfolgreich, auf Vermittlung von Byzantion kam es zum Frieden. 281 v. Chr. traten beide Städte in die antiseleukidische Allianz ein. 220 v. Chr. kam es zu einem Wirtschaftskrieg Byzantions gegen Rhodos. In den Kriegen gegen Philipp V., Antiochos III. und Perseus standen beide Städte auf Seiten der Römer, 202 v. Chr. wurde Kalchedon aber von Philipp V. erobert. 196 v. Chr. kam es zur römischen Freiheitserklärung, Byzantion wurde „civitas libera et foederata“.

Unter Vespasian wurde Byzantion (latinisiert Byzantium) ins Römische Reich eingegliedert. Nachdem die Stadt seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. durch die Kontrolle des Seehandels eine wirtschaftliche Blüte erlebt hatte, wurde ihr Wachstum durch die Steuerpflicht gegenüber dem römischen Statthalter gebremst. Septimius Severus ließ die Stadt 196 n. Chr. zur Bestrafung für die Unterstützung seines Rivalen Pescennius Niger zerstören, auf Fürsprache Caracallas wurde es jedoch wieder aufgebaut. 258 wurden Byzantion und Kalchedon von den Goten geplündert und zerstört.

Spätantike und byzantinische Zeit

Hauptartikel: Konstantinopel
Belagerung von Konstantinopel (Ausschnitt aus einer Buchmalerei, 1455)
Gemälde aus dem Jahre 1499

Wegen der wachsenden Bedeutung der Osthälfte des Reiches wurde Byzantion 324 vom römischen Kaiser Konstantin I. als neue Hauptstadt, als „Neues Rom“ (lat.: Nova Roma), geplant und sechs Jahre später, am 11. Mai 330 als Constantinopolis (griech.: Κωνσταντινούπολις „Stadt des Konstantin“) feierlich eingeweiht. Die Stadt wurde auf das Fünffache der ursprünglichen Fläche vergrößert, und wie das Vorbild Rom auf sieben Hügeln errichtet. Auch die politischen und weltlichen Einrichtungen der alten Hauptstadt wurden bis ins Einzelne nachgeahmt. So erhielt Konstantinopel ein Kapitol, einen Circus für 100.000 Zuschauer, ein Forum (Forum Constantini) und eine Hauptverkehrsachse in ost-westlicher Richtung. Konstantinopel wurde konsequent als Mittelpunkt von Verwaltung, Wirtschaft und Kultur eines Reiches geplant und erfüllte diese Aufgabe (mit Unterbrechung) bis in die Neuzeit par excellence. Solange Byzanz stand, stand auch das (von der modernen Geschichtsschreibung sog.) Byzantinische Reich. Fiel es allerdings, fiel das Reich ebenso. In Konsequenz der zentralen Stellung wurde Konstantinopel auch zum kirchlichen Mittelpunkt. Der Bischof der Stadt, der sein Amt auf den Apostel Andreas zurückführte, war ab 451 Patriarch und beanspruchte herausgehobene Stellung.

Die Erweiterung Konstantinopels konnte aufgrund der geografischen Lage nur nach Westen hin erfolgen. Etwa 500 m westlich der von Konstantin errichteten Stadtmauer wurde 412 unter Theodosius II. eine neue, teilweise noch heute erhaltene Mauer errichtet und so das Areal der Stadt von sechs auf zwölf km² verdoppelt. Die Bevölkerung Konstantinopels wuchs rasch und ab einem gewissen Maß gegen den Willen der Herrscher, doch selbst Zuzugsbeschränkungen vermochten die Landflucht nicht zu verhindern. Die Versorgung der weit über 100.000 Einwohner stellte die Machthaber zeitweise vor Probleme, insbesondere im 7. Jahrhundert nach dem Verlust der „Kornkammer“ Ägypten an die Araber, wodurch die Einwohnerzahl wieder zurückging. Um die Warenversorgung sicherzustellen, wurden Häfen an der Küste zum Goldenen Horn und zum Marmarameer aus- oder neugebaut. Für die Versorgung der riesigen Hauptstadt mit Trinkwasser wurden mehrere Aquädukte aus dem nordwestlich gelegenen Hügelland errichtet, deren Wasser in mehreren, insgesamt 130.000 m³ fassenden, unterirdischen Zisternen (bspw. der 532 unter Justinian I. fertiggestellten Yerebatan Sarnıçı) gespeichert wurde. Allgemein erfasste die Kaiser eine „Baulust“ im 4.–6. Jahrhundert, von der auch Kalchedon – obwohl es ständig im Schatten von Konstantinopel stand – profitierte. So wurde der Hafen erweitert sowie Paläste und Kirchen gebaut.

Militärisch galt Konstantinopel lange Zeit als uneinnehmbar, zahlreiche Angriffe und Belagerungen scheiterten an den starken Mauern der Stadt. Zu einer ersten Bewährungsprobe kam es 626 durch den Angriff der Perser und Awaren. Die beiden abgewehrten Belagerungen durch die Araber in den Jahren 674–678 sowie 717/18 stoppten den Vormarsch der Muslime nach Europa, und sind ebenso wie die Schlacht bei Tours und Poitiers durch die Franken von welthistorischer Bedeutung. Während die Araber im Laufe des 8. bis 10. Jahrhunderts zurückgedrängt werden konnten, wurden die Bulgaren zur neuen Bedrohung für die Stadt. Zu einer ersten (ebenfalls erfolglosen) Belagerung kam es 813. Die Serie der Angriffe riss auch im 9. und 10. Jahrhundert nicht ab, als Bulgaren und Rus, im Jahr 1090 die Petschenegen, mehrfach den Versuch einer Eroberung Konstantinopels unternahmen. In der Regel führten diese Belagerung zur Verwüstung des thrakischen Umlands der Stadt, und auch das leichter befestigte Kalchedon wurde mehrfach von Persern und Arabern eingenommen, geplündert und zerstört. Infolge dessen sind dort heute kaum noch Spuren der byzantinischen Baukunst zu finden.

Trotz wiederkehrender Stadtbrände, Seuchen und Erdbeben blieb Konstantinopel bis ins Mittelalter eine der wenigen „Weltstädte“ (neben Bagdad und Córdoba), und die mit Abstand größte und wichtigste christliche Metropole. Unter Justinian erreichte sie im 6. Jahrhundert ihre erste Blüte, die Einwohnerzahl durchbrach die 500.000er Marke. Infolge des Nika-Aufstands war 532 fast das gesamte Stadtzentrum zerstört, was Justinian als willkommenen Anlass zu einer Neugestaltung des Stadtbildes nahm. Am bekanntesten und beeindruckendsten ist der in nur fünf Jahren errichtete Neubau der zerstörten Hagia Sophia, die damals wie heute von manchen als Achtes Weltwunder gefeiert wurde. In Justinians Amtszeit fällt allerdings auch die schwere Pestepidemie von 542, bei der zehntausende Menschen (manchen Schätzungen zufolge sogar die Hälfte der Stadtbevölkerung) starben. Bis Mitte des 8. Jahrhunderts ging die Einwohnerzahl nicht zuletzt aufgrund der Araber-Belagerung zurück, um dann allerdings bis ins 12. Jahrhundert auf etwa 700.000 Einwohner anzusteigen.

Gebietsverluste infolge militärischer Niederlagen (u. a. Schlacht von Manzikert im Jahr 1071) zwangen die Byzantiner am Ende des elften Jahrhunderts, Hilfe im christlichen Westen zu suchen. Dem Vordringen der Normannen über Süditalien bis auf das griechische Festland konnte nur dank der Venezianer Einhalt geboten werden, im Gegenzug wurden ihnen Handelsprivilegien, Zollnachlässe sowie eine Handelsniederlassung in Konstantinopel vertraglich zugesichert. Weitere Hilfsgesuche im Westen führten zum Ausruf des Ersten Kreuzzug durch Papst Urban II., infolge dessen ein Heer aus allen Teilen Westeuropas Richtung Konstantinopel zog, wo im April 1097 die letzten Abteilungen eintrafen. In der Metropole am Bospuros sahen die Kreuzfahrer eine fortschrittliche Infrastruktur, die sie aus keiner ihrer Städte auch nur annähernd kannten. Es gab Aquädukte, Bäder und Kanalisation, Kliniken mit Abteilungen für die unterschiedlichsten Krankheiten, eine große Universität, selbst Polizei und Feuerwehr. Händler aus aller Welt trafen sich auf den Basaren der Stadt, deren großer Reichtum auf dem Überseehandel beruhte. Kaiser Alexios I., der angesichts der barbarisch anmutenden Horden um seine Hauptstadt besorgt war, beeilte sich, das Kreuzfahrerheer auf die asiatische Seite des Bosporus zu befördern. Das gut 50.000 Mann starke Heer eroberte noch im selben Jahr die nahe gelegene Sultanats-Hauptstadt Nicäa und zog dann weiter Richtung Jerusalem. Dem bedrängten Konstantinopel war wieder etwas Luft verschafft worden.

Das traditionell freundliche Verhältnis der Byzantiner zu Venedig erlitt schon unter dem Sohn Kaiser Alexios I. erste Risse und schlug unter Manuel I. Komnenos endgültig in Misstrauen, Verachtung und Hass um, nicht zuletzt durch die immer wieder auf byzantinischem Boden ausgetragenen Machtkämpfe der Dogenrepublik mit Pisa und Genua. Die Griechen empfanden das anmaßende Auftreten der so genannten „Lateiner“ als Provokation. Die explosive Stimmung entlud sich 1171 in den „Lateinerpogromen“, als die byzantinische Regierung zuerst den Besitz tausender Venezianer konfiszierte und sie anschließlich einkerkerte. Damit brach Venedig der wichtigste Markt komplett weg, seine Existenz war bedroht. Angeblich wurde sogar der anschließend zu Verhandlungen angereiste Enrico Dandolo geblendet. Trotz eines 1177 beschlossenen Friedens beeinträchtigten das Ereignis der „Lateinerpogrome“ die Beziehung zwischen Konstantinopel und Venedig nachhaltig. Und so ist es nicht verwunderlich, dass 1202 ein von Venedig ausgerüstetes und vom Dogen Dandolo geführtes Kreuzfahrerheer die Eroberung Konstantinopels in Angriff nahm, unter dem Vorwand die dortigen Thronstreitigkeiten zu klären. Kaiser Alexios III. floh vor dem anrückenden Heer, und Isaak II. nahm (wieder) Platz auf dem Thron. Die Kreuzfahrer blieben trotz „getaner Arbeit“ in der Stadt. Als sie eine Moschee entdeckten (seit 718 gab es infolge der Niederlassung arabischer Händler eine muslimische Gemeinde und Moscheen in Konstantinopel) und anzündeten, zerstörte das dadurch entstandene Feuer ein ganzes Stadtviertel.

Nachdem Isaak II. sowie sein Sohn Alexios IV. (unter ungeklärten Umständen) starben und ihnen Alexios V. auf den Thron folgte, wurden die Kreuzfahrer aus der Stadt verwiesen. Diese bereiten daraufhin einen erneuten Angriff auf Konstantinopel vor. Am 13. April 1204 gelang es ihnen, die Stadt von der Seemauer am Goldenen Horn her zu stürmen. Die anschließende Plünderung der Stadt dauerte drei Tage. Viele Einwohner der kosmopolitischen Metropole wurden dabei getötet. Zahlreiche Monumente wurden zerstört, großartige Kunstwerke wurden vernichtet oder geraubt, etliche Bibliotheken niedergebrannt und eine große Anzahl der in Konstantinopel aufbewahrten Heiligenreliquien über ganz Europa zerstreut. Von der Zerstörung und Plünderung durch die Venezianer und Kreuzfahrer hat sich Konstantinopel für den Rest des Mittelalters im Grunde nicht wieder erholt.

Die Kreuzfahrer zerstückelten das Byzantinische Heerschaftsgebiet und errichteten das sog. Lateinische Kaiserreich. Dieses hielt nur kurz bestand, bereits 1261 eroberte ein Söldnerheer des von geflohenen byzantinischen Familien getragenen Kaiserreiches Nikaia die Stadt im Handstreich zurück. Das Byzantinische Reich wurde in vergleichsweise bescheidenem Umfang wiederhergestellt, verlor aber in der Folge immer weitere Gebiete seines Territoriums. Um 1300 hatte Konstantinopel noch etwa 100.000 Einwohner. Seine Rolle als wichtigstes Handelszentrum des Mittelmeers hatte es an die italienischen Hafenstädte, insbesondere Venedig, verloren. Die Italiener unterhielten Handelsniederlassungen im Stadtteil Pera (heute Beyoğlu) auf der nördlichen, europäischen Seite des Goldenen Horns.

1326 begann mit der Eroberung Bursas durch Osman I., einem Heerführer eines kleinen türkischen Stammes, der Siegeszug der Osmanen. In rascher Folge eroberten diese ganz Anatolien und Teile des europäischen Festlandes. Byzanz glich bald einer Insel im Osmanischen Reich. Im 15. Jahrhundert bestand es nur mehr aus dem eigentlichen Stadtgebiet und den umliegenden Dörfern, die Einwohnerzahl sank auf etwa 40.000 ab.

In der Nacht vom 28.–29. Mai 1453 hatte der Sultan der Türken eine Idee. Er holte seine Schiffe und wartete, bis die Byzantiner einschliefen und es ruhiger wurde. Der Sultan und seine Soldaten zogen ihre Schiffe mit Hilfe von Holzplatten und Tierfett vom Schwarzen Meer über das Festland bis in die Bucht von Konstantinopel. Gegen Morgen waren sie fertig, und die Byzantiner mussten zuschauen, wie das osmanische Reich ihre Stadt in nur 45 Minuten eroberte.

Viele Einwohner und Intellektuelle flohen nach Westeuropa und vor allem Norditalien, und nahmen dabei viele erhalten gebliebene Kopien antiker Schriftstücke mit. Diese verbreiteten sich durch die ungefähr gleichzeitig erfundene Buchdruck-Kunst schnell in Norditalien und lösten eine Welle der „Wiederentdeckung“ antiker Denkmodelle und Vorstellungen aus. Diese Wiederentdeckung beschleunigte den vielschichtigen Prozess, der heute als Renaissance bezeichnet wird.

Inzwischen prägten die muslimischen Herrscher, die Konstantinopel zur Hauptstadt ihres Reiches machten, das Stadtbild neu. Unzählige Kirchen, deren bedeutendste die Hagia Sophia war, wurden um Minarette ergänzt und zu Moscheen umgebaut. Bald durften die vertriebenen Griechen und Armenier zurückkehren und prägten das multikulturelle Bild einer im europäischen Vergleich der damaligen Zeit toleranten Metropole bis zum Ende des Osmanischen Reiches.

Osmanische Zeit

Hauptartikel: Istanbul

Nach der Eroberung nannten die Türken die Stadt im Alltagsgebrauch Istanbul, auch wenn der offizielle Name bis in die 1920er Jahre weiter Konstantinopel blieb; auch wird bis heute im griechischen Sprachbereich Konstandinúpoli gesagt. Der Name Istanbul (im deutschen Sprachraum früher auch Stambul) leitet sich aus dem griechischen εἰς τὴν πόλι(ν), in der Koine zu is tim boli(n) verschliffen, ab, was in die Stadt bedeutet und sich der Legende nach als Aufschrift auf Wegweisern in der Umgegend der Stadt Konstantinopel fand. Von den Türken wurde es als Name der Stadt verstanden.

Die Stadt wurde Residenz der Sultane und Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Sie behielt neben der politischen große wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung und ein internationales Gepräge. Selbst das Patriarchat blieb erhalten, bis 1821 spielten Griechen eine wichtige Rolle. Unter Süleyman dem Prächtigen (1520–1566) war Istanbul die Hauptstadt eines riesigen Reiches, das von Ungarn über Belgrad bis Bagdad und weit nach Nordafrika reichte. Das Osmanische Reich war am Gipfel seiner Macht, was sich in einer Vielzahl von Palästen und Moscheen des Architekten Sinan, des größten osmanischen Baumeister seiner Zeit, widerspiegelt. Bereits damals begann aber der Niedergang. Fehlende Reformen, korrupte Wesire, die Macht der Sultansfrauen sowie die Abschottung gegen moderne Tendenzen bewirkten, dass man trotz einer schönen Fassade im 19. Jahrhundert schließlich vom „kranken Mann am Bosporus“ sprach, wenn man das Osmanische Reich meinte.

Ab dem 17. Jahrhundert kam es zu einem massiven Zuzug von Armeniern aus allen Gebieten des Osmanischen Reichs. Mitte des 19. Jahrhunderts lebten bereits über 220.000 Armenier in Konstantinopel, die mit ihrer eigenen Kultur das Bild der Stadt mitprägten. Die Verfolgung der Armenier auch in der türkischen Hauptstadt ab 1915 setzte dem schließlich ein Ende.

Panorama-Ansicht Istanbuls vom Galataturm aus, um 1890. Links der Nordosten, im Vordergrund Galata, der Bosporus Richtung Schwarzes Meer, im Hintergrund das asiatische Ufer; in der Mitte der Bosporus-Ausgang zum Marmarameer, das Goldene Horn und die Altstadt; rechts der Westen, im Vordergrund das Hafenviertel.
Panorama-Ansicht Istanbuls vom Galataturm aus, um 1890. Links der Nordosten, im Vordergrund Galata, der Bosporus Richtung Schwarzes Meer, im Hintergrund das asiatische Ufer; in der Mitte der Bosporus-Ausgang zum Marmarameer, das Goldene Horn und die Altstadt; rechts der Westen, im Vordergrund das Hafenviertel.

Moderne Türkei

Konstantinopel um 1910

Im Ersten Weltkrieg schlug sich das Osmanische Reich auf die Seite der Mittelmächte und verlor. Im Frieden von Sèvres wurde das Reich unter den alliierten Siegermächten aufgeteilt und musste gewaltige Gebietsverluste hinnehmen. İstanbul mit den Meerengen Bosporus und Dardanellen wurde zunächst von den Alliierten besetzt; Griechenland plante die Wiedereroberung der Stadt und begann einen Kriegszug. Unter Mustafa Kemal, genannt Atatürk, begann ein Befreiungskrieg gegen die Griechen und Alliierten, der mit dem Vertrag von Lausanne endete – die Griechen von Konstantinopel durften als einzige weiter in der Türkei verbleiben. İstanbul verlor 1923 den Status als Hauptstadt der modernen Türkei an Ankara im zentralen Hochland Anatoliens, wohl auch, um sich von der Tradition der Osmanen abzugrenzen: Sultanat und Kalifat wurden abgeschafft, die arabische Schrift wurde durch die lateinische ersetzt, ein an westlichen Idealen orientiertes Bildungssystem wurde installiert, ein allgemeines Wahlrecht (auch für Frauen: vor vielen europäischen Staaten) eingeführt. İstanbul behielt jedoch die kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung bei, was durch den regen Zuzug von Menschen aus Anatolien seit den 1950er Jahren noch verstärkt wurde. In so genannten Gecekondus (über Nacht errichtete Hütten dürfen im islamischen Gewohnheitsrecht nicht ohne weiteres abgerissen werden) ließen sich diese an den Stadträndern nieder. Gigantische Bauprojekte über und unter der Erde waren die Folge, die jedoch mit dem rapiden Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten können.

1925 verbot Kemal Atatürk, inzwischen Gründer der Republik, die damals zahlreichen und mitgliederstarken Derwisch-Orden. Die meisten agierten anschließend im Geheimen, manche von ihnen haben noch in heutiger Zeit eine große Anhängerschaft. Um dem noch immer gültigen Verbot zu entgehen, treten diese aber meist als „Kulturvereine“ auf.

Der Alltag der noch in Istanbul lebenden christlichen und jüdischen Minderheiten war nach dem Ersten Weltkrieg von Diskriminierung und ständigen Repressalien geprägt. 1942 kam es zur Einführung einer Besonderen Vermögenssteuer (Varlık Vergisi), im September 1955 zum berüchtigten Pogrom von Istanbul. 1964 wurden schließlich rund 100.000 Griechen ohne türkische Staatsangehörigkeit des Landes verwiesen. Die Zahl der Armenier in Istanbul umfasst daher heute nur noch etwa 60.000, die Zahl der Griechen beläuft sich auf 2500.[1]

1994 wurde der jetzige Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan als Kandidat der Refah Partisi Bürgermeister.

Ende 2003 wurde die Stadt zum Ziel einer Serie verheerender terroristischer Anschläge. Am Samstag, dem 15. November, explodierte jeweils eine Autobombe vor Istanbuls größter Synagoge Neve Shalom sowie der davon fünf Kilometer entfernten Beth-Israel-Synagoge und beschädigten diese schwer. Etwa 20 Menschen kamen ums leben, mehr als 250 wurden zum Teil schwer verletzt. Am darauffolgenden Donnerstag, dem 20. November, kam es zu einem weiterem Anschlag, diesmal auf das Gebäude der britischen HSBC-Bank und des britischen Konsulats. Dabei werden etwa 30 Menschen getötet, über 450 verletzt. Als Täter wurden Islamisten ausfindig gemacht. Der erste Prozess gegen die Täter ging am 16. Januar 2007 zu Ende.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Human Rights Watch: Greece. The Turks of Western Thrace; 1999; S. 2, Fußnote

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