- Geschichte Kirgisistans
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Die turksprachigen Kirgisen wanderten vom 8. Jahrhundert an in das Gebiet des heutigen Kirgisistans ein. In den Wirren der Mongolen- und Dschungarenzeit (13.–18. Jahrhundert) verstärkte sich die Wanderungsbewegung an den Tianshan, und mit dem Ende des russischen Kolonialzeitalters und der Sowjetzeit entstand im 20. Jahrhundert schrittweise der heutige Staat.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte über die Mongolenherrschaft bis zum Khanat Kokand
Die Kirgisen siedelten ursprünglich am Jenissej, wo sie als sogenannte Jenissej-Kirgisen im 9. und 10. Jahrhundert ein Großreich formierten, von dessen Bedeutung archäologische Zeugnisse (Berg- und Ackerbau, Runenschrift, Straßenbau, Bewässerungsanlagen und kleinere Städte) zeugen.
Seit dem 8./9. Jahrhundert wanderten Gruppen der späteren Kirgisen in das Gebiet Kirgisistan ein, was anhand von einigen wenigen Hinweisen in Gestalt von Clan-Namen, Runeninschriften und Ortsnamen sichtbar ist. Mit den vom Mongolenreich und den westmongolischen Oiraten, die auch Dschungaren genannt werden, angestoßenen Wanderungen in der Steppe kamen wiederholt neue Kirgisen-Gruppen aus den ursprünglichen Stammesgebieten am Jenissej an den Tianshan und vermischten sich mit den Ansässigen, so dass sie dort schon im 16. Jahrhundert ein lokaler Machtfaktor wurden. – Die Kasachen wurden in der älteren Literatur zuweilen irrtümlich Kirgisen, Kasak-Kirgisen o.ä. bezeichnet.
Um 1219 wurde das Gebiet des heutigen Kirgisistans von den Mongolen Dschingis Khans erobert. Im 13. und 14. Jahrhundert gehörte es dann zum Reich des Tschagatai, eines Sohnes Dschingis Khans. Nach dem Zerfall dieses Staates wurden die Kirgisen im 16. Jahrhundert am Issyk-Kul relativ selbständig und stellten sich gegen die Khane. Der Tschagatai-Fürst Sa’id Khan (Regierungszeit ca. 1514–1533 in Kaschgar) setzte einen gewissen Muhammed als Herren über die Kirgisen ein, die gewöhnlich nur die Herrschaft der Ältesten kannten. Muhammed tätigte mehrere Überfälle, z.B. auf Taschkent. Auch Sa’id Khans Nachfolger Abdur Raschid (ca. 1533–1565 in Kaschgar) musste sich mit den Kirgisen auseinandersetzen.
Im späten 17. Jahrhundert gerieten die Kirgisen unter den Druck der Dschungaren und wanderten teilweise südwärts aus, während neue Gruppen aus dem Gefolge der Dschungaren vom Jenissej nachrückten. Nach der Vernichtung des Dschungarenreiches Mitte des 18. Jahrhunderts gehörte das heutige Kirgisistan formell zu China. In diesem Jahrhundert konnte sich der Islam, wenn auch eher oberflächlich und vergleichsweise spät, etablieren. Um 1830 fiel ein Teil des Landes vorübergehend an das Khanat Kokand.
Geschichte unter der Zarenzeit bis zur Sowjetrevolution
Um 1855 begann die russische Expansion, die sich das Siedlungsgebiet der Kirgisen schrittweise einverleibte. Der Nordteil des Landes wurde bis 1863 von den Truppen Michail Tschernjajews erobert. 1876 übernahm das Russische Reich mit der Besetzung des Alai-Tales die vollständige Herrschaft im Land.
1905 nahmen die Stammesfürsten der Kirgisen an einem „Kongress der turkestanischen Muslime“ teil. Dabei entstand die „Alasch-Bewegung“, die sich 1912 in die politische Partei „Alasch“ umwandelte. Neben den Stammesführern gehörte dieser Bewegung auch die junge kirgisische Intelligenz an. Am mittelasiatischen Aufstand gegen die Russen im Jahre 1916 nahmen auch die Kirgisen teil. Im Frühjahr 1917 wurde in Bischkek offiziell eine Sektion der Alasch Orda gegründet, die jedoch bereits 1919 unterging.
Geschichte innerhalb der UdSSR
1918 wurde auch Kirgisistan Teil der Turkestanischen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik, die Oktober 1924 aufgelöst wurde; neu gegründet wurde dann der Karakirgisische Autonome Bezirk (Autonome Oblast) innerhalb der Sowjetunion. Am 25. Mai 1925 wurde dieser in Kirgisischer Autonomer Bezirk (Autonome Oblast) umbenannt. Am 1. Februar 1926 wurde die Kirgisische ASSR im Rahmen der RSFSR gebildet. 1935 erfolgte die Erhebung zur Kirgisischen Sozialistischen Sowjetrepublik als Teil der Sowjetunion.
1988 schlossen sich nationalistische Kirgisen mit den benachbarten Kasachen zu einer neuen Alasch-Partei zusammen, die nun den Namen „Alasch – Partei der nationalen Unabhängigkeit“ trug. Viele ihrer Mitglieder kamen aus der rechtsnationalen Bürgerrechtsbewegung „Aschar“ (kirgisisch Acar = türkisch Aşar = deutsch Schlüssel), deren Hauptforderungen vor allem in der Aussiedlung der nichttürkischen Bevölkerungsminderheiten aus dem Land und der Übergabe ihrer Häuser an Kirgisen bestanden.
Am 15. Dezember 1990 erklärte Kirgisistan seine Souveränität innerhalb der UdSSR.
Geschichte seit der staatlichen Unabhängigkeit
Am 31. August 1991 erklärte das Parlament die Republik für unabhängig. Erster Staatspräsident wurde Askar Akajew, der seit 1990 Staatspräsident der Kirgisischen SSR gewesen war.
Die Ära Akajew 1991–2005
In den ersten Jahren seiner Präsidentschaft vollzog Akajew einen radikalen Schritt von der Plan- zur Marktwirtschaft. Er leitete eine Demokratisierung der politischen Strukturen ein; eine neue Verfassung wurde durch das Parlament im Mai 1993 verabschiedet. Nach seiner Wiederwahl 1995 begann Präsident Akajew seine Machtposition zu stärken: Durch eine 1996 per Referendum gebilligte Verfassungsänderung erhielt er weit gehende Kompetenzen in der Innen- und der Außenpolitik. Im Referendum von 1998 wurde die Macht des Parlaments beschränkt.
Ab Ende der 1990er Jahre – besonders nach den Überfällen von Freischärlern im Südwesten des Landes in den Jahren 1999 und 2000 und infolge der Ereignisse vom 11. September 2001 – zeichnete sich ein zunehmend autoritärer Regierungsstil Akajews ab. Sowohl die Parlamentswahlen im Februar/März 2000 wie auch die Präsidentschaftswahl am 29. Oktober 2000 wurden von der OSZE, die Beobachtermissionen entsandt hatte, als nicht den Kriterien der OSZE entsprechend kritisiert. Weitere Proteste im In- und Ausland lösten im März 2001 die Verurteilung des ehemaligen Ministers und Bischkeker Bürgermeisters Felix Kulow zu sieben Jahren Gefängnis wegen Amts- und Machtmissbrauchs, im Januar 2002 die Verhaftung des Parlamentariers Asimbek Beknasarow, ebenfalls wegen Machtmissbrauchs, und im März 2002 der Tod von fünf Demonstranten durch Polizeischüsse in der Stadt Aksy aus. Zwar herrschte insgesamt noch immer ein im Vergleich zu anderen zentralasiatischen Staaten eher liberales Klima mit einer aktiven und starken Zivilgesellschaft, aber positive Reformschritte wie Ansätze zu Reformen im Justizwesen und der Gefängnisverwaltung, Einführung von Wahlen auf Ebene der Lokaladministration u. a. waren begleitet von anhaltenden Einschüchterungsversuchen gegenüber unabhängigen Stimmen aus Presse und Opposition. In der Folge kam es häufiger zu Unruhen, in denen sich der ärmere Süden gegen den reicheren Norden erhob.
Nach den Parlamentswahlen am 27. Februar 2005, die nach Angaben von OSZE-Beobachtern nicht demokratischen Standards entsprachen, kam es zu Unruhen, die zur so genannten Tulpenrevolution führten. Präsident Akajew und seine Regierung traten unter dem Druck der Demonstrationen am 24. März 2005 zurück. Akajew floh nach Russland, wo ihm Asyl gewährt wurde. Oppositionsführer Kurmanbek Bakijew wurde zum Übergangspräsidenten bestimmt und bei den Präsidentschaftswahlen am 10. Juli im Amt bestätigt. Sein Partner Felix Kulow wurde Regierungschef.
Die Jahre seit der „Tulpenrevolution“ 2005
Nach einem Zerwürfnis der beiden ging Kulow in die Opposition. Bakijew initiierte ein Verfassungsreferendum, das die Position des Staatspräsidenten stärken sollte, sowie eine Wahlrechtsänderung beinhaltete, die u.a. kleine Parteien benachteiligt. Die Änderungsvorschläge des Präsidenten wurden in der Abstimmung am 21. Oktober 2007 mit großer Mehrheit angenommen. Bakijew löste daraufhin das Parlament auf und setzte Neuwahlen an. Bei den Wahlen am 16. Dezember 2007 siegte seine Partei Ak Dschol mit knapp 50 % der Stimmen. Beobachter beurteilten Referendum und Parlamentswahl als nicht fair.[1] Auch die Präsidentschaftswahlen am 23. Juli 2009, bei denen Bakijew mit 76,1 % der Stimmen im Amt bestätigt wurde, wurden von der Opposition und internationalen Beobachtern als unfair bezeichnet.[2]
Krise 2010
Bei Demonstrationen gegen die Regierung wurden im April 2010 Dutzende Menschen getötet, darunter soll auch der Innenminister Moldomussa Kongantijew gewesen sein, was später jedoch dementiert wurde.[3] Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Kirgisistans, Almasbek Atambajew, und weitere Oppositionelle wurden festgenommen. Gleichzeitig verhängte Präsident Bakijew in Bischkek sowie im Norden des Landes den Ausnahmezustand und eine nächtliche Ausgangssperre.[4][5] Die Opposition verkündete am 7. April 2010 den Sturz der Regierung und die Einrichtung einer Übergangsregierung unter der Ex-Außenministerin Rosa Otunbajewa. Präsident Bakijew weigerte sich zunächst zurückzutreten und flüchtete in die Stadt Dschalalabat im Süden des Landes.[6] Eine Woche nach dem Aufstand in Kirgisistan erklärte Bakijew jedoch seinen Rücktritt und setzte sich ins benachbarte Kasachstan ab.[7]
Am 27. Juni 2010 stimmte die Bevölkerung Kirgisistans einer umfassenden Verfassungsänderung zu, die die Einrichtung einer Parlamentarischen Republik vorsieht.[8] Überschattet wurde das Referendum im Vorfeld durch schwere Ausschreitungen im Süden des Landes. Bei Auseinandersetzungen zwischen Kirgisen und Angehörigen der usbekischen Minderheit kamen in den Städten Osch und Dschalalabat bis zu 2000 Menschen ums Leben.[9]
Am 10. Oktober 2010 fand die erste Parlamentswahl nach der Annahme der neuen Verfassung statt.[10]
Einzelnachweise
- ↑ Wahlen in Kirgistan verfehlen OSZE-Standards. Deutsche Welle online, 17. Dezember 2007
- ↑ Neue Zürcher Zeitung: OSZE kritisiert Präsidentenwahl in Kirgistan, 24. Juli 2009.
- ↑ Tote bei Protesten gegen Präsident Bakijew (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ Viele Tote bei blutigen Unruhen in Kirgistan Welt Online, 7. April 2010
- ↑ Opposition protestiert hartnäckig Focus Online, 7. April 2010
- ↑ Bakijew klebt an der Macht Focus Online, 9. April 2010
- ↑ Kirgistans Präsident Bakijew tritt offiziell zurück Welt Online, 16. April 2010
- ↑ Spiegel Online: Kirgisen stimmen neuer Verfassung zu, 27. Juni 2010.
- ↑ Spiegel Online: Übergangsregierung rechnet mit 2000 Todesopfern, 18. Juni 2010.
- ↑ Schwierige Koalitionsverhandlungen. In: ORF. 11. Oktober 2010, abgerufen am 11. Oktober 2010 (deutsch).
Weblinks
Commons: Geschichte Kirgisistans – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien47 asiatische Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen:
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